Von Martin Dietzsch. Erschienen in DISS-Journal 14 (2005)
Nach dem spektakulären Wahlerfolg der NPD in Sachsen vom September 2004 waren die Erwartungen bei Mitgliedern und Funktionären hoch gesteckt. Die NPD schmiedete Bündnisse: eine sogenannte „Volksfront“ mit den militanten Neonazis und einen „Pakt“ mit dem ehemaligen Erzfeind Gerhard Frey von der „Deutschen Volksunion“ (DVU).
Doch schon bald zeigte sich, dass die NPD-Strategie nicht aufging, durch gezielte Provokationen eine Welle von Schlagzeilen zu erzeugen, die die Partei ins Parlament spülen sollten. Die Medien waren zu sehr damit beschäftigt, die neue Linkspartei zu bekämpfen. Lafontaines fataler „Fremdarbeiter“-Ausspruch blieb ein Ausrutscher. Und auch die Union widerstand der Versuchung, die klassischen Angst- Themen Ausländer, Kriminalität und islamischer Terrorismus ins Zentrum ihres Wahlkampfes zu rücken. Als Kandidatentruppe präsentierte die NPD die Elite der Partei und ihrer Bündnispartner. Angesichts des Vorstrafenregisters hatte man fast den Eindruck, Hauptmotiv bei der Kandidatur sei die Erlangung parlamentarischer Immunität. Noch kurz vor der Wahl verbreitete die Parteiführung Optimismus: man werde zwar möglicherweise unter 5 % bleiben, aber mindestens drei Direktmandate erzielen. Vorsitzender Udo Voigt in der September-Ausgabe der Parteizeitung: „Vorwärts Nationaldemokraten – auf in den Reichstag!“.
Gemessen an diesen Erwartungen war das Ergebnis ein Misserfolg. Bundesweit erzielte die in der Geschichte der Bundesrepublik bisher radikalste neofaschistische Partei 1,6 %. Sie konnte ihr bisheriges Ergebnis vervierfachen und rechnet mit einer staatlichen Wahlkampfkostenerstattung von über einer Million Euro.
Die Enttäuschung hat die NPD schnell verwunden. In der Oktober- Ausgabe ihrer Zeitung wird im Rahmen der Wahlauswertung schon wieder die kurz bevorstehende Machtübernahme verkündet:
„Dass es die NPD trotz Medien- Nichtpräsenz und Diffamierung geschafft hat, fast 800.000 Stimmen auf sich zu vereinigen, kann schon fast als ein Wunder angesehen werden. […] Es wird sich schneller Gelegenheit bieten als mancher glaubt, die politischen Karten neu zu mischen. Das absurde Kanzlerdrama zeigt augenfällig, wie abgewirtschaftet die bundesrepublikanischen Eliten inzwischen sind. Es stehen neue bereit.“
Im Vergleich dazu schon fast bescheiden reagierte Gerhard Freys National Zeitung (NaZe): „Ein Aufwind war’s – ein Sturm (noch) nicht“. Das mäßige Abschneiden der NPD sei Ergebnis einer Medienmanipulation zugunsten der Linkspartei: „So wurden Protestwähler, die massenhaft sozusagen reif für die Rechten waren, mit Hilfe der Meinungsindustrie ‚umgeleitet‘.“ Den Kampf um die Köpfe der neuen Eliten führt das Blatt nun mit Titelschlagzeilen wie: „Was Merkel alles für Israel tut. Ihre wirklichen Ziele“; „Merkel – nur Marionette? Wer bei ihr die Fäden zieht“. Gegen solch eine elitäre Konkurrenz haben Rolf Schlierers „Republikaner“ einen schweren Stand. Die „demokratischen Patrioten“ (Eigenbezeichnung) verweigerten den Pakt mit der NPD. In ihrem ansonsten zum Verwechseln ähnlichen TV-Werbespot wählten sie in der Eingangssequenz ein anderes Sympathie- Tier: Die NPD warb mit einem tiefbraunen Adler, die „Republikaner“ mit einem Geier.
Nach der Wahl feierte die Bundesgeschäftsstelle den Stillstand der Wählergunst auf niedrigem Niveau als Erfolg. Immerhin schaffte es auch diese Partei mit 0,6 % knapp über die magische Grenze der Wahlkampfkostenerstattung. Ansonsten bejammert die Schlierer-Partei, dass „die weitgehend sozialdemokratisierte Union“ sich nicht zu ihrem idealen Koalitionspartner REP bekenne und dass deshalb „sich heute Kommunisten und linksextreme Ideologen gleich in mehreren Parteien im Bundestag tummeln können“.
Auch die rechtsradikale Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (JF) ereilte am Wahlabend ein Frusterlebnis. Chefredakteur Dieter Stein hatte sich noch kurz vor der Wahl an den vermeintlichen sicheren Sieger angeschmockt. Er forderte „eine deutsche Wende“ und lobte „den Willen zum Angriff auf ein Steuer- und Sozialsystem, das reif für den Sperrmüll ist“. „Deutschland leidet unter einem kollektiven Hospitalismus-Syndrom infolge eines hyperfürsorglichen Staates“. „Nur mit unkonventionellen Ideen gibt es einen Ausweg“: „Eine Renaissance alter preussischer Tugenden“. „Dazu ist es nötig, den geistigen Schutt und Ballast der politisch verantwortlichen Generation seit 1968 abzutragen“.
Die JF hatte aber zusätzlich auch noch einen eigenen Wunschkandidaten im Rennen. Der wegen seiner antisemitischen Rede aus der CDU ausgeschlossene Martin Hohmann hoffte auf ein Direktmandat als Einzelbewerber. Doch die nach Fulda angereiste Delegation von JF und Institut für Staatspolitik konnte kein Glas Champagner leeren. Hohmann erzielte zwar beachtliche 21,5 %, das reichte aber nur für den dritten Platz. Frustriert erklärte er seinen Rückzug aus der Politik. Da werden die Kameraden viel Arbeit haben, ihn von der Einhaltung dieses Versprechens wieder abzubringen. Schließlich ist er als zukünftiger Hoffnungsträger fest eingeplant. Die „Junge Freiheit“ tröstete sich derweilen, indem sie innerhalb der Unionsfraktion die nach JF-Kriterien letzten „Konservativen“ ausmachte, sozusagen eine virtuelle JF-Fraktion im Deutschen Bundestag. Zu dieser Elite zählt die JF 16 Abgeordnete: Veronika Bellmann, Michael Brand, Axel E. Fischer, Peter Gauweiler, Wolfgang Götzer, Norbert Geis, Michael Hennrich, Hubert Hüppe, Hartmut Koschyk, Henry Nitzsche, Georg Schirmbeck, Erika Steinbach, Max Straubinger, Hans- Peter Uhl, Arnold Vaatz und Kai Wegner.