Eine Rezension von Siegfried Jäger. Erschienen in DISS-Journal 10 (2002).
In einem Seminarraum findet gerade eine hochspannende und differenzierte Diskussion statt. Ein Verwaltungsbeamter poltert gegen die Tür, reißt diese auf und schreit: Raus hier, dieser Raum wird gereinigt. Der Dozent beschwert sich in der Verwaltung der Universität über die schlimme Störung und erhält über einen Sachbearbeiter die Antwort: Es besteht kein Grund zur Beschwerde. Es ist derjenige, der die Sitzung massiv gestört hatte. –
Es erfolgt eine anonyme Denunziation mit üblen sexuellen Anspielungen. Der Denunzierte wird vom Rektor peinlich befragt und aufgefordert, in Zukunft auf solche Perversitäten zu verzichten, ansonsten sei ein Disziplinarverfahren zu erwarten. –
Im Fakultätsrat erfolgt die Abstimmung über einen Antrag mit 11 Enthaltungen und einer Ja-Stimme. Grund: Der Antrag sei nicht auf dem Dienstweg gestellt worden. Der Antrag war auf dem Dienstweg erfolgt, was aber im Sekretariat übersehen worden war. –
Ein Kollege stirbt. Der Betreuer seiner Habilitation wird nicht davon unterrichtet; erst durch einen Zufall erfährt er Monate später, daß sein Schüler gestorben ist. –
Es erfolgt eine Bespitzelung, die dazu führt, daß ein Ruf erst viele Monate später erfolgt. Der Bespitzelte erfährt erst zehn Jahre später davon. –
Eine Dissertation wird von beiden Gutachtern mit magna cum laude bewertet. Bei der Disputation nimmt einer der Gutachter seine Note zurück und plädiert für non rite. Das Verfahren endet nach einer tumultartigen Sitzung mit der Note rite, weil die Beisitzer den Gutachter überstimmen. –
Diese kurze Liste ließe sich weiter auffüllen. Sie enthält keine Begebenheiten aus De Santis „Die Fakultät“, einem Roman, der die Universität als Labyrinth beschreibt. Sie hätten aber ausnahmslos dar darin vorkommen können. Daneben ein paar Morde, ansonsten die gleiche Verwirrung und das gleiche Chaos wie im deutschen Uni-Alltag. Höchst lesenswert.
Pablo de Santis
Die Fakultät
Roman.
2002 Zürich: Unionsverlag
ISBN 3-293002-96-X
224 Seiten, 16,80 €