Normalismus und Antagonismus in der Postmoderne

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Von Jürgen Link. Erschienen in DISS-Journal 36 (2018) Spätestens seit der »Finanzkrise« 2007-2012 streiten zwei zeitdiagnostische Positionen: Zum einen die Vertreter der »Gelassenheit«, die großenteils nicht wissen, dass sie in Heideggers Fußtapfen marschieren. Sie sagen im Grunde: Krisen hat es immer gegeben – in linker Fassung: Der Kapitalismus ist eine ununter­brochene Krise – also sind die aktuellen Krisen nichts Besonderes, sie sind normal. Die rechte Fassung lautet: Naja, die »Finanzkrise« war schon ganz schön heavy, aber die Genies unserer Zentralbanken haben alles normalisiert. Dagegen stehen die Normalismusskeptiker, wie man sie nennen könnte. Sie diagnos­tizieren eine Schlag auf Schlag eskalierende Kette von Krisen mit den aktuellen Höhepunkten der sog. »Flüchtlingskrise«, der »Populismuskrise« und einer politischen Hegemoniekrise, als deren deutlichstes Symptom sie die inzwischen präkollaptive Lage der SPD und der globalen Sozialdemokratie überhaupt betrachten. Sie…

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Autoritarismus im Namen der Frauenrechte

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Die gesellschaftspolitischen Folgen der Silvester-Ereignisse Von Isolde Aigner. Erschienen in DISS-Journal 33 (2017) Die sexuellen Übergriffe an Frauen in Köln und anderen Großstädten an Silvester 2015 haben innerhalb weniger Tage eine öffentlich-mediale Debatte um sexualisierte Gewalt ausgelöst, die wochenlang die Titelseiten dominierte. Dabei trat insbesondere eine Ethnisierung von Sexismus ((Eine Ethnisierung von Sexismus zeichnet sich nach Margarete Jäger dadurch aus, dass bestimmte sexistische (oder frauenfeindliche Haltungen und Verhaltensweise zum Charakteristikum einer bestimmten ‚Ethnie’ gemacht werden, indem beispielsweise behauptet wird, dass türkische oder muslimische Männer sexistisch seien und Frauen in besonderer Weise unterdrückten.)) in Erscheinung, indem sexualisierte Gewalt vor allem Einwanderern und Geflüchteten, also den ‚Anderen’ zugeschrieben wurde. Zwar gab es damals auch Gegendiskurse, die eine rassistische Instrumentalisierung der Silvester-Ereignisse ((Silvester-Ereignisse bezeichnen das diskursive Ereignis um Silvester.)) kritisierten und zurückwiesen, wie zum Beispiel die…

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Pegida und der Mainstream

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Von Regina Wamper. Erschienen in DISS-Journal 32 (2016) Seit sich im Oktober 2014 die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) in Dresden versammelten, wird ihre politische Einordnung im mediopolitischen Diskurs kontrovers diskutiert. In Hinblick auf die gesellschaftliche Herausforderung, in kurzer Zeit mehrere hunderttausend geflüchtete Menschen in Deutschland aufzunehmen, vertrat neben der AfD vor allem Pegida die Position einer strikten Reglementierung von Einwanderung. Pegida offenbarte damit eine politische Sichtweise, die gesellschaftliche Prozesse mit kulturalistischen und rassistischen Inhalten unterfütterte. Mit diesen Positionen konnte Pegida durchaus aber auch an den politischen Mainstream anschließen. Die Rezeption von Pegida im politischen Mainstream warf vor allem die Fragen auf, wie Pegida in die politische Landschaft einzuordnen sei und wie die Gesellschaft mit Pegida umgehen solle. ((Die folgenden Ergebnisse gehen auf eine Studie des DISS zurück, die die…

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Die Massenflucht zwischen Denormalisierung, Normalisierung…

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... und transnormalistischen Alternativen. Von Jürgen Link. Erschienen in DISS-Journal 31 (2016) 1. Zunächst einmal ist die große „Flüchtlingskrise“ von 2015ff. das größte Rätsel des hegemonialen mediopolitischen Diskurses seit 2001. Völlig verschiedene diskursive Erklärungsmuster schwirren durcheinander. Ist diese Krise ein isoliertes Ereignis, das plötzlich vom Himmel schicksalhafter „Fluchtursachen“ über Europa bzw. über „Deutschland“ hereingebrochen ist - so wie 2001 „Nine Eleven“ tatsächlich vom Himmel über die USA kam? Oder war es, wie Schäuble mit ironischem Dementi erklärte, die ungeschickte Skifahrerin Angela, die die „Lawine lostrat“, als sie am 5. September 2015 unter Bruch der „europäischen Hausordnung“ von Dublin und Schengen die deutsche Grenze öffnete? Oder aber ist diese Krise gar nicht isoliert, sondern bloß der Höhepunkt einer „Kette“ von Krisen seit 2007 oder sogar seit 2001, wie es die Begriffe „Krisenschwemme“, „Multikrise“ und…

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Grenzen ziehen ohne Obergrenze

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Die Normalisierung der „Flüchtlingskrise“ Von Ursula Kreft und Hans Uske. Erschienen in DISS-Journal 31 (2016) Manche Begriffe haben eine kurze Halbwertzeit. Kaum jemand redet zurzeit noch von der „Obergrenze“, die 2015 existentiell wichtig war und gefühlte tausend Mal in Talkshows und Kommentaren diskutiert, bestimmt, verworfen und problematisiert wurde. Lebendig geblieben ist dagegen die „Flüchtlingskrise“, obwohl zurzeit nur noch wenige Flüchtlinge deutschen Boden erreichen. Was ist passiert? Und wird jetzt alles wieder normal?   „Flüchtlingskrise“: Die De-Normalisierung der Asylpolitik seit Sommer 2015 In Rückblicken auf den Sommer 2015 dominierten Anfang 2016 diskursive Ereignisse vom Typ des „Sommermärchens“ mit der Willkommenskultur der ehrenamtlichen Unterstützer/innen und Varianten der Parole „Wir schaffen das“. Die Ereignisse im Sommer 2015 waren aber auch der Beginn der De-Normalisierung der damals praktizierten Asylpolitik. Die Zahlen der Asylsuchenden waren zwar schon in…

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Die „analytische Untauglichkeit“ des Extremismusbegriffs

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Eine Rezension von Michael Lausberg, erschienen in DISS-Journal 30 (2015) Das normative Extremismuskonzept wird wegen seiner Eindimensionalität der komplexen gesellschaftlich-politischen Wirklichkeit kaum gerecht. Eine neuere Untersuchung über den Wandel und die Funktion des Begriffes von 1968 bis 2001 zeigt dessen funktionale Unzulänglichkeit. Dieses Buch, das im Rahmen des Forschungsseminars „Repräsentation sozialer Ungleichheit und sozialer Konflikte“ an der TU Dresden entstanden ist, thematisiert die Extremismussemantik in der BRD und will sich „historisch-empirisch mit der konkreten Wechselseitigkeit politischer Umstände, der Funktion und dem Wandel“ des Extremismusbegriffs auseinandersetzen. Es werden seine etymologischen Wurzeln untersucht, die Evolution des Diskurses anhand signifikanter diskursiver Ereignisse zwischen 1968 und 2001 nachgezeichnet und schließlich die „analytische Untauglichkeit des Begriffs“ (14) offengelegt. Methodisch wird auf die Ansätze der kritischen Diskursanalyse Siegfried Jägers und der Normalismustheorie Jürgen Links sowie auf die historisch-semantische Herangehensweise…

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Jetzt kommen die Bilder aus Deutschland

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Der Migrations- und Fluchtdiskurs in italienischen Medien Von Jörg Senf, erschienen in DISS-Journal 30 (2015) Über zweieinhalb Jahrzehnte waren es vornehmlich Bilder aus Italien, die den europäischen Mediendiskurs zum Thema Flüchtlinge speisten. Die kontinuierlich an die süditalienischen Küsten drängenden „vollen Boote“ – 1991 aus Albanien, später vor allem aus Nordafrika – boten eine Kollektivsymbolik, ((S. dazu: Das „Sysykoll“. Kollektivsymbolik als diskurstragende Kategorie, am Beispiel von Konfliktdiskursen. In: Margarete Jäger / Siegfried Jäger 2007: Deutungskämpfe. Theorie und Praxis Kritischer Diskursanalyse Wiesbaden: VS Verlag. 39-59, besonders 47.)) an der sich je nach örtlicher und politischer Distanz unterschiedliche Reaktionen, Ängste und Medienereignisse festmachen ließen. Mit der Verschiebung der Fluchtbewegungen von der zentralen Mittelmeerroute, insbesondere auf dem Balkan-Landweg nach Nordeuropa, ist nun – im September 2015 – eine Inversion in der Bildspende eingetreten: Es sind Bilder aus…

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Eine diskurspraktische Initiative

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Für eine faire Berichterstattung über demokratische Entscheidungen in Griechenland Von Jürgen Link. Erschienen in DISS-Journal 29 (2015) Als die Wahlen vom 25. Januar 2015 in Griechenland angekündigt wurden und die Mehrheit der deutschen Main­stream­medien sofort auf Kalten-Kriegs-Modus gegen den befürchteten Sieg von Syriza schaltete, veröffentlichte die Zeitschrift kultuRRevolution den hier dokumentierten Appell. Dieser bereits vor der Wahl von über hundert Erstunterzeichnenden aus allen deutschgriechischen und philhellenischen Milieus getragene Appell erhielt nach der Wahl in Deutschland und Griechenland und erhielt bis Mitte Mai circa 1600 Unterschriften. Alle zehn Punkte des Appells waren absichtlich prognostisch so formuliert, dass sie im weiteren Verlauf erst ihre ganze Relevanz erweisen würden. Das bestätigte sich in einem teilweise erschreckenden, so nicht für möglich gehalteten Ausmaß. Mit welcher erpresserischen Energie etwa Minister Schäuble seine Euro-Kollegen gleichschaltete, um die neue griechische…

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Ausnahmezustand

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Diskursanalyse des G8-Gipfels in Heiligendamm ((Dieser Artikel stellt komprimiert die Ergebnisse einer längeren Forschungsarbeit vor, die im Sommer 2015 im Universi Verlag unter dem Titel „Ausnahmezustand im Sicherheits- und Krisendiskurs“ erscheinen wird.)) Von Anna-Lena Dießelmann. Erschienen in DISS-Journal 29 (2014) Gegenwärtige Katastrophen und Krisen lassen vermuten, dass das Verhältnis zwischen dem Normalverlauf und dem Ausnahmezustand immer häufiger ins Wanken gerät. Es gibt keine ausgewogenen langen Phasen eines planmäßigen Systemverlaufs mit seltenen, je kurzen Unterbrechungen (mehr). Ausdrücke wie Notstand ((Kursivierungen markieren im Folgenden Ausdrücke, die als Topoi im Analysekorpus vorkommen, GROSSBUCHSTABEN dahingegen die analytisch gewonnenen, übergeordneten Kategorien LAGE und FEIND.)) und Krise gewinnen deshalb eine charakteristische Ambivalenz: Einerseits stehen sie für den Inbegriff „außerdiskursiver“ Ereignisse (Balke et al. 1992), andererseits müssen sie per definitionem „ausgerufen“, also diskursiv zirkuliert werden. Darin besteht ihre linguistische oder…

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»Normaler« Terror?

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Zu den Thesen von Giorgio Agamben. Von Jürgen Link. Erschienen in DISS-Journal 11 (2003) (= Gemeinsames Sonderheft des DISS-Journals und der kultuRRevolution zum Irak-Krieg). In seinem Essay »Der Gewahrsam. Ausnahmezustand als Weltordnung « (FAZ 19.4.2003) hat Giorgio Agamben der politischen Ausrichtung der Supermacht nach dem 11.9.2001 und damit dem seitherigen Weltzustand die wohl gleichermaßen radikalste, intelligenteste wie alarmierendste Diagnose gestellt. Diese Diagnose ergibt sich aus einer Weiterführung und Aktualisierung der Analytik politischer Tiefenstrukturen entsprechend dem Verhältnis zwischen Ausnahme- und Normalzustand, wie es in verschiedenen Facetten von Carl Schmitt, Walter Benjamin und Hannah Arendt reflektiert wurde. Agambens Resultat ist voller Shock and Awe: Wenn »Guantánamo« tatsächlich nicht einmalige und möglichst umgehend zu beendende Ausnahme, sondern nur symbolischer Beginn einer global dominierenden Tendenz sein sollte, dann wäre die Unterstellung von Analogien zur Horrorzeit 1914-1945 mit…

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