Programmatische Vorstöße in Björn Höckes Kyffhäuserrede 2019
Von Stefan Rath. Erschienen in DISS-Journal 38 (2019)
Höckes Rede auf dem diesjährigen Kyffhäusertreffen des völkisch-nationalistischen Flügel der AfD, welches unter dem Motto „Der Osten steht auf “ am 6. Juli 2019 in Leinefeld stattfand, eröffnete den AfD-Wahlkampf für die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Die Veranstaltung erregte insbesondere aufgrund der Inszenierung und des Personenkults um Höcke Beachtung. In Folge wurde der Richtungsstreit innerhalb der Partei teilweise öffentlich ausgetragen. Mediale Aufmerksamkeit kam insbesondere den Teilen der Rede zu, in denen Höcke versprach, es werde keine Wiederwahl des jetzigen Bundesvorstandes in seiner bisherigen Zusammensetzung geben, und Teile der Partei, die er auf dem „Weg einer FDP zwei Komma null“ wähnt, angriff. In einem Appell schrieben daraufhin bekannte AfD-Funktionäre: „Die AfD ist und wird keine Björn-Höcke-Partei!“ Ihre Kritik richtet sich gegen die Inszenierung und argumentiert explizit nicht inhaltlich.
Die Rede ist als Höhepunkt der ganztägigen Veranstaltung angelegt. Höcke lässt sich zunächst, unterbrochen von einem vier Minuten langem Imagevideo über sich selbst, fast fünf Minuten anmoderieren, um anschließend zu heroischer Musik, stehendem Applaus und gewedelten kleinen Deutschlandfähnchen weitere drei Minuten lang in die Mehrzweckhalle zu schreiten und sich auf der mit einem Steg versehenen Bühne in Jubelpose zu präsentieren.
Inhalt und Aufbau der Rede
Die Auseinandersetzung mit den „Kartellparteien“ bildet den Schwerpunkt, mit dem die AfD in den vom Flügel dominierten ostdeutschen Landesverbänden in den Wahlkämpfen antreten wird. Adressaten der Rede sind nicht nur die „850 Mitstreiter“ vor Ort, sondern auch die „vielen Interessengemeinschaften der AfD, die heute Vertreter geschickt haben“, die „Freunde […] am Livestream“ – und die als „Spalter und Feindzeugen“ bezeichneten parteiinternen Gegner des Flügel. Ein Drittel der Rede ist dem inneren, zwei Drittel dem äußeren Gegner gewidmet.
Nach ausschweifender und pathetischer Begrüßung beginnt Höcke die „Einheit der AfD gegen Spaltungsversuche“ zu verteidigen, indem er Kritiker und die verbliebenen liberalen Kräfte in der AfD angreift. Als Spaltungsversuche wird kritisiert, dass der Flügel laut „Beschluss des AfD-Schiedsgerichtes des bayerischen Landesverbandes eine eigenständige, für die AfD schädliche Organisation“ darstellt, Doris von Sayn-Wittgenstein wegen Unterstützung eines rechtsextremistischen Vereins aus der AfD ausgeschlossen werden soll, Helmut Seifen ihn in einem Vortrag mit Göbbels verglich und Frank-Christian Hansel ihm vorwirft, der Partei zu schaden. Auch wenn er die Namen nicht nennt, sollte aufgrund der Beschreibung der Vorgänge jedem Zuhörer klar sein, auf wen er anspielt. Höhepunkt der parteiinternen Kritik ist Höckes Versprechen, sich nach den Wahlkämpfen „mit großer Hingabe und mit großer Leidenschaft den Neuwahlen des Bundesvorstandes“ zuzuwenden. Er garantiere, dass „dieser Bundesvorstand in dieser Zusammensetzung nicht wiedergewählt wird!“
Die „Kartellparteien“, „Merkelland“, die „Maulkorbdemokratie“ und das „politisch mediale Establishment“ rahmen den äußeren Gegner. Besondere Aufmerksamkeit wird den Grünen und der CDU aufgrund der von Höcke diagnostizierten Veränderungen im Parteiensystem und im Wahlverhalten beigemessen. Ablenkung vom „Klimahype“, der die Deutschen „wirklich berührt“ habe, und die Abschottung nach „japanischem Modell“, dem Ende der „irrationale Zuwanderungspolitik“, sind zentrale Wahlkampfthemen und z.T. programmatische Verschiebungen. Höcke spricht in beiden Politikfeldern Verteilungsfragen an und argumentiert mit Kostenrechnungen, um an sein sozialpolitisches Programm anzuknüpfen. Erklärtes Ziel ist, „die stärkste Volkspartei der Bundesrepublik Deutschland [zu] werden“, um die „vorherrschende Unkultur des Verbots“ zu beenden.
Innerparteiliche Intention undAusrichtung
Der „Kampf zweier Linien“ (Kellershohn 2017) innerhalb der AfD wird von Höcke durch seine innerparteiliche Kritik und programmatischen Vorstöße fortgesetzt. Die „Fehlentwicklung[en]“ innerhalb der Partei, die zu kritisieren er sich „so lange zurückgehalten“ habe, um gemäß dem Kyffhäusermanifest „die Einheit der AfD gegen Spaltungsversuche von innen und von außen“ zu verteidigen, betreffen allesamt die bereits im vorherigen Abschnitt erwähnten Vorgänge. Durch Betonung der von ihm geforderten „Einheit“ und das Verlangen danach, der Bundesvorstand habe durch „neutrale Amtsführung“ das Vertrauen der Mitglieder zu erwerben und müsse „nach innen unter allen Umständen integrierend“ geführt werden, immunisiert sich Höcke gegen die Kritik und begibt sich in eine Opferrolle, aus der heraus er dem Bundesvorstand und den Flügel-Kritikern in verteidigender Haltung spiegelbildlich „grob parteischädigendes Verhalten“ vorwirft.
Er und der Flügel seien „einige Patrioten, die dieses Land nicht aufgeben wollen und nicht aufgeben werden“, ihre Kritiker hingegen „Spalter und Feindzeugen“, die „getrieben“ und „machtpolitisch operieren“. Er wirft dem bayrischen Landesschiedsgericht, welches sich auf dem „Weg einer FDP zwei Komma null“ befände, vor, „willkürlich und spalterisch“ die „von eminenter strategischer Bedeutung seienden Ostwahlkämpfe zu beeinflussen“. Der Verweis auf die „endgültige Absage“, die auf dem Essener Parteitag der liberaleren Ausrichtung der Partei erteilt worden sei, und der Ausruf „lasst uns endlich in Ruhe!“ verdeutlichen, dass Höcke die gesamte AfD auf völkisch-nationalistische Linie bringen möchte. Auch aufgrund der, laut Umfragen, zu erwartenden guten Ergebnisse der flügeldominierten ostdeutschen Landesverbände bei den Landtagswahlen soll die AfD diesen Kurs einschlagen. Es ist in der Tat zu erwarten, dass Einfluss und Macht der Rechtsautoritären in der Partei nach den Wahlen in den ostdeutschen Bundesländern noch stärker werden. Der Ruf nach einer Revision des Parteiprogramms auf Flügel-Linie wird in Höckes Grußwort an „alle Patrioten“ in Nordrhein-Westfalen, i.e. die Flügelfraktion auf dem gleichzeitig stattfindenden NRW-Landesparteitag, besonders deutlich. Die „Patrioten“ in NRW würden „hoffentlich dafür sorgen“, dass der Landesverband „Kurs hält“ und „weiß, was sein Auftrag ist“, und diesen „nicht verrät“. Der Parteitag, das sei hier angemerkt, ist vorzeitig abgebrochen worden und lediglich die Flügel-Mitglieder des Vorstandes sind nicht zurückgetreten und im Amt geblieben. Welche Fraktion sich in NRW durchsetzen wird, ist derzeit noch nicht ersichtlich.
Nach den Vorstellungen von Höcke soll die AfD eine „Anti-Establishment Partei“ mit „nicht verhandelbar[en]“ „Kernforderungen“ bleiben, die „Haltung“ bewahre. „Wir werden die stärkste Volkspartei der Bundesrepublik Deutschland werden! Das versprech‘ ich euch!“ Er imaginiert ein Wählerpotential von „60 Prozent“ und lehnt Koalitionen, zumindest als kleinerer Koalitionspartner, ab: „natürlich muss man auch gesprächsfähig bleiben mit allen politischen Akteuren, die in eine Zeit mit einem gestellt sind. Aber es muss Kernforderungen geben, die für die AfD nicht verhandelbar sind“. Das in die Zeit gestellt sein und die Kompromisslosigkeit können an dieser Stelle als weiterer Verweis auf Höckes „historische Mission“ (Kemper 2016) verstanden werden. Zu möglichen Koalitionen mit der CDU, der einzig realistischen Koalitionsoption, sagt er: „Wir machen keinen Frieden mit einer Partei, solange diese Funktionärsebene dort das Sagen hat, die das Sagen hat.“ In Europa seien Italien und Frankreich seine „Partner“, an deren „Erfolgsrezepten“ die AfD sich orientieren solle. Matteo Salvini tue, was Höckes „Herzen entspricht“ und was nach seinem „Willen“ „auch irgendwann mal die Mehrheit der Partei als Grundlage ihrer Programmatik formulieren wird“. Er nennt es die „Kombination aus Identität und Solidarität“ – Chiffre seiner autoritären völkisch-nationalistischen Sozial- und Abschottungspolitik.
Politisches Programm und Positionen im Wahlkampf
Laut der Prognose Höckes befindet sich das deutsche Parteiensystem in einer „Phase äußerster Beunruhigung“; der „Wählerwille“ und „Probleme“ seien von „den etablierten Parteien nicht in konkrete Politik übersetzt“ worden. In dieser „Zeit einer Wende“ werde „der AfD eine große, eine vielleicht sogar dominierende Zukunft im Parteiengefüge der Bundesrepublik Deutschland zufallen.“ Diese Rolle könne ihr jedoch nur zukommen, wenn sie es „klug anstellen“ und „die Einheit wahren“ würde. In Höckes Vorstellung splittet sich das deutsche Parteiensystem zukünftig in eine unbedeutende Mitte aus CDU, SPD und die Linke, einen „grünen Machtblock“ der „Antideutschen“ und „Multikulturalisten“ und einen „bürgerlich-patriotischen Machtblock“. In dieser Konstellation werde die AfD zur „stärkste[n] Volkspartei“, insbesondere da die Erfolge der Grünen nur auf der „Erzeugung“ eines „Klimahypes“ und einer „Mentalitätsmanipulation“ (mit „viel Geld im Hintergrund“!) beruhen würden. Das Wahlergebnis, prognostiziert Höcke, werde „als historisch zu bewerten sein.“
Klima/Umwelt
Den Klimawandel, „eine Hypothese – und mehr ist es nicht“, solle man im Wahl kampf möglichst „umschiffen“ und die „Diskussion“, ob dieser existent, natürlich oder vom Menschen verursacht ist, „gar nicht […] führen“. Stattdessen empfiehlt Höcke die Taktik der Verunsicherung. Klimamodelle seien zu komplex, sie hätten „sehr viel mit Mathematik zu tun“, sie seien sogar so komplex, dass „keine Angela Merkel“ – Doktor der Physik – diese „jemals in ihrem Leben verstehen“ werde. Überhaupt handelt es sich nach Höckes eigener, witzig unterkomplexer Darstellung nur um „Faktoren, die reingenommen werden oder rausgelassen werden.“ Wer „entscheidet“, welcher dieser Faktoren „drinbleiben darf “, das „wissen wir alle“, das sind die „Auftraggeber“. Diese Auftraggeber entschieden bereits im Voraus, wie das Ergebnis ausfalle, hätten sie doch „entsprechendes Geld“, um „solche Untersuchungsergebnisse zu beeinflussen“.
Die Taktik der Ablenkung und des Leugnens nennt Höcke „ein paar Indizien liefern, die gegen den menschengemachten Klimawandel sprechen.“ Dansgard-Oeschger-Phänomene sind eines seiner Ablenkungsindizien. Es sind zyklisch auftretende Klimaveränderungen:
„Ein Dansgaard-Oeschger-Zyklus dauert ca. 1.500 Jahre und beginnt mit einer ca. 1.000 Jahre anhaltenden, relativ stabilen Kaltphase. Diese wird durch eine sehr schnelle Erwärmung, die auf Grönland bis zu 15 °C umfassen kann, nach 100 bis 200 Jahren beendet. Nach weiteren 200 bis 400 Jahren geht die anschließende Warmphase dann wieder in eine langsame Abkühlung über, auf die nach 50 bis 200 Jahren wieder eine stabile Kaltphase folgt.“ (Hebbeln 2015)
Höckes kurze Darstellung dieser, in seinen Worten „Wetter“-Ereignisse ist soweit korrekt – in einen Zusammenhang mit derzeitigen Klimaveränderungen gesetzt, werden diese jedoch in keiner wissenschaftlichen Publikation.
Seine Darstellung des „Naturzerstörungsprojekts“ Windenergie folgt dem gleichen Muster. Mit kontextlosem Zahlenmaterial soll Verwirrung gestiftet werden. Auch Höckes mathematisch unplausible Berechnung des in Deutschland verursachten CO2-Anteils in der Luft verfolgt lediglich das Ziel, eine maximal kleine und unbedeutend klingende Prozentzahl zu suggerieren, die Investitionen in die Energiewende und Umweltpolitik in Gänze überflüssig erscheinen lässt. Die „sogenannte Energiewende“ wird, vermutlich basierend auf einer AfD-Anfrage zur EEG Umlage, als „gigantisches, unsoziales, planwirtschaftlich organisiertes Umverteilungsprojekt“ gerahmt und auf diesem Wege mit sozialpolitischen Forderungen verbunden. Umweltpolitik sei überflüssig, denn man könne „das Weltklima hier […] in Deutschland nicht retten“, und außerdem gefährde diese „unser Volksvermögen, den sozialen Frieden, die Wirtschaftskultur unseres Landes, die Reste unserer Naturschönheit, unserer schon stark zersiedelten Heimat“.
Migration: Der japanische Weg
Einwanderungspolitisches Ziel sei es, „von unserem Land“, der „gewachsenen Nation“ im Gegensatz zum „Einwanderungsland“, an „Substanz“ zu erhalten, „was noch zu erhalten ist“. Deutschland werde durch die „Politik gegen die Interessen unseres Landes und Volkes“ von der CDU „aufgelöst“. Woraus der Auflösungsprozess bestehen soll, wird nicht weiter ausgeführt, lediglich der Zusammenhang mit Einwanderung postuliert. Seit 1955 seien durch die CDU „Millionen Migranten“, die „heute in Parallelgesellschaften leben“, nicht ins Land, sondern in „unsere Sozialsysteme“ gekommen. Jede Person mit Migrationshintergrund, die in Deutschland lebt, ist somit Teil des zu stoppenden Auflösungsprozesses und gehört einer auszuschließenden Gruppe an. Laut einem FAZ Artikel von 20104 koste das „Totalversagen“, die „verfehlte Einwanderungspolitik“, also jegliche Form der Einwanderung, allein bis 2007 den „deutschen Steuerzahler“ eine „Billion Euro Sonderschulden“. Höcke konstruiert eine von ‚uns‘, dem „deutschen Steuerzahler“, lebende Klasse der Unproduktiven, Nutzlosen und zusätzlich die Gefahr, diese Klasse werde, durch Verweis auf Bevölkerungswachstum im „subsaharischen Afrika“, immer größer. Das nur durch Abschottung zu stoppende Untergangsszenario ist die Hinleitung zur angestrebten „programmatischen Verschiebung“, dem „japanischen Modell“. „Wenn wir von Deutschland und Europa in 20 oder 30 Jahren noch irgendetwas erkennen wollen […], dann müssen wir den japanischen Weg gehen“. Was diesen Weg im Detail ausmacht und wie er in Deutschland angewandt werden soll, erklärt Höcke nicht, verweist aber auf ein vom AfD-Politiker Jan Moldenhauer verfasstes und im neurechten Antaios-Verlag Götz Kubitscheks erschienenes Heft zu Japan. Die japanische Migrationspolitik zeichne sich im Gegensatz zur deutschen dadurch aus, „keine rechtsstaatswidrige, […] keine unmoralische und […] keine menschenfeindliche Politik“ zu sein. Dort fände keine „Vergangenheitsbewältigung statt, die die Zuwanderung als historisch-moralische Pflicht verkauft.“ Gastarbeiter „aus kulturnahen Räumen“, die es auch gäbe, aber „ausnahmslos […] nach drei Jahren das Land verlassen“ müssten, sind demnach die einzig akzeptable Form der Zuwanderung. Diese angestrebte „hoch moralisch[e]“ Politik sei eine „identitätserhaltende“. Der Schlusssatz der Rede „Holen wir uns unser Land zurück“ verdeutlicht, dass es ihm nicht nur um zukünftige Abschottung, sondern auch um die Forderung nach Ausweisung jener zuvor konstruierten unproduktiven Klasse, einer „Remigration“, geht. „Wir werden keine illegalen Migranten“, und nach Höckes Programm sind das alle zukünftigen, ebenso wie die bereits in „Parallelgesellschaften“ lebenden, „integrieren!“. Es ist das Programm für einen geschlossenen ethnisch deutschen Nationalstaat, wie auch der Begriff der „Identität“ zeigt, der im sozialpolitischen Teil der Rede behandelt wird.
Sozialpolitik
Das sozialpolitische Programm stellt Höcke unter den Begriff des „solidarischen Patriotismus“. Dieser wird definiert als die „Kombination“, die „Synthese von Solidarität und Identität“. Der Argumentationsgang zeigt, dass es sich um ein völkisch-nationalistisches Sozialprogramm handelt.
Das Soziale wird an die Nation gebunden. Höcke bezieht sich in seiner Bestimmung auf die Kategorien „anywheres“ und „somewheres“ nach David Goodheart (2017), allerdings in einer Interpretation, die von Gauland stammt. Die Begriffe werden in Form einer „Dichotomie“ ohne Graubereiche verwendet, um die Menschen in zwei klar voneinander getrennte Gruppen einzuteilen. Das, was Höcke unter „Identität“ versteht, besitzen nur die „somewheres“. Sie haben eine „geographische“, also an den Geburtsort gebundene „Identität“. So gebe z.B. ein Lehrer die „Kultur“ eines Landes „selbstverständlich“ weiter, in die er und seine Schüler „hineingeboren“ worden seien. Auch der „Nationalstaat“ ist Teil der von Höcke als wahr und echt bezeichneten Identität, wie sich aus seinen Aussagen zur „künstlichen“ der „Globalisten“ ablesen lässt. Die echte Identität besteht also aus der Identifikation mit einem Nationalstaat und einer Kultur, in die man hineingeboren worden sein muss, und ist somit territorial gebunden. Nur wer über dieselben Merkmale verfügt, könne als „gleichgeartet“ „identifiziert“, also anerkannt werden, und nur diesem gegenüber könne sich „Solidarität“, der zweite Aspekt des „solidarischen Patriotismus“, bilden. Solidarität entstehe aus gelebtem „Vertrauen“ und der Gestaltung „gemeinsame[r] Verantwortungsräume“ und erzeuge „Stärke“, welche wiederum „Widerstand“ ermögliche – auch gegen „willkürliche Eliten“. ‚Ethnos’ statt ‚Demos’, Widerstand gegen den zersetzenden inneren und äußeren Feind. Konkrete Maßnahmen werden nicht erwähnt. Funktion des Programms ist es, den Wählern aufzeigen, wer zukünftig von Sozialpolitik profitieren oder bedacht und wer ausgeschlossen werden soll.
Die „willkürlichen Eliten“ mit ihren „künstlichen Identitäten“ sind es, die den „totalitäten Globalismus“ betreiben. In dieser verschwörungsideologischen Erzählung gibt es eine „unbeschränkte Masseneinwanderung“ zur „bewussten Erzeugung von Krisen“, die von den „globalen Eliten“ betrieben wird, um die Gesellschaft „zu ‚kochen’ und von allen identitären Bindungen zu befreien“. Wer die „globalen Eliten“ sind, spricht Höcke nicht aus, das Publikum kann sich jedoch denken, wer: die, die „Grenzen“ nicht kennen, nicht als „gleichgeartet“ zu identifizieren sind, den Nationalstaat hassen, eine „Unkultur“ besitzen und die „somewheres“ „auspressen“ und „drangsalieren“ sind. Die ‚wahren’ Eliten mit den ‚wirklichen’ Identitäten sollen zurück an ihre ‚natürliche’ Position gelangen.
Konklusion?
Höckes Schluss ist eindeutig. Sie, die unbeugsamen Antagonisten, die wahren Demokraten, seien durch die „nicht verhandelbar[en]“ Kernelemente „Solidarität und Identität“, „Rechtsstaatlichkeit“, „Versammlungsfreiheit“, „Meinungsfreiheit“, „Familie als Keimzelle unseres Volkes und Staates“, „Muttersprache und Vaterland“ sowie „die deutsche Nation“ die letzte Chance zur Umkehr – der Wendepunkt.
Literatur
Goodhart, David. 2017: The road to somewhere: the populist revolt and the future of politics, Oxford.
Hebbeln, D. 2015: Klimaschwankungen während der letzten Eiszeit. In: Lozán, José L., Grassl, Hartmut u.a. (Hg.): Warnsignal Klima: Das Eis der Erde. pp. 51-56. Online: www.klima-warnsignale.uni-hamburg.de – doi:10.2312/warnsignal.klima.eis-der-erde.08 (Abruf: 30.07.2019).
Kellershohn, Helmut 2017: Kampf zweier Linien in der Neuen Rechten und der AfD, in: Aigner, Isolde u.a. (Hg.): Autoritäre Zuspitzung, Münster, 121-136
Kemper, Andreas 2016: http://www.th.rosalux.de/fileadmin/ls_thueringen/dokumente/publikationen/RLS-HeftMis-sionHoecke-Feb16.pdf