Die Normalisierung der „Flüchtlingskrise“ Von Ursula Kreft und Hans Uske. Erschienen in DISS-Journal 31 (2016) Manche Begriffe haben eine kurze Halbwertzeit. Kaum jemand redet zurzeit noch von der „Obergrenze“, die 2015 existentiell wichtig war und gefühlte tausend Mal in Talkshows und Kommentaren diskutiert, bestimmt, verworfen und problematisiert wurde. Lebendig geblieben ist dagegen die „Flüchtlingskrise“, obwohl zurzeit nur noch wenige Flüchtlinge deutschen Boden erreichen. Was ist passiert? Und wird jetzt alles wieder normal? „Flüchtlingskrise“: Die De-Normalisierung der Asylpolitik seit Sommer 2015 In Rückblicken auf den Sommer 2015 dominierten Anfang 2016 diskursive Ereignisse vom Typ des „Sommermärchens“ mit der Willkommenskultur der ehrenamtlichen Unterstützer/innen und Varianten der Parole „Wir schaffen das“. Die Ereignisse im Sommer 2015 waren aber auch der Beginn der De-Normalisierung der damals praktizierten Asylpolitik. Die Zahlen der Asylsuchenden waren zwar schon in…
Siegfried Jäger rezensiert Sebastian Friedrich (Hg.): Rassismus in der Leistungsgesellschaft. Die Besprechung ist erschienen in DISS-Journal 22 (2011). Die Linke habe sich zu Sarrazin kaum bis überhaupt nicht geäußert. So rumort es in den hegemonialen Feuilletons. Das stimmt, wenn es denn überhaupt irgendwie wahr war, ab jetzt nicht mehr. Für genauere und seriösere Analyse, so einem denn daran gelegen ist, bedarf es einer gewissen Zeit. Mit dem soeben erschienenen Sammelband, herausgegeben von Sebastian Friedrich, liegt eine Kritik vor, die tiefschürfend und anregend ist und sich nicht mit dem Bürger Sarrazin allein befasst, sondern seine Ideologie zutiefst in deutscher Geschichte und aktueller bürgerlicher Gesellschaft verankert sieht. Zu Recht! Wer sich jemals gründlicher mit dem Nationalsozialismus und seinen Vorläufern beschäftigt hat, wer die deutsche Politik nach 1945 und den fortdauernden Antisemitismus und Rassismus verfolgt hat,…
Ökonomie und Minderheiten-bashing zum 20. Jahrestag der Einheit. Von Jobst Paul. Erschienen in DISS-Journal 20 (2010) In seiner Ansprache zum 3. Oktober 2010 ließ Bundespräsident Wulff den rassistisch-biologistischen Tenor der Sarrazin-Debatte unkommentiert und übernahm stattdessen deren ‚ordnungspolitischen’ Reduktionismus. So, als habe die Einwanderung in die BRD gerade erst begonnen und als seien nicht bereits ganze Generationen von Einwanderern deutsche Staatsbürger, forderte Wulff die Beachtung von deutschem „Recht und Gesetz“, von „unsrere(n) gemeinsamen Regeln“ und das Akzeptieren von „unsere(r) Art zu leben“. In einem polemischen Schwenk gegen „multikulturelle Illusionen“ setzte er hinzu, diese hätten bei Einwanderern stets zum „Verharren in Staatshilfe, Kriminalitätsraten, Machogehabe, Bildungs- und Leistungsverweigerung“ geführt. Bereits tags zuvor hatte der ehemalige rot-grüne Präsidentschaftskandidat Joachim Gauck im Berliner Abgeordnetenhaus – aus ‚christlicher Fürsorge’, wie er andeutete - die Gruppe der ‚integrationsunwilligen Ausländer’ mit…
Wie Normalität produziert wird. Eine Buchbesprechung von Siegfried Jäger. Erschienen in DISS-Journal 15 (2007) Nach knapp 10 Jahren der ersten Auflage dieses wichtigen Buches liegt nunmehr die 3., aktualisierte Ausgabe vor, die insbesondere auch eine Diagnose der großen „Denormalisierungen“ zu Beginn des 21. Jahrhunderts enthält. Das Ziel dieser Untersuchung war und ist es, „ein sowohl systematisch konzises wie historisch plausibles Konzept des «Normalismus » zu entwickeln, worunter ein spezifisch modernes und nur modernes kulturelles Regime verstanden wird, das – gestützt auf kontinuierlich und flächendeckende Verdatung – routinemäßig Normalitäten produziert und reproduziert.“ Bei diesem Konzept des Normalismus handelt es sich um einen wegweisenden Beitrag zur Kulturwissenschaft, der den Blick auf aktuelle Entwicklungen zu schärfen und ihre prognostische Kapazität zu erhöhen geeignet ist. In dem völlig neuen Schlußteil des Bandes zeigt der Autor auf, daß…