Eine Rezension von Siegfried Jäger. Erschienen in DISS-Journal 10 (2002). In einem Seminarraum findet gerade eine hochspannende und differenzierte Diskussion statt. Ein Verwaltungsbeamter poltert gegen die Tür, reißt diese auf und schreit: Raus hier, dieser Raum wird gereinigt. Der Dozent beschwert sich in der Verwaltung der Universität über die schlimme Störung und erhält über einen Sachbearbeiter die Antwort: Es besteht kein Grund zur Beschwerde. Es ist derjenige, der die Sitzung massiv gestört hatte. – Es erfolgt eine anonyme Denunziation mit üblen sexuellen Anspielungen. Der Denunzierte wird vom Rektor peinlich befragt und aufgefordert, in Zukunft auf solche Perversitäten zu verzichten, ansonsten sei ein Disziplinarverfahren zu erwarten. – Im Fakultätsrat erfolgt die Abstimmung über einen Antrag mit 11 Enthaltungen und einer Ja-Stimme. Grund: Der Antrag sei nicht auf dem Dienstweg gestellt worden. Der Antrag war…
Siegfried Jäger rezensiert das Buch von Thomas Quehl: Schule ist keine Insel. Erschienen in DISS-Journal 8 (2001) Daß es sich bei Rassismus um ein Wissen handelt, das Handeln anleitet und schlimme Folgen hat, ist deutschen Politikern, Wissenschaftlern, Journalisten und auch Lehrern noch keineswegs zur selbstverständlichen Denkweise geworden. Erst seit Anfang der 90er Jahre ist in Deutschland überhaupt zur Kenntnis genommen worden, und das auch nur in eingeweihten Kreisen, daß Rassismus ein gesellschaftliches Problem darstellt. Die Welle der Anschläge und Überfälle auf Einwanderer, die Deutschland seit dieser Zeit „heimsuchte“ und viele Einwanderer das Leben kostete, traf unsere Gesellschaft daher auch ziemlich unvorbereitet. Wissenschaftliche Forschungen und präventive pädagogische Arbeit fehlten nahezu völlig. Erst mit dem großen internationalen Hamburger Kongreß zu „Rassismus und Migration in Europa“ von 1990, von Nora Räthzel und Annita Kalpaka organisiert, dessen…
Vom Nutzen eines umstrittenen Begriffs. Von Thomas Quehl. Erschienen in DISS-Journal 8 (2001) „Institutioneller Rassismus ist letztlich der Lackmus-Test für die Demokratie einer Gesellschaft“, schreibt A. Sivanandan, Leiter des Londoner Institute of Race Relations (MCT 2000: 20). Festzustehen scheint heute, dass ein grundlegender Baustein auf dem Weg zur ‚multikulturellen Gesellschaft Bundesrepublik‘, die nicht nur ihre Etiketten, sondern auch ihre Praktiken ändern und Rassismus wirklich zurückdrängen will, darin bestehen wird, ein Konzept von institutionellem Rassismus in die offizielle Sprache und Politik aufzunehmen. In Großbritannien geschah dies 1999 durch den Bericht der Untersuchungskommission über das Verhalten der Polizei bei der Aufklärung des Mordes an dem schwarzen Jugendlichen Stephen Lawrence (siehe DISS-Journal 5/2000). So sagte der britische Innenminister Straw anlässlich der Veröffentlichung des Macpherson Reports: „Jede seit langem bestehende, von Weißen dominierte Organisation hat mit einiger…
Von Franz Januschek, erschienen in DISS-Journal 6 (2000) Unsere Sprach- und Kommunikationsberatungsfirma transcript (gegründet von MitarbeiterInnen des Oldenburger Sprachbüros) arbeitet zusammen mit dem Institut für Bildung und Kommunikation in Migrationsprozessen der Uni Oldenburg an einem Projekt zur Weiterbildung von kosovarischen Lehrkräften. Wir unterrichten zur Zeit geflohene und noch in Niedersachsen lebende LehrerInnen und wollen anschließend unsere Arbeit an der Uni Prishtina und ihrer Lehrerbildungs-Außenstelle Prizren fortsetzen, um auch die während der serbischen Repressionspolitik im Lande verbliebenen (und bis 1999 im Untergrund unterrichtenden) Lehrkräfte zu erreichen. Dass wir uns an beide Gruppen wenden, dient der Vorbeugung unfruchtbarer Reibungen zwischen Dagebliebenen und aus dem Exil Zurückkehrenden. Es gilt, die unterschiedlichen Erfahrungen beider Gruppen zusammenzuführen. Wir vermitteln Qualifikationen in den Bereichen Demokratiepädagogik, Diskursanalyse, Dramapädagogik, Arbeit mit traumatisierten Kindern u.a. Der erste Kompaktkurs (12 Wochen je 3…
Die britische Regierung zieht die Konsequenzen und trifft eine historische Entscheidung. Von Jobst Paul, erschienen in DISS-Journal 5 (2000) Seit langem fällt der konservative, auf weiteren kulturellen Stillstand deutende Versuch der deutschen Politik auf, die Reformphilosophie des britischen Premierministers Blair - der deutschen Öffentlichkeit gegenüber - als lediglich ‘ökonomisches‘ Projekt zu deklarieren und die deutsche Gesellschaft von einer wichtigen sozialen Reformbotschaft Blairs möglichst fernzuhalten. Blairs Nordirlandpolitik oder sein Versuch, das britische Gesundheits- und Erziehungssystem auf den Begriff der sozialen Gerechtigkeit festzulegen, mögen bekannt sein. Skepsis, Ablehnung, vielleicht sogar Erschrecken mögen einen dagegen bewegt haben angesichts der imperialen Pose der britischen Regierung im Kosovo-Krieg. Ein eigenes Gewicht aber hat eine umwälzende Weichenstellung in der englischen Innenpolitik der Jahre 1997 bis 1999. Auslöser war der Fall des farbigen Schülers Stephen Lawrence, der am 22. April…
Während die Medien den Streik von 1997 der Studierenden auf die Parole "Mehr Bücher bitte" reduzierten, debattierten die Studierenden in Vollsammlungen über sehr viel weiter gehende Forderungen: vom Protest gegen Sparmaßnahmen bis zum Gegen-Modell einer selbstbestimmten "Bildung für alle". Ein dokumentarischer Überblick von Thomas Ernst, erschienen in DISS-Journal 2 (1998) in ihren resolutionen und forderungskatalogen gingen die studierenden zunächst auf die aktuellen entwicklungen ein. so wandten sie sich gegen die beschlossenen sparmassnahmen und forderten ihre sofortige rücknahme (z.b. sollen an der FU berlin die zahl der professuren von ca. 600 auf 360 gesenkt und ganze fachbereiche geschlossen werden). ausserdem lehnten sie die vorgelegte vierte novelle des HRGs ab. stattdessen forderten die studierenden das verbot sämtlicher formen von studiengebühren sowie von regelstudienzeiten, zwangsberatungen und -exmatrikulationen. ausserdem wandten sie sich gegen die einführung des (wirtschaftlichen)…
Entwicklung und Durchführung eines Projektes mit Auszubildenden des RWE. Ein Erfahrungsbericht Von Margret Jäger, Siegfried Jäger, Angelika Müller und Joachim Pfennig Erschienen in: Siegfried Jäger (Hg.) 1994: Aus der Werkstatt: Anti-rassistische Praxen. Konzepte – Erfahrungen – Forschung, Duisburg, 134-159. Das DISS hat 1993 eine für seine Verhältnisse ungewöhnliche Aufgabe übernommen: Die Durchführung von 23 Workshops mit mehr als 1000 Auszubildenden des RWE. Ungewöhnlich deshalb, weil das DISS ja in erster Linie ein Forschungsinstitut ist und weil die MitarbeiterInnen des DISS und auch diejenigen, die uns – gleichsam von außen – bei der Durchführung dieser Workshops unterstützt haben, eher aus dem wissenschaftlichen Bereich stammen, ihre Lehrerfahrungen vor allem im universitären Raum gesammelt haben etc. Als deshalb das RWE an uns herantrat und uns fragte, ob wir eine solche Aufgabe übernehmen wollten, zögerten wir zunächst,…