Fanatiker, Fundamentalisten, Irre und Traffikanten - Das neue Feindbild Süd ((Vortrag, gehalten bei der Tagung des Bundes für soziale Verteidigung in Köln-Deutz. Eine Kurzfassung erschien am 16. Januar 1991 in der Frankfurter Rundschau. Das Manuskript wurde im Dezember 1990 abgeschlossen.)) Eine Analyse von Jürgen Link Ich möchte mit einigen kurzen Reflexionen zum Begriff "Feindbild" beginnen. Dieser Begriff wird in einer Reihe verschiedener Disziplinen in verschiedenem Sinne verwendet. Ich selbst möchte eine diskurstheoretische Orientierung zur Diskussion stellen - und kann das, meine ich, mit einigermaßen gutem Gewissen tun, weil diese Orientierung explizit auf Interdisziplinarität und Integration mit anderen Ansätzen, etwa psychoanalytischen und sozialpsychologischen, angelegt ist. Um den von mir vorzuschlagenden, eingeschränkten und möglichst operativen Begriff eines "Feindbildes" zu erklären, möchte ich von einer Formulierung ausgehen, die Heinrich Böll in seiner vielleicht bekannten Feindbild-Rede verwendet…
Analyse eines Textes von Gerd-Klaus Kaltenbrunner ((Die folgende Analyse verzichtet auf eine systematische oder gar vollständige Ausbreitung des umfangreichen empirischen Materials. Sie bezieht sich allerdings immer dann darauf, wenn es darum geht, die aufgestellten Behauptungen zu belegen. Eine erste Fassung dieser Analyse wurde 1987 für eine Buchveröffentlichung erstellt (Jäger (Hg.) 1988); sie wurde im Januar 1991 überarbeitet und aktualisiert.)) Eine Beispielanalyse von Siegfried Jäger 1. Vorbemerkung: Weshalb ich gerade den Text von Gerd-Klaus Kaltenbrunner analysiert habe! Die rechtsextreme Presse der Bundesrepublik, rechtsextreme Propaganda, die Besonderheiten des rechtsextremen Journalismus, also der rechtsextreme Diskurs insgesamt, ist bisher kaum beachtet worden. ((In der "Kommentierten Bibliographie" zur Sprache von Faschismus und Rechtsextremismus (Jäger 1990) konnten nur wenige Titel zu Sprache und Propaganda des heutigen Rechtsextremismus aufgeführt werden.)) Die wissenschaftliche Journalistik, eine Linguistik, die sich mit Presse befaßt,…
Ein kurzer Blick auf neurechte Argumentationen im Diskurs der politischen Wissenschaften Von Dirk Kretschmer und Siegfried Jäger. Erschienen in: Siegfried Jäger / Dirk Kretschmer / Gabriele Cleve / Birgit Griese / Margret Jäger / Helmut Kellershohn / Coerw Krüger / Frank Wichert 1998: Der Spuk ist nicht vorbei. Völkisch-nationalistische Ideologeme im öffentlichen Diskurs der Gegenwart, Duisburg, S. 37-55 Vorbemerkung: Die paradoxe Formulierung vom "Extremismus der Mitte“ Bevor wir uns nun den verschiedenen Diskursebenen zuwenden, möchten wir uns einleitend der kontrovers geführten politik-wissenschaftlichen Diskussion über einen "Extremismus der >Mitte<" etwas ausführlicher widmen. ((Einen Eindruck über diese Debatte vermittelt Jäger, Margret / Jäger Siegfried (Hg.) 1996.)) Die Formel vom Extremismus der "Mitte" wird sehr unterschiedlich definiert. In seinem Überblick diskutiert Wolfgang Kraushaar vier verschiedene Ansätze, die er folgendermaßen charakterisiert: "Es sind dies: 1. einer zur…
Von Siegfried Jäger. Antworten zu strittigen Problemen, die von den Veranstaltern der Podiumsdiskussion in Augsburg am 30.3.2000 vorgegeben wurden. ((Am 30. und 31. März veranstaltete der Arbeitskreis Diskursanalyse, ein Zusammenschluß Augsburger und Münchener Soziologen, in Zusammenarbeit mit der Sektion Sprachanalyse der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) in Augsburg einen Workshop zum Thema „Perspektiven der Diskursanalyse".)) Vorbemerkung: Sprachsoziologie und Sprachforschung werden in der Vorgabe der Veranstalter gleichgesetzt. Das ist mir zwar durchaus symphatisch, weil Sprache ein gesellschaftlicher Gegenstand ist. In der etablierten Linguistik wird die Sprachsoziologie jedoch als Unter- bzw. "Bindestrich"-Disziplin angesehen, die bereits interdisziplinär angelegt ist. Dagegen befaßt sich Sprachforschung primär mit Sprache als solcher. Zur Debatte stand, ob die Diskursanalyse in die Soziologie intergriert und als „Brücke“ zwischen Soziologie und Sprachwissenschaft verstanden und angewendet werden kann 1. Vorgabe: Disziplinspezifische Entscheidungen für Diskurs- und…
Ein kurzer Blick auf neurechte Argumentationen im Diskurs der politischen Wissenschaften von Dirk Kretschmer und Siegfried Jäger. Erschienen in: Jäger, Siegfried / Kretschmer, Dirk / Cleve, Gabriele / Griese, Birgit / Jäger, Margret: Der Spuk ist nicht vorbei, Duisburg 1998, 37-55. Vorbemerkung: Die paradoxe Formulierung vom "Extremismus der Mitte“ Bevor wir uns nun den verschiedenen Diskursebenen zuwenden, möchten wir uns einleitend der kontrovers geführten politik-wissenschaftlichen Diskussion über einen "Extremismus der 'Mitte'" etwas ausführlicher widmen. Die Formel vom Extremismus der "Mitte" wird sehr unterschiedlich definiert. In seinem Überblick diskutiert Wolfgang Kraushaar vier verschiedene Ansätze, die er folgendermaßen charakterisiert: "Es sind dies: einer zur Kennzeichnung der sozialen Herkunft der Täter; einer zur Identifizierung der Komplizenschaft zwischen Tätern und Politikern, besonders zwischen rechtsradikalen Drahtziehern und staatlichen Behörden; einer zur Charakterisierung moderner rechts-populistischer Parteien und einer zur…
Von Siegfried Jäger. Dieser Beitrag ist in überarbeiteter Fassung erschienen in: Reiner Keller, Andreas Hirseland, Werner Schneider, Willy Viehöver (Hg.): Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse, Opladen: Leske + Budrich 2000 Vorbemerkung Im Zentrum einer an Michel Foucaults Diskurstheorie orientierten Kritischen Diskursanalyse (KDA) stehen die Fragen, was (jeweils gültiges) Wissen überhaupt ist, wie jeweils gültiges Wissen zustandekommt, wie es weitergegeben wird, welche Funktion es für die Konstituierung von Subjekten und die Gestaltung von Gesellschaft hat und welche Auswirkungen dieses Wissen für die gesamte gesellschaftliche Entwicklung hat. ((Zur Abgrenzung gegenüber anderen diskurstheoretischen Ansätzen vgl. Jäger 1996b. )) „Wissen“ meint hier alle Arten von Bewußtseinsinhalten bzw. von Bedeutungen, mit denen jeweils historische Menschen die sie umgebende Wirklichkeit deuten und gestalten. Dieses „Wissen“ beziehen die Menschen aus den jeweiligen diskursiven Zusammenhängen, in die sie hineingeboren sind und in die…
Von Margret Jäger und Siegfried Jäger. Erschienen in: Forschungsinstitut der Internationalen Wissenschaftlichen Vereinigung Weltwirtschaftz und Weltpolitik (IWVWW), Berichte November 1999, 38-57, auch erschienen in: Loccumer Protokolle 10/99 hrsg. Von Andrea Grimm, Rehburg-Loccum 1999.[1] Kurz nach der Befreiung Europas vom Naziregime durch die alliierten Truppen im Jahre 1945 notierte Victor Klemperer in seinem Tagebuch: “Ich sehe einen neuen Hitlerismus kommen. Ich fühle mich durchaus nicht in Sicherheit.” (Tb. 18.9.1945, 137) Er befürchtete, daß das Nazidenken und -handeln auch nach der Befreiung noch fortdauern könnte. Gerade diese Furcht veranlaßte ihn dazu, sein seit langem geplantes Buch über die Lingua Tertii Imperii, seine LTI, in wenigen Monaten fertigzustelllen. Er sah seine Tagebuchnotizen aus den Jahren 1933-1945 daraufhin durch, exzerpierte und schrieb sie um und destillierte daraus ein “Erziehungsbuch”, durch das er der Fortdauer des Faschismus in den…
Von Dr. Margarete Jäger. Vortrag, gehalten am 16.9.99 an der Universität Georg-August-Universität Göttingen beim Kolloquium „Wissenstransfer zwischen Experten und Laien. Umrisse einer Transferwissenschaft“. Untersuchungen zum Einwanderungsdiskurs in Deutschland haben sich immer wieder mit einer Argumentationsfigur auseinanderzusetzen, die ich im folgenden als Ethnisierung von Sexismus[1] bezeichne. Sie zeigt eine Diskursverschränkung an, die ganz besondere Wirkungen entfaltet. Kaum jemanden ist wohl die Auffassung noch nicht begegnet, daß türkische oder moslemische Männer besonders sexistisch seien, daß sie Frauen in besonderer Weise unterdrückten. Dieses Argument dient dann häufig als Begründung dafür, daß ein Zusammenleben mit Türken oder Moslems für ‚uns’ nur schwer oder gar nicht möglich ist. Sehr häufig wird dieser ethnisierte Sexismus auch mit dem Islam in Verbindung gebracht, wenn etwa angenommen wird, der Koran schreibe Männern die Herrschaft über Frauen geradezu vor. Ein Vergleich mit anderen Vorurteilen, die ansonsten gegenüber…
Reaktionen der extremen Rechten auf den NATO-Krieg in Jugoslawien. Von Stefan Jacoby, erschienen in DISS Archiv-Notizen April 1999 In der vorigen Ausgabe der Archiv-Notizen gingen wir bereits kurz auf die ersten Reaktionen der extremen Rechten auf den Krieg ein. Inzwischen liegen neben den Internet-Publikationen auch zahlreiche Printmedien mit Stellungnahmen zum Thema vor. Die Tendenz, daß dieser Krieg von der überwiegenden Mehrheit abgelehnt wird, hat sich bestätigt. Das zentrale Argument dabei ist, er diene angeblich nicht den deutschen Interessen, sondern liege ausschließlich im Kalkül der USA. Eine Minderheit befürwortet den Krieg, zumeist mit dem Verweis auf Volksgruppenpolitik und Ethnopluralismus. Auffällig ist, daß die Option für oder gegen den Krieg sich nicht in jedem Fall eindeutig vorhersagen ließ. Es würde den Rahmen der Archiv-Notizen sprengen, einen umfassenden Überblick zu geben. Wir greifen daher nur einige…
Zum Versuch jüngerer Vertreter der "Neuen" Rechten, in der Dark-Wave-Szene Fuß zu fassen. Von Alfred Schobert. Zuerst erschienen im Reader zur Konferenz gegen Rechts "Wider die Gewöhnung - der rechte Zeitgeist und seine Abwehr" in Nürnberg 15./16. Mai 1998 ((Veranstaltet vom der AG Rechtsextremismus beim Parteivorstand der PDS )) 1. Rechtsextreme Infiltrationsstrategie: Entwurf und Umsetzung "Pardon, ich höre Popmusik", überschrieb der frühere Neonazi ud spätere FPÖler Jürgen Hatzenbichler (vgl. Kellershohn 1994b, S. 77-86) leicht ironisch einen Artikel in Nation & Europa (3-4/91, S. 86-88). Hatzenbichler thematisierte die "durch-amerikanisierte Kunstöffentlichkeit von heute" (S. 86) und die rechte Abneigung gegen derartige "Massenkultur". "Amerikanismus" definiert Hatzenbichler als die "totale Durchsetzung unserer Kultur mit einem künstlichen Produkt, amerikanischer 'Kultur' eben, das sich aus mehreren kulturellen Einflüssen afrikanischer und europäischer Art bildete" (ebd.). Ist die rechte Kritik am…