Siegfried Jäger rezensiert das Buch von Johannes Klotz und Gerd Wiegel. Erschienen in DISS-Journal 8 (2001)
Ein Buch gegen die Schlußstrichpolitik, wie sie neuestens massiv wieder im SPIEGEL niederkommt. Anhand der Friedenspreisrede Martin Walsers und der Reaktionen darauf und der Aussagen und Auslassungen Rudolf Augsteins zu den Juden wird der Versuch gemacht, den „Normalisierern“ argumentativ Paroli zu bieten.
Wie schwer das inzwischen ist, zeigen ausgewählte Zitate im Vorspann: Klaus von Dohnanyi am 26. Mai 2000: „…12 Jahre NaziTerror, so tragisch und verbrecherisch sie waren, sind nicht die zentrale Achse der deutschen Geschichte.“ Gerhard Schröder am 4. Februar 2000: „Uns steht das Argument ›Wegen der deutschen Geschichte geht es nicht‹ nicht mehr zur Verfügung.“
Und man könnte aus dem SPIEGEL vom 7.5.01 hinzufügen: Bernhard Schlink, Professor für Öffentliches Recht und Romanautor: „Was beim Wunsch der jungen Generation, stolz darauf zu sein, deutsch zu sein, stimmt, ist das Bedürfnis nach einer Biographie, die ein stimmiges Selbstbewußtsein und ein stimmiges Verhältnis zu den anderen trägt. Für die junge Generation kann die Vergangenheit des Dritten Reiches und des Holocaust nicht mehr die Gegenwart sein, die sie für meine Generation ist, und wenn die Vergangenheit von ihr nicht abgetan werden soll, muß sie für sie in der Geschichte aufgehoben werden.“ Da wird sich Lorenz Meyer aber freuen und erst recht die jungen Nazis, deren KernParole zum Schlagwort der Mitte avanciert ist. Klotz, Wiegel und ihren CoAutoren Kai Köhler, Wulf D. Hund und Thomas Gondermann (und nicht nur diesen) steht also noch viel Arbeit bevor.
Johannes Klotz / Gerd Wiegel (Hg.):
Geistige Brandstiftung.
Die neue Sprache der Berliner Republik,
Berlin 2001: Aufbau, 16,90 DM