Versuch über das Judentum. Eine Rezension von Siegfried Jäger. Erschienen in DISS-Journal 12 (2004)
Lévinas gilt als der bedeutendste jüdische Religionsphilosoph der Gegenwart. Sein Werk fordert einen extremen Humanismus ein und damit eine sich selbst verpflichtende Hinwendung zum anderen Menschen. Auf diesem Hintergrund erfolgen seine Besinnungen auf die Ursprünge des Judentums und seine Reflexionen über den Nationalsozialismus. Mit seinen Aufsätzen und Essays zum Thema „Schwierige Freiheit. Versuch über das Judentum“ liegt eine Vielzahl von Versuchen über jüdisches leben und Denken im 20. Jahrhundert vor, deren Lektüre Leserinnen, die sich bisher nicht oder nur am Rande mit jüdischem Denken befasst haben, nicht ohne weiteres einleuchten wird. Gibt es bei Lévinas nun einen Gott, oder gibt es ihn nicht? Heiliges und Göttliches und Menschliches zusammenzudenken, als Einheit zu betrachten, ist uns zumeist christlich sozialisierten Menschen nicht an der Wiege gesungen worden. Entweder glauben wir an Gott oder wir tun dies nicht. Im Anderen die Vorraussetzung der Existenz seiner selbst zu sehen, wenn man dies nicht banal als Notwendigkeit allen Sozialen versteht, und dies als Bedingung jeder Ethik anzusehen und zugleich als heilig, das ist ein Gedanke, der uns völlig abstrus erscheinen mag. Doch möge das folgende Zitat dazu dienen, über Lévinas „Religion“ intensiver nachzudenken: „Der Umgang mit den Seienden, der mit dem ‘Du sollst nicht töten’ beginnt, entspricht nicht dem Schema unserer gewöhnlichen Beziehungen zur Welt: Subjekt, das seinen Gegenstand wie eine Nahrung erkennt oder absorbiert, Bedürfnis, das befriedigt wird. Er kehrt nicht zum Ausgangspunkt zurück, indem er sich in Zufriedenheit, Selbstgenuß, Selbsterkenntnis verwandelt. Er leitet den Beginn des geistigen Weges des Menschen ein. Eine Religion für uns kann auf keinem anderen Weg liegen.“
Emanuel Lévinas
Schwierige Freiheit
Versuch über das Judentum
1996 Frankfurt/M.: Jüdischer Verlag, 2. Auflage
ISBN 3-633-54062-8
185 Seiten, 18,80 €