30 Jahre Rostock-Lichtenhagen

Der Rassismus ist noch nicht überwunden Von Heiko Kauffmann [Red.] Das folgende Interview anlässlich des 30. Jahrestages der Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen hat uns Heiko Kauffmann, Mitbegründer und langjähriger Sprecher von PRO ASYL, freundlicherweise zur Verfügung gestellt.1 Wir verweisen in diesem Zusammenhang auch auf die Broschüre des DISS von 1992 „SchlagZeilen. Rostock: Rassismus in den Medien“, die in der DISS-Bibliothek online einsehbar ist.2 Vor 30 Jahren fand im Rostocker Ortsteil Lichtenhagen das größte rassistische Pogrom der deutschen Nachkriegsgeschichte statt. Vom 22. bis 26. August 1992 griffen hunderte Rechtsextreme die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAst) an und setzten das danebengelegene Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter*innen in Brand – nur knapp entkamen die dort lebenden Menschen dem Tod. Tausende Zuschauer*innen applaudierten, die Polizei versagte dabei, die Angegriffenen zu schützen, und die Politiker*innen missbrauchten den Vorfall im…

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32 Jahre Deutsche Einheit – Ergebnisse des „Deutschlandmonitors“

Von Florentina Berisha und Christian Hoeps Pünktlich zum 32. Jahrestag der deutschen Einheit ist der Bericht des Ostbeauftragten der Bundesregierung, Carsten Schneider, Staatsminister beim Bundeskanzler und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland, mit dem Titel „Ostdeutschland. Ein neuer Blick“ erschienen.1 Die Betonung liegt auf „neu“, denn der Bericht möchte sich nicht allein in „negativen Assoziationen“ (3) ergehen, sondern auch positive Entwicklungstendenzen aufzeigen und deutlich machen, dass bedenkliche Trends, wenngleich in unterschiedlicher Stärke, sowohl in Ost- wie Westdeutschland zu beobachten sind. Während im ersten Teil des Berichts ost- und westdeutsche AutorInnen über ihre Erfahrungen Auskunft geben, wird im zweiten Teil, auf den wir im Folgenden näher eingehen, der sogenannte „Deutschlandmonitor“ (S. 89–116) vorgestellt, der sich mit den Einstellungen der Menschen in Ost und West zur Demokratie & Politik in Deutschland befasst.2 Hierzu wurden zwischen dem…

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Ungleichheit, Vertrauensverlust und Ausgrenzung

Von Peter Höhmann 1. Vorbemerkung Der Beitrag befasst sich mit politischen Konsequenzen, die durch die dauerhafte Zunahme ungleicher Lebensverhältnisse zu erwarten sind. In diesem Zusammenhang betont zwar der letzte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, dass „im Zuge der günstigen wirtschaftlichen Entwicklungen der Jahre vor 2020 die mittleren Einkommen mindestens ebenso stark gestiegen sind wie die Einkommen im unteren Bereich der Einkommensverteilung“, und folgert daraus, dass kein deutliches Sinken der Ungleichheit eingetreten sei. (S.9) Diese Diagnose konzentriert sich allerdings nur auf den aktuellen Trend ungleicher Einkommen. Auf der Grundlage eines sichtbaren Fortbestands der Armutsbevölkerung sind jedoch zugleich weitere Fragen zu stellen, die besonders die sozialen Folgen dieser langfristig anhaltenden Situation in den Blick nehmen. Hier setzt der Beitrag an, der sich auf die Situation in der Bundesrepublik konzentriert. Sein Ausgangspunkt war zunächst die allgemeine…

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Pronti. Bereit, wozu?

Italienische Mediendiskurse zum Wahlsieg des Meloni-Bündnisses Von Jörg Senf Nach der Parlamentswahl vom 25. September 2022 steht Italien nun ein rechtspopulistisch „postfaschistisches“ Regierungs-Bündnis bevor, als Ministerpräsidentin zum ersten Mal eine Frau, die von der internationalen Presse unmittelbar als Italy‘s most far-right prime minister since Mussolini eingeschätzt wird (CNN 25.9.). Ein Ereignis dieser Tragweite ließe eine turbulente Dynamik im italienischen Mediendiskurs erwarten. Ausgehend vom Wahlplakat der Mehrheitspartei Fratelli d’Italia (FdI), auf dem Giorgia Meloni sich mit dem Schlagwort Pronti – „(Wir sind) Bereit“ – präsentiert (s. Abb.), sind Auseinandersetzungen über die Frage vorauszusehen: Wozu ist sie bereit? Wozu ihre Partei, wozu ihre Bündnispartner Berlusconi und Salvini, wozu ihre Wählerschaft? Ein erster Blick auf den italienischen Mediendiskurs vor, zu und kurz nach den Wahlen1 erweist sich hier jedoch überraschenderweise als nicht allzu ergiebig. Turbulente politisch mediale…

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Die Partei und ihr Vorfeld. Das Konzept der Mosaik-Rechten

Von Helmut Kellershohn Einer der wichtigsten Beiträge zur Strategiedebatte der Neuen Rechten in den letzten Jahren stammt von Benedikt Kaiser. Im April 2017 (also vor der Bundestagswahl 2017) erschien der Artikel „Mosaik-Rechte und Jugendbewegung“ in der Zeitschrift des Instituts für Staatspolitik (IfS), der Sezession (H. 77), im Dezember 2019 folgte „Mosaik-Rechte: eine Aktualisierung“ (Sezession 93). Eine Ausweitung und Neujustierung legt Kaiser nunmehr (2022) mit seinem Büchlein „Die Partei und ihr Vorfeld“ in der kaplaken-Reihe (Bd. 81) des Instituts für Staatspolitik (IfS) vor. Für die strategische Ausrichtung sowohl der AfD (v.a. in Ostdeutschland) als auch des IfS im „Heißen Herbst“ (siehe den diesbezüglichen Beitrag in diesem Heft) sind die Überlegungen Kaisers von nicht unerheblicher Bedeutung. Der folgende Beitrag geht dem strategischen Konzept in seiner zeitlichen und begrifflichen Entwicklung nach. Partei, Bewegung, Bewegungsintellektuelle Angeregt durch…

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Vom Ukrainekrieg zum „Heißen Herbst“

Die AfD und neurechte „Bewegungsintellektuelle“ hoffen auf Machtgewinn Von Helmut Kellershohn Den jüngsten Eklat in der AfD hinsichtlich ihrer Haltung zum Ukrainekrieg bot die Reise dreier Landtagsabgeordneter (Hans-Thomas Tillschneider, Daniel Wald und Christian Blex) nach Russland. Geplant war auch ein Abstecher der „Putinversteher“ in den Donbass. Die AfD-Parteispitze war nach eigenen Angaben nicht in die Reise eingeweiht und distanzierte sich davon (RP v. 21.09.2022). Die Reise wurde von den Abgeordneten abgebrochen. Das Beispiel zeigt die Unstimmigkeiten und internen Spannungen in der AfD,1 die man eigentlich ungern öffentlich kommuniziert wissen möchte. Der folgende Beitrag untersucht die offizielle Haltung der AfD (in Gestalt ihrer Bundestagsfraktion) zum Ukrainekrieg und ihre Interpretation aus dem Munde ihres außenpolitischen Vordenkers Alexander Gauland. Mittlerweile hat sich die Aufmerksamkeit der Partei auf die wirtschafts- und sozialpolitischen Folgen des Krieges in Deutschland…

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Schlaglichter des Kriegsdiskurses

Eine kleine Inventarauswahl zum öffentlichen Sprachgebrauch im Frühjahr 2022 von Felix Tripps, Friedemann Vogel und der Forschungsgruppe »Diskursmonitor« Spätestens seit dem Angriff und Einmarsch Russlands in der Ukraine dominiert der Krieg auch die bundesdeutschen Debatten und schlägt sich im Sprachgebrauch nieder. Die folgende Inventarisierung von diskursprägenden Wortfeldern, Schlagwörtern und Topoi bildet lediglich einen kleinen Ausschnitt des Geschehens ab und fokussiert vor allem jene Phänomene, die über allgemeine Kriegsdiskurse hinaus in der aktuellen Auseinandersetzung eine besondere Rolle einnehmen. Die Sammlung stammt aus kontinuierlichen Beobachtungen und Diskussionen in der Forschungsgruppe »Diskursmonitor und Diskursintervention« (https://diskursmonitor.de), die sich seit 2019 um die Erfassung, Systematisierung und Dokumentation von strategischen Kommunikationspraktiken bemüht. Eine systematische Erhebung und korpusbasierte Auswertung sprachlicher, visueller und audiovisueller Zeichen im und um den Krieg stehen noch aus. Neben der Übersicht über einige diskursprägende Schlagworte, Wortfelder…

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In der Hitze der Schlacht

Wenn Imperialisten Imperialisten Imperialisten nennen Von Lina Ganowski Zunächst einmal empfehle ich, die Frage danach, wie denn sonst die überfallene Ukraine sich gegen Russland (genannt Putin) wehren könnte als mit »schweren Waffen« aus deutscher Wertarbeit, überhaupt nicht zu beantworten. Das ist keine nachdenkliche Frage, sondern eine suggestive. Das ist keine Frage um Rat, sondern eine Beschuldigung. Die, denen diese Frage gestellt wird, sind denen, die sie stellen, keine Rechenschaft schuldig. Die, denen diese Wie-denn-sonst-Fragen gestellt werden, haben die Probleme, für die, die diese Fragen stellen, keine andere Lösung wissen als den Status quo, nicht zu verantworten. Wer war es denn nicht, der das Wettrüsten vorantrieb, besserenfalls guthieß, dem bestenfalls nichts daran auffiel? »Kein Kommentar« ist auch ein Kommentar, oft der beste, so auch hier. »Der Hauptfeind steht im eigenen Land« ist eine Fundamentalthese,…

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Widerstand gegen den Krieg

Nicht-militärische Resistenzen Von Guido Arnold Vielfach belächelt und als ›aus der Zeit gefallen‹ diskreditiert: eine fundamentale Ablehnung (der Logik) des Krieges, ob pazifistisch motiviert oder aus einem (militanten) Antimilitarismus heraus. Es gibt sie dennoch, die nicht-militärischen Widerstände, die darauf abzielen, Kriege zu blockieren, zu sabotieren und zu desertieren. Es gibt sie in Russland, in der Ukraine und auch hier in Deutschland. In Belarus bestimmen sie sogar maßgeblich das Kriegsgeschehen – nicht weil sie im Sinne eines Partisaninnenkampfes eine unüberwindbare, quasi-militärische Stärke entwickeln, sondern weil sie manifeste Risse einer ohnehin angeschlagenen ›Gefolgschaft‹ gegenüber dem Lukaschenko-Regime darstellen und eine brüchige ›Heimatfront‹ glaubhaft zersetzen. Die in Weißrussland breit getragene Kriegsablehnung hält Putin und Lukaschenko (bisher) von einer aktiven Beteiligung der belarussischen Armee an direkten Kampfhandlungen ab. In einer Zeitenwende der nahezu ungebremsten Militarisierung Europas können nicht…

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Feministischer Frieden?

Von Melanie Stitz Zerbombte Städte und die Geschichten der Menschen, die in diesem (Ukraine-)Krieg leiden und sterben, machen fassungslos, wütend, traurig und ratlos. Zuschauen ist schier unerträglich. Jetzt und sofort muss gehandelt werden und Schluss sein mit Zaudern und Fragen nach dem Woher und Wohin, lautet der Tenor. »Vaterlandsverräter*innen«, »Feiglinge« und Zweifler*innen, Hoffnungsträger*innen in jedem Krieg, haben einen schweren Stand dieser Tage. Obwohl sich laut Umfragen etwa die Hälfte der Bevölkerung hierzulande gegen Waffenlieferungen ausspricht, hat sich die mediale Debatte deutlich verhärtet: »Handeln« wird enggeführt auf militärischen Beistand, alles andere gleichgesetzt mit »Dulden« und »Nichtstun«. Aber auch alle Versuche, die Logik von Krieg und Eskalation zu durchbrechen und eine friedliche Zukunft zu bauen, sind Arbeit – unendlich mühsam, unsäglich schwer, sie brauchen all unseren Verstand, Empathie, langen Atem. Wie kann ein »Danach«, das…

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