Von Wolfgang Kastrup Von vielen westlichen Politiker*innen und Medien wurde und wird eine atomare Eskalation von Seiten Russlands im Ukraine-Krieg als Panikmache, als Bluff und als bewusste russische Propaganda abgetan. Nun jedoch enthüllten die New York Times und CNN (vgl. der Freitag v. 14.03 2024), dass im Herbst 2022 die Welt am Rande eines Atomkriegs stand. Ranghohe russische Militärs erwogen infolge ukrainischer Geländegewinne in Richtung der Krim den Einsatz taktischer Atomwaffen. US-Präsident Biden wurde von seinen Geheimdiensten umgehend informiert und der Nationale Sicherheitsrat der USA trat zusammen. Auch Kanzler Scholz wurde von Biden unterrichtet. Mit der fehlgeschlagenen Offensive des ukrainischen Militärs endete die Krise. Auch im Februar 2024 wurden von US-Geheimdiensten erneut Gespräche russischer Militärs abgefangen, in denen wiederum über einen möglichen Atomwaffeneinsatz gesprochen wurde. Ausgangspunkt für diese Gespräche war die Forderung westlicher…
Eindrücke vom Fachtag zum pädagogischen Umgang mit Reaktionen in Schule und Pädagogik im Rahmen des Projekts „Kompetenznetzwerk Antisemitismus“ der Bildungsstätte Anne Frank am 12. Dezember 2023 Von Martin Gerner Zum Thema Nahost-Krieg gehen die Emotionen seit dem 7. Oktober vergangenen Jahres nach wie vor auch in Schulen hoch. Nicht nur bei Schülern und Schülerinnen. Auch Lehrer:innen fühlen sich nach Umfragen und eigenen Angaben emotional und pädagogisch nicht selten überfordert. Zumal oft das nötige Fach- und Sachwissen fehlt. Hinzukommen Vorurteile, Diskriminierung, Hassgefühle und Hate Speech unter Schüler:innen. Islamisch-palästinensische Fluchtgeschichten, jüdische Holocaust-Erfahrungen und das Unwissen einer verunsicherten Mehrheit treffen dabei aufeinander. Welche Erfahrungen machen Lehrer:innen und Pädagog:innen zum Thema 7. Oktober an den Schulen? Wie können sie damit besser umgehen? Wie kann man die täglich auf Bildschirmen und in Social Media ablaufenden Ereignisse angemessen thematisieren,…
Eine kurze Analyse der Juden in der AfD (JAfD) Von Jessica Hösel (Jüdische Hochschule Heidelberg) Die JAfD ist ein Instrument, um das Jüdische aus dem öffentlichen Diskurs zu verdrängen – auf den ersten Blick eine paradoxe Behauptung, denn eigentlich erwartet man das Gegenteil: dass nämlich eine jüdische Gruppe dabei hilft, jüdische Perspektiven deutlicher zu vertreten. Am Beispiel der JAfD möchte ich dagegen aufzeigen, dass Antisemiten Alibi-Juden benötigen, um die eigene Ideologie zu legitimieren. Die AfD als Teil der extremen Rechten distanziert sich vordergründig vom Nationalsozialismus und Antisemitismus, pflegt aber ideologisch eine Dichotomie zwischen dem Phantasma eines homogenen Volkes und einer ‚globalistischen Elite‘ aus Medien, Regierung, Gewerkschaften, Kirchen und sonstige Institutionen. Ihr wird unterstellt, die deutsche Gesellschaft mittels Globalismus und Liberalismus, kurz durch einen „Großen Austausch“ zerstören zu wollen (Ayyadi 2023). Da aber Liberalismus…
Der Forschungsbericht zum DISS-Projekt ‚Judentum‘ in der deutschen Alltagspresse liegt vor Von Jobst Paul Mit ihrer Förderbekanntmachung Aktuelle Dynamiken und Herausforderungen des Antisemitismus verband die Bundesregierung im April 20201 zwei große Gesten: Zum einen wandte sie sich mit einem 700 Millionen-Forschungsprogramm ausdrücklich an die deutschen Geistes- und Sozialwissenschaften. Und zum andern rief sie zu einer bundesweiten wissenschaftlichen Vernetzung auf, um dem Kampf gegen Antisemitismus ein nachhaltiges institutionelles Instrument an die Seite zu stellen. Ergebnis war die Bildung von zehn Forschungsverbünden, die sich mit einer Fülle von Einzelprojekten am Forschungsnetzwerk Antisemitismus im 21. Jahrhundert (FoNA21) beteiligen. Im Verbund Jüdische Reaktionen auf Antisemitismus. Die Entgrenzung des Sag- und Machbaren in der jüdischen Ritualpraxis (2021 – 2024) haben sich die Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg (Frau Rabbinerin Prof. Birgit Klein) und das DISS (Dr. Jobst Paul)…
Bericht über einen Workshop im DISS Von Margarete Jäger & Iris Tonks Populistische Politikansätze sind nicht nur in Europa, sondern weltweit auf dem Vormarsch. Vor diesem Hintergrund fand Anfang November in Kooperation mit der Radboud Universiteit Nijmegen in unserem Institut ein Workshop unter dem Titel Populismus und seine ausgrenzenden Effekte als gesellschaftliche Entwicklung statt.1 Populistische Ansätze zeichnen sich dadurch aus, dass sie scheinbar einfache Lösungen für komplizierte Sachverhalte bieten. Doch ziehen sie zumeist neue gesellschaftliche Probleme wie etwa Ausgrenzungen bestimmter Personengruppen nach sich. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Niederlanden – das hat die jüngste Parlamentswahl in den Niederlanden unmissverständlich deutlich gemacht – rückt das Thema Populismus immer mehr in den Vordergrund und wird die politische Zukunft unserer Länder mitbestimmen. Erwartbar wird Populismus auch bei den bei den Europawahlen 2024 eine…
Seit 2017 erscheint im Dortmunder Sturmzeichen Verlag das neonazistische Magazin N.S. Heute (NSH).1 Herausgegeben wird die NSH vom Inhaber des Verlages, Sascha Krolzig, der zeitweise einer der beiden Bundesvorsitzenden der Partei Die Rechte war. Die Autor:innenschaft liest sich wie ein who is who der Neonaziszene. Sowohl Mitglieder der Parteien Die Rechte, NPD (jetzt Die Heimat) und Der III. Weg sind vertreten, als auch ehemalige Mitglieder zahlreicher inzwischen verbotener Parteien und Organisationen. Das Magazin richtet sich ‚nach innen‘ – an eine aktivistische Leser:innenschaft. Die NSH erschien bisher i.d.R zweimonatlich, laut Eigenangabe mit einer Auflage von 1000 bis 1500 Exemplaren. Strategiedebatten in der NSH Entsprechend der adressierten Leser:innenschaft ist die NSH ein Ort für Strategiedebatten des ‚nationalen Widerstands‘. Hierbei fällt auf, dass auf eine Einigkeit innerhalb des Neonazismus hingewirkt wird. In Organisierungsfragen geht der Trend…
Ergebnisse einer Kritischen Diskursanalyse rechter Berichterstattung zur polizeilichen Räumung in Lützerath Von Nicolai Kary Der Ort Lützerath am Rande des Tagebaus Garzweiler II wurde im Januar 2023 Austragungsort eines klimapolitischen Konflikts. Im Kern ging es um die Frage, ob Lützerath und weitere umliegende Dörfer dem Schaufelradbagger weichen müssen. Lützerath wurde von Klima-Aktivist*innen besetzt. Die polizeiliche Räumung im Januar wurde zum medialen Großereignis. Auch rechte Medien griffen das Thema in ihrer Berichterstattung auf. Sie nutzen es als Hintergrundfolie für Verschwörungsideologien und machen Stimmung gegen Klimaschutzprotest. Bei weitem nicht alle Publikationsorgane am rechten Rand rechnen dem Geschehen in Lützerath einen Nachrichtenwert zu. Für Magazine und Zeitschriften wie Blaue Narzisse, Zuerst!, Die Kehre und auch für die Deutsche Stimme ist es kein Thema. Das rechtsextreme Magazin Compact, die Wochenzeitschriften Tichys Einblick (TE) und Junge Freiheit (JF)…
Identitäre Solidarität und exkludierende Sozialstaatlichkeit Von Martin Hauff Die AfD tritt in ihrer politischen Praxis im Bundestag mit neoliberalen und sozialstaatskritischen Positionen1 auf. Zugleich bestehen innerhalb der AfD Flügelkämpfe, die sich vor allem um Fragen nach einer wirtschafts- und sozialpolitischen Positionierung der Partei konstituieren.2 Dabei ist der grundlegende Konflikt zwischen einer autoritär-liberalen und einer völkisch national-sozialen Richtung auszumachen.3 Das national-soziale Hegemonieprojekt wird nicht nur von Björn Höcke und seinen Mitstreitern in der AfD verbreitet, sondern erfährt zugleich durch Publikationen und Vorträgen aus dem sogenannten Vorfeld der Partei um Götz Kubitschek eine theoretische Rechtfertigung. Vor allem Benedikt Kaiser hat sich in Verwendung des Schlagwortes „Solidarischer Patriotismus“ um eine systematische Ausarbeitung dieses Ansatzes bemüht. In Abgrenzung zum autoritär-liberalen Hegemonieprojekt und dem in der AfD verbreiteten rechten Libertarismus erscheint der solidarische Patriotismus als ein Ansatz, der…
Von Helmut Kellershohn „Die Ansiedlung anderer Völkerschaften in Deutschland ist daher grundsätzlich immer ein Mittel zum selben Zweck, den Einheimischen in der ein [sic!] oder anderen Form zu schaden und ihren politischen Einfluss im eigenen Land zu beschneiden. Genau durch eine solche Zielsetzung wird der Begriff der Umvolkung definiert. Was wir in Deutschland seit Jahrzehnten erleben, ist somit tatsächlich nichts anderes als eine klassische, aggressiv gegen die einheimische Bevölkerung gerichtete Umvolkungspolitik, auch wenn der staatliche Akteur in diesem Fall kein fremder Staat ist, sondern der eigene.“ (PI-News 2018) „Gelingt uns die metapolitische Operation […], ist ein Stopp des Großen Austauschs und der Islamisierung möglich. Ein Zuwanderungsstopp für Menschen aus nichteuropäischen Ländern, eine rigorose Abschiebung aller Illegalen und Kriminellen, eine Deislamisierungspolitik, das Ende der sozialen Versorgungspolitik für Ausländer und finanzielle Anreize für eine Heimkehr…
Von Deniz Cakmak Einleitung Der im Januar 2024 erschienene Correctiv-Bericht zu einem mittlerweile bundesweit berüchtigten Treffen von Rechtsextremen1 hatte weitreichende Folgen: Millionenfach gingen um die Demokratie und Menschenrechte besorgte Bürger:innen auf die Straße um ein Zeichen gegen rechts zu setzen.2 Besonders betont wurde dabei die Forderung, der Alternative für Deutschland (AfD) rechtliche Grenzen zu setzen, etwa durch ein Parteiverbotsverfahren. Mitglieder der Partei waren an dem Treffen beteiligt, das im November des Vorjahres in Potsdam stattgefunden hat. Auf der Tagesordnung standen unter anderem die Vorstellung eines „Remigrations“-Konzeptes durch Martin Sellner, Spendenaufrufe für Wahlkampfkostendeckung und Agenturwerbungen für Social-Media-Zwecke. Für diesen Artikel ist weniger von Interesse, was genau besprochen wurde. Es soll vielmehr geklärt werden, in welchem Verhältnis die Teilnehmer:innen zueinander stehen oder schon seit Jahrzehnten gestanden haben, welche Gemeinsamkeiten untereinander oder zu außenstehenden Individuen und…