Das Beispiel Thilo Sarrazin Von Michael Lausberg. Erschienen in DISS-Journal 28 (2014) Zahlreiche regionale und überregionale Medien sowie Politiker_innen, vor allem aus den Reihen der beiden großen „Volksparteien“, beteiligen an der antiziganistischen Stigmatisierung der Einwander_innen aus Rumänien und Bulgarien. In diesem Chor darf Thilo Sarrazin nicht fehlen. Die in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ ((Sarrazin, T.: Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen, München 2010)) aufgestellten rassistischen, wohlstandschauvinistischen und klassistischen Behauptungen ((Siehe dazu Friedrich, S. (Hg.): Rassismus in der Leistungsgesellschaft: Analysen und kritische Perspektiven zu den rassistischen Normalisierungsprozessen der „Sarrazindebatte“, Münster 2011.)) bilden auch die Grundlage für seine Hetze gegen Einwander_innen aus Bulgarien und Rumänien. In einem Gastbeitrag für das Magazin „Focus“ warnte Sarrazin im Dezember 2013 mit Blick auf die 2014 einsetzende Arbeitnehmer_innenfreizügigkeit vor einer „steigenden Armutseinwanderung“…
Siegfried Jäger rezensiert Sebastian Friedrich (Hg.): Rassismus in der Leistungsgesellschaft. Die Besprechung ist erschienen in DISS-Journal 22 (2011). Die Linke habe sich zu Sarrazin kaum bis überhaupt nicht geäußert. So rumort es in den hegemonialen Feuilletons. Das stimmt, wenn es denn überhaupt irgendwie wahr war, ab jetzt nicht mehr. Für genauere und seriösere Analyse, so einem denn daran gelegen ist, bedarf es einer gewissen Zeit. Mit dem soeben erschienenen Sammelband, herausgegeben von Sebastian Friedrich, liegt eine Kritik vor, die tiefschürfend und anregend ist und sich nicht mit dem Bürger Sarrazin allein befasst, sondern seine Ideologie zutiefst in deutscher Geschichte und aktueller bürgerlicher Gesellschaft verankert sieht. Zu Recht! Wer sich jemals gründlicher mit dem Nationalsozialismus und seinen Vorläufern beschäftigt hat, wer die deutsche Politik nach 1945 und den fortdauernden Antisemitismus und Rassismus verfolgt hat,…
Eine Rezension von Helmut Kellershohn, erschienen in DISS-Journal 22 (2011). Es bedarf keiner hellseherischen Fähigkeiten, um zu dem Urteil zu gelangen, dass der Fall Sarrazin keineswegs abgeschlossen ist. Der nächste „Sarrazin“ kommt bestimmt. Darauf hoffen natürlich auch die jungkonservativen Fahnenträger um die Junge Freiheit (JF) und das Institut für Staatspolitik. Lasst zwei, drei, vier Sarrazins reüssieren und die geistige Verfassung der Bundesrepublik wird aus den Angeln gehoben werden, so ihre selbstgewisse Botschaft in mittlerweile drei Broschüren, die dem vermeintlich heroischen ‚Tabubrecher’ Sarrazin gewidmet sind. Es ist das Verdienst von Volker Weiß, in seinem Buch Deutschlands Neue Rechte (2011) die gemeinsamen Traditionslinien der jungkonservativen Neuen Rechten mit Sarrazins Untergangsvisionen freigelegt zu haben. Prompt reagierte Karlheinz Weißmann, seines Zeichens ‚Vordenker’ der Neuen Rechten, mit einem unwirschen Kommentar: „Was Weiß schreibt, entbehrt jeder Originalität und findet…
Ökonomie und Minderheiten-bashing zum 20. Jahrestag der Einheit. Von Jobst Paul. Erschienen in DISS-Journal 20 (2010) In seiner Ansprache zum 3. Oktober 2010 ließ Bundespräsident Wulff den rassistisch-biologistischen Tenor der Sarrazin-Debatte unkommentiert und übernahm stattdessen deren ‚ordnungspolitischen’ Reduktionismus. So, als habe die Einwanderung in die BRD gerade erst begonnen und als seien nicht bereits ganze Generationen von Einwanderern deutsche Staatsbürger, forderte Wulff die Beachtung von deutschem „Recht und Gesetz“, von „unsrere(n) gemeinsamen Regeln“ und das Akzeptieren von „unsere(r) Art zu leben“. In einem polemischen Schwenk gegen „multikulturelle Illusionen“ setzte er hinzu, diese hätten bei Einwanderern stets zum „Verharren in Staatshilfe, Kriminalitätsraten, Machogehabe, Bildungs- und Leistungsverweigerung“ geführt. Bereits tags zuvor hatte der ehemalige rot-grüne Präsidentschaftskandidat Joachim Gauck im Berliner Abgeordnetenhaus – aus ‚christlicher Fürsorge’, wie er andeutete - die Gruppe der ‚integrationsunwilligen Ausländer’ mit…
Ein Kommentar von Jobst Paul. Erschienen in DISS-Journal 18 (2009) Zugegeben – im DISS hat das wochenlange Blätterrauschen volle Aktenordner, vor allem aber mentale Spuren hinterlassen: Die DISS-Journal-Redaktion bestreikt den Casus Sarrazin! Aber nicht, weil er Teil des biologistischen, rassistischen und sozialdarwinistischen Diskurses ist und Herr Sarrazin, wie andere vor ihm, der gesellschaftlichen Mitte gerade eine neue Dosis an rechtslastiger Ausgrenzungsrhetorik verabreicht hat. Wir möchten stattdessen vor der Inszenierung und ihren Nötigungen einige Fragen und Ansichten in Sicherheit bringen, die zum Gegendiskurs taugen. Was zum Beispiel bedeutet es, dass Sarrazins atemloses Gerede, das an eine Sitzung beim Friseur erinnert, auf über einem Dutzend Seiten in Lettre International abgedruckt wurde und sich dieses Medium der Debatten zum Forum der Geschwätzigkeit entwickelt hat? Was befähigt jemanden, dessen wissenschaftliche Bildung offenbar vom Boulevard der 70er und…