Was ändert Paris?

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Eine kritische Diskursanalyse zu den November-Anschlägen in Paris 2015 und den
Verbindungen zum Flucht- und Einwanderungsdiskurs

Von Roisin Ludwig (Stand: Oktober 2016)

„#ParisAttacks ändert alles. Wir dürfen keine illegale und unkontrollierte Zuwanderung zulassen“, so twitterte Markus Söder, der bayrische Finanzminister, in der Nacht nach den Anschlägen in Paris im November 2015. Meine daran angelehnte Leitfrage „Was ändert Paris?“ bezieht sich ebenfalls auf den Flucht- und Einwanderungsdiskurs in Deutschland. Sie zielt auf ein kritisches Hinterfragen dessen, was in den Print-Medien der ‚Mitte‘ im deutschsprachigen Diskurs zu den Anschlägen sagbar war. Dazu habe ich eine Kritische Diskursanalyse mit Material der Zeitungen Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS), Die Zeit (Zeit) und Welt am Sonntag (WamS) über einen Zeitraum von zwei Wochen nach den Anschlägen durchgeführt. Insbesondere habe ich mich mit den Verbindungen beschäftigt, die in diesem Diskursausschnitt zur sogenannten ‚Flüchtlingskrise‘ und zu Flucht und Einwanderung hergestellt wurden. Meine These lautete, dass über diese diskursiven Verbindungen Geflüchtete und Migrant*innen mit Terrorismus identifiziert wurden und in den Argumentationen Grenzen gezogen und Ausschlüsse gemacht wurden, die strukturell rassistisch sind.

Mit meiner Arbeit bin ich auch ein Teil des Diskurses, den ich analysieren will, allein durch die Auswahl meines Themas reproduziere ich das problematisierende Schreiben über Migrant*innen und Geflüchtete sowie über Muslim*innen als ‚Andere‘, welches ich kritisiere. Mir ging es jedoch darum, den  untersuchten Diskurs, der sich als natürlich und alternativlos ausgibt, zu dekonstruieren, d.h. seine Konstruiertheit aufzuzeigen und gleichzeitig die Produktion der Ausschlüsse im Diskurs zu kritisieren. Hierbei wird der Fokus nicht auf die Marginalisierten selbst gelegt und deren angebliches ‚Anderssein‘, sondern auf den Prozess der Marginalisierung und damit auf das bestehende Herrschaftsverhältnis Rassismus, das es zu hinterfragen und zu bekämpfen gilt.

1. Strukturanalyse

Die Anschläge am 13. November 2015 in Paris stehen in der Mitte einer ganzen Reihe von Anschlägen, zu denen sich der Daesh, der sogenannte „Islamische Staat“ bekannt hat. Am Freitagabend wurden an mehreren Orten in Paris gleichzeitig in der Stadt Selbstmordattentate verübt (an einem Fußballstadion), mit Schusswaffen auf Menschen gefeuert (in den Straßen vor Cafés und Bars) und in einem Konzertsaal Menschen hingerichtet. 130 Menschen wurden getötet, mehr als 350 verletzt. Die französische Regierung rief den Ausnahmezustand aus, was die Wiedereinführung von Grenzkontrollen, den Einsatz von Soldaten im Inneren und die Mobilisierung einer Spezial-Antiterroreinheit zur Folge hatte. Der französische Präsident François Hollande sprach davon, dass Frankreich sich im Krieg befände und beantragte den Beistand anderer europäischer Staaten auf Grundlage des EU-Vertrags. In Deutschland wurde die Verbindung des Terrordiskurses mit dem Flucht- und Migrationsdiskurs schon am frühen Samstagmorgen (14.11.2015) von Markus Söder auf Twitter eröffnet. Er formulierte auf Twitter: „#ParisAttacks ändert alles. Wir dürfen keine illegale und unkontrollierte Zuwanderung zulassen“ (Söder 2015). Um diese und andere Äußerungen herum entstand eine Diskussion: im Internet, in sozialen Netzwerken, in Talkshows, in Zeitungen und durch direkte Reaktionen von Politiker*innen. In der WamS wurde ein Interview mit Söder veröffentlicht, in dem er zudem die Bundeskanzlerin Merkel für ihre Migrationspolitik im Jahr 2015 kritisierte. Für diese Vorwürfe wurde Söder von seinem Landesministerpräsidenten Horst Seehofer gerügt. Andere Politiker der Regierung wie Thomas de Maizière kritisierten auch die Position, dass nach den Terrorangriffen Schlüsse für die ‚Flüchtlingspolitik‘ gezogen werden müssten: Es solle „nicht vorschnell irgendein Bogen zur Debatte um das Thema Flüchtlinge geschlagen“ werden (Dehmer/Funk/Sirleschtov 2015).

Im Folgenden wird nachgezeichnet, wie und mit welchen Mitteln dieser Bogen in den drei Wochenzeitungen WamS, FAS und Zeit geschlagen wurde und was das Feld des Sagbaren umfasste. Ich habe nicht nach den teilweise unterschiedlichen Schwerpunkten bei den Diskurspositionen der Zeitungen unterschieden, da es mir eher um die Frage ging, welchen Positionen im Diskurs der ‚Mitte‘ Raum gewährt wurde – und welchen nicht. ((Das Dossier umfasst insgesamt 59 Artikel, in denen Aussagen zu den Themen Terroranschläge in Paris und Flucht bzw. Einwanderung gemacht wurden.))

1.1. Konkurrierende Motive in der Verflechtung der Diskurse

In der Berichterstattung über die Attentate in Paris als islamistisch motivierte terroristische Anschläge wurden unterschiedliche Bezüge zum Flucht- und Einwanderungsdiskurs hergestellt. Meist sind sogar innerhalb eines Artikels zu den Pariser Anschlägen mehrere Bezüge zu finden.

Die Hauptlinien der Argumentation lassen sich in 3 Stränge einteilen. Erstens die populistische und/oder Kulturkampf-Erzählung, bei der mit den Sorgen und Ängsten der Bürger*innen Deutschlands argumentiert wird, die durch die Terrorangriffe in Paris in Bezug auf ‚Flüchtlinge‘ entstanden seien. Zweitens die selbstverständliche Erzählung, die davon ausgeht, dass sich unter den Flüchtlingen Terroristen befänden und daher eine Gefahr für die innere Sicherheit durch die Einwanderung drohe. Die dritte Erzählung ist eher von einer Abwehr der Verbindung von Terrorismusdiskursen mit dem Thema Flucht- und Einwanderung gekennzeichnet und spricht sich gegen eine Thematisierung des Flucht- und Einwanderungsdiskurses im Terrorismusdiskurs aus.

Es gibt jedoch insgesamt keine einheitliche Stoßrichtung innerhalb dieser Erzähl-Kategorien. Die Narrative werden je nach Strategie der Artikel mit der je eigenen Intention eingesetzt. Beispielsweise zieht sich die Erzählung von ‚Terrorismus als Fluchtursache‘ durch viele Artikel, die sehr unterschiedliche Intentionen haben, z.B. um für einen militärischen Einsatz in Syrien und den Gebieten des Daesh zu werben oder aber um ein Verständnis für Geflüchtete und Migrant*innen zu begründen. So wird dieses Narrativ jeweils in die eigene Argumentation der Autor*innen eingebaut. Dennoch gibt es inhaltliche Schwerpunkte, die sich in den Erzähl-Kategorien wiederfinden.

1.1.1. Sorgen der Bürger*innen und Kampf der Kulturen

In allen drei Zeitungen wird in verschiedenen Artikeln festgestellt, dass im Kontext der ‚Flüchtlingskrise‘ in Deutschland nach den Pariser Anschlägen Sorgen und Ängste von Bürger*innen zunehmen würden. Die WamS schreibt: „Das Urvertrauen der Bevölkerung ist deshalb spätestens nach Paris empfindlich berührt“ (Söder, WamS, 15.11.2015) und „die Unsicherheit der Leute mit der Flüchtlingspolitik war schon vorher gewachsen“ (Alexander, WamS, 15.11.2015). In der Zeit ist zu lesen: „Die schrecklichen Anschläge von Paris werden Ängste der Bevölkerung gegenüber den Neuankömmlingen verstärken und das Gefühl der Unsicherheit erhöhen“ (Baumanns/Litta, Zeit, 19.11.2015) und „Gleichzeitig wird nach dem Terroranschlag unweigerlich die Bereitschaft sinken, weitere Flüchtlinge aufzunehmen“ (Geis/Hildebrandt, Zeit, 19.11.2015). In einem weiteren Artikel wird argumentiert, die „vollständige Registrierung aller Flüchtlinge“ sei notwendig, um „pauschale Verdächtigungen zu entkräften“, denn die Forderung, Flüchtlinge zu registrieren soll „nicht jenen überlassen [werden], die sie vor allem deshalb erheben, weil sie den registrierten Flüchtlingen böse Absichten unterstellen.“ (Böhm ua, Zeit, 19.11.2015).

Auch in der FAS vom 15.11.2015 argumentiert Berthold Kohler auf der Titelseite folgendermaßen:

„Vor allem aber müssen die westlichen Staaten den eigenen Bürgern das geben, was die Terroristen ihnen nehmen wollen – das Gefühl von Sicherheit. Es ist vielen Deutschen schon im Verlauf der Flüchtlingskrise abhandengekommen. Die Täter von Paris dürften kaum in einem der Züge gesessen haben, die in München mit Willkommensplakaten begrüßt wurden. Doch kam auch mit diesen Zügen schon eine Angst ins Land: dass Deutschland sich bei dem Versuch, fremde Kulturen und Konflikte zu integrieren, hoffnungslos übernimmt und danach  nicht mehr so sein kann, wie es sein will“ (Kohler, FAS,15.11.2015).

Kohler beschreibt ein Gefühl von Sicherheit in Deutschland, das er an anderer Stelle als vierten Wert neben die drei Ideale der Französischen Revolution setzt und das die Voraussetzung für diese Ideale darstelle (vgl. Kohler, FAS, 15.11.2015). Wenn nach Kohler (schon vor den Pariser Anschlägen) die Geflüchteten und Migrant*innen es waren, die das Sicherheitsgefühl destruiert haben, dann suggeriert er, sie seien für die Unterminierung der gesellschaftlichen Stabilität verantwortlich. Schuld daran seien die „fremden Kulturen und Konflikte“, die nicht zu integrieren seien. Was genau er unter diesen „fremden Kulturen“ versteht, wird nicht expliziert. Allerdings schreibt er:

„Wieder Paris, wieder ein Anschlag auf die ganze freie Welt. (…)
In der muslimischen Welt ist ein Ungeheuer herangewachsen, das seine Tentakel um die ganze Welt schlingen möchte. (…) Es ist ein Antagonist der Lebensart und der politischen
Verfasstheit des Westens.“ (Kohler, FAS, 15.11.2015)

Die Entgegensetzung von Vorgängen in einer „muslimischen Welt“ gegenüber einer „freien Welt“ legt einen Zusammenhang nahe zwischen den „fremden Kulturen“ und der „muslimischen Welt“. Kohler spielt auf die Angst vor einer ‚Überfremdung‘ an. Nicht mit einer finanziellen Belastung wird argumentiert, sondern mit Kulturen, die nicht miteinander vereinbar seien. Mit dieser Argumentation ist er nicht alleine. Auch Mathias Döpfner schreibt in der WamS: „Die Flüchtlingskrise und nun die Terrorwelle von Paris sind die Brandbeschleuniger eines Kulturkampfes, der seit Langem schwelt“ (Döpfner, WamS, 15.11.2015). Letzten Endes droht auch für Kohler der ‚Kampf der Kulturen‘, denn er fürchtet, dass „danach“ (nach der Einwanderung) alles anders ist als zuvor. Er fürchtet, dass deutsche Bürger*innen in ‚ihrem Land‘ zu ‚Fremden‘ werden, weil Deutschland „nicht mehr so sein kann, wie es sein will“.

Stilistisch interessant ist an dieser Stelle besonders die Subjektposition von Deutschland als einem Nationalstaat. Diese Verwendung macht deutlich, wie stark und selbstverständlich für Kohler die Idee der Nation als einheitliches Kollektiv ist. Kohler argumentiert allerdings auch mit der Unterscheidung der Staatsbürgerschaft: den „eigenen“ deutschen Bürger*innen soll ein Gefühl der Sicherheit gegeben werden – im Gegensatz zu den Anderen, die hier in zwei Sätzen hintereinander als „Flüchtlinge“ und „Täter von Paris“ gefasst werden. Während die Täter von Paris ja sogar teilweise die entscheidende (französische bzw. belgische) Staatsbürgerschaft hatten – im Vergleich zu Geflüchteten und Migrant*innen – so soll das Moment, das diese beiden ‚Menschengruppen‘ verbindet, offenbar die „fremde Kultur“ sein. Die ‚Anderen‘, das sind bei Kohler die mit der „fremden Kultur“ und die Konflikte nach Deutschland bringen.

Verdeutlicht man sich die generelle Lage von geflüchteten Menschen und Migrant*innen nach ihrer Ankunft an einem Ort und nach einer Reise, die mit traumatischen Erlebnissen verbunden sein kann, so ist nicht verständlich, warum gerade für sie kein Gefühl der Sicherheit gelten soll. Aber indem sie zu ‚Anderen‘ gemacht werden, findet eine Verdrehung statt: Aus Menschen, denen man aufgrund der derzeitigen Art der Migration leicht besondere Schutz- und andere Bedürfnisse zuschreiben kann, werden Täter*innen gemacht, die die „deutschen Ideale“ unterminieren würden, weil sie das Gefühl von Sicherheit bedrohten. Die real vielfach stattfindenden Traumatisierungen, die mit einer Flucht verbunden sein können, werden umgedeutet in eine Gefahr. Kohler schreibt:

„Der massenhafte Zustrom von jungen Männern aus den Krisen- und Kriegsgebieten des Nahen Ostens treibt vielen deutschen Sicherheitsfachleuten Schweißperlen auf die Stirn: nicht, weil sie fürchteten, dass die Trecks zur Hälfte aus schon zu allem entschlossenen Fanatikern bestünden. Doch kommen da zuhauf Menschen ins Land, die jene Parallelgesellschaften vergrößern könnten, die es in Deutschland gibt, mehr aber noch in den Vorstädten Frankreichs. Die sind so verschlossen, dass es selbst den wenig zimperlichen französischen Sicherheitsbehörden nicht gelingt, sie in der nötigen Weise zu durchleuchten und zu kontrollieren. Für die Werber des islamistischen Terrorismus aber sind die Ansammlungen von leicht radikalisierbaren und von Gewalterfahrungen geprägten zornigen jungen Männern ein ideales Terrain“ (Kohler, FAS,15.11.2015).

Auch an dieser Stelle wird aus einem pauschal zugeschriebenen emotionalen Zustand, nämlich Zorn, eine Gefahr gedeutet. Geflüchteten und Migrant*innen wird so eine Affinität zu Gewalt zugeschrieben. Nimmt man Kohlers Zuschreibung ernst und fragt nach dem Zorn von Geflüchteten und Migranten, die bei ihm auch nur männlich gedacht werden, dann könnte sich eine Vielzahl von Gründen für Wut, Unzufriedenheit oder Zorn finden lassen, die denkbarerweise ihren Ursprung in der sozialen Situation der Menschen oder vorangegangenen Traumatisierungen haben können. Gewalttaten von Geflüchteten und Migrant*innen werden nicht im Hinblick auf ihre prekären sozialen Handlungsfelder, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen oder bestehende (und/oder durch das Asylsystem fortgesetzte) Traumatisierungen betrachtet, sondern in den Kontext von Terrorismus und Gefahr für die innere Sicherheit gesetzt.

Wenn Kohler formuliert, dass „vielen Deutschen“ das Gefühl von Sicherheit schon in der ‚Flüchtlingskrise‘ abhanden gekommen sei, dann verwischt er seine eigene Positionierung. Indem er diese Position artikuliert und sie in seiner Argumentation einbaut, ist klar, dass er sie teilt oder zumindest nachvollziehbar und unproblematisch findet. Ähnlich verfährt die AfD häufig in ihrer Parteistrategie, wenn Positionen oder bestimmte Ängste ‚den Deutschen‘, ‚dem Volk‘ oder ‚den Leuten‘ zugeschrieben werden. ((Zum Beispiel argumentierte Alexander Gauland von der AfD, dass viele Leute den Schwarzen Nationalfußballer Boateng nicht in ihrer Nachbarschaft haben wollten (vgl. Wehner/Lohse 2016), um solchen Rassismus nachvollziehbar und verstehbar zu machen.)) Dies kann als eine populistische Strategie verstanden werden, bei der es darum geht, möglichst nah an ‚den Leuten‘ zu argumentieren und über den Bezug zu ‚den Leuten‘ schließlich das Sagbarkeitsfeld zu erweitern.

Zudem wird hier eine unkontrollierbare Situation suggeriert. Mit Begriffen wie „Zustrom“ und „Trecks“ werden ganz bestimmte Bilder erzeugt, die von Massen zeugen, die sich nicht steuern lassen. Sogar Sicherheitsfachleute seien überfordert. Diese unkontrollierbare Situation beschwört regelrecht eine geforderte Aktivität – es muss etwas passieren, damit die Kontrolle wiedergewonnen und Normalität hergestellt wird.

Die große Gefahr liegt für Kohler jedoch in den „Parallelgesellschaften“. Es bleibt unklar, was dort Gefährliches passieren kann: Sie sind „verschlossen“, können nicht in der nötigen Weise durchleuchtet und kontrolliert werden und die „Werber des islamistischen Terrorismus“ sind dort.  Parallelgesellschaften setzen eine mangelnde Integration von Migrant*innen voraus, die hier als problematisch gekennzeichnet wird und die möglicherweise sogar zu Terrorismus führen kann. In jedem Fall wird eine Aktivität gefordert, ein Handeln, dass diesem unkontrollierten Zustand ein Ende setzt. Für Kohler ist dies, wie sein Schlussappell zeigt, ein hartes Durchgreifen gegenüber Geflüchteten und Migrant*innen:

„Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit (auch Solidarität mit den Armen und Verfolgten der Welt) sind längst auch deutsche Ideale. (…) Die Deutschen haben nichts gegen ein freundliches Gesicht an der Spitze ihrer Regierung. In solchen Zeiten aber wollen und  müssen sie ein anderes sehen: ein hartes“ (Kohler, FAS,15.11.2015).

Die Klammer-Konstruktion, mit der versucht wird, die Solidarität mit „Armen und Verfolgten“ mit dem Dreiklang der Werte der Französischen Revolution in Verbindung zu setzen, hat eine doppelte Funktion. Zum einen wird der Wille zur Solidarität erwähnt und so mit einbezogen. Zum anderen steht die Solidarität in Klammern, ist also nicht gleichzusetzen mit den anderen Werten und möglicherweise nur unter bestimmten Bedingungen zu gewähren. Eigentlich wollen offenbar nach Kohler „die Deutschen“ „den Armen und Verfolgten“ helfen, aber sie werden dabei überfordert. Angela Merkels Überlegung Anfang September 2015, Geflüchtete und Migrant*innen weiter nach Deutschland reisen zu lassen und die Grenzen nicht zu schließen, sei zwar „freundlich“ gewesen, aber eben auch die deutschen Bürger*innen überfordernd. Daher fordert Kohler am Ende seines Artikels ein „hartes Gesicht“ an der Regierungsspitze. Hart gegen sich selbst, indem Opfer gebracht werden, um den „Weltkrieg“ „gegebenenfalls auch mit eigenen Truppen in Syrien“ (Kohler, FAS,15.11.2015) zu beenden. Vor allem aber geht es um Härte gegenüber Geflüchteten und Migrant*innen. Damit kann vieles gemeint sein: Einschränkungen der Rechte von Migrant*innen, das Durchleuchten von „Parallelgesellschaften“, Aufrüstung oder ‚Obergrenzen‘ für Einwanderung.

Die Verbindung des Terrorismusdiskurses mit dem Flucht- und Einwanderungsdiskurs in Artikeln über die Anschläge von Paris am 13. November wirkt hier sehr zielgerichtet: Es geht um die Legitimierung von (nicht explizit gemachten) sicherheitspolitischen Erwägungen, um eine Sicherheit, die als von ‚Flüchtlingen‘ bedroht dargestellt wird, und um die Durchsetzung einer restriktiveren Flucht- und Einwanderungspolitik. Dabei werden kulturrassistische Vorstellungen über Geflüchtete und Migrant*innen verbunden mit einer potenziellen Gefahr von Radikalisierung in „Parallelgesellschaften“ hin zu islamistischen terroristischen Gruppen und Individuen. Dennoch ist zu bezweifeln, dass die Anschläge von Paris diese Argumentation erst hervorgebracht haben. Eher könnte es sein, dass mit den Anschlägen ein politisches Klima entsteht bzw. durch Artikel wie diese aktiv hervorgebracht wird, in welchem restriktivere Maßnahmen propagiert und popularisiert werden können.

1.1.2. Selbstverständliche Erzählung und implizite Kontextualisierung

Auf der Titelseite der WamS vom 22.11.15 wird in einer Überschrift gefragt :

„Wie geht es weiter nach den Anschlägen von Paris? Kann der IS beseitigt werden? Wie sicher werden wir leben? Warum radikalisiert sich ein Brüsseler Wohnviertel? Und was haben die Flüchtlinge mit alledem zu tun?“ (WamS, WamS, 22.11.2015).

Hier wird die Frage nach „Flüchtlingen“ neben Fragen die Terroranschläge betreffend gestellt und damit eine Selbstverständlichkeit hinsichtlich der Thematisierung von Geflüchteten und Migrant*innen im Terrorismusdiskurs hergestellt. Zudem wird nicht gefragt, ob „Flüchtlinge“ etwas mit den Anschlägen zu haben, sondern was. Von einem Zusammenhang wird also ausgegangen, ohne dass begründet oder legitimiert wird. Dieses Beispiel ist insofern aussagekräftig für einen Teil der Erzählungen zu den Anschlägen, als dass eine ziemlich häufig anzutreffende Narrationsvariante ohne Begründung davon ausgeht, dass sich unter den Geflüchteten und Migrant*innen Terroristen befänden und daher eine Gefahr für die innere Sicherheit durch die Einwanderung drohe:

„Nicht jeder Flüchtling ist ein IS-Terrorist. Aber zu glauben, dass sich kein einziger Bürgerkrieger unter den Flüchtlingen befindet, ist naiv. (…) In Fragen der Sicherheit dürfen wir keine Kompromisse mehr machen“ (Söder, WamS, 15.11.2015).

Ein wiederkehrendes Motiv dabei ist die Opfer-Täter-Umkehr: Zunächst werden Geflüchtete und Migrant*innen als Opfer beschrieben, um sie anschließend durch die Art der Darstellung oder der verwendeten Begriffe zu Tätern bzw. zu ‚Gefährdern‘ zu machen. Stefan Austs Artikel „Dies ist kein Terrorismus mehr, das ist Krieg“ in der WamS beginnt mit einer sehr symbolischen Beschreibung der Anschläge in Paris, des „Islamischen Staates“ und des „islamistischen Bürgerkriegs zwischen Schiiten und Sunniten“ im Nahen Osten. Geflüchtete und Migrant* innen kommen in diesen Abschnitten zunächst nur als Opfer vor:

„Unter den Tausenden von Flüchtlingen, die jeden Tag aus den Krisenregionen des Nahen Ostens nach Deutschland strömen, sind Opfer aller Kriegsparteien. Manche flüchten vor den Fassbomben Assads, manche vor den Mördern des ‚Islamischen Staates‘ und manche vor beidem zugleich“ (Aust, WamsS, 15.11.2015).

Hier taucht das Motiv von ‚Terrorismus als Ursache von Flucht‘ erneut auf. Es werden aber im weiteren Verlauf auch zwei weitere Bezüge zwischen dem Daesh und Migration aufgemacht. Dabei werden AkteurInnen ((Der Daesh wird in so gut wie allen Artikeln männlich gedacht. Ich gehe davon aus, dass aufgrund der gesellschaftlichen Zuschreibung von Gewalt und Aggression an ein männliches Subjekt die
Geltung von Frauen keinen Platz erhält. Ich verwende die zweigeschlechtliche Schreibweise, da
im Selbstverständnis und in der Ideologie des Daesh die Vielfalt von Geschlecht keinen Raum erhält.)) und/oder TäterInnen des Daesh einmal innerhalb der „islamistischen Migrantenszene europäischer Großstädte“ als „Einwanderer der zweiten oder dritten Generation“ verortet (Aust, WamS, 15.11.2015). Interessant hieran ist, dass Menschen, die hier geboren sind und in der zweiten und dritten Generation in Europa leben, zu Migrant*innen bzw. „Einwanderern“ gemacht werden. Damit werden sie aus der Mehrheitsgesellschaft exkludiert und zu den ‚Anderen‘ im Inneren des eigenen Staates gemacht.

An anderer Stelle wird die „Mörderbande“ des Daesh im Nahen Osten verortet, die von dort aus „klandestine[] Bodentruppen in alle Welt schickt“ (Aust, WamS, 15.11.2015). Hier hat der Daesh nichts mit europäischen Ländern zu tun, sondern wird in den Nahen Osten verlagert. Die Formulierung weckt die Assoziation, dass der Daesh unter den Geflüchteten und Migrant* innen seine „Bodentruppen“ verstecken könnte. Diese Assoziation wird im sich im weiteren Verlauf des Artikels bestätigen:

„Deutschlands offene Grenzen erlauben nicht nur den Ruhe und Sicherheit suchenden Bürgerkriegsflüchtlingen die weitgehend unkontrollierte Einreise, sondern öffnen auch die Pforten für einen Export des Krieges. Das ‚Refugees Welcome‘ gilt den Guten und Beladenen, doch die kommen nicht allein. Angehörige aller verfeindeten Lager finden sich in deutschen Flüchtlingslagern und deutschen Gemeinden wieder. Kein Mensch kann beurteilen, wer hilfsbedürftiger Flüchtling oder wer in der Menge der jungen Männer, die immerhin 70 Prozent der Asylsuchenden ausmachen, gewaltbereite Islamisten sind. (…). Das Überschreiten einer nicht mehr gesicherten Staatsgrenze macht aus Kämpfern nicht gleich Pazifisten. Schon bei strengen Grenzkontrollen ist es schwer, mögliche IS-Terroristen zu erkennen. Offene Grenzen machen es unmöglich“ (Aust, WamsS, 15.11.2015).

Insgesamt geht es hier darum, den „Kontrollverlust über die innere Sicherheit“ zu thematisieren und den „fast verzweifelten Mahnungen und Warnungen der deutschen Sicherheitsbehörden“ Gehör zu verschaffen (Aust, WamS, 15.11.2015). Dafür wird das Bild einer völligen Unsicherheit, einer großen, unkontrollierten Gefahr in Deutschland gezeichnet.

Aus den „Opfer[n] aller Kriegsparteien“, wie Geflüchtete und Migrant*innen aus dem Nahen Osten zu Beginn des Artikels noch charakterisiert wurden, werden in diesem Absatz erst „Angehörige aller verfeindeten Lager“, dann „gewaltbereite Islamisten“, „Kämpfer“ und schließlich „mögliche IS-Terroristen“. Hier findet in mehreren Schritten eine Umkehr von Opfern in Täter*innen statt. Werden den Geflüchteten und Migrant*innen zwar auch Schutzbedürfnisse zugeschrieben („Ruhe und Sicherheit“), so gelten diese aber nur für einige, nämlich für die „Guten und Beladenen“. Hier wird das Motiv der ‚gemischten Migrationsströme‘ aus dem institutionellen Flüchtlingsschutzdiskurs aufgegriffen. Aber auch wenn Schutzbedürfnisse thematisiert werden, wendet Aust sich gegen eine humanitäre Politik für die Migrierenden, die von einer „gefährlichen Naivität“ (Aust, WamS, 15.11.2015) geprägt sei. Stattdessen werden repressive Maßnahmen gefordert. Dies wird begründet, indem die Schutzbedürftigkeit zu einer potenziellen Gefahr umgedeutet wird: Die „Opfer aller Kriegsparteien“ im Nahen Osten können auch potenzielle „IS-Terroristen“ sein. Den Geflüchteten und Migrant*innen wird ein Potenzial an Gewalt zugeschrieben, da sie „Angehörige aller verfeindeten Lager“ seien und so werden sie zu gefährlichen und kriminellen Subjekten gemacht.

Wie auch schon Kohler, arbeitet Aust sich an der „Menge der jungen Männer“ ab. Daher soll hier Stelle nochmal darauf verwiesen werden, dass Othering-Prozesse immer auch mit dem Strukturmerkmal Geschlecht interagieren. Dass von einer „Menge“ gesprochen wird und nicht von einzelnen Menschen, unterstreicht zum einen nochmal die Darstellung einer unkontrollierten Gefahr und weist zum anderen auf die Ent-Subjektivierung der dargestellten Gruppe hin.

Interessant an der zitierten Passage ist auch, dass zunächst ein unlösbares Problem konstruiert wird: Eine Unterscheidung zwischen „hilfsbedürftigen Flüchtlingen“ und „gewaltbereiten Islamisten“ ist prinzipiell nicht möglich, „kein Mensch“ kann sie treffen. Im Hinblick auf den Schutz der „inneren Sicherheit“ ergibt sich hieraus genau genommen die Forderung nach einer Schließung der Grenzen. Aust stellt diese Forderung so nicht wörtlich, verweist aber auf „die Franzosen, [die] nach dem Terrorkrieg von Paris den Notstand erklären und notgedrungen ihre Grenzen abriegeln“ (Aust, WamS, 15.11.2015). Stattdessen scheint aber die Unmöglichkeit der Unterscheidung aufgehoben zu werden: Bei strengen Grenzkontrollen ist es zwar weiter „schwer“, zwischen den „hilfsbedürftigen Flüchtlingen“ und den „möglichen IS-Terroristen“ zu unterscheiden, aber offenbar nicht mehr unmöglich. Dieser Widerspruch wird nicht aufgelöst, sondern vielmehr in den Dienst der Darstellung einer drängenden Gefahr gestellt, die bestimmte Maßnahmen („strenge Grenzkontrollen“) rechtfertigen soll.

Die Selbstverständlichkeit, mit der Aust hier behauptet, unter den Geflüchteten und Migrant*innen, die nach Deutschland kommen, befänden sich „mögliche IS-Terroristen“, weist darauf hin, dass eine Begründung nicht erforderlich zu sein scheint. Sein Thema ist eine ‚Umkehr‘ in der Flucht- und Einwanderungspolitik der Regierung. Da ohne Begründung ein Zusammenhang zwischen „Flüchtlingen“ und „IS-Terroristen“ hergestellt wird, lässt sich vermuten, dass hier die Anschläge von Paris als weiteres Argument für eine Verschärfung der Politik und der Maßnahmen gegenüber Geflüchteten und Migrant*innen einsetzt werden. Ein Paradebeispiel für die diskursive Versicherheitlichung von Migration.

In einer Variante dieser selbstverständlichen Erzählung wird in Artikeln über die Anschläge in Paris das Thema ‚Flucht und Einwanderung‘ so angesprochen, als ob allen Leser*innen klar sei, dass beim Thema Terrorismus ‚Flüchtlinge‘ mit-thematisiert werden müssen. In der Zeit erschien am 19.11.2015 ein langer Artikel, der die Frage zu beantworten versucht, wie man den Daesh bekämpfen könne. Der Titel „Aushungern, austrocknen, aushalten“ deutet dabei eine gewisse Härte an: gegen sich selbst (aushalten = etwas erdulden, erleiden müssen) und gegen die ‚Anderen‘, die vernichtet werden sollen. Die zehn Ratschläge, die teils in Form von Ideen, teils in Form von Forderungen vorgetragen werden, beschäftigen sich u.a. mit dem Einsatz von Bodentruppen, mit den Einnahmequellen des Daesh, der Vernetzung von Sicherheitsbehörden, Ideen zur Prävention von Radikalisierung – und der Registrierung von ‚Flüchtlingen‘. Letzteres wird auf der manifesten Ebene gefordert, um einem Generalverdacht in der deutschen Bevölkerung gegenüber ‚Flüchtlingen‘ vorzubeugen, der dadurch entstehen könne, dass „bei den Anschlägen von Paris (…) der IS möglicherweise einen der Attentäter als Flüchtling nach Europa eingeschleust“ hat (Böhm ua, Zeit, 19.11.2015). Allein diese Formulierung vom „einschleusen“ suggeriert, dass der Daesh Migrationsbewegungen kontrollieren könne. Implizit wird jedoch auch die gesamte Einwanderungssituation in Deutschland als eine unkontrollierte, unsichere Situation, eine potenzielle Gefahr beschrieben: „Die Sicherheitsbehörden wissen nicht, wer von ihnen sich wo im Land aufhält“ (Böhm ua, Zeit, 19.11.2015). Es wird zwar nicht gesagt, worin genau das Problem besteht, wenn man nicht weiß, wer sich wo im Land aufhält, aber es wird gesagt, dass dies die Sicherheitsbehörden – und nicht etwa die Verwaltungsbehörden – beschäftigt. Insofern scheint irgendeine Art von Sicherheitsrisiko bei den nicht registrierten Geflüchteten und Migrant*innen zu liegen. Zudem geht es hier um mehr als eine ‚Registrierung‘. Es geht um das umfassende Wissen, wer sich wo im Land „aufhält“: nicht nur der Wohnsitz soll bestimmt werden, sondern allein schon der Aufenthalt steht in Frage. Forderungen nach Residenzpflicht schwingen hier mit. Dem Generalverdacht gegenüber Geflüchteten und Migrant*innen wird an dieser Stelle so viel Relevanz eingeräumt, dass ihm Forderungen vorweggenommen werden.

Einen Abschnitt zuvor, unter der Rubrik „Polizei und Geheimdienste besser vernetzen“, wird dargelegt, dass einige der Attentäter von Paris Belgier waren und „von Syrien nach Belgien reisen und danach unbehelligt wieder zurück“ kommen konnten (Böhm ua, Zeit, 19.11.2015). Dies wird jedoch gerade nicht als Argument für ein „’Ende von Schengen‘ und Grenzkontrollen in Europa“ verwendet. Die Mobilität von europäischen Staatsbürger*innen soll nicht angetastet werden, sie sollen ‚frei‘ bleiben und ein Generalverdacht, der zu Einschränkungen wie „digitaler Massenüberwachung“ und Grenzkontrollen führen könnte, wird nicht in Betracht gezogen. Während generelle Einschränkungen für europäische Staatsbürger*innen abgelehnt werden, müssen sich Geflüchtete und Migrant*innen, die als Risikofaktoren inszeniert werden, mit Maßnahmen gegen ihre ‚freie‘ Bewegung abfinden. Dies politisch zu vermitteln, wird nicht als Problem aufgefasst, weil ‚Flüchtlinge‘ im Gegensatz zu europäischen Staatsbürger*innen als ‚Andere‘ begriffen werden. Implizit wird damit das Thema Einwanderung im Rahmen der Terrorismusbekämpfung kontextualisiert.

Diese Art von „Sinn-Induktion“ ((Sabine Schiffer definiert Sinn-Induktion folgendermaßen: „Weil bestimmte Sachverhalte zusammen präsentiert werden, werden sie auch für einander relevant gehalten“ (Schiffer 2004: 63).)) findet sich häufig, wenn über Einwanderung geschrieben wird. Selbst wenn auf der manifesten Ebene Auswirkungen der Anschläge in Paris auf die ‚Flüchtlingsdebatte‘ abgelehnt  werden, wird danach dennoch der Komplex Migration thematisiert. Oliver Bierhoff schreibt in einem Absatz:

„Wir müssen verhindern, dass sich die Flüchtlingsdebatte nun in die falsche Richtung entwickelt. Den Terror von Paris haben keine Flüchtlinge begangen, sondern Terroristen. Das Flüchtlingsproblem ist existent, aber wir lösen es nicht, indem wir die grausamen Verbrechen von Terroristen auf Flüchtlinge projizieren“ (Bierhoff, Zeit, 19.11.2015).

Im nächsten Absatz geht es um „Lösungen für die große Einwanderung“ und die integrierende Kraft des Fußballs: „Dieser Hebel ist kräftig und wirksam, nach Paris ist mir dies bewusster denn je“ (Bierhoff, Zeit, 19.11.2015). Hier werden bestimmte Textteile miteinander so angeordnet, dass es so scheint, als ob sie füreinander relevant seien. Es wird so „keine explizite Verbindung zwischen den Inhalten [gemacht], sondern nur implizit“ (Matouschek/Wodak 1993: 151). Aber diese implizite Verbindung hat bestimmte Assoziationsketten zur Folge und macht sich die „Macht der Anordnung der Einzelteile“ (Schiffer 2004: 75) zunutze. Die Themen Flucht und Einwanderung erscheinen damit gerahmt vom Terrorismusdiskurs und werden somit in den Zusammenhang Unsicherheit bzw. Herstellung von Sicherheit gebracht.

1.1.3. Varianten der Abwehr einer Verbindung von Terrorismusdiskursen mit den Themen Flucht und Einwanderung

Der dritte Hauptstrang der Erzählungen über die Verbindung der Pariser Anschläge mit dem Flucht- und Einwanderungsdiskurs distanziert sich von solch einer Verbindung. Auch hier gibt es unterschiedliche Varianten. Zunächst gibt es Texte, die über die Terrorangriffe schreiben und auf der manifesten Ebene deutlich machen, dass sie eine Verbindung mit dem Flucht und Einwanderungsdiskurs ablehnen, dann aber trotzdem über Migration und Einwanderung schreiben oder dabei Geflüchtete und Migrant*innen als ‚Andere‘ markieren und der ‚Normalgesellschaft‘ gegenüberstellen.

Ahmad Mansour, der als Psychologe und Kronzeuge – „war selbst mal Islamist“ (Mansour/Freidel, FAS, 22.11.2015) – interviewt wurde, wurde gefragt, ob er glaube, dass das Problem der Verbreitung eines islamistischen Islamverständnisses in Deutschland von der „Flüchtlingskrise“ verschärft werde.  Mansour antwortet:

„Das sind unterschiedliche Themen. Die miteinander in Verbindung zu bringen wäre sehr gefährlich. Aber wenn wir Konzepte entwickeln, um junge Muslime für die offene Gesellschaft zu gewinnen, dann können diese Konzepte auch bei Flüchtlingen hilfreich sei. Da kommen ja auch Leute, die anders sozialisiert sind. Viele sind offen für uns. Sie wollen Teil dieser Gesellschaft sein. Die Frage ist eher, ob wir sie tatsächlich dafür gewinnen können – oder ob sie nach einigen Jahren so viele schlechte Erfahrungen gemacht haben, dass sie es nicht mehr wollen“ (Mansour/Freidel, FAS, 22.11.2015).

Zunächst übernimmt Mansour unhinterfragt den scheinbaren Fakt einer „Flüchtlingskrise“, in der schon eine unbestimmte Gefahr oder Unsicherheit mitschwingt. Diese „Krise“ solle jedoch nicht mit einer Bedrohung durch ein „islamistisches Islamverständnis“ in Verbindung gebracht werden, dies zu tun bezeichnet Mansour als „gefährlich“. Dann aber macht Mansour deutlich, dass „Flüchtlinge“, ebenso wie „junge Muslime“, für die „offene Gesellschaft“ gewonnen werden müssten. ‚Wir‘ – das ist bei Mansour offenbar die offene (Mehrheits)Gesellschaft. Die ‚Anderen‘ – das sind die „jungen Muslime“ und „Flüchtlinge“, die (zum Teil) auch „anders sozialisiert“ seien. Diesen Gruppen, die er offenbar als einheitlich begreift, schreibt Mansour einen Widerstand gegenüber der „offenen Gesellschaft“ zu, Geflüchtete und Migrant*innen werden der Mehrheitsgesellschaft gegenübergestellt. Dass Mansour, der als ehemaliger Islamist vorgestellt wird, hier explizit dazu befragt wird, ob Islamismus nicht doch etwas mit ‚dem Islam‘ zu tun habe, macht deutlich, dass seiner Meinung eine hohe Authentizität durch ein sozusagen ‚internes Wissen‘ zugesprochen wird. Er kann als ‚Kronzeuge der Anklage‘ im Sinne von Shoomans Überlegungen dazu gelten (vgl. Shooman 2011: 72).

Dann gibt es Texte, die auf einer Metaebene über den Diskurs nach den Angriffen in Paris schreiben und die Debatte über die Verbindung zu Geflüchteten und Migrant*innen erwähnen und diese als Irrtum ablehnen. Mark Siemons Artikel „Die wunde Stelle“ in der FAS vom 22.11.2015 steht stellvertretend für solche Artikel, die nach den Ursachen für islamistischen Terrorismus in den politischen und gesellschaftlichen Bedingungen suchen. Siemons verortet die Täter der Angriffe von Paris in Europa und den Gesellschaften, in denen sie aufgewachsen sind. Diese Gesellschaften seien von einer Pluralität der Werte gekennzeichnet und keine abgeschlossenen Projekte. Das „System des neutralen Rechtsstaats“ sei jedoch in sich anfällig für Desintegration und damit auch widersprüchlich (Siemons, FAS, 22.11.2015).

Bei Siemons geht es um Radikalisierung und die Frage danach, wie Menschen zu Attentätern werden. Dies ist bei ihm eindeutig eine soziale Frage: Die wunde Stelle des Systems ist die Frage nach „Teilhabe auf allen Ebenen“. In der Rekapitulierung der Debatten, die nach den Anschlägen in Paris geführt wurden, schreibt Siemons:

„Viele der öffentlichen Kontroversen der vergangenen Woche drehten sich um die Suche nach einer solchen Formel, die auf den Punkt bringt, was genau jetzt auf dem Spiel steht. Manche glaubten augenblicklich, eine solche Formel in der Revision der Flüchtlingspolitik gefunden zu haben, bis sogar der bayrische Ministerpräsident darauf hinwies, dass gerade die syrischen Flüchtlinge ihrerseits vor dem Terror des IS Schutz suchen“ (Siemons, FAS, 22.11.2015).

Seine Darstellung der Verbindung zwischen Terrorismus und „Flüchtlingen“ erschöpft sich in ihrer Ablehnung als verkehrte Sichtweise der Situation. Dazu zitiert er Horst Seehofer als politische Autorität, obwohl gerade dieser eine ‚Revision der Flüchtlingspolitik‘ anstrebt. Wenn also sogar Seehofer solch eine Verbindung ablehnt, dann müssen für Siemons nicht mehr viele Worte darüber verloren werden. Die Analyse des Diskurses bisher hat allerdings schon gezeigt, dass viele andere diese Perspektive nicht teilen.

Schließlich gibt es auch einen Artikel, der ein gegendiskursives Moment enthält. Der Autor macht diese Debatte um die Verbindung von Terrorismus und ‚Flüchtlingen‘ zum Hauptthema, um sie umzudrehen und den Fokus auf die rassistische Gewalt in Deutschland zu richten. Dieser Artikel sticht heraus, da er über eine Distanzierung hinausgeht und eine Wende vollzieht. Er ist Teil der Kolumne „Nackte Wahrheiten“ von Niklas Maak in der FAS vom 22.11.2015 mit dem Titel „Gefahrenlage. Was sagen uns die Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte?“ Maak schreibt:

„Es werden in diesen Tagen über die Flüchtlinge (wenn sie noch so und nicht Flüchtlingsstrom oder Flüchtlingswelle oder Flüchtlingslawine, oder bald vielleicht gleich Flüchtlingsplage genannt werden) viele Dinge gesagt, die per se nicht falsch sind: dass sich unter ihnen viele junge Männer muslimischen Glaubens befinden; dass nicht alle von ihnen Terroristen, aber auch nicht alle Pazifisten seien. Der Satz stimmt (mal abgesehen davon, dass bisher unter den Flüchtlingen noch kein einziger Terrorist gesichtet wurde) bestimmt, er trifft allerdings auch und vielleicht noch mehr auf diejenigen zu, die so große Angst vor den Flüchtlingen haben: Es ist ein Satz, den man ebenso gut über die Sachsen, die Bewohner von Bischheim-Häslich und die Einwohner von Magdeburg sagen kann. (…) Wenn von Terrorgefahr geredet wird, die von jungen, wütenden Männern ausgeht, dann ist Deutschland zurzeit leider auch von seinen eigenen Einwohnern bedroht, und es wäre dringend an der Zeit, zu fragen, welche massiven politischen Fehler, welche sozial- und wirtschaftspolitische Wurschtigkeit dazu führen konnte, dass in französischen Banlieus und in deutschen Kleinstädten so viele junge Männer so werden konnten, wie sie geworden sind“ (Maak, FAS, 22.11.2015).

Der Autor reproduziert den Diskurs über „Flüchtlinge“ und steigert die Sprechweise ins fast schon Absurde („Flüchtlingsplage“), um in einer Polemik seine Ablehnung gegenüber dieser Begriffsverwendung deutlich zu machen. Er fragt nach Fakten und Gegebenheiten und nach der Bedeutung, die diesen zugewiesen wird. Der Satz „nicht alle von ihnen [sind] Terroristen, aber auch nicht alle Pazifisten“ erscheint wie ein Zitat, da in vielen unterschiedlichen Artikeln solche oder ähnliche Formulierungen auftauchen und wiederholt werden (vgl. z.B. Aust, WamS, 15.11.2015). Oft wird der Satz dahingehend interpretiert, dass man folglich nicht wissen könne, wer Terrorist und wer Pazifist sei, und damit Migrationsbewegungen in den Kontext von Gefahr und Risiko gerückt. Maak hingegen kommt zu einer völlig anderen Analyse: Der Satz kann nur universell gelten; er kann nur als allgemeine Aussage über alle Menschen getroffen werden – und er sagt nichts Genuines über Geflüchtete und Migrant*innen aus. Die allgemeine Aussage bezieht er auf eine beliebig scheinende Sammlung von Orten und deren Einwohner*innen. Der Punkt, den Maak in den Fokus rücken möchte, ist dieser: Gewalt gegen Menschen ist in Deutschland zurzeit sehr häufig rassistisch motiviert. Der Autor verwendet den Begriff des Terrorismus für diese Angriffe, was im Feld des Sagbaren über rassistische Gewalt sonst so nicht vorhanden ist (vgl. z.B. Blickle u.a. 2015). Maak versucht hier, das Sagbarkeitsfeld zu erweitern, wenn er in der FAS so argumentiert. Sein Artikel ist allerdings in dem untersuchten Zeitraum von zwei Wochen der einzige, der den Begriff des Terrorismus auf rassistische Gewalt in Deutschland bezieht. Auf die gleiche Weise deutet Maak die Gruppe um, die als gefährlich konstruiert wird im Diskurs über Terrorgefahr: die Gruppe junger (wütender) Männer sind bei ihm nicht mehr die ‚Anderen‘ sondern die „eigenen Einwohner“. Bei ihm im Fokus steht die Frage danach, wie „junge Männer so werden konnten, wie sie geworden sind“ und dabei weist er gleichzeitig bestimmte Antworten zurück. Es sind nicht nationale, sogenannte ethnische, religiöse oder kulturelle Hintergründe, die wichtig sind. Im Zentrum einer Analyse sollten stattdessen sozialpolitische und sozioökonomische Faktoren stehen. Insgesamt setzt Maak die herrschende Narration über Terrorismus und Gefahr ein, um ihr etwas entgegenzusetzen und verwendete Begrifflichkeiten in einen anderen Kontext zu stellen. Damit versucht er eine Art Gegendiskurs, der in seiner Art allerdings einzig in dem untersuchten Material und daher randständig bleibt.

1.2. Antimuslimische Narrative

In dem Untersuchungszeitraum von zwei Wochen nach den Anschlägen von Paris gab es keine Artikel über das Themenfeld Islam, in denen nicht auch Terrorismus oder ‚Flüchtlinge‘ angesprochen wurden. Teil meiner Untersuchung ist auch die Frage, ob in der Berichterstattung über die Anschläge in Paris antimuslimische Narrative verwendet wurden. Es zeigten sich verschiedene Motive, die als übergreifendes Moment beinhalteten, wenig differenziert bis stark tendenziös keine konsequente Trennung zwischen Islam und Islamismus bzw. Fundamentalismus vorzunehmen.

Das erste Motiv bezieht sich auf den Moment der Radikalisierung. Hierbei wird einer als einheitlich konstruierten muslimischen Gemeinschaft die Urheberschaft islamistisch motivierter Terrorakte zugesprochen. Ahmad Mansour schreibt, dass eine „innerislamische“ Gemeinschaft
sich fragen soll:

„Wie konnte dieses Ungeheuer unter uns entstehen? Das ist unser Kind, wir müssen die Verantwortung übernehmen. Und diesen Jugendlichen ein Islamverständnis anbieten, das mit solchen radikalen  Tendenzen nichts mehr gemeinsam hat. Das ist aber nicht der Fall“ (Mansour/Freidel, FAS, 22.11.2015).

Es werden die muslimischen Gemeinden kritisiert, weil sie Jugendlichen kein ‚geeignetes‘  Islamverständnis anbieten würden. Hier wird die Bekämpfung der Ursachen der Radikalisierung bei muslimischen Verbänden, Moscheen oder einer muslimischen Öffentlichkeit verortet – nicht mehr bei Familienhilfe bzw. Sozialarbeit, wie noch zu Beginn des Interviews mit Mansour nahegelegt wurde. Es wird suggeriert, dass in Moscheen oder der „innerislamischen“ Gemeinschaft etwas falsch gemacht würde. Der Terrorismus erscheint somit als Problem von Muslim*innen:

„Die progressiven, aufgeschlossenen Muslime müssten die Chance und die finanziellen Mittel bekommen, um einen eigenen ‚europäischen Islam‘ zu entwickeln (…)“ (Krupa, Zeit, 26.11.2015).

„Es bedarf daher in Europa eines aufgeklärten Islamverständnisses. Bisher haben sich die muslimischen Vereinigungen dagegen gesperrt, Diskussionen über theologische Inhalte zu unterstützen. Mit fatalen Folgen, denn nur sie sind in der Lage, eine aufgeklärte Lesart des Islams in die muslimischen Gemeinden zu tragen. Jungen Menschen muss eine theologische Alternative zur Verfügung stehen, um rückwärtsgewandte Auffassungen, wie sie etwa die Salafisten vertreten, in Frage stellen zu können“  (Krüger, FAS, 22.11.2015).

Es wird nahegelegt, dass bislang keine „aufgeklärte Lesart des Islams“ in „muslimischen Gemeinden“ zirkulieren würde. Die „muslimischen Vereinigungen“ werden problematisiert; sie würden sich dagegen „sperren“, etwas für die „theologische Alternative“ zu tun. So werden „die muslimischen Vereinigungen“, die hier als einheitlich vorgestellt werden, mit Rückwärtsgewandtheit assoziiert und als unwillig dargestellt, gegen die Radikalisierung von jungen Menschen vorzugehen. Dass es bereits millionenfach ein nicht-fundamentalistisches, nichtterroristisches Islamverständnis gibt, das Tag für Tag von praktizierenden Muslim*innen gelebt wird, erscheint nicht.

Das zweite Motiv ist die Forderung nach einer Distanzierung von Seiten ‚der Muslim*innen‘ von den Terrorangriffen und damit einhergehend ein impliziter Generalverdacht:

„Wir sind zufrieden, wenn es in den Medien heißt, das hat mit dem Islam nichts zu tun, und ein paar Mahnwachen gehalten werden. Aber das reicht nicht“ (Mansour/Freidel, FAS, 22.11.2015).

„Diese Weigerung, auch nur ein Wort über den Terror zu sagen, der aus Molenbeek kommt – ist sie nicht auch die Weigerung, ein Wort gegen den Terror zu sagen? Es geht doch nicht um ein paar eingeworfene Fensterscheiben, es geht um über 120 ausgelöschte Menschenleben. Ist es da nicht an einem Imam, öffentlich das Wort zu ergreifen? Die Al-Khalil-Moschee ruft auf ihrer Webseite zum Dialog auf. ‚Mit Entsetzen und Bestürzung‘ habe man von den blutigen Anschlägen in Paris Kenntnis genommen. Kann denn die Bestürzung so groß sein, wenn dieser Tat so viele vorausgingen?“ (Büscher, WamS, 22.11.2015)

Es erscheint als nicht genügend, Entsetzen und Bestürzung auszudrücken oder Mahnwachen zu halten. Dies verweist darauf, dass selbst Distanzierungen gar nicht in der Lage dazu sind, den Generalverdacht zu entkräften, weil er unabhängig von irgendwelchen Äußerungen besteht. Er ist integraler Bestandteil einer antimuslimischen Haltung.

Die Erwartungshaltung, dass einzelne Muslim*innen sich von den Terrorangriffen distanzieren müssten, findet sich häufiger:

„Mohammed ist der erste unserer Gesprächspartner, der sagt: So etwas wie das in Paris, das ist nicht akzeptabel, das ist mit unserer Religion überhaupt nicht vereinbar“ (Peters, WamS, 22.11.2015).

In der Reportage „Unter Verdacht“ nehmen „Flüchtlinge“ Stellung zu den Anschlägen von Paris. Die Autorin erwartet der zitierten Textstelle nach offensichtlich, dass alle Gesprächspartner* innen sich von den Anschlägen distanzieren und zeigt sich überrascht davon, dass es nur einer anspricht.

Es wird aber auch die Angst von Muslim*innen vor Generalverdacht thematisiert:

„Die deutsche Journalistin Franziska Jäger hat den Freitagabend gemeinsam mit der marokkanischen Familie verbracht, bei der sie seit Anfang des Monats wohnt. Als die Nachricht von den Anschlägen kam, habe der 12 Jahre alte Sohn am Tisch sofort zu weinen begonnen: ‚Sicherlich werden wieder muslimische Terroristen dafür verantwortlich gemacht, das wird dann auch für unseren Alltag hier in Paris wieder schlimm in den kommenden Wochen‘, hätten sie gesagt. ‚So ein schrecklicher Anschlag macht es für uns Muslime in der französischen Gesellschaft ganz schwierig. Wir werden jetzt wieder  mitbeschuldigt und stehen alle schlecht da.‘ Die beiden hätten richtig Angst bekommen“ (Hummel/ Schmidt/Wiebking, FAS, 15.11.2015).

Interessant ist hier, dass die Aussagen der „marokkanischen Familie“ nicht als Beschreibung einer Tatsache dargestellt werden, sondern durch die Passivkonstruktion den Eindruck einer kontroversen Ansicht vermitteln. So erscheint der Familien-Bericht über rassistische Diskriminierung als etwas, das nicht ganz ernst genommen werden muss (vgl. Van Dijk 2007: 110).

Das dritte Motiv ist die Angst vor einer islamistischen bzw. einer islamischen Übermacht. Dies klingt bereits in Titeln wie „Generation Dschihad“ (Krüger, FAS, 22.11.2015) oder „Die Terror-Falle“ (Joffe, Zeit, 26.11.2015) an. Imaginiert wird eine übermächtige Bedrohung, welche sogar eine ganze Generation umfasse:

„In der muslimischen Welt ist ein Ungeheuer herangewachsen, das seine Tentakel um die ganze Welt schlingen möchte. (…) Das Ungeheuer hat viele Köpfe und Arme, die immerfort nachzuwachsen scheinen, wenn man sie abschlägt“ (Kohler, FAS, 15.11.2015).

Das Bild des vielköpfigen Ungeheuers mit den vielen Tentakeln, mit denen es die Welt umschlingen und beherrschen will, erinnert an die antisemitische Karikatur der Krake bzw. des Oktopus. Es deutet auf eine düstere Bedrohung der ganzen Welt hin, die nicht besiegbar zu sein scheint. Das Ungeheuer ist für Kohler „in einer muslimischen Welt herangewachsen“. Damit wird nicht nur eine heterogene Glaubensgemeinschaft vereinheitlicht, sondern ihr wird auch eine Gefährlichkeit als Verursacherin von Terrorismus zugeschrieben. Andere Deutungsmuster der Radikalisierung werden nicht in Betracht gezogen. Damit erscheint der Islamismus und auch der Islam als eine global bedrohliche Kraft. Wenn aber alle Muslim*innen als bedrohlich gelten, dann ist es kein großer Schritt mehr zu der Vorstellung einer Übermacht des als einheitlich konstruierten Islams.

Ein sehr zentraler Deutungsrahmen des Diskursstrangs verortet die Attentäter innerhalb ‚der muslimischen Gemeinschaft‘. Die Nennung von Merkmalen impliziert immer auch eine Kausalität (vgl. Shooman 2011: 64). Durch diese selektive Auswahl der Darstellung der Attentäter ((Im Vergleich dazu ist interessant, dass bei ähnlichen Anschlägen von christlichen oder rechten Fundamentalisten Täter als Wahnsinnige oder ‚Einzeltäter‘ beschrieben werden (vgl. Jäger/Jadschenko 2011: 54f).)) werden bestimmte Annahmen und Vorbehalte unterschwellig transportiert (vgl. Wagner 2010: 18). Dies sind in diesem Fall eine Gefährlichkeit, Bedrohlichkeit und Übermacht des Islams. Diese Zuschreibung bleibt nicht ohne Auswirkungen für die Millionen Menschen, die sich selbst zum Islam bekennen oder denen ein bestimmtes Verhältnis zum Islam zugeschrieben wird.

1.3. Konstruktion von Kollektiven

Auch über Geflüchtete und Migrant*innen wird in einer Art und Weise geschrieben, die Menschen zu einem Kollektiv zusammenfasst, die außer dem Fakt der Migration (die natürlich auch äußerst unterschiedlich verlaufen kann) nichts gemeinsam haben müssen. Ein Artikel in der österreichischen Ausgabe der Zeit vom 19.11.2015 thematisiert diese Ent-Subjektivierung. Es ist jedoch der einzige Artikel dieser Art und kann damit vielleicht sogar als gegendiskursives Moment betrachtet werden, mit dem das Sagbarkeitsfeld ausgeweitet wird. Es ist zudem auch der einzige Artikel, der konsequent aus der Perspektive einer migrierenden Person geschrieben ist:

„Gleichgültig, wen ich kennenlerne, alle scheinen nur an diesem Thema interessiert zu sein (…). [E]s geht darum, dass die Person, die dieses Gespräch mit mir beginnen möchte, nichts von meinen Kenntnissen oder meinen Erfahrungen weiß oder sich dafür interessiert. Sie führt das Gespräch einzig deshalb, weil ich ein ‚Flüchtling‘ bin. (…) Unter diesem Aspekt ist auch klar, welche Art von Gespräch sich daraus ergeben wird: eine einseitige Projektion, von der kein erstrebenswertes Resultat zu erwarten ist. (…)

Viele Menschen im Westen scheren uns alle über einen Kamm, aber tatsächlich sind wir wie Yankees und Aussies – wir sprechen dieselbe Sprache und sehen uns ähnlich, aber jeder verfügt über seine ganz eigene Kultur.

Ärzte, Ingenieure, Lehrer und Bauern, arme Familien und reiche Familien…  sie alle fliehen vor Assads Fassbomben oder der Schreckensherrschaft des ‚Islamischen Staats’“ (Alsoliman, Zeit, 19.11.2015).

Alsoliman thematisiert, wie Migrant*innen und Geflüchtete als eine einheitliche Gruppe konstruiert werden und welche Folgen sich für die so angesprochenen Menschen ergeben. Der Autor fühlt sich zum einen in der Vielfalt, die seine Persönlichkeit ausmacht, nicht gesehen und als ob diese ihm abgesprochen würde: „Ich bin zunächst vieles andere und erst dann Flüchtling“ (Alsoliman, Zeit, 19.11.2015). Zum anderen wird er auf die Migrationserfahrung reduziert – aber nur auf eine vorgestellte, imaginierte Erfahrung, die ihm zugeschrieben wird. Seinen persönlichen Erfahrungen wird kein Raum gegeben. Er wiederholt das zugeschriebene ‚wir‘ der „Flüchtlinge“ und identifiziert sich damit, allerdings nur um es zu dekonstruieren und die Unterschiedlichkeit der Menschen zu betonen.

Geflüchtete und Migrant*innen werden in dem untersuchten Diskursausschnitt nahezu durchgängig als einheitliche Gruppe begriffen. Dieser Gruppe werden bestimmte Attribute zugeschrieben, wie Fremdheit, Andersartigkeit, Konflikthaftigkeit:

„[W]ir können nicht jedes Jahr eine Million Flüchtlinge aufnehmen. Das verkraftet das Land finanziell und kulturell nicht“ (Söder, WamS, 15.11.2015).

„Es sind jetzt nicht mehr Merkels Flüchtlinge, sondern die Flüchtlinge eines außer Kontrolle geratenen Nahen und Mittleren Ostens (…)“ (Geis/Hildebrandt, Zeit, 19.11.2015).

„Millionen von Flüchtlingen pro Jahr können selbst von der potentesten Wirtschaft und der tolerantesten Gesellschaft nicht integriert werden“ (Döpfner, WamS, 15.11.2015).

„Doch kam mit diesen Zügen [die in München mit Willkommensplakaten begrüßt wurden] schon eine Angst ins Land: dass Deutschland sich bei dem Versuch, fremde Kulturen und Konflikte zu integrieren, hoffnungslos übernimmt (…)“ (Kohler, FAS, 15.11.2015).

Es gibt Diskurspositionen, die noch einen Schritt weiter gehen. Michael Martens konstruiert Menschen, die aus Syrien nach Deutschland gekommen sind, als einheitliche Gruppe. Er vermittelt dabei, teilweise von anderen übernommene, denkwürdige Bilder:

„Es müsse verhindert werden, (…) ‚dass wir unsere Soldaten in den Kampf nach Syrien schicken, während Hunderttausende Syrer Unter den Linden ihren Kaffee trinken.‘ (…)

Dass junge Schwaben, Schleswiger oder Sachsen den Weg nach Aleppo freischießen, während syrische Männer in Deutschland abwarten, was draus wird, wäre politisch nicht zu vermitteln. (…)

Aber wer soll kämpfen, wenn sich junge Syrer statt mit Assads Schergen vor Damaskus und der terroristischen Internationale zu Raqqa Gefechte mit Albanern vor der Essensausgabe der Flüchtlingsunterkunft Kassel-Calden liefern?“ (Martens, FAS, 22.11.2015)

Hier wird suggeriert, Geflüchtete und Migrant*innen, die nach Deutschland kommen, würden in Cafés der gehobenen Preisklasse ihre Zeit damit totschlagen, Kaffee zu trinken, wie die Flaneure des 19. Jahrhunderts. Dieses Bild entbehrt angesichts der Realität des deutschen Asylverfahrens jeglicher Grundlage. In einem zweiten Bild wird noch der Eindruck vom Müßiggang verstärkt, wenn „syrische Männer“ als ‚Drückeberger‘ präsentiert werden, die sich hinter den aktiv kämpfenden ‚Deutschen‘ verstecken würden. Ein drittes Bild deutet hingegen etwas anderes an: Anstatt in Syrien den „Mehrfrontenkrieg“ zu beenden, sorgten „junge Syrer“ in Deutschland für Unruhe und stellten eine Gefahr für die „politische Stabilität“ dar. Dass hier durch die Essensausgabe einer Flüchtlingsunterkunft ein ganz anderes Bild erscheint, als durch die Cafés ‚Unter den Linden‘, wird nicht als Widerspruch gesehen, der aufgeklärt werden müsste, sondern die Bilder bleiben parallel zueinander bestehen.

Indem der als homogen verstandenen Gruppe, den „jungen syrischen Männern“, eindeutige Attribute zugeschrieben werden, fordert Martens auch einen ganz bestimmten Umgang ihr. Diese Männer werden nicht als Menschen gesehen, denen ein Recht auf ein Asylverfahren zusteht, sondern sie werden als Teil des Staatskörpers Syrien verstanden und durch diese Herkunft einer Art Wehrpflicht unterworfen. Alle könnten potenziell in dem Bürgerkrieg kämpfen und sollten „'[m]it unserer Hilfe (…) zurückgehen, um ihr Land zu befreien’“, so zitiert Martens den polnischen Außenminister. Der Titel „Exilarmee“ verweist auf eine Exilregierung, die in dem Artikel jedoch bedeutsamerweise keine Erwähnung findet. Diese Leerstelle deutet an, dass die Interessen des Autors nicht unbedingt primär bei einer Lösung für den „Mehrfrontenkrieg“ liegen, sondern sich vor allem konzentrieren auf den seiner Meinung nach richtigen Umgang mit Menschen aus Syrien in Deutschland. Er liefert ein Plädoyer für den europäischen Export von „Waffen und Wissen“, der sich in dem Text zwar konkret auf Syrien bezieht, aber offenbar prinzipiell als problemlösendes Moment verstanden wird; außenpolitisch, um in anderen Nationen „Friedenslösungen herbei[zu]bomben“ und innenpolitisch, um die „politische Stabilität in Deutschland“, die durch „Flüchtlinge“ gefährdet werde, wieder herzustellen (Martens, FAS, 22.11.2015). Es besteht also eine Verbindung zwischen diesen beiden Momenten: Waffenexporte sollen nicht nur zur Konfliktlösung eingesetzt werden, sondern auch um die Konflikte fern von Deutschland zu halten und die Menschen an der Migration zu hindern.

1.4. Mittel der Konstruktion

Es gibt verschiedene Mittel um Gruppen zu konstruieren. Diese Mittel sind nicht nur sprachlich-rhetorische Strategien der Autor*innen, sondern knüpfen an gesellschaftliche Vorstellungen, Erwartungen und Identitätskonstruktionen an.

Ein auffälliges Merkmal in dem untersuchten Diskursstrang nach den Terroranschlägen in Paris ist die Kriegs- und Kampfrhetorik. Bereits die Titelseiten der untersuchten Wochenzeitungen sprechen davon. Die FAS titelte am 15.11.2015 mit „Weltkrieg“, die Zeit spricht am 19.11.2015 auf der Titelseite vom „Kampf gegen den Terror“ und die WamS vom 22.11.2015 titelt mit „Krieg und Frieden“.

Eine dem auf den ersten Blick konträr gegenüberstehende Strategie einiger Diskursfragmente ist es, die eigene Position, die von einem faktischen Kriegszustand ausgeht, zu marginalisieren:

„Sprächen wir aus, dass es sich bei der Konfrontation mit dem IS um einen Krieg handelt, so heißt es ein ums andere Mal, spielten wir nur den Terroristen in die Hände. (…) Statt auf die terroristische Kriegserklärung mit der Entwicklung einer überzeugenden politische [sic!] Strategie zu antworten, die selbstverständlich auch militärisches Handeln einschließen muss, und statt die Bevölkerung mit den Risiken und Mühen vertraut zu machen, die uns die Verteidigung unserer Freiheit kosten wird, verabreicht ihr die politische Führung des Landes im Gleichklang mit zahlreichen publizistischen Beschwichtigern rhetorische Tranquilizer“ (Herzinger, WamS, 22.11.2015).

Hier wird ein Diskurs behauptet, der nicht von ‚Krieg‘ sprechen möchte. ((Es gab in Deutschland eine Debatte um die Verwendung des Kriegsbegriffs. Während die Bundeskanzlerin den Begriff nach den Anschlägen in Paris nicht verwendet hat, hat beispielsweise der Bundespräsident dies getan (vgl. z.B.  Fischer/Gathmann 2015).))  Angesichts der Häufung des Begriffs kann von einer marginalisierten Position keine Rede sein. Dies könnte vielmehr als eine rhetorische Finesse verstanden werden, um die eigene Argumentation zu stärken und sich als ‚Tabubrecher‘ zu inszenieren.

Gefordert werden häufig der Zusammenschluss einer Gemeinschaft nach innen, Härte und Opferbereitschaft. Dabei geht es auch um die Einschränkungen von Freiheiten:

„Mehr denn je kommt es jetzt auf die Geschlossenheit des Westens an. Und darauf, dass er seinen Willen und seine Fähigkeit demonstriert, seine Werte zu schützen. Das wird angesichts des Ausmaßes der Bedrohung und der Asymmetrien des Konflikts nicht gänzlich ohne Einschränkungen der Freiheit möglich sein, die es zu verteidigen gilt, gegebenenfalls auch mit eigenen Truppen in Syrien. Ohne Opfer wird dieser epochale Kampf nicht zu bestehen sein“ (Kohler, FAS, 15.11.2015).

„Den tödlichen Waffen der Massenmörder unseren eisernen Willen zu unverdrossener Normalität entgegenzusetzen, ohne dafür zu sorgen, dass die westlichen Demokratien ihrerseits auf allen Ebenen ausreichend bewaffnet sind, um die Todfeinde der Freiheit in die Knie zu zwingen – das wird auf Dauer nicht gut gehen“ (Herzinger, WamS, 22.11.2015).

Es geht bei dem „harten Gesicht“ also sowohl um Einschränkungen von Freiheiten als auch in jedem Fall um eine militärische Komponente. Aber im Krieg werden nicht nur die äußeren Grenzen abgesteckt, auch die Grenzen im Inneren werden neu definiert. Rainer Hermann schreibt in seinem Artikel „Kriegsgebiet“:

„Um die Eskalationsstufen abzubauen, gibt es nur zwei Mittel: den Krieg militärisch zu gewinnen und die neue Ideologie des Dschihad aus den Köpfen der Muslime zu beseitigen. Sonst droht eine neue Stufe der Eskalation“ (Hermann, FAS, 15.11.2015).

Die beiden Mittel werden nicht als Alternativen präsentiert, sondern offenbar nur im Verbund gedacht. Nach außen wird eine militärisch-kriegerische Positionierung und nach innen ein bestimmter Umgang mit ‚den Muslimen‘ gefordert, die für Hermann offenbar als Gruppe eine Einheit darzustellen scheinen. Dass er von Muslim*innen und nicht beispielsweise von islamistischen ‚IS‘-Sympathisant*innen schreibt, deutet darauf hin, dass er allen Muslim*innen eine potenzielle Gefährlichkeit zuweist. Der verdinglichte Ausdruck der Beseitigung macht aus den Menschen reine Objekte: Hermann geht es nicht um Bildung, Prävention, De-Radikalisierung oder Teilhabe, sondern darum, eine Veränderung des Verhältnisses zu Muslim*innen herbeizuführen. Diese werden aus der Mehrheitsgesellschaft ausgeklammert und zu den ‚Anderen‘ gemacht werden. Das „Kriegsgebiet“ befindet sich in Hermanns Vorstellung also nicht nur im „Herrschaftsgebiet [des IS] in Syrien und im Irak“, sondern auch in den „Köpfen der Muslime“ (Hermann, FAS, 15.11.2015).

Während bestimmte Gruppen aus dem kollektiven ‚Wir‘ ausgeschlossen werden, soll sich die Gesellschaft nach innen zusammenschließen, um die „Geschlossenheit des Westens“ (Kohler, FAS, 15.11.2015) zu demonstrieren:

„[I]m Londoner Wembley-Stadion [schmetterten] die Fans des englischen Nationalteams gemeinsam mit denen der französischen Equipe die Marseillaise und [setzten] so ein erhebendes Zeichen der Zusammengehörigkeit des freien Westens“ (Herzinger, WamS, 22.11.2015).

Das Singen der Nationalhymne Frankreichs, der auf Entbehrungen und Krieg vorbereitenden Marseillaise, soll eine Gemeinschaft erzeugen und eine kriegerische Gesinnung bewirken. Die Folgen einer solchen Haltung sind in der Konsequenz eine stärkere Grenzziehung zwischen dem ‚Eigenen‘ und dem als ‚feindlich‘ definierten Gegenüber. Damit geht häufig auch eine Reduktion der Komplexität des ‚feindlichen‘ Gegenübers einher, da die binären Freund-Feind/Gut-Böse Schemata eines Krieges nur selten mit einer differenzierten Analyse zusammenpassen. Dies zeigt sich deutlich in den antimuslimischen Narrativen, die im Diskurs zu finden sind oder in der Konstruktionen von Kollektiven, den bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden.

Auch die Übernahme von Interpretationen der Anschläge durch den Daesh ((Darauf weist bereits die häufige und vor allem unkritische Verwendung des Ausdrucks ‚Islamischer Staat‘ hin, der oft auch ohne Anführungszeichen oder den Zusatz ’sogenannter‘ übernommen wird und damit den Anspruch des Daesh reproduziert, ein (bzw. der einzige) ‚islamischer Staat‘ zu sein.))  in Teilen der   Argumentationslinien des untersuchten Materials ist auffällig bei der Verwendung von Kriegsrhetorik. Kohler beispielsweise schreibt: „Der ‚Islamische Staat‘ führt nach eigenem Verständnis einen Weltkrieg.“ (Kohler, FAS, 15.11.2015) Die zitathafte und offengelegte Verwendung von ‚IS‘-Interpretationen setzt ‚IS‘-Propaganda mit dem tatsächlichen Geschehen gleich. Das Problem bei der Übernahme von Interpretationen der Attentäter liegt darin, dass ihre Verknüpfung bzw. Legitimierung der eigenen Anschläge mit dem islamischen Glauben für die gesamte Gruppe aller Muslim*innen übernommen wird. „Damit entscheidet man sich für die Sicht einer bestimmten Untergruppe und setzt deren Sicht pars-pro-toto dominant – als Stellvertreter für den ganzen Islam“ (Schiffer 2007: 171). Die Deutung der Lage als „Weltkrieg“ durch den ‚IS‘ kommt dem Interesse derjenigen entgegen, die die Kriegsrhetorik nutzen. Es werden klare Linien und Grenzen erzeugt, der ‚Feind‘ wird greifbarer und eine Lösung bietet
sich von selbst an: Wenn ein Krieg geführt wird, dann ist das einzig sinnvolle Mittel militärische Aufrüstung, die Bewaffnung auf allen Ebenen und eine Geschlossenheit der ‚eigenen Reihen‘ – also auch das Definieren und Ausstoßen der ‚inneren Feinde‘.

Bei der sprachlichen Konstruktion von Eigen- und Fremdgruppen spielen auch Kollektivsymbole eine große Rolle. Kollektivsymbole sind in Medien fast immer zu finden und werden bewusst oder unbewusst eingesetzt. Sie bilden den Deutungsrahmen, innerhalb dessen über Probleme verhandelt wird (vgl. Jäger 1996: 28). Es gibt Bilder, die bestimmte Logiken nahelegen. Insbesondere das Symbol einer Naturgewalt, wie es bei Begriffen von ‚Flüchtlingsströmen‘ oder ‚Flüchtlingswellen‘ entsteht, wird sehr häufig verwendet. Diese Bilder haben einen hohen Stellenwert. Zum einen, weil sie den komplexen Sachverhalt des Migrationsgeschehens extrem verkürzen und versuchen zu plausibilisieren, und zum anderen, weil sie bestimmte Schlussfolgerungen suggerieren:

„Das außersystemische Chaos kann entsprechend den symbolischen Körpern oder Vehikeln aus Bazillen, Viren, Giften, Fluten, Wüsten, Stürmen, Bränden, Ungeziefer usw. bestehen. Entscheidend dabei ist nun, daß das eigene System stets Subjektstatus besitzt, im engen Sinne einer autonomen, zurechnungsfähigen, quasi-juristischen Person, Rechts-Subjekts genommen. Es ist ein Körper mit Kopf, der sich Therapien gegen die Krankheit überlegen kann; es ist ein industrialistisches Vehikel mit Fahrer, der den Fuß vom Gas nehmen kann, es ist ein Haus mit vernünftigen Bewohnern, die die Tür zumachen können usw. Dieser Subjektstatus gilt (…) nicht aber für das außersystemische Chaos als solches“ (Link 1990).

Geflüchtete und Migrant*innen erscheinen also bei Ausdrücken wie ‚Flüchtlingswelle‘ oder ‚Flüchtlingsstrom‘ nicht mehr als Menschen, sondern als eine gesichtslose Masse. Geflüchteten und Migrant*innen wird mit diesen Ausdrücken ihre Individualität und Subjektivität abgesprochen. Im Bild der Welle bewegt sich die Masse auf den*die Leser*in / Rezipient*in in einer bedrohlichen, ‚überflutenden‘ Weise zu. Daraus resultiert der Wunsch nach einer Handlung, die diesen Zustand reguliert oder beendet:

„[D]urch den Einsatz der Kollektivsymbolik [(können)] bestimmte Zustandsdeutungen dramatisiert und de-normalisiert werden und gleichzeitig [wird] die Notwendigkeit produziert, die so wahrgenommenen Zustände wieder zu normalisieren und in geregelte Bahnen zu führen“ (Jäger/Jäger 2007: 39).

Auch schon im deutschen Einwanderungsdiskurs der 90er Jahre war die Flutsymbolik neben der Bootssymbolik zentral. Die ausgrenzenden und rassistischen Effekte dieser Kollektivsymboliken wurden bereits damals festgestellt. Größtenteils werden Bilder erzeugt, welche die Rezipient*innen in eine bedrohliche Lage versetzen, die Handlungsbedarfe hervorruft. Jäger und Jäger argumentieren, dass in diesem Moment eine von rassistischen Stereotypen geprägt Atmosphäre entstehe, die zwischen Geflüchteten und Migrant*innen auf der einen Seite und der ‚Eigengruppe‘ auf der anderen Seite polarisiere. So könne die Bereitschaft zu rassistischer Gewalt oder die Akzeptanz rassistischer Gewalt, ob auf der ‚Straße‘ oder durch institutionelle Praxen wie Abschiebungen, wachsen (vgl. Jäger/Jäger 2007: 49f).

Analog verhält es sich mit dem Begriff der ‚Lawine‘, der von Wolfgang Schäuble am 11.11.2015, zwei Tage vor den Anschlägen von Paris, in die Diskussion der deutschen Migrationspolitik eingebracht wurde. Er verglich die Geflüchteten und Migrant*innen, die nach Deutschland und Europa kommen, mit einer Lawine (vgl. tagesschau 2015). Interessanterweise wurde dieser Vergleich von vielen Seiten heftig kritisiert (vgl. z.B. Zeit Online 2015). Ein Artikel aus meinem Materialkorpus versucht diesen Vergleich nachzuvollziehen (Frey, FAS, 15.11.2015) und zieht dafür Jürgen Link heran, den Sprachwissenschaftler, der den Analysebegriff der Kollektivsymbolik entscheidend mitgeprägt hat. Dieser argumentiert, dass Kollektivsymbole systemisch ersetzbar seien. Die hydraulische Symbolik könne zum Beispiel mit dem apokalyptischen Bild des Tsunamis gesteigert werden. Und dieses Bild des Tsunamis habe Schäuble ersetzt mit dem Bild der Lawine (vgl. Link 2015). Solch ein Bildbruch, der ja sogar teilweise noch in der Logik von Naturgewalten verbleibt, hat einen integrierenden Effekt. Denn Bildbrüche „wirken plausibel, obwohl sich mit ihnen durchaus Widersprüche verdecken lassen“ (Jäger/Jäger 2007: 45f). Während für einen Tsunami beispielsweise kein Mensch verantwortlich gemacht werden kann, können Lawinen von Menschen verursacht werden. Das Symbol wird möglicherweise daher auch von Schäuble herangezogen, um unterschwellig eine Kritik an politischen Entscheidungsträger*innen zu formulieren.

Während Link sich jedoch kritisch mit Kollektivsymbolen und deren normalisierender Wirkung auseinandersetzt, wird in dem Artikel der FAS weder die Kollektivsymbolik des Migrationsdiskurses allgemein, noch das Symbol der ‚Lawine‘ kritisiert. Link wird zwar als „Experte“ herangezogen, dessen kritisches Potenzial aber vernachlässigt. Der Autor Andreas Frey lässt sich stattdessen auf den Lawinen-Vergleich ein und schreibt:

„Lawinen sind und bleiben letztlich unberechenbar. Allerdings bringen sie nicht nur Tod und Verderben. Biologen haben auf typischen Lawinenbahnen einen höheren pflanzlichen Artenreichtum festgestellt, wovon wiederum Wildtiere profitieren. Lawinen lassen das Leben also auch erblühen“ (Frey, FAS, 15.11.2015).

Auch wenn er an dieser Stelle versucht, das Bild zu wenden und umzudeuten, bleibt die tödliche,
apokalyptische Komponente bestehen, die Voraussetzung ist für das ‚Erblühen‘ des neuen Lebens. Die gesellschaftspolitische Ebene bleibt in dem Text gänzlich außen vor. Der Autor verbleibt also letztlich bewusst in der Logik des Bildes, obwohl doch die Hinterfragung der Anwendung von Kollektivsymbolen, wie sie durch den Bezug auf Link geschehen könnte, gerade die bildliche Logik durchbrechen könnte  vgl. Jäger/Jäger 2007: 59). Stattdessen normalisiert Frey den Begriff der ‚Lawine‘ in der Verwendung für den Flucht- und Einwanderungsdiskurs. Auch den Begriff des ‚Notstands‘ übernimmt er von Link und fragt: „Wer hat aber diesen Notstand ausgelöst?“ (Frey, FAS, 15.11.2015). Damit erscheint der „Notstand“ als gegeben und nicht mehr hinterfragbar; eine Extremsituation, die von der Normalität abweicht und nach Maßnahmen ruft, die in der Lage sind, „Normalität“ wieder herzustellen. Link
schreibt dazu:

„[Lawine] impliziert Massendynamik und die Unmöglichkeit, die Masse auf einzelne menschliche Individuen mit Antlitz herunterzubrechen. Es fordert dringend massendynamische, nicht individuelle Gegenmaßnahmen. (…) Der Analogieaspekt der Lawine benennt Massendynamik – der affektiv-subjektivierende zwingt den Rezipienten in die Gegenidentifikation gegen die Lawine (also gegen die durch die Flüchtlinge entstandene Massendynamik)“ (Link 2015).

Mit solchen Kollektivsymbolen wird ein Deutungsrahmen des Migrationsgeschehens bereitgestellt, der nicht nur dramatisierend und entsubjektivierend wirkt, sondern auch eine klare Gegenüberstellung von ‚Uns‘ und den ‚Anderen‘ hervorruft. Das dramatisierende Moment kommt in der Verwendung des Symbols des ‚Ungeheuers‘ nochmal deutlich zum Vorschein (vgl. Kohler, FAS, 15.11.2015 und Mansour/Freidel, FAS, 22.11.2015). Die Darstellung eines Kampfes gegen ein übermächtiges, unmenschliches Monstrum schreit geradezu nach einer (militärischen/polizeilichen) Aufrüstung gegen die bildlich inszenierte Gefahr.

Der Einsatz von Kollektivsymbolen dieser Art, die von Grenzziehungen geprägt sind und einen Wunsch nach Normalisierung einer als bedrohlich inszenierten gesellschaftlichen Situation hervorrufen, sollte insbesondere Menschen, die in der Medienbranche tätig sind, bewusst sein. Dass die Implikationen von Begriffen wie ‚Flüchtlingswelle‘ stets präsent sind, scheint angesichts der Häufigkeit und ‚Normalität‘ der Verwendung jedoch eher unwahrscheinlich. Auch der Begriff der ‚Flüchtlingskrise‘, der zwar kein Symbol ist, aber einen ganz bestimmten, problematisierenden Deutungsrahmen einer gesellschaftlichen Situation darstellt, ruft nach regulierenden Handlungen und kann einer rassistischen Stimmung Auftrieb leisten.

1.5. Die Frage nach gesellschaftlichen Strukturen

Ein weiteres auffälliges Merkmal im untersuchten Diskursausschnitt ist die seltene Thematisierung von Rassismus oder die direkte Ablehnung, über Rassismus zu sprechen. Dies ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass im Jahr 2015 nahezu jeden Tag rassistische Angriffe insbesondere auf Unterkünfte von Geflüchteten und Migrant*innen stattfanden (vgl. z.B. Blickle u.a. 2015). ((Im meinem Untersuchungszeitraum gab es unter anderem in Jüterbog nach einer NPD-Demonstration am 20.11.2015 einen Anschlag mit einer Explosion ohne Verletzte auf eine evangelische Begegnungsstätte, in der sich Geflüchtete, Migrant*innen und andere Einwohner*innen trafen. In der Welt am Sonntag war dies eine Randnotiz in der Rubrik Nachrichten auf der letzten Seite des Politikressorts und weder in der FAS (auch nicht am Samstag in der FAZ) noch in der Zeit wurde der Anschlag erwähnt.)) Im Hinblick auf die Radikalisierung meist junger Menschen spielen viele komplexe Zusammenhänge eine Rolle. Aus soziologischer Perspektive ist klar, dass die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, Macht- und Ungleichheitsstrukturen essentiell dafür sind und es stellt sich die Frage,

„was für eine Welt ein solches Individuum verursacht hat. Und worin besteht dieser Prozeß des ‚Verursachens‘? Welche  sozialen Bedingungen tragen dazu bei, die Bahnen auszubilden, in denen Wahlentscheidungen und Überlegungen vor sich gehen? Wo und wie kann man derartige Subjektbildungen unterbinden? Wie ist es zu erklären, daß radikale Gewalt überhaupt zu einer Option wird und manchen Individuen unter manchen globalen Voraussetzungen als die einzig gangbare Option erscheint? Auf welche verletzenden Verhältnisse reagieren sie damit? Und mit welchen Ressourcen?

Wenn man diese Fragen stellt, behauptet man nicht, daß die Verhältnisse schuld sind und nicht mehr das Individuum. Sie dienen vielmehr dazu, die Beziehung zwischen Voraussetzungen und Handlungen neu zu durchdenken. Unsere Handlungen sind nicht selbsterzeugt, sondern bedingt.“ (Butler 2005: 33)

Diese Auffassung ist im Diskurs der ‚Mitte‘ jedoch kein Konsens. Wenn in Teilen des Diskurses davon gesprochen wird, dass Teilhabe und Partizipation organisiert werden müssten (vgl. Siemons, FAS, 22.11.2015), dann ist dies für diesen Diskurs sehr weitgehend. Oftmals wird stattdessen in ein binäres Schema eingeteilt: „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ (Hank, FAS, 15.11.2015). Dass die offene Gesellschaft selbst in einer Beziehung steht zu islamistisch motivierten Anschlägen oder zu rassistischer Gewalt, ihre Probleme mit hervorbringt, anfällig ist für die Auflösung eines sozialen Zusammenhalts und in sich widersprüchlich – dies ist nur an wenigen Stellen Thema.

Selbst Mansour, der in einem Interview als Psychologe vorgestellt und explizit zum Thema Radikalisierung befragt wird, argumentiert ohne einen wirksamen Begriff von Gesellschaft. Er lehnt eine Diskussion über die gesellschaftlichen Verhältnisse ab:

„Ich lehne es aber ab, diese Debatte nur in Bezug auf Diskriminierung und Rassismus zu führen. Das ist nur ein Faktor von vielen, der zur Radikalisierung führen kann. Unter denjenigen, die nach Syrien und Irak ausreisen, sind auch Leute, die alle möglichen Aufstiegschancen hatten“ (Mansour/Freidel, FAS, 22.11.2015).

Er gesteht hier Herrschafts- und Ungleichheitsstrukturen zwar eine gewisse Relevanz zu; im Folgenden ist von der Gesellschaft jedoch kaum mehr die Rede. Einen Weg zur Radikalisierung beschreibt er stattdessen mit dem Leiden Jugendlicher „an ihrem eigenen psychologischen Zustand“. Sie seien „Außenseiter, die einfach mental nicht angekommen sind in der Gesellschaft“ (Mansour/Freidel, FAS, 22.11.2015). Über die Ursachen oder eine genauere Beschreibung des „psychologischen Zustands“ schweigt Mansour sich aus. Es scheint, als ob Mansour die Jugendlichen für ‚psychisch krank‘ hält. Damit pathologisiert er ihren „Zustand“:

„Religion und Religiosität sind auf dem Vormarsch, nicht nur unter Muslimen. Das ist verständlich, denn die Welt wandelt sich sehr schnell, und wir haben eine Situation, die ganz viele Unsicherheiten birgt. Jugendliche kommen mit dieser Unsicherheit meistens klar, aber es gibt eine kleine Gruppe, die total überfordert ist“ (Mansour/Freidel, FAS, 22.11.2015).

Die Ausblendung der Ursachen dieser Unsicherheiten verhindert aber eine kritische Gesellschaftsanalyse und führt stattdessen zu der Frage, wie sich das Abdriften dieser kleinen Gruppe verhindern ließe. Mansour wird hier für eine anwendungsbezogene Psychologie herangezogen und nicht für eine sozialpsychologische Gesellschaftskritik. Das Problem daran ist, das solch eine Analyse unvollständig bleibt. Oft werden im Diskurs gesellschaftliche Hintergründe aber auch bewusst de-thematisiert. Beispielhaft dafür ist der Leitartikel aus der Zeit vom 26.11.2015 von Josef Joffe:

„Nach jedem Massaker in Europa kommt mit der Präzision eines Metronoms der Glaubenssatz, wonach eine harte Hand gegen den Terror die Killer noch wütender machen, ihm nur noch mehr Rekruten zutreiben werde. (…) Dahinter steht die Verdrehung von Ursache und Wirkung, die Verwechslung von Opfer und Aggressor. (…) Doch der Wohlmeinende sucht nach den ‚tieferen Wurzeln‘ in der eigenen Gesellschaft: Entfremdung, Marginalisierung, ’no hope‘. Der Irakkrieg, der Kolonialismus … (…)

Die letzten Kolonialherren sind in den Fünfzigern aus Nahost verschwunden, 1962 aus Algerien – vor zwei Generationen. Wie kann dann der Kolonialkrieg in Algerien Paris 2015 erklären? (…)

Terroristen-Biografien, auch westliche, enthalten kaum Hinweise auf Elend oder Diskriminierung, die ‚Wir sind schuld‘-These, ein Klassiker postmoderner Ideologie, lässt sich also nur mit viel Fantasie halten. In letzter Konsequenz gebiert sie Verständnis für das Unverzeihliche, das im Islamismus selber wurzelt (…). Der Terror des IS ist nicht abgeleitet, sondern autochthon. Wann ein ’normaler‘ junger Mensch in die Unmenschlichkeit abkippt, bleibt nach zahllosen Untersuchungen ein Rätsel, das sich soziologisch nicht knacken lässt. Unterstellen wir aber, dass Rassismus und Ausgrenzung tatsächlich die islamistische Mordwut erklären. (…) Wieso verleiht das persönliche Leiden das Recht, 129 Unschuldige umzubringen? (…) Die Demokratie öffnet zahllose Wege zur Abhilfe – Proteste, Prozesse, politisches Handeln. Gewalt, von wem auch immer, ist eine Kriegserklärung gegen den demokratischen Staat, die weder Verständnis noch Verzeihung verdient“ (Joffe, Zeit, 26.11.2015).

In diesem Artikel wird eine Diskursposition unterstellt, gegen die argumentiert wird. Erstes Merkmal dieser Diskursposition sei es, sich gegen ein ‚hartes‘ Durchgreifen auszusprechen, um nicht weitere Menschen zu radikalisieren. Zweites Merkmal sei die Suche nach den „’tieferen Wurzeln‘ in der eigenen Gesellschaft“ und der Versuch, verstehen zu wollen, wie es zur Radikalisierung von Menschen kommt. Nach der Analyse der von mir ausgewählten Medien, lässt sich nicht davon sprechen, dass diese Argumentation eine herrschende Diskursposition wäre. ((Es gibt zwar Artikel, die sich mit Radikalisierung beschäftigen, aber bei diesen sind meist nur vereinzelt Aussagen darüber zu finden, dass fehlende Teilhabe, Diskriminierung oder Chancenlosigkeit ursächlich etwas mit Radikalisierung zu tun hätten (vgl. dazu Buschkowsky, Zeit, 26.11.2015 und Krupa, Zeit, 26.11.2015. Ausführlicher geht darauf  ein: Siemons, FAS, 22.11.2015).))

Der Autor Joffe meint jedoch, diese Diskursposition würde Terroristen als „Opfer“ konstruieren. Diese Interpretation ist in dem von mir bearbeiteten Material nicht aufzufinden. Es scheint eher, als ob in dem Artikel von Joffe ‚Verstehen wollen‘ und ‚Verständnis haben‘ gleichgesetzt werden. Attentäter sind selbstverständlich für ihre Gewalttaten verantwortlich:

„[S]ie sind keine Betrogenen oder Mechanismen eines unpersönlichen sozialen Zwangs, sondern Handelnde mit Verantwortung. Andererseits sind diese Individuen geformt worden, und wir würden einen Fehler machen, wenn wir ihre Handlungen auf rein selbsterzeugte Willensakte oder Symptome einer individuellen Pathologie oder das ‚Böse‘ zurückführen würden“ (Butler 2005: 32).

Dieses Gleichsetzen von ‚Verstehen‘ und ‚Verständnis‘ zeigt sich auch in einer späteren Passage, in der von einer „Wir sind schuld-These“ die Rede ist. Die Ursachen von Radikalisierung in den gesellschaftlichen Bedingungen zu suchen, führe zu „Verständnis“ und möglicherweise sogar zu „Verzeihung“. Dies wirkt, als solle sich nicht mit der Verfasstheit der eigenen Gesellschaft auseinandergesetzt werden, als könne es keine Erklärungen von Terrorismus geben: Radikalisierung sei ein „Rätsel, das sich soziologisch nicht knacken lässt“. Hier wird suggeriert, Terrorismus habe keine Ursachen, sondern entstehe aus sich selbst heraus. Auch historische Kontextualisierungen werden abgelehnt, das Kolonialsystem sei „vor zwei Generationen“ beendet worden. Dass koloniale Herrschaftsstrukturen dennoch weiter bestehen oder überhaupt die Gesellschaft von Ungleichheits- und Machtstrukturen durchzogen ist, wird negiert. Gewalt wird nicht begriffen als ein gesellschaftliches Verhältnis, sondern nur als die Taten Einzelner. Diese Ablehnung einer Gesellschaftsanalyse erklärt Joffe damit, dass „Verständnis und Selbstbezichtigung“ (was bei ihm gleichbedeutend ist mit der Suche nach den „tieferen Wurzeln“) „die Hand des Staates [lähmen]“. Es wird dagegen eine bewegliche und harte Hand des Staates gefordert – wie genau dies aussehen soll, bleibt jedoch undeutlich. Methode dieses Diskursbeitrags ist es, eine vorgeblich sehr dominante Diskursposition zu beschreiben, um sie zu dekonstruieren. Die eigene Position des Artikels erscheint dadurch marginalisiert – was sich durch die Analyse dieses Diskurses nicht bestätigen lässt.

Schwierig an dieser Art der Analyse von Terrorismus ist folgendes:

„[D]ie Frage nach dessen Ursachen, Kontexten und Motivationen [wird] programmatisch ausgeblendet mit dem einfältigen Argument, jede Suche danach lenke ab von der Schuld und Verantwortung der Täter und diene deshalb nur der Rechtfertigung und Verharmlosung von Gewalt. Solche Improvisationen bescheiden sich mit der bloßen Beschreibung von Gewalt, weil diese angeblich keiner rationalen Erklärung zugänglich sei und versumpfen in der Tautologie, ‚Gewalt ist Gewalt’“ (Walther 2016).

Genauer könnte man sagen, es handelt sich hier sogar um das Zurückweisen der Notwendigkeit einer Analyse. Dabei geht das Darstellen von Radikalisierung und der Ausübung von Attentaten als ’soziologisches Rätsel‘ damit einher, in den ‚eigenen‘ gesellschaftlichen Strukturen nicht nach Ursachen zu forschen (vgl. z.B. Joffe, Zeit, 26.11.2015; Mansour/Freidel, FAS, 22.11.2015; Schuster, WamS, 22.11.2015). Stattdessen wird mit Bezug auf fehlende oder mangelnde Integration von Migrant*innen die Verantwortung umgekehrt. Nicht rassistische Bedingungen, die fehlende Teilhabe, Chancenlosigkeit und Diskriminierung hervorrufen, werden in den Fokus gerückt, sondern die ‚Parallelgesellschaften‘, die sich abgrenzen von der Mehrheitsgesellschaft. So wird dann auch in der Konsequenz oft von einem ‚Gefühl‘ des Ausgeschlossen-Seins geschrieben: Dies weist weg von den ausgrenzenden Strukturen und geht stattdessen auf die ’subjektiven Gefühle‘ derjenigen ein, die nicht auf der privilegierten Seite der Machtverhältnisse stehen. Die Frage nach Macht- und Herrschaftsstrukturen ist eine, die zumeist vernachlässigt oder marginalisiert wird.

2. Schlussbetrachtung

2.1. ‚Wir‘ und die ‚Anderen‘ – Kultur als Grenzmarkierung

Ein essenzielles Moment, das sich durch den Diskursausschnitt zu den den Anschlägen in Paris zieht, ist die Grenzziehung zwischen ‚Uns‘ und den ‚Anderen‘. Die scharfe Grenzziehung zwischen dem ‚Eigenen‘ und dem ‚Anderen‘ ist ein Teil von Othering-Prozessen, die verbunden sind mit gesellschaftlichen, sich ständig neu festigenden Identitätskonstruktionen. Der Prozess des Otherings baut auf ein vorherrschendes und oft koloniales Wissen auf, das den Rahmen bereitstellt für die Deutung und Interpretation von Situationen und Aussagen. So wird der Spielraum von Interpretationen deutlich einschränkt (vgl. Attia 2013: 22). Rassistisches Wissen ist essentieller Bestandteil des europäischen Projekts der Moderne und damit ist Rassismus ein Strukturmerkmal moderner Gesellschaften (vgl. Attia 2013). Der Rassismus nach dem Nationalsozialismus kommt jedoch auch ohne die Konstruktion von ‚Rassen‘ aus. Es fand eine Verschiebung von biologistisch argumentierenden Rassismen hin zu Kulturrassismen statt. Dabei werden vermehrt kulturelle Eigenschaften oder religiöse Einstellungen rassifiziert, d.h. auch naturalisiert und homogenisiert. Jedoch wurden schon immer biologische und kulturelle Merkmale herangezogen, um Grenzen zu markieren (vgl. Shooman 2011: 60f). Der Begriff der ‚Rasse‘ wurde dabei von Begriffen wie ‚Ethnie‘ oder ‚Kultur‘ abgelöst. ((Alana Lentin kritisiert, dass damit auch die Geschichte des wirkmächtigen Konstrukts von verschiedenen menschlichen ‚Rassen‘ und die Folgen dieses Konstrukts, das Kolonialsystem, neu geschrieben bzw. unsichtbar gemacht wurden. Auf diese Weise kann Europa sein Selbstverständnis als nicht-rassistische Gemeinschaft aufrechterhalten und begründet seine Überlegenheit nun mit der europäischen Tradition der Demokratie (vgl. Lentin 2008: 488ff).)) Ich gehe davon aus, dass die rassistische Diskriminierung entlang von als homogen konstruierten Kulturen heute ein wesentlicher Herrschaftsmechanismus ist.

Antimuslimischer Rassismus ist ein Ausdruck ebendieser Verschiebung in Richtung von Rassismen, die vermehrt auf Merkmale wie ‚Religion‘ oder ‚Kultur‘ zurückgreifen. Die gesellschaftlichen Orient- und Islambilder

„prägen das Selbst- und Fremdbild auch dann, wenn sie im Einzelnen nicht mehr erinnert [werden] (…). Sie sind als Kulturgüter und gesellschaftliche Diskurse in ihrer ständigen Reproduktion von Bildern wirkungsmächtig. Sie wiegen schwerer als Erfahrung und sind allzu häufig immun gegen Einwände“ (Attia 2007: 10).

Es wird ein Kollektivcharakter einer kulturellen Gruppe imaginiert, der für alle gleich sei, die dieser Gruppe zugeordnet werden. Die Selbstverortung der Einzelnen oder persönliche Erfahrungen spielen dabei keine Rolle mehr, ebenso wenig wie alle Unterschiede hinsichtlich politischer Positionierung, Klassenzugehörigkeit, sozialer Gruppen oder kultureller Ausdrucksformen (vgl. Attia 2009: 16). In der dichotomen Gegenüberstellung werden die vorgestellten Kulturen in ein hierarchisches Verhältnis gebracht, das ‚Andere‘ wird abgewertet und damit das ‚Eigene‘ aufgewertet. Dabei gewinnt das ‚Eigene‘ seine Konturen durch die Abgrenzung vom ‚Anderen‘ (vgl. Busse 1997: 31) und kreist um die Idee einer einheitlichen ‚europäischen‘ oder ‚westlichen Identität‘. ((So haben Edward Said (vgl. Said 2009) oder auch Stuart Hall herausgearbeitet, wie die komplexe Vorstellung vom ‚Westen‘ historisch entstanden ist auf der Basis der Abgrenzung vom ‚Anderen‘, vom ‚Rest‘ der Welt: „[D]er Rest [war] für die politische, ökonomische und soziale Formierung des Westens notwendig, [sowie] für die Formierung des Bewußtseins des Westens von sich selbst – der ‚westlichen Identität‘ – und die westlichen Wissensformen (…).“ (Hall 1994: 178) )) Es kommt es zu einem verstärkten Zusammenschluss nach innen. Auch aus der Vielheit und Diversität der konstruierten ‚Eigengruppe‘ bzw. der Leser*innen/Rezipient*innen wird eine kollektive Einheit zu schaffen versucht, welche die Einzelnen integriert. Eine ‚Wir’/’Die‘ Rhetorik wird eingesetzt, um partikulare Interessen mit einem Kollektiv zu identifizieren und zu verwirklichen (vgl. Busse 1997: 27). Wenn beispielsweise mit den Sorgen der Bürger*innen bzw. ‚der Deutschen‘ argumentiert wird, werden auf Basis der ‚Wir’/’Die‘-Konstruktion politische Forderungen (nach mehr Polizei, schärferen Gesetzen, Maßnahmen gegenüber Geflüchteten und Migrant*innen oder Muslim*innen) erhoben.

Während in den 90er Jahren in Deutschland der antimuslimische Diskurs im Kontext der ‚Clash of Civilisations‘-These von Samuel Huntington geführt wurde, verstärkte sich der Diskurs um das negative und gefährliche Islambild nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Mehr und mehr wurde ‚der Islam‘ mit Terrorismus verkoppelt und Muslim*innen als bedrohlich konstruiert (vgl. Shooman 2011: 67ff). Zentrales Narrativ im antimuslimischen Rassismus ist seitdem nochmal verstärkt die Erzählung von der Übermacht ‚des Islams‘, der als expansiv und bedrohlich konstruiert wird und gegen den sich ‚der Westen‘ wehren müsse (vgl. Shooman 2011: 71f). Dies zeigte sich auch wieder im Diskurs um die ‚erhöhte Terrorwarnung‘ in Deutschland im November/Dezember 2010, als die Bevölkerung aufgefordert wurde, aufmerksam gegenüber möglichen Attentäter*innen zu sein. Sebastian Friedrich  und Hannah Schultes haben in ihrer Medien- und Diskursanalyse herausgearbeitet, dass „[w]er
als Muslim_in ‚identifiziert‘ wird, (…) aufgrund der gleichen Definitionskriterien auch als Terrorist_in klassifiziert werden [kann]“ (Friedrich/Schultes 2011: 28).

Ähnlich verhält es sich in dem von mir analysierten Diskursausschnitt. Die ‚Kultur der Anderen‘ wird als konfliktreich, tendenziell nicht kompatibel mit der ‚eigenen westlichen‘ Kultur und häufig als ‚islamisch‘ beschrieben. Migrant*innen und Geflüchtete werden dabei als ‚Andere im Inneren‘ vorgestellt, die durch ihre Bewegung in Form von Migration ‚Konflikte‘ mitbringen. Dabei wird verschiedentlich auf die Erzählung eines ‚Kulturkampfes‘ rekurriert. Meist ist Kultur dabei etwas Einheitliches, Stabiles, Unveränderliches. Es könne höchstens darum gehen, ‚den Islam‘ in den ‚zivilisierten Westen‘ zu integrieren. Hier schimmert ein evolutionäres, das ‚Eigene‘ idealisierendes Verständnis durch: ‚der Westen‘ sei bereits zivilisiert und aufgeklärt, ‚der Islam‘ hingegen müsse bestimmte Werte und Normen erst noch lernen und domestiziert werden. Dies ist ein weit verbreitetes Narrativ des antimuslimischen Rassismus (vgl. z.B. Shooman 2011: 63), das sich auch durch mein Untersuchungsmaterial zieht.  Beispielsweise dann, wenn „junge Muslime“ und „Flüchtlinge“ einer „offenen Gesellschaft“ grundsätzlich gegenüber gestellt werden. Darin „klingt ein paternalistisch anmutendes Integrationsverständnis an, das mit Regulierung, Anleitung und Erziehung zur Teilhabe umschrieben werden kann“ (Shooman 2014: 135).

Die Konstruktion einer kollektiven muslimischen Identität oder Gemeinschaft ist ebenfalls in Teilen des Materials zu finden. Völlig unterschiedliche Menschen mit den verschiedensten Hintergründen werden damit zu einer homogenen Gruppe zusammengefasst und mit Zuschreibungen belegt. Dabei verschwimmen in dem Moment der Migration Narrative, die an den Orientalismus anknüpfen und sich an einem ‚Anderen‘ im Außen abarbeiten mit antimuslimischen Diskursen, die auf das ‚Andere‘ im Inneren der ‚eigenen‘ Gesellschaft abzielen (vgl. Shooman 2011: 63). Implizit und stellenweise auch  explizit wird ein Generalverdacht ausgesprochen: Muslim*innen stellten eine Gefahr für die Sicherheit in Deutschland dar. Es zeigt sich, dass auch sogenannte ‚Distanzierungen‘ solch einen Generalverdacht nicht entkräften können. Das liegt auch daran, dass eine Distanzierung das negierte Stereotyp immer  wiederholt und damit zementiert (vgl. Schiffer 2007: 182)

Ebenso wird in dem untersuchten Diskursausschnitt mit Geflüchteten und Migrant*innen verfahren, die teilweise auch mit einer ‚islamischen Kultur‘ assoziiert werden. Vor allem die Konstruktion von Kollektiven und die Verwendung von Kollektivsymbolik haben Auswirkungen: Das subjektive und menschliche Moment verschwindet in Begriffen wie ‚Fluten‘, ‚Strömen‘ oder ‚Wellen‘ – hier handelt es sich nur noch um Massen, die bewältigt oder gelenkt werden müssen. Kollektivsymboliken bringen ganz bestimmte Bilder einer vereinheitlichten Gruppe hervor und legen damit den Deutungsrahmen fest, innerhalb dessen über diese Gruppe gesprochen wird. Das gilt auch für den Begriff der ‚Flüchtlingskrise‘: Die Benennung der aktuellen Situation als ‚Krise‘ erschafft eine problematisierende Perspektive auf Geflüchtete und Migrant*innen, innerhalb welcher deren eigene Stimmen keinen Raum mehr bekommen oder nicht gehört werden. Dieser einmal geschaffene Deutungsrahmen einer ‚Flüchtlingskrise‘ wird bei seiner Wiederholung zu einem Stereotyp und einem „unbewusste[n] Wahrnehmungsfilter“ (Schiffer 2007: 168), der sich über jedes Wissen über Geflüchtete und Migrant*innen legt. Sie werden als Bedrohung und Sicherheitsrisiko inszeniert, zum einen weil ihnen eine ‚fremde Kultur‘ zugeschrieben wird und zum anderen, weil sie als potenzielle Attentäter*innen verhandelt werden. Daraus lässt sich folgern, dass die Kollektivgruppe der ‚Flüchtlinge‘ durch ähnliche Otheringprozesse wie im antimuslimischen Rassismus hervorgebracht wird. In vielen Fällen ist antimuslimischer Rassismus auch die Grundlage der Abwertung und Stigmatisierung von Geflüchteten und Migrant*innen.

Ein unterstützendes Mittel ist die Verwendung von Kriegsvokabular. Dies bezieht sich nicht nur auf Forderungen nach militärischen Interventionen gegen den Daesh, sondern diese Begriffe werden auch verwendet, um klare Grenzen zwischen einem Innen und einem Außen zu ziehen. Dabei wird von Beginn an die Möglichkeit ausgeschlossen, dass Subjektivitäten existieren, die sich nicht in dieses Schema  einordnen lassen. Eine Folge ist die Reduktion von komplexen gesellschaftlichen Verhältnissen auf Freund-Feind-Schemata und eine Verdichtung bzw. Steigerung der Situation in eine bedrohliche Lage (Dramatisierung) für die ‚Eigengruppe‘. Wenn die Situation nach den Anschlägen von Paris als ‚Krieg‘ bezeichnet wird, so werden die Subjekt-Situationen der Leser*innen in den Gefahrenbereich verschoben und implizit Handlungsanweisungen (z.B. zur Verteidigung) gegeben (vgl. Link 1997: 156). Bei dieser Polarisierung zwischen der ‚Eigengruppe‘ und den ‚Anderen‘ kommt häufig eine verdinglichende Sprache zum Einsatz: Wenn beispielsweise davon geschrieben wird, eine Ideologie müsse aus den Köpfen ‚der‘ Muslime ‚beseitigt‘ werden (vgl. Hermann, FAS, 15.11.2015), dann werden die Menschen, um die es geht, nicht mehr als ansprechbare Subjekte vorgestellt, sondern als Entsubjektivierte, mit denen verfahren werden muss.

2.2. Versicherheitlichung von Migration

Die Analyse kann auch im Rahmen der Forschungen zur Konstruktion von Migration als Sicherheitsproblem (Versicherheitlichung von Migration) verortet werden. Dieser Ansatz zeigt, wie die vorherrschende Sichtweise auf Migration diese als Problem und Bedrohung konstituiert und daraufhin eine bestimmte Art der Regierung und Steuerung sowie spezifische politische Praktiken als notwendige Antwort dargestellt werden (vgl. Ratfisch 2015: 3). Während in Deutschlnd in den fünfziger und sechziger Jahren Arbeitsmigration politisch gewollt war, markierte der ‚Anwerbestopp‘ 1973 den Wandel hin zu einer restriktiveren Einwanderungspolitik. In den achtziger Jahren wurde das bis dahin kaum in Anspruch genommene Recht auf Asyl verstärkt geltend gemacht und zeitgleich kam es mit der europäischen Harmonisierungspolitik auch zu einem Umschwung in der Migrationspolitik (vgl. Huysmans 2000: 755f). Migrationspolitische Fragen wurden in den gemeinsamen Bereich „Justiz und Inneres“ verschoben und so mit den Themen Kriminalität und Sicherheit in Verbindung gebracht – auf europäischer Ebene, aber auch im bundesdeutschen Kontext (vgl. Bade 2016: 53ff).

Huysmans macht drei Momente aus, die zur Versicherheitlichung der Migrationspolitik in der EU beigetragen haben: das Schengener Abkommen im Jahr 1985, die Vorstellung einer kulturellen Homogenität und die Krise des Wohlfahrtsstaates, durch die Migrant*innen als Gefahr für das Fortbestehen des sozioökonomischen Systems betrachtet werden und eine Privilegierung der Mitglieder des Nationalstaates bei der Verteilung sozialer Güter angestrebt wird (Huysmans 2000: 758ff). In den achtziger und neunziger Jahren verschärfte sich in Folge dessen der gesellschaftliche Diskurs um Migration und Asyl in Deutschland. Migrant*innen und Geflüchtete wurden als sogenannte ‚Asylanten‘ und über Bilder wie ‚das Boot ist voll‘ als Gefahr konstruiert. Die rassistische Gewalt gegenüber Migrant*innen und Geflüchteten erreichte neue Dimensionen. 1993 wurde in Folge dieser Auseinandersetzungen der sogenannte ‚Asylkompromiss‘ verabschiedet, der das Recht auf Asyl stark einschränkte und die Lebensbedingungen für Menschen im Asylverfahren verschärfte.

Die Migrationspolitik der folgenden Jahrzehnte war (und ist bis heute) vom sogenannten Migrationsmanagement gekennzeichnet, bei dem die Subjekte der Migration in verschiedene Kategorien eingeteilt werden: ‚legale‘, meist hoch qualifizierte Arbeitsmigrant*innen als ökonomische Ressourcen für die jeweiligen Nationalstaaten, politisch verfolgte Flüchtlinge als zu schützende Opfer und ‚illegale‘ Migrant*innen als bedrohliche Subjekte, welche eine Gefahr für die innere Sicherheit und Ordnung darstellten (vgl. Ratfisch 2015: 7ff). Diese Kategorien werden in Abgrenzung zum Subjekt der ‚EU-Bürger*in‘ hervorgebracht (vgl. Ratfisch 2015: 4ff). Diskursiv und durch institutionelle Praktiken werden die sog. ‚illegalen‘ Migrant*innen in eine bedrohliche Kollektiv-Masse verwandelt, die eine Regulierung oder Bekämpfung notwendig machten (vgl. Ratfisch 2015: 12ff).

Die EU versucht, auf der Grundlage dieser drei Kategorien von Menschen, durch das Migrationsmanagement die Interessen des Arbeitsmarktes innerhalb einer eher auf Abschottung setzenden Politik durchzusetzen. Der Versuch der Steuerung von Migrationsprozessen

„bewegt sich von Anfang an in einem Rahmen, der die Aneignung subalterner Humanressourcen nationalökonomisch funktionalisiert und gleichzeitig mit rassistischen Abwehrdiskursen unterfüttert. Die übergeordneten Zielsetzungen rotieren daher beständig um die Schlagworte ‚Wachstum‘ und ‚Sicherheit‘. (…) Da diese komplementären Pole keine Gegensätze bilden, sondern sich funktional ergänzen, haben sie die Konjunkturen des Rassismus wesentlich mitbestimmt“ (Ha 2008: 22).

Seit dem 11. September 2001 und den Terroranschlägen in den USA wurde die Verbindung von Sicherheit und Migration insbesondere über den Bezug zur Terrorismusbekämpfung gemacht (vgl. Gutiérrez Rodríguez 2005: 73). Die Terroranschläge wurden als neue Form des Terrorismus diskutiert und es wurde ein potenziell allgegenwärtiges Sicherheitsrisiko aufgebaut, das nach präventiven Maßnahmen rief (vgl. Toğral Koca 2013: 130). Die Terrorismusstrategie der EU, die 2005 verabschiedet wurde, enthielt auch migrationspolitische Maßnahmen, z.B. bezüglich der Visa-Politik und der Familienzusammenführung, die in diesem Rahmen als Werkzeuge der Anti-Terror-Politik eingesetzt wurden (vgl. Toğral Koca 2013: 200). Auch in Deutschland wurden Maßnahmen zur Regulierung von Migration und Mobilität im Rahmen der Anti-Terror-Politiken durchgeführt. Es wurden bestimmte ‚Risiko‘-Profile von gefährlichen Individuen oder Gruppen konstruiert. Zum einen wurden diese Personen innerhalb der illegalisierten Migrant*innen bzw. der Asylbewerber*innen ausgemacht, zum anderen wurden sie innerhalb der zweiten und dritten Generation von Migrant*innen in Deutschland vermutet, die in Moscheen potenziell radikalisiert würden. Dabei wurde ein Bild von Muslim*innen gezeichnet, das den Islam mit Extremismus und Terrorismus in Bezug setzt. Zentrales Element der Versicherheitlichung von Migration ist also die Grenzziehung zwischen einem ‚Innen‘ und einem ‚Außen‘. Die Gefahr in Form der illegalisierten Migration komme von außen und gefährde die Sicherheit im Inneren. Gleichzeitig wird durch den Diskurs um ‚homegrown terrorism‘ bzw. Parallelgesellschaften oder ’nicht-integrierte‘ Migrant*innen das als gefährlich markierte ‚Außen‘ und damit auch die Grenzen mehr und mehr ins ‚Innere‘ verlagert. Indem dabei die ‚Anderen‘ außerhalb der politischen Sphäre platziert werden und Migrant*innen nicht als politische Subjekte anerkannt werden, ist ein politischer Dialog von vorne herein nicht möglich (Walters 2010: 82). Mit der Abgrenzung wird auch die Idee von Europa bzw. der Europäischen Union als einem einheitlichen, klar abgegrenzten Projekt bekräftigt (vgl. Walters 2010: 91). Die EU wird als unschuldiges Opfer der Grenzüberschreitung dargestellt. Ausgeblendet wird dabei die durchaus aktive Rolle der EU in den Ländern, aus denen Menschen nach Europa migrieren: Neoliberale Handelsabkommen, geopolitische Allianzen, Waffenexporte, Kapitalinvestitionen, Tourismus und nicht zuletzt die Geschichte des Kolonialismus haben direkt oder indirekt einen Einfluss auf Migrationsbewegungen. Eine Sichtweise, die dies ignoriert, de-kontextualisiert die Politik der Grenzziehungen (vgl. Walters 2010: 90).

In dem von mir untersuchten Diskursausschnitt wird eine Unterscheidung von Migrant*innen und Geflüchteten getroffen. Entweder sie gelten als die „Guten und Beladenen“ oder als „mögliche[]  IS-Terroristen“ (Aust, WamS, 15.11.2015). Der Ausdruck der ‚gemischten Migrationsströme‘, der einst das ‚Problem‘ der Unterscheidung zwischen ‚Flüchtlingen‘ und sogenannten ‚illegalen Migrant*innen‘ bezeichnete (vgl. Ratfisch 2015: 16), scheint heute eher für die Vorstellung zu stehen, dass ‚IS‘-Terroristen aus der Menge der ‚Flüchtlinge‘ heraus agieren würden. Damit wird Migration, gerade auch unter dem Label von ‚Flüchtlingen‘, die vordem als ‚zu schützende Opfer‘ galten, mit Kriminalität, Chaos, Gefahr und Terrorismus assoziiert. Durch diesen Konnex von ‚Flüchtlingen‘ und ‚Terroristen‘ werden Rufe nach Restriktionen gegenüber ‚Flüchtlingen‘ legitimiert. Selbst wenn in diesem  Diskursausschnitt also gelegentlich betont wird, dass ‚die Flüchtlinge‘ ja auch vor Terrorismus fliehen und Schutz suchen würden, so wird eine humanitäre Politik für diese Menschen teilweise vor dem Hintergrund eines repressiveren Vorgehens gegenüber anderen Migrant*innen und Geflüchteten, mit der Verstärkung von Grenzen im Blick, gefordert (vgl. u.a. Aust, WamS, 15.11.2015).

Es gibt in dem untersuchten Diskursstrang aber auch kritische Stimmen. Diese verweisen auf die Anfälligkeit der ‚eigenen‘ Gesellschaft für Desintegration und verweigern, die Ursachen für Radikalisierung in konstruierten ‚Kulturen‘ zu suchen (vgl. Siemons, FAS, 22.11.2015 oder Ulrich, Zeit, 19.11.2015) oder sie wollen die Grauzonen gegen den binären Reduktionismus verteidigen (vgl. Böhm ua, Zeit, 19.11.2015) ((In diesem Artikel ist interessanterweise sowohl ein Plädoyer für die Grauzonen und gegen die Entstehung von zwei Lagern durch den Terrorismus zu finden als auch eine  Argumentation für eine Verschärfung der Maßnahmen gegenüber ‚Flüchtlingen‘. Das weist darauf hin, wie wenig bewusst die Markierung von ‚Anderen‘ durch bestimmte Zuschreibungen geschehen kann.))

In meinem untersuchten Material wird nur selten so explizit wie bei Söder davon geschrieben, dass die Eigengruppe vorrangig gegenüber Geflüchteten und Migrant*innen behandelt werden sollte: „Eine deutsche Regierung muss zuvorderst an ihre eigenen Leute denken“ (Söder, WamS, 15.11.2015).  Gemeint ist dies jedoch immer dann, wenn andere Maßstäbe für Migrant*innen und Geflüchtete angelegt werden oder der Gruppe der ‚Anderen‘ Attribute und Eigenschaften zugeschrieben werden, aus denen ein anderer Umgang geschlossen wird. Dies liegt natürlich auch in dem gesellschaftspolitischen Umgang mit Migration begründet. Mit der Markierung von Menschen als ‚Fremdgruppe‘ kann in der Gesellschaft auch die Bereitschaft steigen, (rassistische) Gewalt gegenüber diesen zu akzeptieren (vgl. Jäger/Jäger 2007: 49f). Der entscheidende Punkt ist: Sind ‚die Muslime‘ oder ‚die Flüchtlinge‘ erst mal als die ‚Anderen‘ markiert, so erscheint es legitim, dass sie mit anderen Maßnahmen ‚behandelt‘ werden und dass für sie andere Rechte gelten. Und indem für sie andere Gesetze gelten, werden sie im  Empfinden der Mehrheitsgesellschaft zu den ‚Anderen‘. Als politische Subjekte, mit denen man in einen politischen Dialog treten kann, werden sie kaum einmal anerkannt. So besteht also ein wechselseitiges Verhältnis zwischen der sprachlichen Konstruktion als ‚Andere‘ und den institutionellen, polizeilichen und gesetzlichen Praktiken des Ausschlusses.

In Bezug auf die eingangs aufgeworfene Frage, welche Auswirkungen die November-Anschläge von Paris auf den Flucht- und Einwanderungsdiskurs hatten, hat sich gezeigt, wie Sicherheit als Scharnier zwischen dem Diskurs um ‚terroristische Anschläge‘ und dem Migrationsdiskurs fungiert. Auf der einen Seite werden Geflüchtete und Migrant*innen als Sicherheitsrisiko thematisiert, auf der anderen Seite wird in dem Untersuchungszeitraum in dem Diskurs völlig ausgeblendet, dass Geflüchtete und Migrant*innen nach der oft gefährlichen Migration und möglicherweise traumatischen Erfahrungen selbst ein enormes Sicherheitsbedürfnis haben können und angesichts steigender rassistischer Gewalt und Übergriffe in Deutschland ein Nachdenken über die Sicherheit von Geflüchteten und Migrant*innen angebracht wäre. Beispielsweise der Anschlag in Jüterbog mit rassistischen Motiven wird nur in einer Randnotiz thematisiert. Die Frage lautet daher: Für wen wird Sicherheit als relevante Kategorie verstanden? Und es wird sichtbar, dass Sicherheit offenbar nur für das kollektive ‚Wir‘ gilt – die Mehrheitsgesellschaft der deutschen Bürger*innen.

Sicherheit wird mit Zivilisation in Verbindung gesetzt, ein Moment, das verteidigt werden muss: „Europa ist eine Zivilisation. (…) [W]ir müssen sie schützen, weitergeben, verteidigen“ (Finkielkraut/Blume, Zeit, 26.11.2015). Hier wird deutlich, wie Anschläge, deren Täter*innen außerhalb der Mehrheitsgesellschaft verortet werden und die als Angriff auf ebendiese Mehrheitsgesellschaft verstanden werden, eine positive Fokussierung auf das ‚Eigene‘ zur Folge haben. Das gilt dann großenteils als nicht mehr kritisierbar. Dies wird explizit auch formuliert – so als ob es einen herrschenden Diskurs gäbe, der die Anschläge in den ‚eigenen‘ Fehlern oder den Widersprüchen der Gesellschaft suchen würde:

„Wir sind nicht verantwortlich für die Verbrechen dieser Fanatiker. Wir können im Westen nicht die Ursache für das Erwachen des Islamismus suchen, den zu bändigen wir deshalb nicht den Pazifisten überlassen können“ (Finkielkraut/Blume, Zeit, 26.11.2015).

Damit wird das ‚Eigene‘, auf das sich nur positiv bezogen wird, aus dem Fokus einer Kritik genommen, gesellschaftlich-soziale Bedingungen werden kaum mehr thematisiert. Ein gesellschaftlicher Wandel oder Fragen nach gesellschaftlicher Veränderung erscheinen als nicht notwendig.

Es werden auf zwei Ebenen Aufgaben für die Wieder-Herstellung von Sicherheit formuliert: Zum einen eine Aufgabe für die einzelnen Bürger*innen, eine bestimmte Haltung zu entwickeln, um mit Unsicherheiten umzugehen: „Nicht in die Paranoiafalle zu tappen ist die Aufgabe jedes Bürgers.“ (Böhm ua, Zeit, 19.11.2015) Zum anderen wird Sicherheit aber auch als Aufgabe des Staates formuliert. Sicherheit wird dabei meist mit einem umfassenden Wissen assoziiert: Stadtviertel, die als „Parallelgesellschaften“ identifiziert werden, müssten „durchleuchte[t] und (…) kontrollier[t]“ (Kohler, FAS, 15.11.2015), „Flüchtlinge (…) rasch und vollständig registriert“ (Böhm ua, Zeit, 19.11.2015), „Gefährder“ überwacht und observiert werden (Banse ua, WamS, 15.11.2015). Dabei wird meist konstatiert, dass die bisherigen Sicherheitsmaßnahmen nicht ausreichten bzw. Sicherheitsbehörden unterbesetzt seien. Es gibt also durchaus Stimmen in diesem Diskursstrang, die nach einer Versicherheitlichung der Gesellschaft und der Migration rufen. Dennoch: Auffällig ist, dass kein Konsens darüber besteht, dass absolute Sicherheit sich durch Maßnahmen des Staates herstellen ließe. Stattdessen gibt es vermehrt auch Stimmen, die feststellen, dass dies nicht möglich ist: „Die totale Sicherheit werde es nirgendwo geben.“ (Wöckener, WamS, 15.11.2015). Ein herrschender Konsens über Maßnahmen zur Versicherheitlichung der Gesellschaft und der Migration oder der „Einschränkung der Freiheiten (…), die es zu verteidigen gilt“ (Kohler, FAS, 15.11.2015) ist daher nicht festzustellen. Vielmehr scheint in meinem Analysematerial auf, wie umkämpft dieses Themenfeldes ist.

2.3. Rassistische Verstrickungen

Die diskursive Verbindung der Anschläge in Paris mit dem Flucht- und Einwanderungsdiskurs geschah im Untersuchungszeitraum teilweise sehr offen und teilweise ‚versteckt‘ durch eine selbstverständliche Thematisierung. Teilweise wurden diese Verbindungen aber auch kritisiert und offen abgelehnt. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sehr schnell klargestellt, dass sie keinem Generalverdacht gegenüber ‚Flüchtlingen‘ beipflichten wird (vgl. Neukirch 2015). Obwohl Aussagen in einem Diskurs nicht auf Einzelpersonen reduziert werden können, ist es eine interessante Feststellung, dass zumindest zwei von drei Chefredakteuren bzw. Herausgebern der untersuchten Medien, nämlich Berthold Kohler für die FAS und Stefan Aust für die WamS, sich aktiv an der diskursiven Herstellung einer Verbindung zwischen Flucht- und Einwanderungspolitik und den Anschlägen von Paris beteiligt haben. Josef Joffe für die Zeit kritisiert einen imaginierten gesellschaftlichen Konsens über gesellschaftliche und postkoloniale Macht- und Ungleichheitsstrukturen. Diese existieren für ihn nicht. Er stellt sich damit gegen eine umfassende, auch gesellschaftskritische Analyse der Ursachen von Radikalisierung. Insgesamt drückt sich darin ein gesellschaftlicher Rassismus aus, der sich dahinter versteckt, Kritik an politischen Entscheidungen in der Migrationspolitik zu üben.

Die medialen Reaktionen auf die Anschläge von Paris haben dagegen gezeigt, wie schnell versucht wurde, bei gesellschaftlichen Randgruppen die Verantwortung zu suchen. Letztlich wurden dieselben ‚Risiko‘-Subjekte wie nach dem 11.September 2001 konstruiert: Migrant*innen und Muslim*innen und Menschen, die als solche markiert werden. Damit fallen sie auf die Attentäter herein, indem deren Verständnis vom Islam verallgemeinert wird. Es kann festgehalten werden, dass im Jahr 2015, aber eigentlich auch schon mit dem Erstarken von Pegida Ende 2014, der Diskurs um Flucht und Einwanderung verstärkt in den Fokus gerückt wurde (vgl. Jäger 2015: 30). Mit der Gründung der Partei Alternative für Deutschland (AfD) im Februar 2013 und der Entstehung der politischen Bewegung der Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) ab Herbst 2014 hat sich das politische Diskursklima in Deutschland immer weiter in Richtung einer diskursiven und politischen Enthemmung verschoben (vgl. Vorländer/Herold/Schäller 2016: 146). Straßen und Plätze wurden massenhaft zu Orten der Artikulation rassistischer sowie medien- und systemkritischer Ressentiments: „[D]ie rassistische Mitte unserer Gesellschaft [tritt] aus den Wohnzimmern in die Öffentlichkeit und [artikuliert offen] ihre Meinung“ (Nattke/Gorskih 2015: 3). Die politischen Erfolge der AfD und der Aufstieg bzw. die Institutionalisierung von Pegida als Bewegung im Jahr 2015 haben sich gegenseitig verstärkt. In der Folge dieses politischen Klimas wurde vermehrt wieder von ‚geistiger Brandstiftung‘ gesprochen und kritisiert, rechte Parteien wie die AfD, aber auch politische Bewegungen wie Pegida, würden die Übergriffe auf Migrant*innen und Geflüchtete sowie ihre Unterkünfte befeuern. Dieser Zusammenhang ist kaum von der Hand zu weisen. Der Anstieg rechter Gewalt ist ohne die Veränderung des politischen Diskursklimas so nicht zu denken. Der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt stellt fest:

„Die Anzahl [rassistischer Angriffe] hat in den meisten Bundesländern bereits nach Ende des dritten Quartals diejenige aus 2014 bei Weitem überschritten. (…) Zunehmend werden Waffen, Sprengstoffe und Brandsätze eingesetzt. Täter_innen nehmen immer häufiger tödliche Verletzungen in Kauf. Auch Helfer_innen und Menschen die mit der Unterbringung von Geflüchteten befasst sind, Journalist_innen und Politiker_innen rücken in den Fokus, werden bedroht, diffamiert und angegriffen“ (VBRG 2015).

Trotz der hohen Anzahl und der Intensität der Gewalttaten und Anschläge wird in der Berichterstattung
darüber kaum einmal von Terrorismus gesprochen. ((Hier nur ein Beispiel: Im aufwendig  recherchierten Dossier der Zeit- und Zeit Online-Mitarbeiter*innen zu den Gewalttaten gegen Unterkünfte von Migrant*innen und Geflüchteten ist der Begriff ‚Terrorismus‘ nicht zu finden (vgl. Blickle u.a. 2015).)) Auch hat die wachsende rassistische Gewalt hat zu keiner breiten gesellschaftlichen Empörung geführt. Trotz der offensichtlich signifikant angestiegenen Gewalt gegen Migrant*innen, Geflüchtete oder Orte und Menschen, die als ‚muslimisch‘ gelten oder vorgestellt werden, wird dies in den Berichten über die polizeilichen Ermittlungen meist nicht als rassistische Gewalt dargestellt.  Rassistische Strukturen der Gesellschaft werden eher externalisiert und an den rechten Rand der Gesellschaft verschoben, um die Mehrheitsgesellschaft reinzuwaschen (vgl. u.a. Messerschmidt 2010: 45ff). Statt einem breiten gesellschaftlichen Aufschrei werden medial Ängste der Mehrheitsbevölkerung verhandelt, die sich auf ‚Überfremdung‘, ‚Kriminalität‘ oder ‚Terrorgefahr durch islamistische Anschläge‘ beziehen. Rassistische Gewalt wird so verharmlost und die Perspektiven Betroffener werden strukturell ausgeblendet.

Gleichzeitig wandten sich andere Teile der Gesellschaft unter dem Motto einer ‚Willkommenskultur‘ gegen diese Entwicklung. Es wirkte im Jahr 2015 zunächst so, als ob sich z.B. mit der ‚Refugees Welcome‘-Kampagne der BILD-Zeitung, aber auch durch andere mediale Entwicklungen (vgl. Jäger 2015: 30f) ein entspannterer Umgang der Medien mit Flucht und Einwanderung andeuteten würde. Im September hatte das Bild des toten Jungen Aylan Kurdi am Strand der Türkei weltweit für Entsetzen gesorgt und die Rolle europäischer Grenzpolitik neu in den Fokus gerückt. Die Öffnung der Grenzen für eine unbürokratischere und weniger behindernde Einreise für Geflüchtete und Migrant*innen Anfang September nach Deutschland löste große Diskussionen aus. Die Anschläge von Paris am 13. November kamen zu einem Zeitpunkt, als politisch bereits versucht wurde, die Flucht und Einwanderung nach Deutschland wieder zu begrenzen. Relativ rasch wurde schon am 24. Oktober das sogenannte ‚Asylpaket I‘ mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz verabschiedet. Dieses setzte im Wesentlichen auf  Abschottung und Ausgrenzung der Migrant*innen und Geflüchteten im und nach dem Asylverfahren (vgl. Pro Asyl 2015). Der darin getroffenen Einteilung von Menschen in verschiedene Kategorien liegt ein Denken zugrunde, das von Verwertbarkeit geprägt ist und Migrant*innen und Geflüchtete den Interessen des deutschen Arbeitsmarktes unterordnet. Diese „Idee einer ‚qualifizierten Zuwanderung‘ folgt (…) einer rassistischen Logik“ (Fedders 2016: 173). Gleichzeitig wird durch dieses staatliche Handeln Rassismus normalisiert, indem die Praxen, mit denen Geflüchtete und Migrant*innen behandelt werden, durch das Gewaltmonopol des Staates legitimiert und so scheinbar unangreifbar, selbstverständlich und ’normal‘ erscheinen (vgl. Jäger/Jäger 2007: 100ff).

Es lässt sich argumentieren, dass die Anschläge von Paris insbesondere konservativen Kräften in das Bild passten, dass sie sich von Flucht und Einwanderung als ‚gefährlich‘ machten. Ob bei einzelnen Autor*innen nun ein instrumentelles Verhältnis vorlag, sie also die Anschläge dazu nutzten, ihre Positionen zur Flucht- und Einwanderungspolitik (respektive gegenüber Migrant*innen und Geflüchteten) bzw. zur Sicherheitspolitik zu bekräftigen oder ob sie tatsächlich der Auffassung waren/sind, ein ‚hartes Gesicht‘ gegenüber Migrant*innen und Geflüchteten könne Anschläge wie den in Paris verhindern, ist Spekulation. Burcu Toğral Koca argumentiert in ihrer Dissertation über die Versicherheitlichung von Migration nach dem 11. September 2001, dass die damaligen Anschläge für einige politische Kräfte eine gute Gelegenheit waren, restriktive Regulierungen voranzubringen, die schon länger auf der politischen Agenda standen, aber von Öffentlichkeit und relevanten Gruppen abgelehnt wurden (zit. nach Toğral Koca 2013: 296). Meines Erachtens kann die mediale Reaktion, die ich in meinem Materialkorpus untersucht habe, ebenfalls als Versuch der Verschiebung des  gesellschaftlichen Klimas in Richtung einer größeren Skepsis oder Ablehnung gegenüber Migration, Flucht und Einwanderung gelesen werden. Der Diskurs um ‚Obergrenzen‘ für die Einwanderung nach Deutschland wurde schon seit dem Sommer 2015 geführt und insbesondere von der CSU als politische Forderung erhoben. Auch wenn Seehofer, der Parteivorsitzende der CSU, Söder für seine Bemerkung über die Anschläge in Paris rügte, forcierte er doch gleichzeitig einen Affront gegenüber der  Bundeskanzlerin Merkel und Parteivorsitzenden der CDU, die sich gegen ‚Obergrenzen‘ ausgesprochen hatte. Dadurch wird deutlich, dass eine zu offen formulierte Verbindung der Anschläge mit der Flucht- und Einwanderungspolitik nicht in allen konservativen Kreisen als ‚politisch sinnvoll‘ betrachtet wird, aber die Stoßrichtung beibehalten wird.

Es zeigt sich auch, dass es keine einheitliche Linie bei den Medien der ‚Mitte‘ gibt. Rechtskonservative Stimmen werden zwar lauter und können ihre kulturrassistischen Positionen teils auch ohne sie zu verbergen auf den Titelseiten artikulieren und diese so im Sagbarkeitsfeld normalisieren. Dies stützt (und wird gleichzeitig begünstigt) von den bestehenden gesellschaftlichen Privilegierungen deutscher und nicht-muslimischer Staatsbürger*innen. Aber die rassistischen Positionen bleiben nicht  unwidersprochen.

Direkt nach den Anschlägen von Paris konnte die Pegida-Bewegung in Dresden nicht mehr Teilnehmer*innen als sonst mobilisieren, ganz im Gegensatz zu den Anschlägen in Paris vom Januar 2015, wo mehr als 20.000 Menschen demonstrierten. Es wurden zeitnah auch keine präventiven Sicherheitsmaßnahmen verabschiedet. Die Reaktionen nach dem Angriff auf Reisende in einer Regionalbahn in Bayern und dem Anschlag in Ansbach im Sommer 2016 sind da schon eindeutiger. Im ‚Neun-Punkte-Plan‘ für mehr Sicherheit hatte Bundeskanzlerin Merkel neben einer Verschärfung des Waffenrechts, besserer Datenvernetzung, dem Ausbau von Präventionsprogrammen und einem „Frühwarnsystem“ zur Erkennung von Radikalisierung auch mehr „Anstrengungen zur Rückführung von Flüchtlingen in ihre Herkunftsländer“ (tagesschau 2016) gefordert. Auch wenn nach den Anschlägen von Paris keine direkten politischen Folgen in Form von Gesetzen in Deutschland sichtbar wurden, so hat sich bereits damals angedeutet, dass Zusammenhänge gesetzt wurden, die einer Versicherheitlichung von Migration in die Hände spielen.

Im Diskurs der ‚Mitte‘ um die Anschläge in Paris artikuliert sich auch der Deutungskampf um die Flucht- und Einwanderungspolitik, der verstärkt schon seit dem Sommer 2015 in Deutschland geführt wurde und auch weiterhin geführt wird. Migration und die Folgen für die Einwanderungsgesellschaft wird dabei zu einem großen Teil nicht begriffen als eine soziale Perspektive oder Chance, sondern unter den Vorzeichen der Gefährdung von Sicherheit (Einwanderung von potenziellen Terroristen des Daesh) und Stabilität (der inneren politischen und ökonomischen Verfasstheit des Staates) gedacht. Meine These, dass in den Argumentationen des untersuchten Diskursausschnittes Ausschlüsse reproduziert werden, die strukturell rassistisch sind, hat sich bestätigt, zumindest für einen großen Teil der Aussagen des Diskurses. Dabei werden Menschen, die auf der Suche nach Schutz oder einem besseren Leben sind, als potenzielle Terroristen oder als Gefährder konstruiert. Wenn Migrant*innen und Geflüchtete zu einem Großteil im Kontext von Terrorismus, Gewalt und politischer Instabilität thematisiert werden, lässt sich von einer einseitigen Darstellung sprechen. Auch wenn keine Kausalbeziehung unterstellt werden kann, so ist doch klar, dass das negative Zerrbild Wirkungen zeigt.

Gleichzeitig bleibt die rassistische Verfasstheit der Gesellschaft eine Leerstelle im Diskurs der ‚Mitte‘. Der Anstieg rassistischer Gewalt und die Normalisierung rassistischer und rechtspopulistischer Positionen durch Pegida, AfD & Co weisen darauf hin, dass Diskurse nicht aus dem Nichts kommen, sondern korrelieren mit den gesamtgesellschaftlichen Hintergründen. Effekte und Ziele einer solchen Thematisierung sind die Festigung der herrschenden Ansprüche der Mehrheitsgesellschaft und die Stärkung des Selbstbildes über die Abgrenzung nach ‚Außen‘. Die Medien und insbesondere auch der ‚Qualität sjournalismus‘ tragen bei der Reproduktion von rassistischen Strukturen Verantwortung. Gerade weil sie für ’seriös‘ gehalten werden, wird ihre Darstellung seltener hinterfragt. Der mediale Diskurs hat einen immensen Einfluss auf andere Diskursebenen. Es ist wichtig, dass Medienschaffende ihre Rolle bei der Reproduktion von Stereotypen und rassistischen Ausschlüssen reflektieren und sich die Effekte ihres Handelns bewusst machen.

Weitere diskursive Ereignisse nach den Anschlägen von Paris im November haben zum Ausdruck gebracht, dass dabei auf die bereits gesetzte Verbindung von ‚Flüchtlingen‘ und Sicherheit bzw. Terrorismus zurückgegriffen werden konnte. Nach der Silvesternacht 2015/2016, in der massenhaft sexualisierte Übergriffe stattfanden, wurde durch die Ethnisierung von Sexismus nahegelegt, dass eine Abschottung nach ‚Außen‘ in Form der Verschärfung von Asyl- und Migrationsgesetzen dazu beitragen könne, sexualisierte Gewalt in Deutschland einzuschränken. Und spätestens nach dem Anschlag in Ansbach wurden Verschärfungen von Abschiebungen als Mittel propagiert, islamistisch motivierte Anschläge zu verhindern und damit einem Generalverdacht gegenüber Migrant*innen und Geflüchteten Vorschub geleistet. Natürlich ist eine Auseinandersetzung mit den Ursachen von Terrorismus und Radikalisierung wichtig. Wenn man das allerdings ernst nehmen will, bedeutet es mehr, als relevante Bezugspersonen und -gruppen aufzufordern, aktiv zu werden. Es heißt eben auch, die ‚eigene‘ Gesellschaft und deren politische Verfasstheit in Frage zu stellen und zu reflektieren, warum ein gutes Leben hier für viele Menschen nicht möglich zu sein scheint.

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Zitierte Artikel aus dem Dossier

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Alsoliman, Nour: Für alle bin ich nur ein Flüchtling, Die Zeit, 19.11.2015.
Aust, Stefan: Dies ist kein Terrorismus mehr, das ist Krieg, Welt am Sonntag, 15.11.2015.
Banse, Dirk/Bewarder, Manuel/Büscher, Wolfgang/Flade, Florian: Erreicht der Terror jetzt Deutschland, Welt am Sonntag, 15.11.2015.
Baumanns, Markus/Litta, Sebastian: Jetzt erst recht!, Die Zeit, 19.11.2015.
Bierhoff, Oliver: Vernunft ist stärker als Gefühl, Die Zeit, 19.11.2015.
Böhm, Andrea u.a.: Aushungern, austrocknen, aushalten, Die Zeit, 19.11.2015.
Büscher, Wolfgang: ‚Terroristen? Monsieur, ich bitte Sie!‘, Welt am Sonntag, 22.11.2015.
Buschkowsky, Heinz: ‚Schickt junge, hungrige Lehrer!‘, Die Zeit, 26.11.2015.
Döpfner, Mathias: Die Botschaft von Paris, Welt am Sonntag, 15.11.2015.
Finkielkraut, Alain/Blume, Georg: Ich habe Angst vor Merkels Gesinnungsethik, Die Zeit, 26.11.2015.
Frey, Andreas: Schäubles Gespür für Schnee, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 15.11.2015.
Geis, Matthias/Hildebrandt, Tina: Unbeirrt und ratlos, Die Zeit, 19.11.2015.
Hank, Rainer: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung,
15.11.2015.
Hermann, Rainer: Kriegsgebiet, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 15.11.2015.
Herzinger, Richard: Ruhig bleiben reicht nicht, Welt am Sonntag, 22.11.2015.
Hummel, Katrin/Schmidt, Lucia/Wiebking, Jennifer: Die Stille in den Straßen der Stadt, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 15.11.2015.
Joffe, Josef: Die Terror-Falle, Die Zeit, 26.11.2015.
Kohler, Berthold: Weltkrieg, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 15.11.2015.
Krüger, Karen: Generation Dschihad, FAS, 22.11.2015.
Krupa, Matthias: Belgiens Albtraum, Die Zeit, 26.11.2015.
Maak, Niklas: Gefahrenlage. Was sagen uns die Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte?, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.11.2015.
Mansour, Ahmad/Freidel, Morten: ‚Wir müssen Verantwortung für dieses Ungeheuer übernehmen‘,
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.11.2015.
Martens, Michael: Exilarmee, FAS, 22.11.2015.
Peters, Freia: Unter Verdacht, Welt am Sonntag, 22.11.2015.
Schuster, Jacques: Krude Weltsicht, Welt am Sonntag, 22.11.2015.
Siemons, Mark: Die wunde Stelle, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.11.2015.
Söder, Markus: ‚Angela Merkel soll Fehler einräumen‘, Welt am Sonntag, 15.11.2015.
Ulrich, Bernd: Das Ende der Arroganz, Die Zeit, 19.11.2015.
Welt am Sonntag: Krieg und Frieden, Welt am Sonntag, 22.11.2015.
Wöckener, Lutz: Risiko EM 2016, Welt am Sonntag, 15.11.2015.