Seit 2017 erscheint im Dortmunder Sturmzeichen Verlag das neonazistische Magazin N.S. Heute (NSH).1 Herausgegeben wird die NSH vom Inhaber des Verlages, Sascha Krolzig, der zeitweise einer der beiden Bundesvorsitzenden der Partei Die Rechte war. Die Autor:innenschaft liest sich wie ein who is who der Neonaziszene. Sowohl Mitglieder der Parteien Die Rechte, NPD (jetzt Die Heimat) und Der III. Weg sind vertreten, als auch ehemalige Mitglieder zahlreicher inzwischen verbotener Parteien und Organisationen. Das Magazin richtet sich ‚nach innen‘ – an eine aktivistische Leser:innenschaft. Die NSH erschien bisher i.d.R zweimonatlich, laut Eigenangabe mit einer Auflage von 1000 bis 1500 Exemplaren. Strategiedebatten in der NSH Entsprechend der adressierten Leser:innenschaft ist die NSH ein Ort für Strategiedebatten des ‚nationalen Widerstands‘. Hierbei fällt auf, dass auf eine Einigkeit innerhalb des Neonazismus hingewirkt wird. In Organisierungsfragen geht der Trend…
Ergebnisse einer Kritischen Diskursanalyse rechter Berichterstattung zur polizeilichen Räumung in Lützerath Von Nicolai Kary Der Ort Lützerath am Rande des Tagebaus Garzweiler II wurde im Januar 2023 Austragungsort eines klimapolitischen Konflikts. Im Kern ging es um die Frage, ob Lützerath und weitere umliegende Dörfer dem Schaufelradbagger weichen müssen. Lützerath wurde von Klima-Aktivist*innen besetzt. Die polizeiliche Räumung im Januar wurde zum medialen Großereignis. Auch rechte Medien griffen das Thema in ihrer Berichterstattung auf. Sie nutzen es als Hintergrundfolie für Verschwörungsideologien und machen Stimmung gegen Klimaschutzprotest. Bei weitem nicht alle Publikationsorgane am rechten Rand rechnen dem Geschehen in Lützerath einen Nachrichtenwert zu. Für Magazine und Zeitschriften wie Blaue Narzisse, Zuerst!, Die Kehre und auch für die Deutsche Stimme ist es kein Thema. Das rechtsextreme Magazin Compact, die Wochenzeitschriften Tichys Einblick (TE) und Junge Freiheit (JF)…
Identitäre Solidarität und exkludierende Sozialstaatlichkeit Von Martin Hauff Die AfD tritt in ihrer politischen Praxis im Bundestag mit neoliberalen und sozialstaatskritischen Positionen1 auf. Zugleich bestehen innerhalb der AfD Flügelkämpfe, die sich vor allem um Fragen nach einer wirtschafts- und sozialpolitischen Positionierung der Partei konstituieren.2 Dabei ist der grundlegende Konflikt zwischen einer autoritär-liberalen und einer völkisch national-sozialen Richtung auszumachen.3 Das national-soziale Hegemonieprojekt wird nicht nur von Björn Höcke und seinen Mitstreitern in der AfD verbreitet, sondern erfährt zugleich durch Publikationen und Vorträgen aus dem sogenannten Vorfeld der Partei um Götz Kubitschek eine theoretische Rechtfertigung. Vor allem Benedikt Kaiser hat sich in Verwendung des Schlagwortes „Solidarischer Patriotismus“ um eine systematische Ausarbeitung dieses Ansatzes bemüht. In Abgrenzung zum autoritär-liberalen Hegemonieprojekt und dem in der AfD verbreiteten rechten Libertarismus erscheint der solidarische Patriotismus als ein Ansatz, der…
Von Helmut Kellershohn „Die Ansiedlung anderer Völkerschaften in Deutschland ist daher grundsätzlich immer ein Mittel zum selben Zweck, den Einheimischen in der ein [sic!] oder anderen Form zu schaden und ihren politischen Einfluss im eigenen Land zu beschneiden. Genau durch eine solche Zielsetzung wird der Begriff der Umvolkung definiert. Was wir in Deutschland seit Jahrzehnten erleben, ist somit tatsächlich nichts anderes als eine klassische, aggressiv gegen die einheimische Bevölkerung gerichtete Umvolkungspolitik, auch wenn der staatliche Akteur in diesem Fall kein fremder Staat ist, sondern der eigene.“ (PI-News 2018) „Gelingt uns die metapolitische Operation […], ist ein Stopp des Großen Austauschs und der Islamisierung möglich. Ein Zuwanderungsstopp für Menschen aus nichteuropäischen Ländern, eine rigorose Abschiebung aller Illegalen und Kriminellen, eine Deislamisierungspolitik, das Ende der sozialen Versorgungspolitik für Ausländer und finanzielle Anreize für eine Heimkehr…
Von Deniz Cakmak Einleitung Der im Januar 2024 erschienene Correctiv-Bericht zu einem mittlerweile bundesweit berüchtigten Treffen von Rechtsextremen1 hatte weitreichende Folgen: Millionenfach gingen um die Demokratie und Menschenrechte besorgte Bürger:innen auf die Straße um ein Zeichen gegen rechts zu setzen.2 Besonders betont wurde dabei die Forderung, der Alternative für Deutschland (AfD) rechtliche Grenzen zu setzen, etwa durch ein Parteiverbotsverfahren. Mitglieder der Partei waren an dem Treffen beteiligt, das im November des Vorjahres in Potsdam stattgefunden hat. Auf der Tagesordnung standen unter anderem die Vorstellung eines „Remigrations“-Konzeptes durch Martin Sellner, Spendenaufrufe für Wahlkampfkostendeckung und Agenturwerbungen für Social-Media-Zwecke. Für diesen Artikel ist weniger von Interesse, was genau besprochen wurde. Es soll vielmehr geklärt werden, in welchem Verhältnis die Teilnehmer:innen zueinander stehen oder schon seit Jahrzehnten gestanden haben, welche Gemeinsamkeiten untereinander oder zu außenstehenden Individuen und…
Die neue Dimension des Rassismus in Deutschland Von Heiko Kauffmann „Flüchtlings-Ausgaben Bürgergeld: DER GROSSE KOSTEN-KNALL – Wer soll das bezahlen?“ (BILD v. 11.11.23); „Asyl-Report: WARUM ES SO NICHT WEITERGEHEN KANN“ (SUPERillu vom 9.11.23). – Schlagzeilen wie diese beherrschen z. Zt. die Asyl-Debatte. Sie sind das Echo auf Aussagen und Interviews von Politikern, die Bürgerinnen und Bürger bewusst oder fahrlässig in Unruhe versetzen und damit Vorurteile und Aggressionen auslösen. Kein Wort von Solidarität und Menschenwürde, von Integration, Flüchtlings-Schutz und völkerrechtlichen Verpflichtungen. Mit Schlagworten wie „Illegale“, „irreguläre Migration“, „Einwanderung in die Sozialsysteme“, „Überlastung“ u.a. wird zunächst die Sprache ideologisiert, dann folgen Denken und Handeln. Weniger Geld, reduzierte Leistungen („bis auf Null“, Christian Lindner); beschleunigte Verfahren; mehr, schnellere und brutalere Abschiebungen; gewaltsame Zurückweisungen; „Schachern“ um die Obergrenze; Haftlager an den Außen-Grenzen; Auslagerung von Asylverfahren nach Afrika…
Jetzt lieferbar im Buchhandel und beim Unrast Verlag Von Margarete Jäger, Benno Nothardt, Regina Wamper Im Juni 2024 wird eine Neuauflage der Einführung in die Kritische Diskursanalyse (KDA) im Unrast-Verlag erscheinen. Dabei handelt es sich um die 8. Auflage und die erste Auflage, die nach dem Tod von Siegfried Jäger 2020 entstanden ist. Wir wollten diese Neuauflage eigentlich mit ihm zusammen erarbeiten. Das war leider nicht mehr möglich. Nun haben wir uns ohne ihn darangesetzt, haben Passagen und auch ganze Kapitel neu verfasst, haben gestrichen und hinzugefügt, und wir haben vieles übernommen. Insofern war es nur folgerichtig, dass Siegfried Jäger als ‚Vater’ der KDA weiterhin als Mitautor genannt wird. Wir haben die bisherige ‚Werkzeugkiste‘ der KDA um neue Kapitel zur Analyse von Bildern, Online-Diskursen, TV, Spezialdiskursen, Literatur und herabsetzender Rede erweitert. Hinzugekommen sind…
Von Wolfgang Kastrup Freerk Huisken: Frieden. Eine Kritik Freerk Huisken: Frieden. Eine Kritik. Aus aktuellem Anlass, Hamburg: VSA 2023, 150 Seiten, 12,00 Euro, ISBN 978-3-96488-193-9 Aus Anlass des Ukrainekrieges hat Freerk Huisken, Professor im Ruhestand an der Universität Bremen, ein neues Buch Frieden. Eine Kritik. Aus aktuellem Anlass herausgegeben. Wie der Titel schon deutlich macht, kommen hier abweichende Meinungen zum Thema Frieden zum Ausdruck. Es geht dem Autor um die Frage, was Friedenspropaganda, -appelle und -politik, von denen gesprochen wird, beinhalten, und weshalb im Ukrainekrieg die westliche Friedensordnung militärisch verteidigt wird. Die Rede vom Frieden beherrscht die hiesige politische Debatte als moralische Rechtfertigung der westlichen bzw. deutschen Kriegsbeteiligung gegen „das Böse“ in Gestalt der Russischen Föderation und im Besonderen in Gestalt des russischen Präsidenten Putin. Aus der Friedensmoral wird für Huisken…
Rezension von Wolfgang Kastrup Karl Lauschke: „Die Gegenwart als Werden erfassen“. Inhalt, politischer Kontext und Rezeption von Georg Lukács‘ Geschichte und Klassenbewusstsein, Münster: Westfälisches Dampfboot 2023, 528 Seiten, 38 Euro, ISBN 978-3-89691-085-1 Karl Lauschke, Sozial- und Wirtschaftshistoriker, hat sich mit seinem aktuell im Verlag Westfälisches Dampfboot erschienenen Buch „Die Gegenwart als Werden erfassen“. Inhalt, politischer Kontext und Rezeption von Georg Lukács‘ Geschichte und Klassenbewusstsein der Aufgabe gestellt, das berühmte Werk von Lukács „als eine Monographie zu betrachten, also als ein Buch, das ein Thema behandelt, Schritt für Schritt analysiert und auch hätte heißen können: ‚Die Bedeutung des Klassenbewusstseins im Klassenkampf des Proletariats‘“ (13). Obwohl sich Georg Lukács (1885-1971), ungarischer Philosoph und Parteimitglied der ungarischen KP, von seinem bekanntesten Buch Geschichte und Klassenbewusstsein, 1923 im Malik Verlag in Berlin erschienen, selbstkritisch wegen der…
Kohei Saito neues Buch „Systemsturz“ Rezension von Wolfgang Kastrup Kohei Saito: Systemsturz. Der Sieg der Natur über den Kapitalismus, München: dtv 2023, 316 Seiten, 25 Euro, ISBN 978-3-423-28369-4 Der japanische Wissenschaftler Kohei Saito, Associate Professor für Philosophie an der Universität von Tokio, hat nach dem 2016 erschienenen Buch Natur gegen Kapital wieder ein neues Werk veröffentlich, das in Japan im Original über eine halbe Million Mal verkauft wurde. Der prägnante Titel lautet Systemsturz. Der Sieg der Natur über den Kapitalismus. Es geht in der Analyse des Buches um die Verflechtung von Kapital, Gesellschaft und Natur im Anthropozän, wobei dieses Zeitalter, wie er zum Schluss schreibt, besser „Kapitalozän“ (277) genannt werden sollte, da der Kapitalismus den Planeten zerstört, die Ursachen des Klimawandels also im System des Kapitalismus zu suchen sind. Um es…