Professionalität im Wirtschafts- und Finanzteil der FAZ. Von Björn Carius. Erschienen in DISS-Journal 11 (2003) (= Gemeinsames Sonderheft des DISS-Journals und der kultuRRevolution zum Irak-Krieg).
Wie wirk(t)en sich die Haltungen der kriegsführenden Koalition einerseits und der Regierungen des »Old Europe« (Donald Rumsfeld) andererseits kurzfristig auf das Leben von ZivilistInnen im Irak aus? Der Krieg kostete zahlreichen ZivilistInnen und SoldatInnen das Leben. Legitimiert wurde er u. a. mit dem Vorhaben, eine Demokratisierung der irakischen Gesellschaft einzuleiten. Dass solche Erwägungen im Wirtschafts- und Finanzteil etwa der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, des amtlichen Publikationsorgans der deutschen Börsen, von allenfalls nachrangiger Bedeutung sind, lässt sich keineswegs allein für die Berichterstattung im Zusammenhang mit militärischen Einsätzen feststellen, wird darin jedoch besonders augenfällig.
Laien spüren emotionale Widerstände
Zur Zeit des Zweiten Golfkrieges, am 16.03.1991, zitierte die FAZ den Ökonomen Herbert Giersch, demzufolge es »emotionale Widerstände gegen die Moral der Märkte abzubauen« gelte. »Moral der Märkte«? Nein, wusste die SZ bereits am 18.01. jenen Jahres, so etwas gibt es wahrlich nicht:
»Ein Krieg bricht aus und die Märkte haussieren. Wie passt das zusammen? Widerspricht es nicht aller Vernunft? Nein – es ist ein Zeichen dafür, dass die Märkte, aus ihrer Sicht, rational handeln. […] Eine solche Rückkehr zur kühlen Kalkulation ist, während zugleich Bomben vom Himmel regnen und Tausende von Menschen sterben, auch ein makabres Schauspiel. Aber wer wüsste nicht, dass Börsen, ja Märkte schlechthin, keine moralischen Veranstaltungen sind!«
Nun hat, so scheint es, auch die FAZ die Rationalität eingeholt. Zwar streicht Claus Tigges am 19.03. noch einmal heraus, der Anstieg des Dollar im Zuge der »Kriegsdrohung von Präsident George Bush gegen Saddam Hussein« dürfe »nicht als Freude über den nun unmittelbar bevorstehenden Militärschlag missverstanden werden«, vielmehr sei er »Ausdruck einer gewissen Erleichterung darüber, dass nach monatelangem Hin und Her nun endlich Klarheit über den Kurs in den kommenden Wochen besteht.« Doch bereits fünf Tage darauf vermeldet Heiko Thieme in seiner Kolumne Brief aus Wall Street unter Verzicht auf derlei Versicherungen einen »[e]indrucksvolle[n] Aufschwung im Krieg« – gemeint ist der größte Anstieg des Dow-Jones-Index in den letzten zwanzig Jahren. »Auch wenn Laien eine Gänsehaut bekommen, entspricht die Feststellung, dass ein Krieg gut für die Börse ist, der Realität.« (24.03.). Richtig gut ist er aber nur, wenn er nach Plan verläuft. So titelt die FAZ am 26.03., also zum Ende der ersten Kriegswoche: »Die Unsicherheit kehrt zurück«. Der Grund: »Die anfängliche Hoffnung auf einen ›Blitzsieg‹ ist seit Wochenbeginn in Ernüchterung umgeschlagen.« Doch letztlich wendet sich die Situation zum Guten – am 08.04.2003 kann die FAZ vermelden: »Märkte feiern Erfolge der Alliierten im Irak«. Mehr oder minder gut unterrichteten Quellen zufolge tanzten sie schweißgebadet auf den Tischen.
Unterdessen liefen schon die Vorbereitungen für den Wiederaufbau, welche bereits vor dem Abriss begonnen worden waren. Mehr als eine Woche vor Kriegsbeginn und immerhin eine knappe Woche vor dem Ultimatum der US-Regierung wusste die FAZ: »Amerika bereitet schon den Wiederaufbau des Irak vor« (11.03.2003). Gut zwei Wochen später nimmt das Vorhaben bereits konkrete Gestalt an: »Unternehmen buhlen schon um Aufträge für den Wiederaufbau des Irak« (26.03.2003). Der Untertitel verrät den LeserInnen, wer im Irak einen Fuß in die Tür bekommen möchte: »Britische Industrievertreter bringen sich in Washington ins Gespräch / Erste Aufträge vergeben / Auch Frankreich hofft«. Auch Frankreich hofft! Und Deutschland? Leidet. »Nur ein rasches Kriegsende kann die deutsche Konjunktur noch retten« (19.03.2003). Sollte das schnelle Kriegsende neben dem »Zukunftsvertrauen der Konsumenten und Investoren« (ebd.) auch noch einigen Menschen das Leben gerettet haben, geht das wohl auch in Ordnung. Ehrlich.