Von Helmut Kellershohn
Zum Tag der Deutschen Einheit, von Höcke umbenannt in den „Tag der Deutschen Freiheit“, hält er in Gera eine außenpolitische Rede, in der er es schafft, den laut AfD „völkerrechtswidrigen“ russischen Angriff auf die Ukraine und dessen bisherigen Folgen für die Ukraine mit keinem Wort zu erwähnen. Im Gegenteil: Höcke hält den russischen Angriff für legitim und stellt sich damit ganz offen gegen das Positionspapier der AfD-Bundestagsfraktion vom März 2022.1
Die Rede2 ist durch und durch demagogisch und nationalistisch – manche Beobachter sprechen gar von einer „faschistische[n] Programmrede“. Das mag überzogen sein. Jan Werner Müller hat unlängst mit Blick auf den italienischen Regierungswechsel davor gewarnt, „die extreme Rechte von heute und den Faschismus [von damals] in einen Topf zu werfen“ (NZZ v. 18.11.2022). Gleichwohl ruft Höcke mit dem auf die USA gemünzten Terminus „raumfremde Macht“ Carl Schmitts Theorie einer „völkerrechtlichen Großraumordnung“ auf,3 die „für die nationalsozialistische Eroberungspolitik legitimierend wirkte“4 und zugleich eine ideologische Kontroverse provozierte, in der solche NS-Ideologen wie Reinhard Höhn und Werner Best den Begriff der „völkischen Großraumordnung“ als Gegenbegriff propagierten, um die nationalsozialistische Lebensraumdoktrin zu ‚präzisieren‘.5 Allerdings richtete sich diese Großraumordnung nicht zuletzt gegen die Sowjetunion, während Höcke, hierin Carl Schmitt folgend, die USA im Blick hat. Er bestimmt den Kern der US-amerikanischen Strategie dahingehend, dass die USA bestrebt seien, „als raumfremde Macht auf unserem Kontinent Keile zu treiben zwischen Nationen, die eigentlich sehr gut miteinander zusammenarbeiten könnten“. Gemeint sind Deutschland und Russland, die er als „natürliche Partner“ bezeichnet: In wirtschaftlicher Hinsicht bestünde die Partnerschaft im Austausch von Rohstoffen und Industriegütern; und in Hinblick auf eine sich ergänzende „seelische“ Stimmungslage würden die Deutschen aus der Sicht der Russen „komponieren, denken und bauen“, während für die Deutschen die russische Kultur „Ausdruck einer menschlichen Sehnsucht und Wärme“ sei, die sie bei sich oft vermissten. Dieser im Prinzip kolonialistische Blick auf Russland wird von Höcke wohlweislich nicht zu Ende gedacht, weil sonst das Bild der Partnerschaft schnell Risse bekommen würde (s. dazu weiter unten). Zwar schwingt in der Rede der bei Carl Schmitt aus dem hegemonialen Anspruch des Großdeutschen Reiches entwickelte Dreiklang von „Reich“, „Großraum“ und „Interventionsverbot für raumfremde Mächte“ unterschwellig mit. Explizit angesprochen wird aber nur Letzteres, wenn er Russland das Recht einräumt, seinen „Vorhof“ Ukraine, wie damals die USA in der Kuba-Krise, gegen das Vordringen der USA und der NATO zu verteidigen (russische „Monroe-Doktrin“). Deutschland befände sich dagegen als Nation in einer Lage der Schwäche („lächerliche Schwäche unserer Nation“), will sagen, was Höcke nicht offen ausspricht: Deutschland bedarf der Unterstützung Russlands gegen den Feind USA.
In der Hauptsache wendet sich Höcke also gegen den „globalen Machtanspruch“ der USA und setzt seine Hoffnung auf die Zusammenarbeit der europäischen Nationen und Völker einschließlich Russlands, mit dem Ziel, „die USA mit ihrem primitiven Sendungsbewußtsein aus Europa fernzuhalten, ja, ihr zu verbieten, sich in unsere europäischen Angelegenheiten einzumischen“ (Interventionsverbot!). Der russische Angriff erscheint aus dieser Perspektive als eine „hart und konsequent“ vorgetragene Reaktion „auf die Offensive einer raumfremden Macht“. Russland verteidigt sich im Interesse Europas und vor allem – Deutschlands. Das entspricht der Rolle, die Alexander Dugin im „Manifest der Eurasischen Bewegung“ (2001) Russland zuweist: „Das eurasische Rußland muß in der Rolle des Befreiers Europa auftreten, und zwar als Befreier von der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen US-Okkupation.“6
Für Deutschland würde dies erforderlich machen, sich endlich auf seine Interessen zu besinnen und sich von der Vormundschaft der USA zu lösen. Die Bundesregierung sei fremdbestimmt, z.B. in ihrer Energiepolitik (Ersetzung von preiswerten russischen Gaslieferungen durch teures US-amerikanisches Flüssiggas):7 „Die US-amerikanische Regierung befiehlt der deutschen Regierung den wirtschaftlichen Selbstmord und Scholz & Co. führen ihn aus.“ Deutschland sei an sich „Brückenbauer, […] Mittler zwischen Ost und West“,8 handle derzeit aber aufgrund seiner Schwäche nicht souverän, sondern werde tragischerweise gezwungen, sich zwischen Ost und West zu entscheiden, d.h. gegen Russland.9 Das möchte Höcke rückgängig machen.
In diesem Zusammenhang, im zweiten Teil der Rede, macht sich Höcke weitere Rechtfertigungen des Überfalls auf die Ukraine von Seiten Putins zu eigen. Es finden sich denn auch Anspielungen auf Alexander Dugins „Das Große Erwachen gegen den Great Reset“ (2021). Höcke definiert die westliche Welt, den „neuen Westen“, der zu seinem Leidwesen keineswegs mehr „klassisch-liberal“ sei, mehrfach als „Regenbogen-Imperium“. Klassisch-liberal ist für Dugin der Liberalismus 1.0 im Sinne Hayeks, der national, kapitalistisch, pragmatisch, individualistisch, ja geradezu libertär gewesen sei. Der Liberalismus 2.0, der Soros-Liberalismus, stehe dagegen für politische Korrektheit, Cancel Culture, Genderismus & LGBT-Kult und Demokratie als Herrschaft der „progressiven Minderheit“.
Gegen dieses letztlich totalitäre „Regenbogen-Imperium“ wird nun der Krieg, so Höcke, nicht nur aus materiellen, sondern vor allem aus „weltanschauliche[n]“ Gründen geführt: „diese Länder und ihre Staatslenker“ – Höcke meint nicht nur Putin, sondern bezieht auch Viktor Orban und „die“ Serben mit ein – hätten sich „gegen die Veralberung der Tradition und Geschichte entschieden […], gegen die ungebremste Einwanderung, gegen die Transformation ihrer Völker in eine gesichtslose Masse von perfekt durchmaterialisierten Konsumfaschisten“. Sie würden sich gegen Homo-Ehe, Transgeschlechtlichkeit und Schwangerschaftsabbrüche oder Pornofilme in der Schule zur Wehr setzen. Die Ukraine also als Schlachtfeld, auf dem dem „Regenbogen-Imperium“ des Westens der Kampf angesagt wird. In diesem Kampf muss Deutschland, so Höcke, selbstverständlich Partei sein, es muss sich von seiner Vasallen-Rolle befreien, nicht zuletzt im eigenen Interesse. Hätte er die Wahl und müsste er „für das deutsche Volk entscheiden“, würde er sich und die Deutschen nicht auf der Seite des Imperiums, des „globalistischen Westen[s]“ sehen, sondern auf der Seite des „Ostens“ und damit Russlands.10
Höckes Entscheidung für den Osten knüpft an die ‚Ostideologie‘ und die Ostorientierung Moeller van den Brucks und des jungkonservativen Juni-Klubs nach 1919 an.11 Moeller schrieb 1920 im Gewissen, damals mit Blick auf das bolschewistische Russland: „Der russische Sozialismus weiß, daß die Revolution eine Erhebung gegen die nutznießende Gesellschaft des Westens ist. Wenn der Bolschewismus gegen Indien vorstößt, dann meint er England. Und wenn er gegen Polen andrängt, dann meint er Frankreich. Er meint unsere Feinde. Das verbindet den russischen und den deutschen Sozialismus [im Sinne Moellers; d. Vf.]. Sollen sie den gemeinsamen Kampf nicht gemeinsam führen?“12
Wenn Moeller van den Bruck des Weiteren schreibt: „Der Augenblick rückt heran, in dem wir uns für oder gegen den Osten entscheiden müssen“, wenn Ernst Niekisch in „Grundfragen deutscher Außenpolitik“ (1925) die „Bereitschaft zur russischen Orientierung“ erneut aufruft und wenn Karl Haushofer die Idee eines kontinentalen Machtblocks propagiert, so gibt es dazu eine direkte Replik Hitlers in „Mein Kampf“: „Nicht West- und nicht Ostorientierung darf das künftige Ziel unserer Außenpolitik sein, sondern Ostpolitik im Sinne der Erwerbung der notwendigen Scholle für unser deutsches Volk“ (Bd. II, 330).13 Hitler markiert hier – er gebrauchte in „Mein Kampf“ den Begriff „Bodenpolitik“ – eine Differenz gegenüber der jungkonservativen Ostideologie der frühen 1920er Jahre [Moeller van den Bruck hat sich später davon distanziert] und zu den Äußerungen des (späteren) Nationalbolschewisten Niekisch oder vergleichbaren Äußerungen Gregor Strassers.
Daran sollte man sich erinnern, wenn man über Gehalt und Charakter von Höckes Oktober-Rede nachdenken will. Sie ist zweifellos eine Kriegsrede im Geiste der zitierten konservativ-revolutionären Ideologen. Sie begrüßt den Angriffskrieg Putins – im Gegensatz zu dem Positionspapier der AfD-Bundestagsfraktion vom März 2022 – als berechtigte Antwort auf „die Offensive einer raumfremden Macht“, deren oberstes geostrategisches Ziel darin bestehe, „ein deutsch-russisches Zusammengehen“ gegen die Zumutungen des „Regenbogenimperiums“ zu verhindern. Die Analogie zum revisionistischen ‚Abwehrkampf‘ gegen den „Westen“ in den 1920er Jahren liegt auf der Hand. Diese Konstellation ist eine andere als 1939, als Carl Schmitt nach der Einverleibung der „Rest-Tschechei“ daran ging, die Konturen einer „völkerrechtlichen Großraumordnung“ aus der Sicht eines großdeutschen Imperiums zu umreißen, und bald darauf die Nazis begannen, ihre „Lebensraum im Osten“-Ideologie im Sinne einer rassenideologisch begründeten Expansionspolitik in die Tat umzusetzen, angefangen vom Überfall auf Polen bis hin zum Angriff auf die SU.
Es ist allerdings bezeichnend für Höckes Ostorientierung, dass sie bei allem Gerede vom „natürlichen Partner“ Russland einen antirussischen Kern enthält. Ich hatte vom kolonialistischen Blick Höckes auf Russland gesprochen: In wirtschaftlicher Hinsicht weist er dem „Partner“ Russland die Rolle des Rohstofflieferanten zu und auch in kultureller Hinsicht konstruiert er eine klare Hierarchie. Louis Dupeux sieht in seiner Studie zum deutschen Nationalbolschewismus der 1920er Jahre in der Schwärmerei für die „russische Seele“, die wir jetzt bei Höcke wiederfinden, eine „Zweideutigkeit“, die der Ostorientierung damals einen „imperialistischen Anstrich“14 verliehen habe, an den dann, so wird man ergänzen müssen, die Nazis mit ihrem rassenbiologisch begründeten Imperialismus anknüpfen konnten, um ihn zu überbieten.
Geht man von dieser Zweideutigkeit aus, ist die Rede Höckes sicherlich nicht das letzte Wort, sondern Ausdruck einer Lageeinschätzung, deren behauptete Determinanten sich ändern können. Gegenwärtig soll Deutschland die Fronten wechseln, vom Vasallen und „Brückenkopf“ der USA zum strategischen Juniorpartner Russlands, dessen historische Mission im Kampf gegen das „Regenbogenimperium“ verklärt wird. Man muss sich aber über eins im Klaren sein:
Im Mittelpunkt rechter Diskurse über Russland steht nicht Russland, stehen vielmehr Deutschland und das imaginierte „Reich“.
Diesbezüglich ist nochmal an Carl Schmitt zu erinnern. Die entscheidenden völkerrechtlichen Subjekte sind für ihn 1939 nicht mehr die Nationalstaaten, sondern die Reiche (im Plural!), „die führenden und tragenden Mächte, deren politische Idee in einen bestimmten Großraum ausstrahlt und die für diesen Großraum die Interventionen fremdräumiger Mächte grundsätzlich ausschließen“ (Schmitt 1995, 295f.; vgl. Fn. 3). Ein Großraum umfasst also erstens ein Reich als Hegemonialmacht, zweitens eingegliederte, ehemals souveräne Staaten mit nunmehr erheblich geminderter Rechtsstellung15, die sich Schmitt zufolge im Wesentlichen, im Falle des vom Deutschen Reich dominierten Großraums, auf die „Achtung jedes Volkstums“ (ebd., 297) beschränkt;16 und drittens bestimmt sich die Grenze eines Großraums durch die (räumliche) Reichweite der durch das Reich propagierten politischen Idee und die Fähigkeit des Reiches, innerhalb dieser Grenzen das Interventionsverbot für konkurrierende Mächte durchzusetzen. Schmitt verweist in diesem Zusammenhang auf den deutsch-sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag vom 28.09.1939, in dem er wesentliche Elemente einer wechselseitigen Anerkennung beider Großraumordnungen realisiert sieht: Der Vertrag „setzt die Grenze der ‚beiderseitigen Reichsinteressen‘ im Gebiet des bisherigen polnischen Staates fest. Ausdrücklich wird in Art. 2 des Vertrages jegliche Einmischung dritter Mächte in diese Abmachung abgelehnt“ (ebd., 295). Außerdem enthielt der Vertrag Bestimmungen zur Umsiedlung der jeweils eigenen Volksgruppen, womit „das Versailler System des sog. Minderheitenschutzes [im Sinne der Bewahrung individueller Rechte, d.V.] für diesen Teil des europäischen Raumes erledigt“ (ebd.) war.
Wenn man all diese Elemente, von Schmitt auf dem Stand vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion formuliert,17 als Subtext von Höckes Rede liest, wird nochmal deutlich, welches Potenzial die Berufung Höckes auf das „Interventionsverbot für raumfremde Mächte“ für eine vorerst metapolitische Rekonstruktion der Großmachtrolle Deutschlands in Europa enthält, sicherlich nicht im Sinne einer einfachen Übertragung, wohl aber im Sinne der Erschließung eines den veränderten und sich verändernden Bedingungen angepassten Möglichkeitsraumes. In diesem Punkt erneuert Höcke das, was Niels Werber in seinem Buch „Geopolitik“ (Hamburg 2014) als die kompensatorische Funktion deutscher Geopolitik nach 1918 bezeichnet: Der geopolitische Diskurs habe damals als scheinbar „‘objektiver‘ Garant einer Korrektur der Geschichte“ (ebd., 115) gedient, um die Niederlage des Deutschen Reiches wieder rückgängig machen zu können.
1 Damit steht Höcke nicht allein. Vgl. dazu die Beispiele (u.a. Hans-Thomas Tillschneider) bei Roeser/Häusler, die im Übrigen drei Gruppen in der AfD unterscheiden. Für die erste Gruppe stehe Rüdiger Lucassen, der sich „deutlich“ von Putin und Russland distanziert habe; eine mittlere Gruppe (u.a. Tino Chrupalla) verurteile zwar den russischen Angriffskrieg, versuche aber „Putins Verantwortung zu relativieren“. Die dritte Gruppe rechtfertige die russische Position. Vgl. R. Roeser/A. Häusler: Die Positionen der AfD zum Putin-Regime und dem russischen Angriffskrieg. Forena-Diskussionspapier 2/2022, 13.
2 Im Folgenden zitiert nach https://www.pi-news.net/2022/10/hoeckes-rede-zum-tag-der-deutschen-freiheit-am-3-oktober-in-gera/. Vgl. dagegen die vom Manuskript in mancher Hinsicht, aber nicht grundsätzlich abweichende wörtliche Rede unter https://www.youtube.com/watch?v=QVdwdw2gB5Y.
3 Carl Schmitt: Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte. Ein Beitrag zum Reichsbegriff im Völkerrecht [zuerst 1939, 4. erweiterte Aufl. 1941], in: ders.: Staat, Großraum, Nomos. Arbeiten aus den Jahren 1916-1969, hrsg. mit Vorwort und Anmerkungen von Günter Maschke, Berlin 1995, 269-371.
4 Ulrike Jureit: Großraum versus Lebensraum. Die Interdependenzen geographischer, juristischer und rassenbiologischer Ordnungsvorstellungen, in: Geographica Helvetica 78 (2023), 75-85, hier S. 80.
5 Vgl. z.B. Werner Best: Völkische Großraumordnung, in: Deutsches Recht 10 (1940), 1345-1348.
6 In diesem Punkt unterscheidet sich Dugin wesentlich von den Eurasiern der 1920er Jahre. „Das moderne Europa ist […] nicht mehr die Quelle des ‚Weltbösen‘. Die ungestümen politischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts haben dazu beigetragen, daß sich diese Quelle weiter nach Westen verschoben hat: Heute heißt sie USA. Dieser Tage kann Rußland in Europa jene strategischen Partner finden, die an der Wiederherstellung ihrer früheren politischen Gewalt interessiert sind.“ (Eurasien über Alles. Das Manifest der eurasischen Bewegung, online unter: https://www.geopolitika.ru/de/article/eurasien-ueber-alles-das-manifest-der-eurasischen-bewegung)
7 Diesbezüglich deutet Höcke an, dass die Anschläge gegen Nord Stream 1 und 2 von den USA zu verantworten seien, habe doch „Biden mit dem lässigen Lächeln eines Bandenchefs [sic!]“ versprochen, das Projekt Nord Stream 2 zu beenden.
8 Entspricht der Formulierung im Strategiepapier der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag zur Außen- und Sicherheitspolitik „Realpolitik im deutschen Interesse“ (Berlin 2021), in dem von der „Brücken- und Mittlerfunktion zum russisch-asiatischen Raum“ (ebd., 16, Leitlinie 3) die Rede ist.
9 Es fällt auf, dass, wenn Höcke vom Osten spricht, die ostmitteleuropäischen Staaten (laut Giselher Wirsing: „Zwischeneuropa“) und deren Interessen mit keinem Wort erwähnt werden. Es verwundert nicht, wenn der selbsternannte „Nationalrevolutionär“ und bekennende Putinist Jürgen Elsässer, Höcke assistierend, in seinem Querfront-Magazin Compact antipolnischen Ressentiments Platz einräumt (vgl. z.B. Compact 4/2023, 44-50).
10 Ähnlich äußerte sich Hans-Thomas Tillschneider, Landtagsabgeordneter der AfD in Sachsen-Anhalt, bei der Gründung eines Vereins namens „Ostwind“ im Januar 2023, an der auch Jürgen Elsässer beteiligt war. Tillschneider bedient sich desselben Vokabulars wie Höcke: „Wir, die Normalen, Vernünftigen, Verwurzelten haben erkannt, dass unser Feind das Regenbogenimperium ist, und im Widerstand gegen dieses Imperium steht uns Russland am nächsten. In Russland herrscht eine in der Tradition verwurzelte Lebensweise, die sich mehr und mehr als Gegenentwurf zur traditions-, identitäts- und geschlechtslosen Regenbogengesellschaft des Westens begreift.“ (https://www.compact-online.de/vereinsgruendung-der-ostwind).
11 Ausführlicher hierzu Volker Weiß: Dostojewskijs Dämonen. Thomas Mann, Dmitri Mereschkowski und Arthur Moeller van den Bruck im Kampf gegen „den Westen“, in: H. Kauffmann/H. Kellershohn/J. Paul (Hg.): Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt. Analysen rechter Ideologie, Münster 2005, 90-122.
12 Moeller van den Bruck: Sozialistische Außenpolitik [11.02.1920], in: ders.: Sozialismus und Außenpolitik, hrsg. von Hans Schwarz, Breslau 1933, 81f.
13 Hier zitiert nach: Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition, hrsg. von Christian Hartmann et al., Bd. II, München/Berlin 2016, 1687.
14 Louis Dupeux: Nationalbolschewismus in Deutschland 1919-1933, München 1985, 33.
15 „Das ‚ius ad bellum‘ wie auch die Möglichkeit einer Neutralität und im weiten Maße die außen- und innenpolitische Handlungsfähigkeit war den Großraumstaaten genommen. “ (Mathias Schmoeckel: Die Großraumtheorie. Ein Beitrag zur Geschichte der Völkerrechtswissenschaft im Dritten Reich, insbesondere der Kriegszeit, Berlin 1994, 72)
16 Schmitt sprach mit Bezug auf die vom Deutschen Reich verfolgte politische Idee von einer „nichtuniversalistischen, volkhaften, völkerachtenden Lebensordnung“ (Schmitt 1995, 297).
17 Die vierte Auflage der „Völkerrechtlichen Großraumordnung“ datierte Schmitt auf den 28. Juli 1941 (einen Monat nach dem Angriff auf die Sowjetunion). Bemerkenswerterweise behielt er die positive Bewertung des deutsch-sowjetischen Vertrages vom September 1939 bei.
Dieser Beitrag stammt aus dem DISS-Journal#45 (Juni 2023). Die vollständige Ausgabe als PDF finden Sie hier.