Sicherheitshalber Krieg führen

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Wie Manfred Opel, Militärexperte der SPD, sich die Zukunft der Bundeswehr vorstellt. Von Ernst Schulte-Holtey. Erschienen in DISS-Journal 10 (2002)

Kriege führen für Wohlstand und Sicherheit – so könnten die Forderungen des ehemaligen Brigadegenerals Manfred Opel zusammengefasst werden, mit denen dieser sich im April 2002 an ein einschlägig militärisch interessiertes Publikum wandte. Manfred Opel war zu diesem Zeitpunkt stellvertretender sicherheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied des Verteidigungsausschusses des Bundestages. Seine Thesen zur weiteren Militarisierung der deutschen Außenpolitik veröffentlichte er in einem Beitrag zur »Zukunft der Streitkräfte« in der Fachzeitschrift »Soldat und Technik «. ((Manfred Opel: Die Zukunft der Streitkräfte – Herausforderungen und Optionen. In: Soldat und Technik 4/2002, 7–14. Volltext im Internet unter URL http://www.soldatund-technik.de/artikel-04 – 0 2 / sicherheitspolitik.htm))

Die der deutschen Rüstungsindustrie nahestehende Zeitschrift wird vom Verteidigungsministerium gesponsert und innerhalb der Bundeswehr zur politischen Bildung empfohlen. Opel greift in seinem Beitrag die seit Mitte der 1990er Jahre entwickelten us-amerikanischen Konzepte zu preventive defence auf, die die Bush-II.-Regierung inzwischen zur offiziellen US-Militärdoktrin erklärt hat.

Manfred Opel geht in seinen Überlegungen von einer sich verändernden sicherheitspolitischen Situation Deutschlands aus. Sein Szenario gleicht den bekannten Situationsbeschreibungen der Globalisierung: Deutschland kennzeichnen wie die anderen reichsten Staaten der Erde soziale und ökonomische Strukturen, die die Grenzen der nationalen Territorien längst überschritten haben. Opel interessieren allerdings nicht die daraus folgenden gravierenden Asymmetrien von Macht und Ohnmacht, Wohlstand und Armut, Lebenschancen und Hoffnungslosigkeit. Ihm geht es darum, wie der status quo und vor allem ein ungehemmtes Weiterso in Deutschland zu sichern ist:

»Die wachsende Verwundbarkeit und Abhängigkeit entwickelter Länder […] von störungsfreien Wirtschaftströmen macht ihren Schutz schwieriger«.

In dieser Perspektive gefährdeten politische Entscheidungen, soziale Konflikte und Terrorismus vitale Interessen und Ressourcen der global players. Entsprechend schwer fällt es, die ungestörte Entwicklung dieser Staaten zu gewährleisten, geschweige denn militärisch zu schützen – friedensbewahrende Überlegungen liegen jenseits des Denkhorizontes der vorgetragenen Argumentation.

Militärischer Schutz gegen die aterritorialen Gefahren sei nicht durch die Sicherung des staatlichen Territoriums zu gewährleisten. Opel verwirft die darauf zielenden defensiven Sicherungskonzepte der Vergangenheit: die starke Verteidigungsarmee und die Strategie des Kalten Krieges, des ›Gleichgewichts des Schreckens‹. Eine militärische Sicherung gegen die gegenwärtigen und zukünftigen Bedrohungen des global players Deutschland könne nur auf eine neuartige Art und Weise gewährleistet werden – Opel nennt diese neue Militärstrategie »Präventive Konventionelle Verteidigung«. Er spricht von militärischen Interventionen, die weltweit, out of area in Krisengebiete und Gefahrenherde eingreifen. Sie umfassen – bei minimalstem eigenem Risiko – ein mögliches Operationsspektrum von der demonstrativen Zerstörung eines ausgewählten Einzelziels bis hin zur vollständigen Vernichtung eines potentiellen Feindstaates mit seinen militärischen Einrichtungen ebenso wie seinen sozialen und wirtschaftlichen Infrastrukturen. Opel hebt einen erzieherischen Wert dieser Militärstrategie hervor: Staaten, deren Politik als Risiko für Deutschland eingeschätzt werde, kann auf diese Weise unmissverständlich gedroht werden, sie um ganze Stufen ihrer gesellschaftlich- zivilisatorischen Entwicklung zurückzubomben, wenn sie ihre Politik nicht änderten. Die maßgeblich von den USA geführten Kriege von 1991 gegen den Irak sowie 1999 gegen Jugoslawien dürfen als Modellfälle dieser Strategie angesehen werden. Opel verwendet die geläufigen Begriffe für solcherart weltweit geführte Kriege der reichen Staaten: »Friedensbewahrende und friedensschaffende Operationen « sowie »die Bekämpfung des neuen Terrorismus«.

Die neue Interventionsarmee charakterisiert Opel als professionell, klein, mobil, flexibel und high-tech-gerüstet. Er beschreibt damit das Profil der Bundeswehr, wie er es für die Zukunft fordert. Neben hochspezialisierten Berufssoldaten, die in kleinen Einheiten eingesetzt werden können, soll die Bundeswehr mit den neuesten Entwicklungen der Waffen-, Aufklärungs- und Informationstechnologie um- und aufgerüstet werden. Das viele Geld, das dies die Gesellschaft kosten werde, sei allerdings kein Haushaltsposten zur Finanzierung einer Armee. Opel argumentiert, dass es sich um »Aufwendungen für die eigene Sicherheit« handele. Und die seien keine konsumtiven, sondern investive Ausgaben: staatliche Wirtschaftsförderung, die im Nebeneffekt den Wirtschaftsstandort Deutschland und Europa stärke. Opel plädiert dafür, parallel zum Umbau der Bundeswehr eine koordinierte europäische Rüstungsindustrie auszubauen. Rüstungsexport sei als Instrument der ›Friedens-, Sicherheits- und Stabilitätspolitik‹ zu begreifen: Auf diese Weise könne verhindert werden, das Rüstungsfabriken an anderen Orten gebaut würden oder dass Staaten »ihre Waffen aus dubiosen, dunklen oder unverantwortlichen Quellen besorgen«.

In diesem Zusammenhang hebt Opel einen ganz anderen Aspekt hervor, von dem in seinem Szenario bis dahin gar nicht die Rede war: Die USA behandele beim Rüstungsexport ihre NATO-Partner »wie unmündige Kinder«. Aus diese Position müssten die europäischen Staaten, müsse Deutschland herauswachsen. Und er beschwört eine ganz andere Bedrohung als diejenigen, von denen er sonst gesprochen hatte:

»Wenn wir aber in Europa nicht jetzt beginnen, diese neuen militärischen Fähigkeiten anzuwenden, werden wir erneut den technologischen Wettbewerb mit der USA verlieren« (Hvhg. ESH.)

In der Konkurrenz der Großmächte um die ersten Plätze im weltweiten Ranking gehört nach Auffassung des ehemaligen Brigadegenerals und Abrüstungsbefürworters der 80er Jahre eine militarisierte deutsche Außenpolitik zur Normalität.