„An allem sind die Ausländer schuld…“

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Rechtspopulistische Kontinuitäten und Brüche aktueller Fremdheitsbilder

Von Thomas Kunz. Erschienen in DISS-Journal 37 (2019) ((Bei dem Beitrag handelt es sich um die gekürzte Fassung des Aufsatzes „Bilder von Fremden revisited – Migration in den Medien im Kontext des Erstarkens (neo-)rassistischer und (neu-)rechter Positionen“, erschienen in Migration und Soziale Arbeit, Heft 4/2018.))

Der Analysegegenstand „(Re-)Präsentation von MigrantInnen in den Medien“ erscheint angesichts der zunehmend von völkisch-rassistischen Untertönen durchzogenen gesellschaftspolitischen Debatten hochaktuell. Andererseits ließe sich bezüglich dieses Gegenstandes kritisch einwenden, dass es ein altbekanntes Thema ist und die Bilder hinreichend bekannt. Umso mehr erfordert die Analyse des gegenwärtigen Diskurses eine Rekonstruktion seines historischen Vorlaufes. Nur dann kann angesichts signifikanter Kontinuitäten hinsichtlich der Darstellung sog. MigrantInnen und der gegenwärtigen Behandlung des Phänomens Migration in den (Massen-)Medien geklärt werden, worum es in der Analyse aktueller Fremdheitsbilder geht bzw. welche Aspekte bislang zu wenig Berücksichtigung fanden. Ein rekonstruktives Erinnern im Sinne historisch sich vergewissernder Analysen ist geboten, um tendenziell zeitlich isolierten Betrachtungsweisen zu entgehen. Dramatisierende Stilisierungen und Zurichtungen des Konstrukts „Fluchtzuwanderung“ im gegenwärtigen Migrationsdiskurs, d.h. seit ca. 2015/16, die als medial vermittelte Aktualität beanspruchen, bisher Gewesenes qualitativ und quantitativ zu überbieten bzw. diesem eine neue, bedrohlichere Qualität zu unterstellen, sind kritisch dahingehend zu hinterfragen, ob dieser Eindruck nicht aus der medialen Aktualitätslogik resultiert. Es geht nachfolgend darum, Kontinuitäten und ggf. Unterschiede des Migrationsdiskurses in Bezug auf seinen bisherigen historischen Verlauf zu identifizieren, um die Kritik am gegenwärtigen Diskurs auf dieser Erkenntnisgrundlage zu präzisieren.

Der vorliegende Beitrag versucht, aktuelle Fremdheitsbilder als Anstoß für eine Relektüre historisch zurückliegender Medienbilder zu begreifen, um daraus wiederum Anforderungen für die Analyse und Kritik der aktuellen Debatte abzuleiten und etwaige Desiderata zu identifizieren.

Bilder von Fremden und Bilder des Eigenen

Die Termini ‚Bilder von Fremden‘ bzw. ‚Fremdheitsbilder‘ werden im Folgenden als Oberbegriff für all jene Zuschreibungsroutinen und Konstrukte verstanden, die auf national oder ethnisch-kulturell begründete Nichtzugehörigkeitspositionen im Kontext von Migration abheben. Konstruktionen von Fremdheitsbildern beinhalten zudem immer die (Selbst-) Vergewisserung über Eigengruppenzugehörigkeiten: „Eine Gesellschaft, zu deren grundlegenden Ordnungsschemata die Unterscheidung in natio-ethno-kulturell Zugehörige und Nichtzugehörige zählt […]“ (Greschke 2016, 123), „[…] braucht Migration als Thema bzw. Migranten als Sozialfiguren zur gesellschaftlichen Selbstbeschreibung, denn ohne ‚die Anderen’ gäbe es kein ‚Wir’“ (ebd.). Indem „Distanz zu der anderen Gruppe hergestellt wird, wird die Zugehörigkeit zu der eigenen Gruppe definiert“ (Foroutan/İkiz 2016, 142). Davon ausgehend, dass die andere und die eigene Gruppe aber nicht einfach präexistent sind, kommt gesellschaftlichen Konstruktionsprozessen, die jene Gruppen als soziale Realitäten überhaupt erst hervorbringen, große Bedeutung zu. Diese Prozesse sind in Bezug auf die Dimension ethnische Herkunft/Migration historisch länger beobachtbar und Gegenstand kritischer Forschung. Das Thema Migration hat sich zu einem „gesellschaftsstrukturierenden Metanarrativ entwickelt, das vielfach als allgemein erklärende Kategorie für in der Regel gesellschaftliche Missstände herangezogen wird“ (Foroutan/İkiz 2016, 139), mittels der Sagbarkeitsräume immer weiter zugunsten rechter Ideologeme verschoben werden.

Gegenwärtige Bilder von Fremden

Die Auseinandersetzung mit medialen Fremdheitskonstruktionen im Kontext von Migration macht deutlich, wie und auf welche Weise gesellschaftliche Zuschreibungen wirkmächtig sind und sowohl als konstituierende Bestandteile wie als Verstärker sozialer Aus- wie Eingrenzungsprozesse aufgefasst werden müssen. Im massenmedial vermittelten Migrationsdiskurs sind die Betonung besonderer Bedrohlichkeit, z.B. durch Kriminalität, Religionszugehörigkeit, sowie die Wahrnehmung Geflüchteter als illegitime KonkurrentInnen bei Sozialleistungen oder auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt dominant. Stichwortartig sind darüber hinaus folgende Merkmale prägend für den Zuwanderungsdiskurs: Delegitimierung Geflüchteter bzw. von Fluchtmotiven, die wir/sie-Dichotomie, kollektivsymbolische Darstellungen mittels Naturkatastrophenmetaphern („Flüchtlingsfluten“ u.ä.), die Behauptung der Feststellbarkeit sog. Belastungsgrenzen, der limitierten Integrationsfähigkeit sowie die Unterstellung einer Überforderung von „uns“/ der Aufnahmegesellschaft oder etwa die Befürchtung, „wir“ würden Minderheit (im eigenen Land). Diese Topoi gehen einher mit Forderungen nach Zuwanderungsbegrenzung und Abschiebung. Es lassen sich zwar auch Muster von Positivkonnotationen identifizieren, diese sind aufgrund der Dominanz der Negativbilder jedoch vernachlässigbar und brechen nicht die Binarität der wir/sie-Gruppen-Gegenüberstellung.

Zudem war in den unmittelbar zurückliegenden Jahren die Intensivierung einer  thematischen Kopplung von Flucht-, Migrations- und Armutsdiskursen beobachtbar (vgl. Kunz 2017). Diese Kopplung in Gestalt der Aktualisierung herrschender Fremdheitsbilder sowie die in Teilen der Gesellschaft beobachtbare Restauration ethnisch-völkischer Homogenitätsphantasien leisteten eine Umcodierung vertikaler Verteilungskonflikte und Teilhabeausschlüsse und verlagerten diese in eine horizontale  Konkurrenz zwischen national  als „fraglos zugehörig“ und national als nicht oder „prekär zugehörig“ Wahrgenommenen  (Mecheril 2002, 113f.). Ängste vor sozialem Statusverlust werden einerseits verstärkt und andererseits zugleich  ethnisiert.

Die Kopplung quantifizierender (z.B. dramatisierende Hinweise auf Zahlenzuwächse) mit qualitativen Argumentationen (z.B. Betonung von Gefährlichkeit, Nichtsteuerbarkeit etc.) evoziert Behauptungen einer realen Notstandssituation. Zuwanderung wird verschwörungstheoretisch als politisch intendierter und gesteuerter  „Bevölkerungsaustausch“ dargestellt. Dementsprechend bestünde ein Gebot zum „Widerstand“ des „Volkes“ gegen die „Eliten“. Beobachtbar ist das Einsickern solch rechter Ideologeme bis hinein in die Regierungsparteien, wenn z.B. der CSU-Politiker Seehofer von einer „Herrschaft des Unrechts“ (SZ v. 10.02.2016) spricht. Gründung sowie Erstarken rechter Parteien und eines rechtspopulistischen Protestspektrums werden wiederum als Folge von Zuwanderung umgedeutet. Dass sich diese Kräfte insbes. auf das Migrationsthema kapriziieren, ist nicht zu bestreiten. Dennoch sind Rechtspopulismus und -extremismus nicht deren Folge, vielmehr existieren antiliberale, antidemokratische sowie völkische und nationalistische Ideologien länger und unabhängig davon und bedienen sich gerne dieses Themas, um sich politisch Geltung zu verschaffen.

Parteien der sog. bürgerlichen Mitte schielen in Folge dessen auf als stärker werdendes rechtes Randphänomen konstruierte gesellschaftliche Bevölkerungsteile, befürchten (weitere) Stimmverluste und versuchen diese „zurückzugewinnen“, indem sie rechte Positionen variiert übernehmen. ((So Alexander Dobrindt mit seiner Forderung nach einer „konservativen Revolution“ (Die Welt v. 01.03.2018) )) Bedenklich ist zudem, dass die aktuell beobachtbare gefährliche politische Entwicklung in eine historische Phase fällt, in der die wirtschaftlichen Eckdaten in der BRD als relativ positiv angesehen werden. Im Zuge einer Rezession ist eine weitere Zuspitzung der umrissenen Dynamik zu befürchten.

Fremdheitsbilder und deren Analyse: kein neues Phänomen

Auf Basis dieses Befundes ist eine historische Kontinuität in der Grundtendenz medialer Berichterstattung zu Migration zu konstatieren: „Spätestens seit den [1980ern] ist der Einwanderungsdiskurs […] ein Problemdiskurs“ (Jäger/Wamper 2017: 181). Die in diesem Zitat enthaltene Zeitangabe „spätestens“ impliziert die Konstruktion von Migration und Zuwanderung als problematische Phänomene, die historisch auch schon vor dieser Zeit beobachtbar waren. Die Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin Martina Thiele identifiziert den Anfang der 70er Jahre als Beginn mit der Beschäftigung „der Frage der medialen Repräsentation“ (Thiele 2015, 180) und diagnostiziert im weiteren zeitlichen Verlauf eine Intensivierung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung sowie eine Differenzierung von Studien und Analysen zu dieser Forschungsfrage. Thiele betont hierbei jedoch, „dass das Thema ‚Ausländer in Deutschland’ erst Mitte der 1980er verstärkte Aufmerksamkeit in der Kommunikationswissenschaft erlangt“ (ebd., 182). Dass bereits in der frühen Phase der Analyse der medialen Präsentation, d.h. Anfang der 70er, wesentliche der bis heute dominanten Bilder und Topoi vorfindbar waren, belegt eine inhaltsanalytische Studie aus dem Jahr 1972. Sie zeigt ferner, dass weder die kritische Analyse von Fremdheitsbildern in den Medien noch die einschlägigen Befunde ein neues Phänomen sind. So resümierte Delgado in seiner Studie über „Die Gastarbeiter in der Presse“, dass „das Außergewöhnliche, das, was aus dem Rahmen fällt [als interessant gilt; T.K.]“ (Delgado 1972, 127). Negative Aspekte fänden überproportional mediale Beachtung und Erwähnung (vgl. ebd., 126f.), darüber hinaus werden bestimmte Themen „durch die Form der Darstellung bzw. durch Verallgemeinerung und Stereotypen ‚leitbildgemäß’ gemacht […]. Die häufige Wiederholung der negativen Aspekte im Verhalten der ausländischen Arbeitnehmer führt zu einer Einteilung der gesellschaftlichen Gruppen in ‚Angepaßte’ und ‚Unangepaßte’, Einheimische und Ausländer“ (ebd., 127f.).

Fremdheitszuschreibungen reichen historisch durchaus noch weiter zurück (vgl. Oltmer 2009). Erweitert man den historischen Analyserahmen um die Zeit vor der Gründung der BRD, wird deutlich, dass Versuche restriktiv-repressiver Migrationskontrolle sowie einige der heute geläufigen Motive und Diskursfiguren solcher Bilder auch zuvor schon existent sind (vgl. Bade/Oltmer 2007; Fahrmeir 2008).

Zurück in die 80er…

Nimmt man die 80er und den damaligen Migrationsdiskurs etwas genauer in den Blick, lassen sich bemerkenswerte Parallelen hinsichtlich der heute vorfindbaren Topoi und Diskursfiguren erkennen. Im Folgenden werden anhand kurzer Auszüge aus zwei Artikeln des Nachrichtenmagazins Der Spiegel (Ausgabe 18/1982) einzelne Aspekte explorativ und kursorisch angerissen.

Unter der Überschrift „Ausländer: ‚Das Volk hat es satt’“ berichtete Der Spiegel über verbreitete Positionen der deutschen Wohnbevölkerung zu AusländerInnen:

„Rechte ‚Bürgerinitiativen für Ausländerstopp’ bereiten Volksbegehren vor […]. Sozialdemokraten befürchten Stimmenverluste und fordern eine ‚Trendwende zum Realismus’ im Umgang mit Gastarbeitern und Asylbewerbern. Hessens Ministerpräsident Börner: ‚Mit Integration kommen wir nicht durch.’“ (Spiegel 18/1982, 32)

Es wird deutlich, dass auch in den 80ern jenes o.g. Schielen auf den ‚rechten Rand‘ und drohende Stimmenverluste die Reaktionen von Regierungsparteien und PolitikerInnen bestimmten und eine Rechtsverschiebung des Diskurses, inkl. der daraus abgeleiteten Forderungen, beobachtbar war:

„Eine seltsame Allianz ist in der Bundesrepublik entstanden: Von Rechtsaußen bis nach links reicht die Riege jener Westdeutschen, denen es nun reicht mit dem Zustrom von Ausländern. Unisono klingt es bei Arbeitern wie Akademikern, National- und neuerdings auch bei Sozialdemokraten: Ausländer – nein danke. Zu kaum einem anderen Thema hat sich die Ansicht so vieler Bürger in den vergangenen Jahren so grundlegend gewandelt wie zu Ausländerfragen. Nicht mehr eine Minderheit von 39 Prozent, wie noch 1978, sondern eine Mehrheit von 66 und 68 Prozent der Westdeutschen sprach sich in Umfragen der Meinungsforschungsinstitute Infas und Emnid dagegen aus, daß ‚Gastarbeiter, die hierbleiben wollen, die Möglichkeit erhalten, für immer zu bleiben’ […]. Zwei Drittel der Befragten bejahten die Forderung, die Ausländer ‚sollten wieder in ihr Land zurückkehren’.“ (Ebd.)

Auch schon damals, d.h. fast drei Jahrzehnte vor den auflagensteigernden Menetekeln Sarrazins & Co. wurden ähnliche Forderungen artikuliert, die im Kern eine ethnisch-völkische Homogenität der deutschen Wohnbevölkerung beschworen, auch damals schon im sozialdemokratischen Spektrum: „[…] was der SPD-Kommunalexperte Martin Neuffer fordert, unterscheidet sich nur noch in Nuancen von den Thesen rechter Ausländerstopper: […] Es solle [den Deutschen] ihr ‚Recht’ gewahrt werden, ‚in einem deutschen und nicht in einem Vielvölkerstaat zu leben’.“ (Ebd., 35)

Diese Positionen sind bereits ein Vorgriff auf die heute vernehmbare rechte Propaganda vom „Volkstod“, einer „Umvolkung“ oder vom „großen Austausch“ (vgl. Kopke 2016, 56f.). Eine „Wir-sind-das-Volk“- Rhetorik sowie der „Wir-hier-unten-gegen- die-da-oben“-Topos sind ebenfalls Anfang der 80er identifizierbar. Das Konstrukt der ethnisierten Ressourcenkonkurrenz, die Figur der Belastung des Sozialstaates und auch die „Widerstands“- Drohung des Pegida-Spektrums scheinen durch. All das ohne die Möglichkeit, als Enttäuschungssyndrom ehemaliger DDR-BürgerInnen im sog. Osten entsorgt werden zu können:

„Anonyme Flugblätter wecken Ängste: ‚Möchten Sie Ihre Wohnung für einen Ausländer räumen? Denken Sie an Ihre Rente, wofür wir Ausländer bezahlen müssen… Uns gehört Deutschland. Wir werden bald die Überzahl haben – dann geht›s rund.’“ (Ebd.)

Unter der Titelzeile „Ausländerfeindlichkeit: Exodus erwünscht“ wird in einem zweiten Beitrag desselben Heftes berichtet:

„An allem sind die Ausländer schuld: ‚daß ganze Wohnviertel verkommen und verdrecken’ und daß es eine ‚hohe Kriminalität’ gibt und daß ‚die Mieten so ansteigen’ und daß man sich im eigenen Ort ‚als Deutscher nicht mehr wohl fühlen kann und bedroht fühlt’. Es sind insbesondere Ausländer, die hierzulande ‚den Rauschgifthandel betreiben’ und ‚deutsche Frauen belästigen’. Manche dieser Meinungen könnte aus den Pamphleten jener Pseudo- Parteien stammen, mit denen neuerdings NPD-Mitglieder und Gleichgesinnte unter Bezeichnungen wie ‚Bürgerinitiative für Ausländerstopp’ bei Wahlen auftreten. […] Doch jede dieser Ansichten wird von mindestens jedem dritten Deutschen vertreten, und für einige finden sich sogar Mehrheiten […]. Die meisten Deutschen meinen auch zu wissen, daß ‚die Ausländer mit ihren vielen Kindern oft nur deshalb zu uns kommen, weil sie das hohe Kindergeld kassieren wollen, das wir mit unseren Steuern bezahlen’.“ (Ebd., 37)

Die kurzen Auszüge aus den Spiegel-Beiträgen zeigen: Die gegenwärtig dominanten Fremdheitsbilder samt gesellschaftspolitischen Reaktionen finden sich bereits in den 80ern mit teils erstaunlichen Parallelen.

Déjà-vu oder: Was ist das eigentlich Neue an der aktuellen Situation?

Die explorative Kurzanalyse liefert Hinweise auf ‚Wiederholungen‘ von Bildern im derzeit laufenden Zuwanderungsdiskurs bzw. auf eine bestimmte Qualität der Aussagen über als „Fremde“ markierte Menschen. Das Neue sind die veränderten gesellschaftspolitischen Kräfteverhältnisse, innerhalb derer sich besagte Wiederholungen beobachten lassen. Die neue Qualität aktueller Fremdheitsbilder scheint folglich mehr darin zu bestehen, dass die im Diskurs vorfindbaren (neo-) rassistischen Positionen und rechtsextremen Ideologeme nun als eher unpolitische Befunde gelten. In den 80ern wurde in den Artikeln noch klar wahrgenommen, dass es sich bei den Aussagen um rechte Positionen bzw. die Übernahme rechter Positionen handele. Aktuell wird eine solche Einordnung zum Streitpunkt oder in Abrede gestellt. In dieser Entpolitisierung rechter Diskurspositionen, so die These, liegt die besondere und vor allem hochproblematische neue Qualität des aktuellen Diskurses im Vergleich zu den historischen Vorläuferphasen.

Hinzu tritt, dass bei bisherigen Analysen von Fremdheitsbildern nachvollziehbar auf klassische Massenmedien abgehoben wurde. Das kritisch-reflexive Aufgreifen der Medienkritik, die z.B. Anfang der 90er an der Berichterstattung zur Zuwanderung von asylsuchenden Menschen, über damalige rassistisch motivierte Brandanschläge und Morde sowie die Asylrechtsverschärfungen artikuliert wurde, kehrt sich mittlerweile um bzw. wird konterkariert durch diametral entgegengesetzte Forderungen, die von einem konträren gesellschaftlichen Spektrum erhoben werden. Bereits dass Medien und MedienvertreterInnen sich zu veröffentlichten Beiträgen erklären oder meinen, sich erklären zu müssen, indiziert eine Rechtsverschiebung des Diskurses. Insofern erscheint es naheliegend, die gegenwärtigen Fremdheitsbilder eben auch als eingebettet in eine Medienkritik von rechts („Lügenpresse“, „Political Correctness“) zu betrachten. Sie sind Bestandteil einer lange Jahre andauernden gesellschaftlichen Entwicklung und ein Ergebnis rechter Diskursinterventionen. Aus diesem Grunde lautet das abschließende Plädoyer, sich bei der Analyse aktueller wie künftiger Fremdheitsbilder einerseits ihrer historischen Vorläufer zu vergewissern, d.h. ihrer Unterschiede ebenso wie ihrer frappierenden Kontinuitäten. Andererseits sind jedoch wesentlich stärker die politische Relevanz und (Re-)Etablierung rechter Strategien zur Erlangung kultureller Hegemonie und die daraus resultierende Verschiebung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse in die Analyse einzubeziehen. Mögen die neuen Fremdheitsbilder in Teilen auch die Alten sein, ihre neue, hochproblematische Qualität speist sich vor allem aus den veränderten, politisch noch weiter nach rechts verschobenen gesellschaftlichen Verhältnissen.

Literatur

Bade, Klaus J.,/Oltmer, Jochen 2007: Deutschland, in: Enzyklopädie. Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, hrsg. von Klaus J. Bade u.a., Paderborn, 141-170.

Delgado, Manuel J. 1972: Die Gastarbeiter in der Presse, Opladen.

Fahrmeir, Andreas 2008: Klassen- Grenzen: Migrationskontrolle im 19. Jahrhundert, in: Rechtsgeschichte 12/2008, 125-138.

Foroutan, Naika/Ikiz, Dilek 2016: Migrationsgesellschaft, in: Handbuch Migrationspädagogik, hrsg. von Paul Mecheril, Weinheim und Basel, 138-151.

Greschke, Heike 2016: Medien, in: Handbuch Migrationspädagogik, hrsg. von Paul Mecheril, Weinheim und Basel, 121-137.

Jäger, Margarete/Wamper Regina (Hg.) 2017: Von der Willkommenskultur zur Notstandsstimmung. Der Fluchtdiskurs in deutschen Medien 2015 und 2016; http:// www.diss-duisburg.de/wp-content/uploads/ 2017/02/DISS-2017-Von-der-Willkommenskultur- zur-Notstandsstimmung. pdf (Abruf: 19.06.2018).

Kopke, Christoph 2016: Verschwörungsmythen und Feindbilder in der AfD und in der neuen Protestbewegung von rechts, in: NK Neue Kriminalpolitik 1/2017, 49-61.

Kunz, Thomas 2017: Bilder von Fremden. Konstruktionen nationaler (Nicht-) Zugehörigkeit als Voraussetzung sowie Bestandteil sozialer Ausgrenzung, in: Handbuch Armut und soziale Ausgrenzung, 3. Auflage, hrsg. von Ernst-Ulrich Huster u.a., Wiesbaden, 287-312.

Mecheril, Paul 2002; Natio-kulturelle Mitgliedschaft – ein Begriff und die Methode seiner Generierung, in: Tertium Comparationis. Journal für International und Interkulturell Vergleichende Erziehungswissenschaft, Vol. 8, No. 2, 104-115.

Oltmer, Jochen 2009: Etikettierungen, Projektionen und Hierarchisierungen. Fremde in Deutschland von 1871 bis in die Gegenwart, in: Fremde? Bilder von den ‚Anderen‘ in Deutschland und Frankreich seit 1871, hrsg. von Rosmarie Beier-de Haan und Jan Werquet, Dresden, 16-27.

Thiele, Martina. 2015. Medien und Stereotype. Konturen eines Forschungsfeldes. Bielefeld.