Von Martin Dietzsch. Erschienen in DISS-Journal 23 (2012), 63 Heiner Geißler sorgte kürzlich für mediale Aufregung, als er die Siegessäule in Berlin, die die Siege Preußens über Dänemark, Österreich und Frankreich feiert, als „dümmstes Denkmal Deutschlands“ und als „ein Symbol für Nationalismus und Militarismus“ bezeichnete. Er sprach sich für eine Umgestaltung aus und forderte zugleich, endlich des von Rechten ermordeten ersten Finanzministers der Weimarer Republik, Matthias Erzberger, zu gedenken, nach dem in Berlin nicht einmal eine Straße benannt ist. Man kann sicher darüber streiten, ob der Superlativ in Bezug auf die Siegessäule angebracht ist und ob nicht andere pejorative Attribute als „Dummheit“ angebracht wären. Geißler erklärte, er habe eine Diskussion über preußisch-militaristische Denkmäler in Deutschland anstoßen wollen. Die teilweise heftigen, ja sogar entsetzten Reaktionen auf Geißlers Anstoß sind Indiz dafür, dass es sich…
Zu einem geplanten Forschungsprojekt. Von Martin Dietzsch und Regina Wamper, erschienen in DISS-Journal 22 (2011). Einer der ältesten Ausgrenzungs- und Herrschaftsdiskurse Europas ist der Antisemitismus. In Deutschland tritt er heute vorwiegend als sekundärer Antisemitismus auf, bei dem sich Judenfeindschaft nicht trotz, sondern wegen der Shoah artikuliert. Die Frage, wie ein christlicher Antisemitismus weiter wirkt und wie er sich mit heutigem Antisemitismus verbindet, ist in der derzeitigen Antisemitismusforschung weitgehend ungeklärt. Wie relevant und wirkmächtig sind heute christliche antisemitische Kreise? Gibt es Kontakte zwischen solchen Gruppierungen und der politischen extremen Rechten? Diesen Fragen will ein Forschungsprojekt zur Darstellung von Juden und Judentum in deutschen fundamentalistischen christlichen Publikationen nachgehen, das vom DISS und vom Salomon Ludwig Steinheim-Institut konzipiert wurde. Es fragt nach aktuellen antijüdischen Aussagen in rechten christlichen Diskursen. Im Folgenden sollen einige der im Planungsprozess…
Ein subjektiver Tagungsbericht von Martin Dietzsch. Erschienen in DISS-Journal 18 (2009) Vom 8. bis 10. Juli 2009 fand in Greifswald eine interdisziplinäre Fachtagung statt zum Thema „Europas radikale Rechte und der Zweite Weltkrieg“. Als Referenten konnten von der Tagungsleitung wichtige Vertreter der Faschismusforschung gewonnen werden, unter ihnen Zeev Sternhell aus Jerusalem und Roger Griffin aus Oxford. ((Ich möchte hier nur einige subjektive Eindrücke wiedergeben. Für eine inhaltliche Zusammenfassung verweise ich auf die Rezensionen von Stefan Vogt auf H-Soz-u-Kult (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/ id=2727&count=399&recno=12&sort=datum&order=down&geschichte=108) und von Frank Schubert in der jungle world 31- 2009 (http://jungle-world.com/artikel/2009/31/36481.html).)) Die Referate wissenschaftlicher Tagungen kann man in der Regel auch später nachlesen. Die Strapazen der Anreise und der Teilnahme lohnen sich aber dennoch, wenn man einen unmittelbaren Eindruck von den Referenten, vom Publikum und von der Stimmung gewinnen will. Das könnte auch…
Von Martin Dietzsch. Erschienen in DISS-Journal 17 (2008) Die Innenminister der Länder und des Bundes haben Frühjahr 2008 mehrheitlich gegen ein neues NPD-Verbotsverfahren ausgesprochen. Das ist nicht überraschend, aber deshalb nicht weniger fatal. Die NPD ist keine Partei wie jede andere. Sie ist auch nicht einfach nur »verfassungsfeindlich«. Sie kombiniert eine geschlossene, menschenverachtende Weltanschauung mit Einschüchterung und Gewalt, und sie nutzt geschickt die Schwächen des demokratischen Staates aus. Die von ihr ausgehende Gefahr wird immer noch unterschätzt. Es wächst so etwas heran, wie eine moderne NSDAP. Dass sie noch über keine talentierte Führerfigur verfügt und noch weit von den Schalthebeln der Macht entfernt ist, kann nur ein schwacher Trost sein. Die NPD ist nicht nur verfassungsfeindlich, sondern verfassungswidrig, und man muss dem Bundesverfassungsgericht nur die Chance geben, dies auch in einem Urteil festzustellen.…
Von Martin Dietzsch. Erschienen in DISS-Journal 14 (2005) Nach dem spektakulären Wahlerfolg der NPD in Sachsen vom September 2004 waren die Erwartungen bei Mitgliedern und Funktionären hoch gesteckt. Die NPD schmiedete Bündnisse: eine sogenannte „Volksfront“ mit den militanten Neonazis und einen „Pakt“ mit dem ehemaligen Erzfeind Gerhard Frey von der „Deutschen Volksunion“ (DVU). Doch schon bald zeigte sich, dass die NPD-Strategie nicht aufging, durch gezielte Provokationen eine Welle von Schlagzeilen zu erzeugen, die die Partei ins Parlament spülen sollten. Die Medien waren zu sehr damit beschäftigt, die neue Linkspartei zu bekämpfen. Lafontaines fataler „Fremdarbeiter“-Ausspruch blieb ein Ausrutscher. Und auch die Union widerstand der Versuchung, die klassischen Angst- Themen Ausländer, Kriminalität und islamischer Terrorismus ins Zentrum ihres Wahlkampfes zu rücken. Als Kandidatentruppe präsentierte die NPD die Elite der Partei und ihrer Bündnispartner. Angesichts des…
Von Martin Dietzsch und Anton Maegerle. Durch die Diskussion über Scientology und über die japanische Aum-Bewegung rückte das Thema Sekten wieder einmal in das öffentliche Interesse. Wir zeigen in unserem Beitrag auf, daß sich in der bundesdeutschen Sektenlandschaft auch eine Reihe von Organisationen tummeln, die dem rechtsextremen Lager angehören oder ihm zuarbeiten. Stand: Januar 1997 VPM Eine teure Niederlage hat der "Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis" (VPM) ([1]) im März 1996 in seinem Stammland Schweiz erlitten. In mehreren Presseartikeln wurde der VPM als Drogensekte bezeichnet, der seine Anhänger psychisch manipuliere. Dagegen hat sich der VPM durch alle Instanzen gewehrt und ist in letzter Instanz auch vor dem Bundesgericht abgeblitzt. Die Quittung: Der VPM muß rund 80.000 Franken an Gerichtsgebühren und Anwaltskosten bezahlen. Der VPM, der in der Bundesrepublik auch eine Studentenorganisation mit dem…
Von Martin Dietzsch und Anton Maegerle. Ein Überblick über die Entwicklung der parteipolitischen Rechten. Was ist zwei Jahre nach dem Wahldesaster im "Superwahljahr" aus der Parole von der Einheit der Rechten geworden? Welche Entwicklungen sind abzusehen? Stand: November 1996 Spätestens nach dem aus der Sicht der extremen Rechten katastrophalen Verlauf des "Superwahljahres" 1994 begann eine Phase der Neuorientierung. Diese Phase ist auch nach zwei Jahren noch nicht abgeschlossen. Obwohl viele Aktivitäten unter der Parole "Einheit der Rechten" standen, ist zunächst einmal eine größere Zersplitterung das Ergebnis. Es ist absehbar, daß dies nur ein vorübergehender Effekt ist - welche Konstellation am Ende des allgemeinen Gärungsprozesses stehen wird, läßt sich nicht exakt prognostizieren. Wir geben hier eine Bestandsaufnahme der Entwicklung der parteipolitischen Rechten. Dabei kann die Tatsache nur am Rande erwähnt werden, daß sich auch der…
Von Martin Dietzsch und Anton Maegerle. Der Begriff "Anti-Antifa" gewann in den letzten Jahren in der rechten Szene immer mehr an Bedeutung. Dies ist keineswegs nur auf den Bereich der gewalttätigen Neonazis beschränkt, sondern findet in etwas differenzierteren Varianten auch Anhänger im Bereich des intellektuellen Rechtsextremismus und bei Ultrakonservativen. Stand: September 1996 In der Rubrik "'Anti-Antifa'-Kampagne" legt der Bundesverfassungsschutzbericht 1995 (S. 114) dar, daß die von Neonazis betriebenen "Anti-Antifa"-Aktivitäten der Versuch seien, "unter Zurückstellung interner Differenzen im 'nationalen Lager' eine neue, organisationsunabhängige Sammlungsbewegung in Form von Aktionsgemeinschaften zu schaffen, in die möglichst alle Rechtsextremisten eingebunden werden sollen" (der Hamburger Verfassungsschutzbericht 1995, S. 76, spricht gar von einer "Volksfront von Rechts"). Diese Integration, so der Bundesverfassungsschutzbericht, wurde "teilweise erreicht". Hauptziel der "Anti-Antifa"-Aktivitäten sei die "Bekämpfung der politischen Gegner" (Sammlung und Veröffentlichung von Namen, Telefonnummern und…
Von Martin Dietzsch und Anton Maegerle. Unter dem Schlagwort "Political Correctness" findet in der Bundesrepublik eine Kampagne zur Rehabilitierung rechtsextremer Positionen statt. Dieser Beitrag gibt einen Überblick. Stand: Mai 1996. Otto Graf Lambsdorff, FDP-Ehrenvorsitzender, lamentierte im Sommer vergangenen Jahres in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) über "Deutschlands neue Denkverbote". Lauthals wurde von Lambsdorff beklagt, daß allem "was rechts ist, gleich die Ku-Klux-Klan-Kappe übergestülpt wird und bloße rechte Worte sehr voreilig zu Benzinkanistern in den Händen geistiger Brandstifter umdefiniert werden." Lambsdorff weiter: "Verstärkt durch die Diktatur der political correctness, tritt Ausgrenzung an die Stelle von Auseinandersetzung. Selbst moderat konservative Äußerungen werden an den Rand des Abgrunds der öffentlichen Akzeptanz gedrückt und haben Schwierigkeiten, überhaupt diskussionswürdig zu sein." ([1]) Der Freidemokrat ist der erste demokratische Politiker in der Bundesrepublik ([2]), der den heute von Rechtsaußen jeglicher Couleur…
Von Martin Dietzsch und Anton Maegerl. In letzter Zeit wird das Thema "Schutz der deutschen Sprache" vermehrt von ultrakonservativer und rechtsextremer Seite thematisiert. Wir geben einen Überblick. Stand: September 1995. Bei der Deutschen Bundesbahn (DB) heißt die Jahreskarte der 1. Klasse "BahnCard first", nächtliche Städtebummler zwischen Berlin und München sowie Berlin und Bonn reisen im "Intercity Night", der Fernmeldedienst der Post heißt "Telekom-Service" ...- beklagt die rechtsintellektuelle Wochenzeitung "Junge Freiheit" (JF vom 9. September 1994). Ganzseitig wird über die "Überfremdung des Deutschen" und den "Verlust der Sprache" lamentiert: "Eine Sprache, die ganze Lebensbereiche fast widerstandslos einer fremden Sprache überläßt, gibt sich auf". Bereitwillig druckte die JF deshalb auch die Anzeige zur Gründung einer "deutschen Sprachgemeinschaft" ab, um im "Kampf gegen die künstliche Amerikanisierung der deutschen Sprache" ein Zeichen zu setzen. Beachtung fand die angekündigte…