Moscheen in Deutschland. Von Dirk Halm. Erschienen in DISS-Journal 16 (2007)
Der Neubau von repräsentativen Moscheen ist immer wieder Anlass für symbolfixierte Auseinandersetzungen um die Integration des Islams in Deutschland, die in der Regel kaum einen Verständigungsbeitrag zu leisten vermögen.
Bundesweite Aufmerksamkeit zieht momentan die DITIB-Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld auf sich, aber auch Bürgerproteste gegen Moscheebauten in München- Sendling und Berlin-Heinersdorf sorgten ungefähr zur selben Zeit für überregionale Aufmerksamkeit. Bisher ist aber zu konstatieren, dass in der Vergangenheit das Sichtbarwerden der Muslime im öffentlichen Raum unter vergleichbaren Protesten deutscher Bürger begannen – so etwa in Duisburg-Hochfeld 1997 – man aber in der Zwischenzeit in der Regel zumindest zu einem konfliktfreien, oft auch zu einem fruchtbaren Zusammenleben in gegenseitigem Austausch gefunden hat. Auffällig ist am Fall Köln-Ehrenfeld wie bei der Auseinandersetzung um den Muezzin-Ruf in Duisburg-Hochfeld zehn Jahre zuvor, dass der Protest von Außen angefacht und gesteuert wurde – durch die rechtspopulistische Initiative „Pro Köln“ bzw. durch einen evangelischen Pfarrer. Im tatsächlichen Kontakt vor Ort normalisiert sich das Zusammenleben in aller Regel nach einiger Zeit und es kann sogar gelingen, gegenüber von Außen in die Nachbarschaften getragenen Konflikten äußerst resistente Netzwerke aufzubauen.
Der Einfluss der Muslime auf den Islamdiskurs in Deutschland bleibt aber gerade im Kontext der Diskussionen um Moscheebauten eher reaktiv. Obwohl manche aufnahmegesellschaftlichen Akteure vielleicht sogar glauben, mit der durch sie ausgeübten Kritik sowie dem ausgeübten Rechtfertigungsdruck reformatorische Ansätze des Islams in der Migration zu fördern, steht die Nachhaltigkeit dieser Wirkungen doch stark in Frage, da die entsprechenden Diskurse eben stark von der Aufnahmegesellschaft definiert werden und damit weit neben der Sache liegen können.
Ein gutes Beispiel für einen solchen Diskurs ist etwa die Forderung Günter Wallraffs, in der Kölner DITIB-Zentralmoschee aus Salman Rushdies „Satanischen Versen“ lesen zu lassen, um dadurch die Pluralität, Toleranz und Demokratieverbundenheit des Islams in Richtung Muslimen und Aufnahmegesellschaft zu repräsentieren – und dies noch als Reaktion auf eine Situation, in der rechtspopulistisch gesteuerter Bürgerprotest den genehmigten Neubau der DITIB-Zentralmoschee und damit auch die Religionsfreiheit in Deutschland in Frage gestellt hatte. Dass der DITIB-Theologe Bekir Alboga diesem Ansinnen in einer öffentlichen Reaktion positiv gegenüberstand, wirft ein Schlaglicht auf das enorme Druckpotential des Negativdiskures über den Islam auf die Muslime und ihre Organisationen. Tatsächlich impliziert Wallraffs Vorschlag wohl doch eher, dass eine Ablehnung von Rushdies Buch, bzw. die Ablehnung, in einer Moschee daraus zu lesen, gleichbedeutend mit einer Unterstützung der Fatwa gegen den Autor ist. Dabei geht es darum gar nicht: So wenig, wie katholische Christen die Aufführung von Martin Scorseses „Letzte Versuchung Christi“ in einer Kirche gutheißen würden, so wenig sollten Muslime über die von Wallraff vorgeschlagene Lesung erbaut sein dürfen.
All dies zeigt, wie subtil die Debatten verlaufen. Die Muslime erweisen sich dem nicht als gewachsen. Stattdessen werden nicht selten taktisch motivierte Gegendiskurse etabliert, die ein Bild der Aufnahmegesellschaft als generell islamophob entwerfen und damit, unter Rückgriff auf den Diskurs der „Political Correctness“ und flankiert von Teilen der deutschen Soziologie, eine Positionsverbesserung im Diskurs um die politische Integration des Islams ermöglichen sollen. In der machtpolitischen Auseinandersetzung etwa um die Frage der Anerkennung muslimischer Gemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts bleiben die Muslime damit aber insgesamt schlecht aufgestellt, und sie treffen zusätzlich auf zwei christliche Kirchen, die im Wettbewerb um knappe Ressourcen theologische und organisatorische Defizite des Islams in Deutschland mal subtil, mal explizit in die öffentliche Debatte einspeisen. Es gilt für die Muslime mithin nicht zuletzt, die zentrale Rolle von professioneller Medien- und Öffentlichkeitsarbeit für eine Verbesserung ihrer Position zu erkennen.