Rechte Räume

Rezension von Dirk Dieluweit Stephan Trüby: Rechte Räume. Politische Essays und Gespräche (Bauwelt Fundamente 169) Basel/ Berlin: Birkhäuser 2020 288 Seiten, 135 Abb., 29,95 Euro ISBN: 978-3-0356-2240-9 Die Debatten um den Wiederaufbau der Frankfurter Altstadt oder der Potsdamer Garnisonskirche zeigen, wie Akteure der Neuen Rechten versuchen, ihr Weltbild über Architekturkritik und Städtebauprojekte zu verbreiten. Dies ist der Hintergrund, vor dem der an der TU-Stuttgart lehrende Architekturprofessor Stefan Trüby den Sammelband „Rechte Räume“ herausgegeben hat. In einer Reihe von Essays und einem Anhang mit Gesprächen untersucht Trüby, welche architekturpolitische Agenda Akteure der Neuen Rechten verfolgen und wie sich die Mitte der Gesellschaft dabei zur unfreiwilligen Helferin macht (vgl. S. 8). Da Trüby die meisten von ihm besprochenen Entwicklungen als rechtsextrem bezeichnet, erläutert er zunächst seine Definition von Rechtsextremismus. „Unter Rechtsextremismus werden Bestrebungen verstanden, die…

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Eine Kritik der vergleichenden Genozidforschung

Rezension von Stefan Vennmann Friedländer, Saul/ Frei, Norbert/ Steinbacher, Sybille/ Diner, Dan, 2022: Ein Verbrechen ohne Namen. Anmerkungen zum neuen Streit über den Holocaust. München: C. H. Beck. 90 Seiten, 12, 00 Euro. ISBN: 978-3-406-78449-1 Das schlanke Bändchen ist eine wissenschaftlich-politische Intervention in die gegenwärtige Debatte um die Singularität der Shoah und die Frage nach der Zulässigkeit des Vergleichs der deutschen Massenverbrechen mit anderen historischen Verbrechen, besonders dem Kolonialismus. Bei den im Band versammelten Texten handelt es sich – mit Ausnahme des Textes von Sybille Steinbacher – um Artikel, die von den Autoren als Diskursinterventionen im Feuilleton großer deutscher Zeitungen publiziert worden sind. Die These, die der Band aufstellt, ist dabei keineswegs eine neue, sondern eine, die ähnlich auch im Historikerstreit 1986 vertreten wurde, nun aber unter aktuellen Konstellationen verhandelt wird. Die postkoloniale…

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Eine wohlwollende, aber eindeutige Kritik postkolonialer Erinnerungstheorie

Rezension von Stefan Vennmann Sznaider, Natan, 2022: Fluchtpunkte der Erinnerung. Über die Gegenwart von Holocaust und Kolonialismus München: Hanser 256 Seiten, 24,00 Euro. ISBN: 978-3-446-27296-5 Natan Sznaiders Buch tastet sich primär fragend vor, ob und wenn ja in welchem Verhältnis sich Holocaust und Kolonialismus sowie die Erinnerung an diese historischen Verbrechen zusammendenken lassen können und sollten, aber auch wo theoretischen Grenzen der Überschneidung liegen. Was vor dem Hintergrund der Grabenkämpfe zwischen antisemitismuskritischer Holocaustforschung und postkolonialer Theorie im Zuge der ‚Mbembe-Debatte‘ und des sogenannten ‚Historikerstreit 2.0‘ zunächst wie ein zahnloser Vermittlungsversuch wirkt, an dessen Ende die Erkenntnis steht, man müsse historische Gewaltverbrechen in ihrer eigenen Logik begreifen, ohne sie gegeneinander auszuspielen, ist bei genauerem Hinsehen tiefgründiger. Zwar wohlwollend formuliert, ist das von Sznaider entwickelte Konzept der Fluchtpunkte der Erinnerung vor allem eine Kritik der…

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Selbstmitleid statt Solidarität

Der Diskurs um die belarussische Außengrenze 2021 im Kontext des Ukrainekriegs Von Constantin Walkerling Im August 2021 initiierte Alexander Lukaschenko als faktischer Machthaber von Belarus die Aussetzung mehrerer Tausend Flüchtender aus dem Nahen Osten an den Grenzen zu Polen, Lettland und Litauen. Die betroffenen Grenzländer der EU reagierten mit Abschottung und Grenzsicherung, woraufhin Flüchtende in den angrenzenden Wäldern unter freiem Himmel überleben mussten. Die Situation zog sich bis in den Winter, den offiziellen Zahlen nach verstarben bis Dezember 2021 mindestens 17 Menschen an Kälte und Hungersnot (vgl. Der Spiegel 2021). In meiner Bachelorarbeit1 führte ich eine Kritische Diskursanalyse eines linksliberalen Diskurses durch, um herauszuarbeiten, wie sich eigens als linksliberale bezeichnende Stimmen die Diskrepanz zwischen einem offenen, freien, europäischen Selbstverständnis gegenüber der beobachtbaren, weitgehend brutalen Grenzsicherung an den EU-Außengrenzen erklären könnten. Exemplarisch für einen…

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Die Deformation des öffentlichen Raums durch seine Virtualisierung

Von Guido Arnold Grundsätzlich klingt ‚Vernetzung‘ erstrebenswert und sinnvoll. Isolierte Individuen mit spezifischen Interessen können sich überregional im Netz ‚finden‘ und ‚austauschen‘. Aber was sind die Bedingungen für Teilhabe an solch einem Austausch und wie formen diese die dort verbundenen Subjekte? Wer ist wie sichtbar? Wie verbreiten sich (Des-)Informationen im Vergleich zu nicht-virtuellen Öffentlichkeiten? Welche Dynamik entwickelt sich bei den ‚Bewohner:innen‘ bzw. ‚Besucher:innen‘ virtueller sozialer Räume? Und last but not least: Wer legt die Metrik, also das zugrundeliegende Regelwerk für die Interaktion in diesen Räumen fest? Eine umfassende Bestandsaufnahme gestaltet sich schwierig: Während Blogger:innen die Möglichkeit virtueller Kommunikation für den Kampf zur Demokratisierung öffentlicher Diskurse nutzen und als das „Werkzeug für Protestierende“ propagieren, wird der Handlungsraum zivilgesellschaftlicher Organisationen und Aktivist:innen weltweit zunehmend enger.1 Instagram, Facebook und Twitter entwickeln sich (teils in den gleichen…

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Hegel und der Pöbel

Von Wolfgang Kastrup Armut, Arbeitslosigkeit und Prekarisierung sind weiterhin große Probleme für bedeutende Teile nicht nur der bundesdeutschen Bevölkerung. Wirkte schon die Corona-Pandemie wie ein Beschleuniger von sozialer Ungleichheit, haben die Konsequenzen der Sanktionen aufgrund der russischen Invasion in die Ukraine und die sich dadurch beschleunigende Inflation die Einkommensschwachen besonders hart getroffen. „Deutschland verzeichnet heute mit 16,6 Prozent oder 13,8 Millionen Betroffenen einen Rekordstand der Armut. […] Die wachsende sozioökonomische Ungleichheit fördert Tendenzen der gesellschaftlichen Desintegration, der wirtschaftlichen Depression und der politischen Desorientierung.“ (Christoph Butterwegge: Wen kümmert’s? in: Süddeutsche Zeitung v. 13.07.2022) Wenn so viele Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft von der ökonomischen, kulturellen und politischen Teilhabe ausgeschlossen sind, kann das keinen zufälligen Prozess beinhalten, sondern es muss gefragt werden, ob hier nicht ein konstitutionelles Problem offenkundig wird. Schon Georg Wilhelm Friedrich Hegel…

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Das Problem der Dekadenz seit Georges Sorel

Von Kurt Lenk [Red.] Dem im Folgenden abgedruckten Aufsatz Kurt Lenks liegt ein Vortrag zugrunde, den er 2004 auf dem 17. Kolloquium des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung in Würzburg gehalten hat. Der Aufsatz erschien zusammen mit anderen Beiträgen (u.a. von Roger Griffin, Moshe Zuckermann, Volker Weiß, Ulrich Prehn) im Band 8 der Edition DISS „Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt – Analysen rechter Ideologie“ (Münster 2005).1 Der „Nestor der kritischen Konservatismusforschung in Deutschland“ (Vorwort) griff damals einen zentralen Aspekt heraus, der immer wieder in der Faschismusdiskussion thematisiert wird und sowohl für das Verständnis der Konservativen Revolution als auch der heutigen Neuen Rechten von Bedeutung ist: das Problem der Dekadenz. Lenk konzentrierte sich auf eine ideengeschichtliche Herleitung des Dekadenzbegriffs von Polybios über Machiavelli hin zu Nietzsche, Bergson und Sorel und arbeitete das geschichtsphilosophische…

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Nachruf auf Kurt Lenk: „Rechts, wo die Mitte ist“

Der Politologe Kurt Lenk hat Grundlegendes zur Geschichte von Parteien und der Theorie der Rechten erforscht. Nun ist er 93-jährig gestorben. Von Volker Weiß1 Der Wandel der Politikwissenschaft von der Staats- und Institutionslehre hin zu einer kritischen Gesellschaftswissenschaft in der alten Bundesrepublik war eng mit dem Namen Kurt Lenk verbunden. Seine kritischen Impulse waren auch biografisch motiviert: Als Sohn einer deutschen Familie 1929 in Böhmen geboren, irritierte ihn, wie schnell zahlreiche Sudetendeutsche zu Anhängern Hitlers geworden waren, seitdem trieb ihn die Frage nach dem Verhältnis von Gesellschaft und Ideologie um. Nach der Promotion am Frankfurter Institut für Sozialforschung Mitte der fünfziger Jahre habilitierte er sich in Marburg bei Wolfgang Abendroth, gemeinsam gaben sie eine bedeutende Einführung in die politische Wissenschaft heraus. Lenks Blick galt vor allem Bedingung und Wandel von politischen Konzepten, seine…

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30 Jahre Rostock-Lichtenhagen

Der Rassismus ist noch nicht überwunden Von Heiko Kauffmann [Red.] Das folgende Interview anlässlich des 30. Jahrestages der Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen hat uns Heiko Kauffmann, Mitbegründer und langjähriger Sprecher von PRO ASYL, freundlicherweise zur Verfügung gestellt.1 Wir verweisen in diesem Zusammenhang auch auf die Broschüre des DISS von 1992 „SchlagZeilen. Rostock: Rassismus in den Medien“, die in der DISS-Bibliothek online einsehbar ist.2 Vor 30 Jahren fand im Rostocker Ortsteil Lichtenhagen das größte rassistische Pogrom der deutschen Nachkriegsgeschichte statt. Vom 22. bis 26. August 1992 griffen hunderte Rechtsextreme die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAst) an und setzten das danebengelegene Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter*innen in Brand – nur knapp entkamen die dort lebenden Menschen dem Tod. Tausende Zuschauer*innen applaudierten, die Polizei versagte dabei, die Angegriffenen zu schützen, und die Politiker*innen missbrauchten den Vorfall im…

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32 Jahre Deutsche Einheit – Ergebnisse des „Deutschlandmonitors“

Von Florentina Berisha und Christian Hoeps Pünktlich zum 32. Jahrestag der deutschen Einheit ist der Bericht des Ostbeauftragten der Bundesregierung, Carsten Schneider, Staatsminister beim Bundeskanzler und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland, mit dem Titel „Ostdeutschland. Ein neuer Blick“ erschienen.1 Die Betonung liegt auf „neu“, denn der Bericht möchte sich nicht allein in „negativen Assoziationen“ (3) ergehen, sondern auch positive Entwicklungstendenzen aufzeigen und deutlich machen, dass bedenkliche Trends, wenngleich in unterschiedlicher Stärke, sowohl in Ost- wie Westdeutschland zu beobachten sind. Während im ersten Teil des Berichts ost- und westdeutsche AutorInnen über ihre Erfahrungen Auskunft geben, wird im zweiten Teil, auf den wir im Folgenden näher eingehen, der sogenannte „Deutschlandmonitor“ (S. 89–116) vorgestellt, der sich mit den Einstellungen der Menschen in Ost und West zur Demokratie & Politik in Deutschland befasst.2 Hierzu wurden zwischen dem…

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