Eine Rezension von Michael Lausberg, erschienen im DISS-Journal 29 (2015)
Wie sind die rasanten Wahlerfolge der „Alternative für Deutschland“ (AfD) zu erklären? Wer sind ihre Hauptakteure und was sind deren Ziele? Kann die AfD die politische Landschaft in der BRD nachhaltig verändern? Sebastian Friedrich hat sich in seinem Buch mit diesen und anderen Fragen beschäftigt – Michael Lausberg hat’s gelesen. [Red.]
Der Publizist Sebastian Friedrich legt ein kompaktes, thesenartiges Werk über die Alternative für Deutschland (AfD) vor, wofür er unter anderem ehemalige AfD-Mitglieder interviewte.
Mit dem Gründungsparteitag der AfD Mitte April 2013 in Berlin, das ein „Bündnis aus National-Neoliberalen und Rechtskonservativen“ darstelle, sollte die Lücke zwischen CDU und FDP auf der einen und der NPD auf der anderen Seite geschlossen werden (32). In den darauf folgenden Monaten bildete sich zudem ein starker rechter Flügel innerhalb der Partei. Die AfD knüpfte inhaltlich und personell vor allem an den „Bund freier Bürger“ an. Kurz nach der AfD-Gründung entwickelte sich die Junge Freiheit als deren publizistisches Unterstützungsorgan.
Der AfD gelang es innerhalb kurzer Zeit, die Parteienlandschaft in der BRD erheblich zu verändern. Bei der Bundestagswahl im September 2013 scheiterte sie mit 4,7% noch knapp an der 5%-Hürde, während sie bei den Europawahlen im Mai 2014 7% der Stimmen erhielt. Bei den Landtagswahlen im Spätsommer 2014 in Sachsen (knapp 10%), in Thüringen (10,6%) und Brandenburg (mehr als 12%) erzielte die AfD einen nicht erwarteten Zuspruch, der den bundespolitischen Durchbruch bedeutete. Bei allen Wahlen schaffte es die AfD, Stimmen aus allen politischen Spektren zu bekommen. Einer Umfrage des Forsa-Instituts nach kamen die Anhänger der AfD überwiegend aus der Mittelschicht (53%) und Oberschicht (26%), deren Grundhaltung von „Entsolidarisierung, Rassismus und Wohlstandschauvinismus, von Ungleichheits- und Wettberwerbsideologien“ geprägt seien (89). Verbindungen von AfD-Mitgliedern zur extrem rechten Szene und geschichtsrevisionistische sowie rassistische Äußerungen einiger von ihnen machten Schlagzeilen. So behauptete ein AfD-Mitglied gar, dass die Gaskammern von Dachau nachträglich von den Alliierten eingebaut worden seien. (60)
Laut Friedrich besteht die AfD aus verschiedenen Strömungen, die in der Partei um die hegemoniale Stellung kämpfen. Er nennt dabei einen „nationalpopulistisch(en)“, „rechtspo-pulistisch(en)“, „rechtskonservativ(en)“, „nationalkonservativ(en) und einen „neo-liberal(en)“ Flügel, die vom Vorsitzenden Bernd Lucke mühsam zusammengehalten würden. (97) Im Vergleich zur Gründung der Partei bis zur Situation Ende 2014 zeige sich, dass sich die AfD deutlich nach rechts bewegt hätte: „Aus der einst national-neoliberal-rechtskonservativen Partei mit einem liberalen Flügel wurde ein rechtes Sammlungsprojekt, in das auch ein immer mächtiger werdender Rechtsaußen-Flügel eingebunden ist. Liberale haben die Partei mittlerweile fast vollständig verlassen.“ (64) Friedrich versteht die AfD als parlamentarischen Arm einer breiten rechten Bewegung mit dem Ziel, rechtskonservative Wertvorstellungen wiederherzustellen und den herrschenden radikalutilitaristischen Neoliberalismus in einem nationalen Sinne weiter auszubauen.
Wenn alle Flügel der AfD erhalten bleiben würden, sieht Friedrich „gute Chancen“, dass sich die Partei im Politbetrieb der BRD etablieren würde. Er hält es für „geradezu falsch, wenn in der Existenz von rivalisierenden Flügeln die größte Gefahr für die Partei gesehen wird.“ (105) Die Bekämpfung von „Kriminalität“, die Ablehnung bzw. verstärkte Kontrolle von Einwanderung sowie die Anlehnung an die heterosexuelle Kleinfamilie als Normalität sieht Friedrich als bedeutendste Politikfelder der AfD in den nächsten Jahren an. Die Bedeutung der nationalistischen Agitation gegen die EU schätzt er hingegen nicht so hoch ein: „Die rechte Kritik an der EU wird wohl erst einmal in den Hintergrund treten, kann allerdings jederzeit reaktiviert werden, falls die politische Agenda dies erfordert.“ (106 f.)
Friedrich charakterisiert die AfD als Teil eines „neokonservativen Hegemonieprojekts“. (101) Diese Einordnung der AfD als „neokonservativ“ begründet Friedrich folgendermaßen: „Dieser Begriff des Neokonservatismus ermöglicht es, die beiden zentralen Dimensionen der AfD einzufangen. Ökonomisch wird eine stärker an den deutschen Interessen ausgerichteten Spielart des Neoliberalismus gefordert. Moralisch sollen die gesellschaftlichen Modernisierungen rückgängig gemacht werden.“ (102) Diese Einschätzung ist ein wenig euphemistisch, da die antidemokratischen, migrationsfeindlichen, antimuslimischen und antiziganistischen Strömungen innerhalb der Partei in den Hintergrund rücken. Die AfD lässt sich eher als rechte Sammlungsbewegung rechts von der CDU und FDP und links von der NPD beschreiben, in der verschiedene Strömungen um die hegemoniale Grundausrichtung streiten. Viele extrem rechte Personen haben sich der AfD angeschlossen und versuchen, den politischen Diskurs innerhalb der Partei sukzessive nach rechts zu verschieben.
Friedrich geht leider nicht auf die Reaktion von Seiten des neonazistischen Lagers (NPD, Die Rechte) auf die neue Konkurrenz ein. Es fehlt auch eine Auseinandersetzung mit einer möglichen Koalition zwischen AfD und CDU/CSU bzw. FDP.
Trotz dieser Einwände kann das Buch als Lektüre empfohlen werden. Der inhaltliche Aufbau, die Gliederung und die thesenartige Zusammenfassung sind gelungen, so dass sich das Buch als Einstiegsliteratur in dieses noch nicht stark erforschte Thema eignet.
Sebastian Friedrich
„Der Aufstieg der AfD“
Neokonservative Mobilmachung in Deutschland
Verlag Bertz+Fischer
Berlin 2015, 109 Seiten
Dr. Michael Lausberg ist Mitarbeiter des DISS.