Jobst Paul legt Leitfaden zur Analyse der Rhetorik der Herabsetzung vor. Erschienen in DISS-Journal 36 (2018)
Mit dem Motto ‚Rassismus tötet‘ erinnerten im Jahr 2012 Initiativen überall in Deutschland an die rassistischen Anschläge von Hoyerswerda, Mannheim, Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen. Im Jahr 2017 hat es in Deutschland 2219 Angriffe auf Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte gegeben. In der ersten Hälfte 2018 wurden in Deutschland 627 Übergriffe auf Flüchtlinge außerhalb von Flüchtlingsunterkünften sowie 77 Attacken auf Unterkünfte gezählt. Im Oktober 2018 schickte ein ‚white supremacist‘ Briefbomben an Trump-kritische PolitikerInnen und ein Antisemit richtete in einer Synagoge in Pittsburgh ein Blutbad an. Beide beriefen sich auf die von Trump und rechten Medien verbreiteten Feindbilder und Angstszenarien.
Ohne ‚Sprecher‘, die – wie Trump – als Einpeitscher auftreten und herabsetzende Parolen ausgeben, und ohne Menschen, die sich ihnen und ihren Parolen anschließen und unterwerfen, wären die meisten dieser Anschläge und Gewalttaten kaum denkbar. Dies ist aber nicht die einzige Lehre, die hinter dem Motto ‚Rassismus tötet‘ steht. Die nicht weniger wichtige, zweite Lehre betrifft die Rhetorik der Herabsetzung selbst: Wie ist es denkbar, dass wenige Schlagworte, Aussagen und ‚Geschichten‘ genügen, Menschen zu willfährigen Fanatikern und Gewalttätern in der Hand von ‚Sprechern‘ wie Donald Trump und jetzt Jair Bolsonaro in Brasilien zu machen?
Um eine Antwort zu finden, legt Jobst Paul nun die methodischen Grundzüge einer Binarismus-Analyse vor, die als Teil der Werkzeugkiste der Kritischen Diskursanalyse gedacht ist.
Unter dem Titel ‚Der binäre Code – Leitfaden zur Analyse herabsetzenden Aussagen und Texte‘, der im Wochenschau-Verlag erschienen ist, werden sozialpsychologische mit sprach- und kulturkritischen Analyseschritten verknüpft. Mit seinem ‚Leitfaden‘ publiziert Jobst Paul nunmehr eine für die pädagogische und sprachkritische Praxis gedachte, allgemein verständliche Zusammenfassung seiner bisherigen Arbeiten zum Themenbereich der verbalen und visuellen Dehumanisierung. In zehn Kapiteln und wohl erstmal in dieser elementaren Form wird damit ein Bestand von sprachlichem, psychologischem und kulturellem Basiswissen zur Rhetorik der Herabsetzung formuliert.
Das Werk ist von der Überzeugung geprägt, dass die konkrete Analyse herabsetzender Aussagen und Texte neue emanzipative Kompetenzen und Energien für die kulturelle und politische Handlungsfähigkeit vermitteln kann. Zugleich bietet der Leitfaden allen, die pädagogisch, journalistisch und politisch tätig sind, Anstöße zur nachhaltigen Reflexion und Kommunikation.
Für Studium, Workshops und die Weiterbildung ist der Leitfaden darüber hinaus mit der DISS-eigenen Website DISSLit [https://www.diss-duisburg.de/disslit/] abgestimmt – er verweist jeweils auf die dort in über 30 Stichworten zusammengestellte, weiterführende Literatur.
Jobst Paul
Der Binäre Code
Leitfaden zur Analyse herabsetzender Texte und Aussagen
Frankfurt am Main: Wochenschau-Verlag 2018
160 S., 90 €, E-Book: 11,99 €