Die „Junge Freiheit“ im Streit mit Verfassungsschutz. Von Alfred Schobert. Zuerst erschienen in der Zeitschrift Der Rechte Rand H. 84 (Sept.-Okt. 2003), S. 14-15.
Was haben die germanentümelnde Zeitschrift „Freiheit Wattenscheid“ (FW) und die „Welt am Sonntag“ (WamS) gemeinsam? Das Renommierblatt aus dem Hause Springer und das Lokalblatt aus der nordrhein-westfälischen NPD-Zentrale reproduzierten beide im Juli dieses Jahres vermeintliche Entlarvungen von Antifaschisten, die die rechtsextreme Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (JF) im April vorgelegt hatte. Das Propagandablättchen war allerdings schneller als die als seriös geltende Sonntagszeitung. Die übernahm nämlich die fragwürdigen ‚Informationen‘ erst, nachdem Berliner und Düsseldorfer CDU-Abgeordnete für die JF in die Bresche gesprungen waren.
„Arbeitet Verfassungsschutz mit Linksextremisten? CDU will Hinweise auf Verbindungen der NRW-Behörde zur radikalen Szene haben“, war Wolfgang Potts Artikel in der WamS überschrieben. So werden nun die Düsseldorfer Landesregierung und die Bundesregierung mit Anfragen über einige Referenten der für den 8. Oktober geplanten Tagung des VS-NRW zum Thema „Die neue Rechte – eine Gefahr für die Demokratie?“ behelligt. Zu ihren ‚extremistischen Sünden‘ zählt u. a., für diese Zeitschrift geschrieben zu haben. Als wäre die Einladung der vermeintlichen „Linksextremisten“ Christoph Butterwegge, Wolfgang Gessenharter und Anton Maegerle zur Düsseldorfer Tagung nicht bereits Beweis genug für das erfolgreiche rote Zersetzungswerk, enthüllen JF, FW und WamS zudem, dass ein weiterer „Linksextremist“ gar einen Job als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim NRW-VS habe. Und das, obwohl er über seine Autorentätigkeit für diese Zeitschrift hinaus nachweislich mal leibhaftig bei einer antifaschistischen Initiative im tiefroten Dortmund referiert habe.
JF und WamS setzen bei ihrer intellektuell dürftigen Diskreditierung antifaschistischer Wissenschaftler und Publizisten auf die herrschende „Extremismus“-Doktrin. Dieser gilt Antifaschismus bekanntlich als linksextremistische Umsturzideologie, „Faschismus“ entsprechend als linksextremistischer Kampfbegriff, und die mittige Demokratie sei gleichermaßen von den Extremen auf der Linken und der Rechten bedroht, wie ja schon die Weimarer Republik an den Extremisten von Links und Rechts zugrunde gegangen sei.
Um ihrerseits der „Extremismus“-Doktrin zu entgehen, bezeichnet die JF sich gern als „konservativ“ oder „nonkonform“. Dieser Tarnoperation des Zentralorgans des völkischen Nationalismus läuft indes seit nunmehr neun Jahren die Praxis des VS-NRW entgegen, der die JF unter „Neue Rechte“ einordnet und diese wiederum zum Rechtsextremismus zählt. Entsprechend wütet die JF alljährlich zur Vorlage des NRW-Verfassungsschutz-Berichtes. Dieses Jahr steigerte sich dies zur Kampagne innerhalb der breiter angelegten Anti-Antifa-Kampagne der JF.
Der JF-Chef Dieter Stein warf dem Düsseldorfer Innenministerium eine „gleichsam aus dem Militärischen ins Zivilgesellschaftliche übertragene ‚Shock and awe‘-Strategie“ und „Überschreitung seiner rechtlichen Kompetenzen“ vor. Bisher hat die JF zwar alle von ihr angestrebten Verfahren gegen den NRW-Verfassungsschutz verloren, doch Stein schreit weiter „Rechtswidrigkeit“ – das ist das Begleitspektakel zum Gang der JF vor das Verfassungsgericht in Karlsruhe. Der Verfassungsschutz werde, so Stein weiter, „vor den Karren einer politischen Kampagne“ gespannt, die Bewertung der JF durch den Verfassungsschutz sei ein „kolossales Erpressungsinstrument bei passender Gelegenheit“.
Im Innenteil derselben Ausgabe geht es in mehreren Beiträgen auf dieser Linie weiter. Folgte man der JF-Argumentation in aller Konsequenz, gäbe es die JF gar nicht. Wenn die JF dem Düsseldorfer Innenminister vorwirft, er ordne „die JF einer vom NRW-Verfassungsschutz frei erfundenen ‚Neuen Rechten‘ zu“ (Hrvh. v. A.S.), ließe sich vielleicht noch, wie dies in der wissenschaftlichen Forschung auch geschieht, über den Begriff „Neue Rechte“, seine Vorzüge und Nachteile sowie seine Reichweite streiten. Doch darum geht es der JF nicht; sie verfolgt hier tatsächlich die Argumentations-Strategie, die Existenz des vom Verfassungsschutz analysierten Phänomens zu bestreiten. Dem NRW-Verfassungsschutz wird unterstellt, die JF als Teil einer „Verschwörung“ zu betrachten, als erliege man in Düsseldorf einem Verschwörungswahn, wie er im Umfeld der JF allerdings giftige Blüten treibt. Die JF treibt diese Verkehrung wie folgt auf die Spitze: „Niemand hat ihn gelesen, aber jedes Jahr wird er beschwörend murmelnd zitiert: Antonio Gramsci. Nach einer von diesem italienischen Marxisten ausgebrüteten Strategie, so die Top-Spürnasen des NRW-Innenministeriums, will diese sagenumwobene ‚Neue Rechte‘ nichts weniger als eine ‚kulturelle Hegemonie‘ erreichen – um nichts weniger als ‚die spätere Erringung der politischen Macht anzustreben‘. Die JF nun sei Teil dieser Verschwörung und müsse aber ‚die eigentlichen politischen Ziele … möglichst verschleiert‘ transportieren. Deshalb – der Leser befürchtet es – kann der Verfassungsschutz für diese atemberaubende Argumentation keine Belege anführen. Eben weil alles so supergeheim ist“.
Schon der Blick auf das knappe Autoren-Porträt in der jüngsten Buchpublikation des Verlages der JF reicht, um diese Verleugnung zu widerlegen: Unter den deutschsprachigen Publikationen des JF-Autors Alain de Benoist wird ein Band mit dem Titel „Kulturrevolution von rechts – Gramsci und die Nouvelle Droite“ aufgeführt.
Dieter Stein holte später systematisch aus. Intellektuell überfordert, nutzte er eine vom der JF nahe stehenden „Institut für Staatspolitik“ (vgl. DRR 83, S. 8ff.) vorgelegte Studie als Ausgangspunkt, um nicht nur, wie vor Jahren, die Existenz einer „Neuen Rechten“ in Deutschland, sondern gleich auch noch in Frankreich zu bestreiten: „Es gibt somit in Deutschland seit den siebziger und in Frankreich seit den neunziger Jahren keine ‚Neue Rechte‘, die sich selbst so bezeichnen würde“.
Vorausgesetzt, der JF-Chef kennt die eigenen Verlagspublikationen, ist diese Aussage Steins ein schöner Beleg zur Herleitung der Redensart ‚lügen wie gedruckt‘: 1999 veröffentliche Alain de Benoist gemeinsam mit Charles Champetier in der Zeitschrift „Éléments“ ein „Manifest für die Neue Rechte des Jahres 2000“; in deutscher Übersetzung erschien der Text in de Benoists Buch „Aufstand der Kulturen“ im Verlag der JF. Übrigens wurde der Text in „Éléments“ u. a. mit einem Foto Dieter Steins illustriert, die Bildunterschrift stellte fest, die JF widme „den von der Neuen Rechten lancierten Themen viel Platz“.
Generell müßte ihr Top-Autor Alain de Benoist für die JF längst zur politischen Belastung geworden sein. Auf der Linie seiner regelmäßigen JF-Publikationen zum Irak-Krieg veröffentlichte de Benoist am 20. März auf der Homepage des GRECE ein Communiqué, in dem er „weltweit jeden Akt der Vergeltung, der auf amerikanische Interessen und auf amerikanisches militärisches, politisches, diplomatisches und administratives Personal zielt“, für „zugleich legitim und notwendig“ erklärte, „wo immer er auch stattfinde, welche Stärke und Ausdehnung er auch habe, welcher Mittel er sich bediene und unter welchen Umständen er sich ereigne“.
Zwei Tage später war der Text bei „Voxnr“, einer Homepage aus dem Umfeld der nach dem Attentatsversuch Maxime Bruneries gegen den französischen Präsidenten Chirac verbotenen „Unité Radicale“ um Christian Bouchet und in Übersetzung u. a. auf der spanischen Seite von „Altermedia“ zu finden. Mit einer deutschen Übersetzung und der nachgereichten, fadenscheinigen „Klarstellung“ de Benoists zogen die Mailingliste „eisernekrone“ und „Stoertebeker“ sowie die krude Berliner Nationalisten-Seite „rbi“ in den Kampf.
Doch das haben die CDU-Abgeordneten, die beim Sommerfest der JF der Festansprache de Benoists lauschten, und die, die sich nun mit Anfragen für die JF einsetzen, ganz sicher nicht gewußt. Vermutlich wissen sie auch nicht, daß der verstorbene ehemalige JF-Autor Armin Mohler, dem man bei dieser Feier huldigte, sich als „Faschist“ (im Sinne José Antonio Primo de Riveras) bezeichnete.