„Zahraas Erwartungen in ihrem Traumland“

Von Krieg, Mut und Hoffnungen: ein Interview mit einer Syrerin, die nach Deutschland geflohen ist Von Berivan Slemann „Alle fragen: Warum willst du noch studieren? Du bist zu alt!  Der wahre Grund seid ihr. Das ist eure Schuld. Also ohne Aufenthaltserlaubnis darf man nicht an Sprachkursen teilnehmen“ (Zahraa)   Zahraa wurde zu ihren Fluchterfahrungen und ihrer Einstellung zur deutschen Flüchtlingspolitik interviewt. Ihre Antworten werden im Folgenden zusammengefasst und eingeordnet. Dies ist ein Versuch, zu zeigen, wie Menschen darauf reagieren, wenn sie durch Krieg und ein autoritäres Regime gezwungen werden, ihre Heimat zu verlassen und sich kriminellen Fluchthelfern anzuvertrauen. Am Anfang des Artikels sollte angemerkt werden, dass meine Wahl dieses Themas auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass ich die tragischen Momente und Härten einer Flucht aus Syrien selbst erlebt habe und sie deshalb gut…

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Körperliche Selbstbestimmung – für wen?

Der feministische Diskurs um Abtreibung   Von Hannah Kaufmann Das Thema Abtreibung ist und war ein zentrales Anliegen für die feministische Bewegung. Während sich einige noch an die Aktion „Ich habe abgetrieben“ im Stern 1971 erinnern, denken andere an die entgegengesetzte Lebensschutzbewegung, die Märsche für das Leben, oder zuletzt an die verheerende Entscheidung um Roe vs. Wade in den USA. In Deutschland ist Abtreibung seit 1871 durch den Paragraf 218 im Strafgesetzbuch illegal, heute jedoch bei bestimmten Indikationen nicht strafbar. Seit den 1930er Jahren gab es zusätzlich den § 219a, der es Ärzt*innen verbot, über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren. Jahrzehntelang kämpfte die deutsche feministische Bewegung gegen diese Regelungen. Zwei zentrale Ereignisse prägten und verstärkten den Diskurs um Abtreibung in den letzten Jahren und stecken somit einen Rahmen ab, in dem eine Kritische Diskursanalyse interessant…

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Verteidigung einer Illusion

Von Nadja Kutscher Grundlage des folgenden Textes ist die aktuelle Veröffentlichung der Autorin im transcript Verlag mit dem Titel: „Das Narrativ vom ‚großen Austausch’. Rassismus, Sexismus und Antifeminismus im neurechten Untergangsmythos“. Sie basiert auf einer im Vorjahr am Lehrstuhl für Menschenrechte der Universität Erlangen-Nürnberg eingereichten Dissertation. Für diese wurden per Kritischer Diskursanalyse (vgl. Jäger 2015) Texte aus den extrem rechten Publikationen Compact-Magazin und Sezession ausgewertet. Geburten und Migration sind in extrem rechten Milieus seit Langem zwei Kernpunkte einer Erzählung: der des bedrohten, sterbenden, im Austausch begriffenen Volkes. Das Narrativ vom ‚großen Austausch’, das seit Jahren besonders von Mitgliedern der sogenannten Neuen Rechten[1] verbreitet wird (Weiß 2017), vereint unter dieser Themenverknüpfung alle menschenverachtenden Topoi der extremen Rechten. Der österreichische Identitäre Martin Sellner, beschreibt in einem Kapitel der deutschen Übersetzung von Renaud Camus’ Buch „Revolte…

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Religion und Macht

Ein DISS-Gutachten zum Christlichen Fundamentalismus trägt Alarmierendes zusammen. Von Jobst Paul Unter dem Titel Religion und Macht. Zum extremistischen Potenzial des christlichen Fundamentalismus hat das DISS soeben ein Gutachten fertiggestellt. Im Auftrag von CoRE-NRW, einem wissenschaftlichen Netzwerk, das sich mit den Bedingungen und Formen extremistischer Radikalisierung sowie wirksamen Gegenmaßnahmen beschäftigt, wurden in dem Gutachten Daten, Aspekte und Themen zusammengetragen, die insgesamt ein alarmierendes Bild abgeben. Insbesondere wird festgestellt, dass die Exekutiven und Legislativen angesichts der hohen Konzentration auf die Bedrohungslage durch den islamistischen Terrorismus weitgehend übersehen haben, dass sich seit Jahren Radikalisierungsprozesse aufseiten christlicher Gruppierungen abzeichnen, die für die demokratische Stabilität und die Grundrechte in Deutschland eine nicht minder große Gefahr darstellen können. Zu wenig beachtet wurde z.B., dass die islamistische Radikalisierung teilweise sogar zum Vorwand für eine christlich-fundamentalistisch motivierte Bewegung (vgl. PEGIDA),…

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Das Europakonzept der AfD 2023

Von Helmut Kellershohn Seit ihren Anfängen verfolgt die AfD eine gegenüber der EU und dem Euro skeptische bis ablehnende Politik, die sich im Laufe der Zeit mit ihren programmatischen Forderungen verschärft hat. Im Kern geht es ihr zum einen um eine Renationalisierung der Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik sowie weiterer Politikfelder wie der Außen-, Sicherheits-, Migrations- und Klimapolitik. Zum anderen ringt sie um die Frage, ob die Renationalisierung vermittels einer Reform der EU (im Sinne eines Rückbaus), eines einseitigen Austritts oder einer einvernehmlichen Auflösung der EU in Verbindung mit der „Neugründung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“ (so im Grundsatzprogramm von 2016) herbeigeführt werden soll. Im Folgenden gehe ich auf die beiden Europawahlprogramme der AfD von 2019 und 2023 (hier: Leitantrag der Bundesprogrammkommission) näher ein, um die Entwicklung der AfD-Programmatik bzgl. ihrer Haltung zur EU nachzuzeichnen. Dass…

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Materielle Ungleichheit und Veränderungen politischer Teilnahme

Sekundäre Anpassungen an ökonomische Entwicklungen in Nordrhein-Westfalen Von Peter Höhmann   „Die Herren machen das selbst, dass ihnen der gemeine Mann feind wird.“ (Thomas Müntzer) Vorbemerkung Der Beitrag befasst sich mit den Folgen der ungleichen ökonomischen Veränderungen in den Städten und regionalen Kreisen Nordrhein-Westfalens (NRW). Er geht dazu besonders auf Verbindungen zwischen diesen Wandlungsvorgängen und politischen Reaktionen in der Wohnbevölkerung ein, die als Konsequenz dieser Änderungen besonders nachhaltig auftreten können. Allgemein haben neben vielen weiteren einschlägigen Arbeiten für die Entwicklungen in den Städten vor allem Hartmut Häusermann und Walter Siebel (1987) in ihrer Ausarbeitung einer neuen Urbanität auf die Veränderungen zwischen wirtschaftlicher Produktion und sozialen Integrationsmustern in Richtung zunehmender Spaltung zwischen verschiedenen Lebensstilen und den offenen wie verschlossenen Handlungsspielräumen innerhalb der Sozialstruktur aufmerksam gemacht.[1] Der Beitrag greift diesen Zusammenhang auf. Er verweist zunächst…

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Was ist falsch in der Rede von Lars Klingbeil?

Zur „grundlegende(n) Neupositionierung sozialdemokratischer Außen- und Sicherheitspolitik“ Von Wilfried Schollenberger Anlass Der russische Einmarsch in die Ukraine hat die Friedensbewegung, im engeren wie im weiteren Sinn, tief gespalten. Dabei zeichnet sich eine grundsätzliche Wende in der deutschen und (west-)europäischen Außenpolitik ab. „Frieden schaffen ohne Waffen“ war ja keine rein pazifistische Parole. Sie war Ausdruck der Erkenntnis, dass ein friedliches Zusammenleben von Staaten mit teilweise gegensätzlichen Interessen und Werten nur auf der Grundlage von Kooperation und Ausgleich möglich ist und rein militärisch keinesfalls (langfristig) erreicht werden kann. Im Prinzip wurde diese Einsicht selbst von Politikern wie Helmut Schmidt[1] geteilt, die auch ein militärisches Gleichgewicht für notwendig hielten. Deshalb ist die aktuelle Debatte um außenpolitische Grundsätze von einem Kampf um die Neu-Interpretation der Geschichte nach dem zweiten Weltkrieg geprägt. Ein Beispiel ist die Rede des…

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Vom Krieg in der Ukraine zur neuen Blockkonfrontation

  Von Wolfgang Kastrup In der westlich medialen Berichterstattung dominiert der Krieg in der Ukraine weiterhin, ebenso die eindeutige Parteinahme. „Der Kampf um die Einordnung der Staatenwelt in die antirussische Front bestimmt heute die internationale Politik.“ (Gegenstandpunkt 3-23, 66) Drei aktive Kriegsteilnehmer, Russland, die Ukraine und mit ihr die von den USA angeführte NATO, sind damit befasst, das kriegerische Töten und das Verwüsten des Landes immer weiter eskalieren zu lassen. Immer mehr angeblich „rote Linien“ der militärischen Unterstützung für die Ukraine sind nach und nach von der NATO überschritten worden. Waren es anfangs die Kampfpanzer, dann die Kampfflugzeuge, dann die von den USA gelieferte international geächtete Streumunition und jetzt die in der Diskussion stehenden Taurus-Marschflugkörper. Die militärische Schlagkraft der ukrainischen Armee hängt eindeutig von dem Nachschub westlicher Waffensysteme ab. Auch die Ausbildung ukrainischer…

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Mit dem Bürgergeld in die Hängematte

Kontinuität und Wandel beim „Sozialmissbrauch“ Von Ursula Kreft und Hans Uske „Sozialmissbrauch“ ist seit Jahrzehnten ein häufig erwähntes, zentrales Thema in Debatten und Medien-Berichten über den Sozialstaat, aktuell auch bei der Einführung und der Erhöhung des „Bürgergelds“. Wir nehmen dies als Anlass für einen kleinen Rückblick auf Kontinuität und Wandel populärer Vorstellungen über den Sozialstaat und den immer wieder vermuteten Missbrauch, verbunden mit einem kleinen Ausblick.   Welche Argumentationsfiguren kennzeichnen die Redeweise vom „Sozialmissbrauch“? Bei Äußerungen über „Sozialmissbrauch“ fallen bestimmte Argumentationsfiguren besonders auf, weil sie in den Medien wie in politischen Reden über Jahrzehnte hinweg immer wieder auftauchen. Wir wollen zunächst zwei zentrale Argumentationsfiguren anhand von Beispielen aus früheren Jahren skizzieren, um dann darzustellen, was sich im Diskursstrang zum „Sozialmissbrauch“ verändert hat und was nicht.   Dichotomie als Basis: „Wir“ als Opfer, „Sie“…

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Erst stirbt das Recht, dann der Mensch

30 Jahre nach Grundgesetzänderung & Solingen Von Heiko Kauffmann, Mai 2023 Am 26. Mai 1993 beschneidet der Bundestag das Asylrecht im Grundgesetz. Nur drei Tage später brennt in Solingen das Haus von Familie Genç. Beide Ereignisse können nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Nur wenige Ereignisse in der jüngeren Geschichte unseres Landes haben Gesellschaft und Politik so aufgewühlt und tief gespalten. Wenn auch heute noch nach Gründen und Erklärungen für das Entstehen der AfD, für die Verbreitung von rassistischem und rechtsextremistischem Gedankengut und für das Versagen der Politik und der deutschen Behörden im Zusammenhang mit der Aufklärung der NSU-Mordserie sowie rechter Gewalt in Halle, Hanau und anderenorts gesucht wird, dann müssen diese Daten, der 26. Mai 1993 mit der Zerstörung des Asyl-Grundrechts und der 29. Mai 1993 mit den fünf Toten und 14 Verletzten…

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