Facetten des antimuslimischen Diskurses

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Eine Besprechung von Hannah Schultes, erschienen in DISS-Journal 22 (2011).

In sieben Beiträgen und zwei Rezensionen werden in dem 2011 zum zweiten Mal erschienenen „Jahrbuch für Islamophobieforschung“ bedenkenswerte Entwicklungen im extrem rechten und im hegemonialen Diskurs mit Analysen auf der Ebene der Medien und Politik belegt. Darüber hinaus beinhaltet die von Farid Hafez herausgegebene Publikation auch eine theoretische Intervention sowie einen Beitrag aus dem Feld der Cultural Studies.

Farid Hafez (Hg.)
Jahrbuch für Islamophobieforschung 2011
2011 Innsbruck: StudienVerlag
128 S., 22,90 Eur

Eine Nachzeichnung des politischen Diskurses um das durch eine Schweizer Initiative verbreitete Anti-Minarettplakat im Herbst 2009 liefert Doris Angst in ihrem Beitrag. Eher unterbelichtet bleibt in dem Beitrag jedoch leider die grundsätzliche Ambivalenz von Meinungsfreiheit und auch eine kritische Hinterfragung staatlicher Verbote findet nicht statt. Dass die Verbotsdebatten und Verbote die Anschlussfähigkeit und Verbreitung des kritisierten Inhaltes nicht verhindern konnten, zeigt schließlich die Karriere des Plakats, das zum antimuslimischen „Propaganda-Hit“ (22) wurde.

Mit dem antimuslimischen Gehalt der österreichischen Medienberichterstattung zum Schweizer Minarettverbot beschäftigt sich Astrid Mattes in einer Kritischen Diskursanalyse, in der sie zu dem Schluss kommt, dass eine bewundernde Haltung gegenüber dem Schweizer Volksentscheid vorherrscht, während Musliminnen als „anders, gefährlich, unterlegen oder unerwünscht“ (34) dargestellt werden.

Ergänzend dazu verhält sich eine sprachwissenschaftliche Betrachtung zweier Spiegel-Artikel aus 2004, in denen die Konstruktion des muslimischen „Anderen“ anhand der Referenzpunkte „9/11“, Irak-Krieg und der Anschläge von Madrid vollzogen wird. Der Autor Abdel-Hafiez Massud kommt dabei unter anderem zu dem Schluss, dass etablierte Stereotype durch selektive Ausblendung von Informationen und eine Konzentration auf die „superkongruenten Fälle“ (80) perpetuiert werden.

Um das rassistische Stereotyp des hypermaskulinen, frauenunterdrückenden Südländers dreht sich Martin Meyraths an den Cultural Studies orientierter Beitrag „Superösterreicher. Zur Konstruktion eigener und fremder Männlichkeiten im Lied ,Supertürke‘“. Meyrath konstatiert dabei als Grundlage des Liedtextes der österreichischen Popgruppe Erste Allgemeine Verunsicherung (EAV) sowohl eine klassisch rassistische „Primitivität-Zivilisations-Dichotomie“ (46) als auch spezifisch antimuslimische Aspekte wie die Vorstellung von Religion als Kultur. Deutlich wird zudem die Verknüpfung von antimuslimischem Rassismus mit der Kategorie Klasse und dem „Pseudo-Feministischen Viktimisierungsdiskurs“ (49) der weißen männlichen Kritisierenden.

Eine „Entflechtung der Kritiklinien“ (59) strebt auch Petra Klug in ihrer Auseinandersetzung mit Judith Butlers Argumentationen gegen die Instrumentalisierung von Frauenrechten und sexuelle Selbstbestimmung im antimuslimischen Rassismus an. Klug zufolge dürfe aus antirassistischer Kritik keine „Ethnisierung der Standards“ (60) folgen – dabei wirft sie Butler nicht nur das Verharren in der Logik des Kulturalismus vor, sondern auch die Projektion des von ihr kritisierten Säkularismus auf religiöse Minderheiten und die Ausblendung der heterogenen Positionen innerhalb dieser Minderheiten durch die Einnahme einer Fürsprecherinnen-Rolle.

Hinsichtlich extrem rechter Feindbilder und der Rolle des Islams darin sind besonders die Beiträge von Phillip Becher und Farid Hafez interessant. So konstatiert Becher nach einer umfangreichen Medieninhaltsanalyse von „Europa vorn“/„Signal“, dass diese neurechten Periodika ab Mitte der 90er Jahre die „Blaupause für die Agitationsmuster geliefert [haben], die ein Jahrzehnt später von ,pro Köln‘ aufgegriffen werden sollten“ (110). Antikommunismus, Antiamerikanismus, antimuslimische Haltungen und der vorgebliche Einsatz gegen soziale Ungleichheit in der „Neuen Rechten“ bedienen dabei weit verbreitete Wahrnehmungen und Haltungen in der Bevölkerung. Hafez hingegen analysiert die Wahlkampfstrategien der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) im Wiener Landtagswahlkampf 2010 und stellt den Topos der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) als „Islamistenpartei“ heraus. Dabei wird der SPÖ der Einsatz für „Kopftuchzwang“ und muslimische „Gegengesellschaften“ zugeschrieben, als muslimisch markierte SPÖ-Kandidatinnen werden als „Proto-Islamisten“ (89) dargestellt.

Das Jahrbuch bietet interessante Einblicke in unterschiedliche Formen und Intensitäten des gegenwärtigen antimuslimischen Diskurses – besonders hervorzuheben ist dabei die sich in der extremen Rechten immer wieder abzeichnende proklamierte Allianz zwischen dem Feindbild Islam und Repräsentantinnen anderer Feindbilder. Die unterschiedlichen Positionen zu Vergleichen und Analogiebildungen zwischen Antisemitismus und antimuslimischem Rassismus verdeutlichen allerdings den Diskussionsbedarf auch kontroverser Themen, der innerhalb der relativ jungen Forschungsrichtung herrscht.