ZeitenWende zwischen apokalyptischer Eskalation, Sackgassen und Fluchtlinien

Interdiskurs- und normalismustheoretische Analyse Von Jürgen Link Der hegemoniale mediopolitische Diskurs spricht von »Zeitenwende« und »Paradigmawechsel«. Große historische Ereignisse bedeuten für alle dominanten und viele subdominante gesellschaftliche Zyklen einen Chock, der ihre vorgängigen Tendenzen entweder verstärkt oder sie schwächt bis hin zur ›Abschaltung‹. Vor allem erschüttert ein solches Ereignis die vorgängige Struktur der interzyklischen Kopplungen. Am deutlichsten ist das im aktuellen Fall sichtbar an der enormen Stärkung des militärischen Zyklus innerhalb des Zyklenkombinats.1 Mit dieser Formulierung wurde zu Beginn des Ukrainekrieges versucht, das schwierige Problem zu umreißen, wie sich Ereignisgeschichte und Strukturgeschichte integriert zusammendenken lassen – und das auch noch mitten im aktuellen Prozess. Zum einen wird der Krieg (zunächst vom mediopolitischen Diskurs) als Folge von Ereignissen erzählt, zum Beispiel: Am 24. Februar ist die russische Armee auf breiter Front in die Ukraine…

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Die ›Ukraine-Krise‹ und ihre tendenzielle Dynamik

Punkte für eine struktural-funktionale Analyse Von Jürgen Link Ende Februar 2022 Vorbemerkung Der folgende Text wurde direkt im Anschluss an die erste Putinrede vom 21.2.2022 und vor der Großoffensive vom 24. verfasst. Ich hatte mit dieser Großoffensive nicht gerechnet und allenfalls die Besetzung des gesamten Donbass als eines ›Cordon sanitaire‹ gegen eine erwartbare ukrainische Offensive zur Rückeroberung der ›Volksrepubliken‹ und der Krim erwartet. Ich lasse den Text, der teilweise unvollständig ist, unverändert stehen, weil die Großeskalation von russischer Seite nichts an der Analyse ändert, lediglich die beschriebene Eskalationsdynamik gleich auf eine sehr viel höhere Stufe gehoben hat. Ich füge am Schluss dazu einige Aktualisierungen, ebenfalls in Klammern, hinzu. * »Ein großer Krieg, und die gesamten Klimaziele, die wir haben, können Sie alle einstampfen.« Wolfgang Ischinger (WAZ 3.12.2019) Die folgenden Punkte versuchen, die wichtigsten…

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»Deutschland – aber normal« (AfD)

Was heißt hier »aber«? von Jürgen Link In Corona-Zeiten, in denen eine Massenstimmung geradezu erschütternder ›Sehnsucht nach Normalität‹ weit verbreitet zu sein scheint, versucht die AfD, dieser Massenstimmung mit ihrer Wahlkampfparole eine eindeutige Richtung zu geben. Diese Richtung steckt offenbar in dem alles andere als ›deutschen Klartext‹ redenden Wörtchen »aber«. Schaut man in dem sehr umfangreichen Programm nach, so findet man »normal« fast gar nicht – außer in Zeile 304 des Entwurfs, wo die AfD verspricht, die deutsche »Volkswirtschaft auf einen normalen Entwicklungspfad zurückzuführen«. Das ist der eine von zwei kleinsten gemeinsamen Nennern jedes Normalismus: die Basiskurve des Normalwachstums (neben der der Normalverteilung). Normalwachstum wollen selbstverständlich alle (außer dissidenten Wachstumskritikern). Das »aber« muss sich also suggestiv auf Forderungen beziehen, die sich bloß implizit als »normal« präsentieren. Das wiederum bedeutet, dass »normal« als beliebig…

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Nicht atomisieren lassen!

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Normalismustheoretische Thesen zur „Corona-Krise“ Von Jürgen Link, 19.3.2020 1. In der jetzigen Situation der Notstände braucht es belastbare Theorien mit Analyseinstrumenten eben über Notstands- bzw. Ausnahmeregime. Dazu gehört die seit den 1980er Jahren entwickelte Normalismustheorie. Denn: Ohne ein belastbares, aktuell operatives Konzept von Antagonismus kein belastbares Konzept von Notstand – und ohne ein Konzept von Normalismus kein aktuell operatives Konzept von Antagonismus. ... -> Weiterlesen auf der Seite der kultuRRevolution

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Normalismus und Antagonismus in der Postmoderne

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Von Jürgen Link. Erschienen in DISS-Journal 36 (2018) Spätestens seit der »Finanzkrise« 2007-2012 streiten zwei zeitdiagnostische Positionen: Zum einen die Vertreter der »Gelassenheit«, die großenteils nicht wissen, dass sie in Heideggers Fußtapfen marschieren. Sie sagen im Grunde: Krisen hat es immer gegeben – in linker Fassung: Der Kapitalismus ist eine ununter­brochene Krise – also sind die aktuellen Krisen nichts Besonderes, sie sind normal. Die rechte Fassung lautet: Naja, die »Finanzkrise« war schon ganz schön heavy, aber die Genies unserer Zentralbanken haben alles normalisiert. Dagegen stehen die Normalismusskeptiker, wie man sie nennen könnte. Sie diagnos­tizieren eine Schlag auf Schlag eskalierende Kette von Krisen mit den aktuellen Höhepunkten der sog. »Flüchtlingskrise«, der »Populismuskrise« und einer politischen Hegemoniekrise, als deren deutlichstes Symptom sie die inzwischen präkollaptive Lage der SPD und der globalen Sozialdemokratie überhaupt betrachten. Sie…

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Die Massenflucht zwischen Denormalisierung, Normalisierung…

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... und transnormalistischen Alternativen. Von Jürgen Link. Erschienen in DISS-Journal 31 (2016) 1. Zunächst einmal ist die große „Flüchtlingskrise“ von 2015ff. das größte Rätsel des hegemonialen mediopolitischen Diskurses seit 2001. Völlig verschiedene diskursive Erklärungsmuster schwirren durcheinander. Ist diese Krise ein isoliertes Ereignis, das plötzlich vom Himmel schicksalhafter „Fluchtursachen“ über Europa bzw. über „Deutschland“ hereingebrochen ist - so wie 2001 „Nine Eleven“ tatsächlich vom Himmel über die USA kam? Oder war es, wie Schäuble mit ironischem Dementi erklärte, die ungeschickte Skifahrerin Angela, die die „Lawine lostrat“, als sie am 5. September 2015 unter Bruch der „europäischen Hausordnung“ von Dublin und Schengen die deutsche Grenze öffnete? Oder aber ist diese Krise gar nicht isoliert, sondern bloß der Höhepunkt einer „Kette“ von Krisen seit 2007 oder sogar seit 2001, wie es die Begriffe „Krisenschwemme“, „Multikrise“ und…

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Eine diskurspraktische Initiative

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Für eine faire Berichterstattung über demokratische Entscheidungen in Griechenland Von Jürgen Link. Erschienen in DISS-Journal 29 (2015) Als die Wahlen vom 25. Januar 2015 in Griechenland angekündigt wurden und die Mehrheit der deutschen Main­stream­medien sofort auf Kalten-Kriegs-Modus gegen den befürchteten Sieg von Syriza schaltete, veröffentlichte die Zeitschrift kultuRRevolution den hier dokumentierten Appell. Dieser bereits vor der Wahl von über hundert Erstunterzeichnenden aus allen deutschgriechischen und philhellenischen Milieus getragene Appell erhielt nach der Wahl in Deutschland und Griechenland und erhielt bis Mitte Mai circa 1600 Unterschriften. Alle zehn Punkte des Appells waren absichtlich prognostisch so formuliert, dass sie im weiteren Verlauf erst ihre ganze Relevanz erweisen würden. Das bestätigte sich in einem teilweise erschreckenden, so nicht für möglich gehalteten Ausmaß. Mit welcher erpresserischen Energie etwa Minister Schäuble seine Euro-Kollegen gleichschaltete, um die neue griechische…

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»Normaler« Terror?

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Zu den Thesen von Giorgio Agamben. Von Jürgen Link. Erschienen in DISS-Journal 11 (2003) (= Gemeinsames Sonderheft des DISS-Journals und der kultuRRevolution zum Irak-Krieg). In seinem Essay »Der Gewahrsam. Ausnahmezustand als Weltordnung « (FAZ 19.4.2003) hat Giorgio Agamben der politischen Ausrichtung der Supermacht nach dem 11.9.2001 und damit dem seitherigen Weltzustand die wohl gleichermaßen radikalste, intelligenteste wie alarmierendste Diagnose gestellt. Diese Diagnose ergibt sich aus einer Weiterführung und Aktualisierung der Analytik politischer Tiefenstrukturen entsprechend dem Verhältnis zwischen Ausnahme- und Normalzustand, wie es in verschiedenen Facetten von Carl Schmitt, Walter Benjamin und Hannah Arendt reflektiert wurde. Agambens Resultat ist voller Shock and Awe: Wenn »Guantánamo« tatsächlich nicht einmalige und möglichst umgehend zu beendende Ausnahme, sondern nur symbolischer Beginn einer global dominierenden Tendenz sein sollte, dann wäre die Unterstellung von Analogien zur Horrorzeit 1914-1945 mit…

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„Exit(us)-Strategie“ in Afghanistan?

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Unser Appell wird täglich aktueller! ((Gemeint ist der Appell: Heraus aus der Sackgasse in Afghanistan. http://www.diss-duisburg.de/2010/12/heraus-aus-der-sackgasse-in-afghanistan/)) Von Jürgen Link. Erschienen in DISS-Journal 19 (2010) Nicht bloß Merkel und Guttenberg, auch Gabriel und Trittin (sowie ihre willigen Abstimmer) hatten es sich so schön gedacht: Wir erzählen was von „Ausbildung“ und „Exit-Strategie“, und das „Thema“ kommt dann wieder aus den Schlagzeilen, so dass „unsere Soldatinnen und Soldaten“ ihren schmutzigen Krieg wieder „normal“ abgeschottet von der Öffentlichkeit weiterführen können. Aber „das Thema“ tut ihnen den Gefallen nicht: Es geht einfach nicht raus aus den Schlagzeilen. Und dabei bestätigen sich einer nach dem anderen jene Punkte, die den Appell „Heraus aus der Sackgasse in Afghanistan“ spezifisch von anderen Appellen unterscheiden. Was sind diese spezifischen Punkte? Zuerst einmal beschränkt sich der Appell nicht einfach auf Forderungen wie „Kein…

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Der Kollaps der SPD, das Beben der Normalität und die neue Lage

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Von Jürgen Link. Erschienen in DISS-Journal 18 (2009) Um es im Kollektivsymbol des medizinischen Körpers auszudrücken: Die SPD hat einen „Kollaps“ erlitten. Wobei SPD meint: ihre Rolle als (hegemoniale) „Volkspartei der linken Mitte“ seit dem Godesberger Programm ist kollabiert. Das wiederum bedeutet die größte Denormalisierung des politischen Systems der Bundesrepublik seit Godesberg. Das zeigt sich daran, dass die Sieger sichtlich fast mehr über den Kollaps der SPD entsetzt sind, als sie sich über ihren Triumph freuen. Schon propagieren mehrere „Stimmen der öffentlichen Meinung“, die bis gestern noch kräftig an der Verteufelung der Linkspartei als angeblich „extremistisch“ mitgestrickt haben, darunter ein in der Wolle gefärbter neoliberaler Haudegen wie Ulrich Reitz von der WAZ, als neue Perspektive eine „Wiedervereinigung“ von SPD und Linkspartei – natürlich unter den Auspizien eines (rein symbolischen) „Linksrucks“ der Rest-SPD (von…

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