Lesetipp von Wolfgang Kastrup Nach dem ersten Band von Recht – Staat –Kritik mit dem Untertitel Rechts- und Staatskritik nach Marx und Paschukanis aus dem Jahr 2017, ist nun der zweite Band von Recht –Staat –Kritik, ebenfalls herausgegeben von der AG Rechtskritik, im Verlag Bertz+Fischer erschienen. Der Untertitel lautet Rechtskritik mit Louis Althusser. Der französische Philosoph Louis Althusser (1918-1990) war einer der einflussreichsten marxistischen Theoretiker des 20. Jahrhunderts. Er war Lehrer von Michel Foucault, Jacques Derrida, Nicos Poulantzas, Bernard-Henri Lévy, Jacques Rancière und Étienne Balibar. Für die Herausgeber prägen Herrschaft, Ausbeutung und Fremdbestimmung unseren Alltag. Die Konflikte, die durch die Krisenhaftigkeit des kapitalistischen Systems entstehen, werden durch die engen Bahnen des Rechts geleitet, formalisiert und systemkonform neutralisiert. (Vgl. 7) Diese Zusammenhänge zu analysieren war und ist das Anliegen der AG Rechtskritik. Um den…
Buchbesprechung von Wolfgang Kastrup Im Verlag Westfälisches Dampfboot ist aktuell ein Sammelband erschienen, der der Bedeutung und der neuen Konjunktur der Regulationstheorie Rechnung trägt: Etienne Schneider/Felix Syrovatka (Hrsg.): Politische Ökonomie der „Zeitenwende“. Perspektiven der Regulationstheorie. Aus regulationstheoretischer Sichtweise unternimmt der Band eine Bestandsaufnahme aktueller kapitalistischer Veränderungsdynamiken und analysiert an unterschiedlichen Politikbereichen das Verhältnis von Kontinuität und Bruch. Deshalb ist dieses Buch wohl als eine Weiterentwicklung des Sammelbandes Fit für die Krise? Perspektiven der Regulationstheorie zu verstehen, ebenfalls im Verlag Westfälisches Dampfboot (2013) erschienen. Durch die gesellschaftstheoretische Fundierung der Regulationstheorie ist es möglich, nicht nur aktuelle Krisenprozesse zu erklären, sondern diese auch in einem umfangreicheren Rahmen politökonomisch zu analysieren. „Denn wenn heute von ‚Zeitenwende‘ und ‚Polykrise‘ die Rede ist, dann ist dies eben auch als Suche nach Begriffen zu verstehen, mit denen sich die…
Wirtschaftlicher Konkurrent und geostrategischer Rivale Von Wolfgang Kastrup Mit der Modernisierungspolitik von Deng Xiaoping 1978 sind in China nicht nur marktwirtschaftliche Reformen in Kraft getreten, sondern es ist ein neues kapitalistisches System entstanden, um dem Ziel näherzukommen, wieder Großmacht, wenn nicht gar Weltmacht zu werden. Für Renate Dillmann ist die Wende zur kapitalistischen Entwicklung in China genau datierbar. Entscheidend sei hier der Beschluss der Kommunistischen Partei unter Deng Xiaoping von 1978 gewesen „ihre bisherige sozialistische Planwirtschaft zu ‚reformieren‘ bzw. ‚transformieren‘, weil sie sich von der Einführung ‚kapitalistischer Methoden‘ eine schnellere Entwicklung des Landes und den Wiederaufstieg der chinesischen Nation erhoffte“. (Renate Dillmann: Kapitalistisch auf Chinesisch, in: analyse & kritik v. 21. März 2023) Auch für Uwe Hoering gelang es der Volksrepublik seit dem Ende der 1970er Jahren mit ihren besonderen Merkmalen wie dem…
Rezension von Wolfgang Kastrup Janina Puder: Akkumulation – Überausbeutung – Migration, Frankfurt/M.: Campus Verlag Frankfurt/ New York 2022, 343 Seiten, 44,00 Euro, ISBN 978-3-593-51639-4 Die vorliegende Veröffentlichung der Forschungsarbeit Akkumulation – Überausbeutung – Migration von Janina Puder, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Kassel, basiert auf ihrer Dissertation. Titel und Untertitel des Buches Arbeit im malaysischen Palmöl-Industriellen-Komplex verweisen speziell auf die Überausbeutung niedrigqualifizierter Arbeitsmigrant*innen am Beispiel des malaysischen Palmölsektors. Palmöl wird hauptsächlich in Malaysia und Indonesien angebaut und ist eines der wichtigsten Pflanzenöle auf dem Weltmarkt. In zahlreichen Nahrungsmitteln und Kosmetikprodukten ist der Rohstoff Bestandteil; zudem eignet sich Palmöl im Besonderen zur Herstellung „vermeintlich ökologisch nachhaltigen Biokraftstoffen“. (15) Auf der bisher wenig beachteten spezifischen Ausbeutung von Migrant*innen mit niedriger Qualifikation in diesem Palmölsektor liegt der Schwerpunkt der Untersuchung von Puder. Dabei bleibt der gravierende…
Rezension von Wolfgang Kastrup Heide Gerstenberger: Staatsgewalten, Münster, Verlag Westfälisches Dampfboot 2023, 322 Seiten, 32 Euro, ISBN 978-3-89691-090-5 Heide Gerstenberger, emeritierte Professorin für die Theorie der bürgerlichen Gesellschaft und des Staates an der Universität Bremen, hat mit Staatsgewalten ein neues Buch veröffentlicht, das 2023 im Verlag Westfälisches Dampfboot erschienen ist. Bekannt ist Heide Gerstenberger vor allem durch ihre beiden herausragenden Werke Die subjektlose Gewalt. Theorie der Entstehung bürgerlicher Staatsgewalt und Markt und Gewalt. Die Funktionsweise des historischen Kapitalismus. Für letzteres Buch wurde sie 2023 mit dem Isaac and Tamara Deutscher Memorial Prize von der Historical Materialism Konferenz ausgezeichnet. Seit 1969 wird dieser Preis in Erinnerung an Isaac Deutscher jährlich für herausragende marxistisch orientierte Publikationen verliehen. Die in dem neuen Buch versammelten Analysen, erstveröffentlicht in verschiedenen Büchern und Zeitschriften von den 1970er Jahren bis…
Von Wolfgang Kastrup Von vielen westlichen Politiker*innen und Medien wurde und wird eine atomare Eskalation von Seiten Russlands im Ukraine-Krieg als Panikmache, als Bluff und als bewusste russische Propaganda abgetan. Nun jedoch enthüllten die New York Times und CNN (vgl. der Freitag v. 14.03 2024), dass im Herbst 2022 die Welt am Rande eines Atomkriegs stand. Ranghohe russische Militärs erwogen infolge ukrainischer Geländegewinne in Richtung der Krim den Einsatz taktischer Atomwaffen. US-Präsident Biden wurde von seinen Geheimdiensten umgehend informiert und der Nationale Sicherheitsrat der USA trat zusammen. Auch Kanzler Scholz wurde von Biden unterrichtet. Mit der fehlgeschlagenen Offensive des ukrainischen Militärs endete die Krise. Auch im Februar 2024 wurden von US-Geheimdiensten erneut Gespräche russischer Militärs abgefangen, in denen wiederum über einen möglichen Atomwaffeneinsatz gesprochen wurde. Ausgangspunkt für diese Gespräche war die Forderung westlicher…
Von Wolfgang Kastrup Freerk Huisken: Frieden. Eine Kritik Freerk Huisken: Frieden. Eine Kritik. Aus aktuellem Anlass, Hamburg: VSA 2023, 150 Seiten, 12,00 Euro, ISBN 978-3-96488-193-9 Aus Anlass des Ukrainekrieges hat Freerk Huisken, Professor im Ruhestand an der Universität Bremen, ein neues Buch Frieden. Eine Kritik. Aus aktuellem Anlass herausgegeben. Wie der Titel schon deutlich macht, kommen hier abweichende Meinungen zum Thema Frieden zum Ausdruck. Es geht dem Autor um die Frage, was Friedenspropaganda, -appelle und -politik, von denen gesprochen wird, beinhalten, und weshalb im Ukrainekrieg die westliche Friedensordnung militärisch verteidigt wird. Die Rede vom Frieden beherrscht die hiesige politische Debatte als moralische Rechtfertigung der westlichen bzw. deutschen Kriegsbeteiligung gegen „das Böse“ in Gestalt der Russischen Föderation und im Besonderen in Gestalt des russischen Präsidenten Putin. Aus der Friedensmoral wird für Huisken…
Rezension von Wolfgang Kastrup Karl Lauschke: „Die Gegenwart als Werden erfassen“. Inhalt, politischer Kontext und Rezeption von Georg Lukács‘ Geschichte und Klassenbewusstsein, Münster: Westfälisches Dampfboot 2023, 528 Seiten, 38 Euro, ISBN 978-3-89691-085-1 Karl Lauschke, Sozial- und Wirtschaftshistoriker, hat sich mit seinem aktuell im Verlag Westfälisches Dampfboot erschienenen Buch „Die Gegenwart als Werden erfassen“. Inhalt, politischer Kontext und Rezeption von Georg Lukács‘ Geschichte und Klassenbewusstsein der Aufgabe gestellt, das berühmte Werk von Lukács „als eine Monographie zu betrachten, also als ein Buch, das ein Thema behandelt, Schritt für Schritt analysiert und auch hätte heißen können: ‚Die Bedeutung des Klassenbewusstseins im Klassenkampf des Proletariats‘“ (13). Obwohl sich Georg Lukács (1885-1971), ungarischer Philosoph und Parteimitglied der ungarischen KP, von seinem bekanntesten Buch Geschichte und Klassenbewusstsein, 1923 im Malik Verlag in Berlin erschienen, selbstkritisch wegen der…
Kohei Saito neues Buch „Systemsturz“ Rezension von Wolfgang Kastrup Kohei Saito: Systemsturz. Der Sieg der Natur über den Kapitalismus, München: dtv 2023, 316 Seiten, 25 Euro, ISBN 978-3-423-28369-4 Der japanische Wissenschaftler Kohei Saito, Associate Professor für Philosophie an der Universität von Tokio, hat nach dem 2016 erschienenen Buch Natur gegen Kapital wieder ein neues Werk veröffentlich, das in Japan im Original über eine halbe Million Mal verkauft wurde. Der prägnante Titel lautet Systemsturz. Der Sieg der Natur über den Kapitalismus. Es geht in der Analyse des Buches um die Verflechtung von Kapital, Gesellschaft und Natur im Anthropozän, wobei dieses Zeitalter, wie er zum Schluss schreibt, besser „Kapitalozän“ (277) genannt werden sollte, da der Kapitalismus den Planeten zerstört, die Ursachen des Klimawandels also im System des Kapitalismus zu suchen sind. Um es…
Von Wolfgang Kastrup In der westlich medialen Berichterstattung dominiert der Krieg in der Ukraine weiterhin, ebenso die eindeutige Parteinahme. „Der Kampf um die Einordnung der Staatenwelt in die antirussische Front bestimmt heute die internationale Politik.“ (Gegenstandpunkt 3-23, 66) Drei aktive Kriegsteilnehmer, Russland, die Ukraine und mit ihr die von den USA angeführte NATO, sind damit befasst, das kriegerische Töten und das Verwüsten des Landes immer weiter eskalieren zu lassen. Immer mehr angeblich „rote Linien“ der militärischen Unterstützung für die Ukraine sind nach und nach von der NATO überschritten worden. Waren es anfangs die Kampfpanzer, dann die Kampfflugzeuge, dann die von den USA gelieferte international geächtete Streumunition und jetzt die in der Diskussion stehenden Taurus-Marschflugkörper. Die militärische Schlagkraft der ukrainischen Armee hängt eindeutig von dem Nachschub westlicher Waffensysteme ab. Auch die Ausbildung ukrainischer…