Wie das Klonen von Menschen in den Medien zur Normalität wird. Von Dorothee Obermann, erschienen in DISS-Journal 2 (1998)
„Sie würden sie für eineiige Zwillinge halten“, fuhr Jeannie fort, „und sie haben ja auch tatsächlich eine identische DNS, aber alle acht wurden von verschiedenen Müttern geboren! Ich beschäftige mich schon seit längerem mit Zwillingsforschung. Als ich bei meiner Arbeit auf Zwillinge stieß, die nicht die gleiche Mutter hatten, konnte ich mir zunächst überhaupt keinen Reim darauf machen. Ich ging der Sache nach und kam dann dieser schändlichen Geschichte auf die Spur.“
Eine Szene aus Ken Folletts Thriller „Der dritte Zwilling“. Jeannie, eine Wissenschaftlerin, entlarvt darin eine Gentechnologiefirma, die Menschen klont. Was Follett noch als Science-fiction präsentiert, rückt näher: In den Medien wird die bisher noch ablehnende Haltung gegen das Klonen langsam aufgeweicht. Klonierte Menschen werden allmählich in das Alltagsbild eines jeden eingefügt.
Mit dem Klon-Schaf „Dolly“ verkündeten im Februar `97 nach längerer Geheimhaltepolitik Wissenschaftler um den Embryologen Ian Wilmut in Roslin, daß sie aus einer einfachen Körperzelle eines erwachsenen Schafes einen identischen lebensfähigen Nachkommen erzeugt haben. Die Methode sei auch auf den Menschen anwendbar. Das Roslin Institut beantragte das Patent dieser Klonierungstechnik beim Menschen. „Dolly“ löste eines der gewaltigsten Medienechos in der Geschichte der Gentechnik aus. Nach anfänglichen Horrormeldungen über geklonte Schönheitsköniginnen und Diktatoren änderte sich die Berichterstattung: Nun erschienen Beiträge, die sich bemühten, die Angst der Bevölkerung vor einer geklonten Zukunft abzubauen. Einige der als Experten zitierten Molekularbiologen betonen in ihren Beschwichtigungsversuchen immer wieder die „Natürlichkeit“ des Klonens. So ist Klonen nach Ansicht von Jens Reich „keine faustische Phantasmagorie, sondern eine weitverbreitete Form der spontanen Vermehrung von Lebewesen“ (DIE ZEIT, 07.03.1997).
Als Beleg werden in der Regel eineiige Zwillinge angeführt – womit sich die Argumentation den von Forschern geklonten Menschen zuwendet. €hnlich eineiigen Zwillingen seien Klon und Spender einfach zwei Menschen mit identischem Erbgut, die statt der Laune der Natur der Schöpfungslust der Wissenschaft entsprungen seien. Ein doppeltes Lottchen löse zwar in seiner Umwelt immer ein wenig erstaunte Neugier aus, aber niemand fürchte sich. Der Vergleich mit Zwillingen suggeriert den LeserInnen, daß sie auch vor Klonmenschen und damit vor dem Klonieren keine Angst haben müssen. Nicolai Schirawski bringt es auf den Punkt : „Klone sind genauso normale Menschen wie Zwillinge“ (Peter-Moosleitners-Magazin 7/1997). Diese Diskussion ist fatal, weil „Natürlichkeit“ zwar vordergründig als gesellschaftliche Norm gesetzt, letztendlich aber instrumentalisiert wird, um einen technisch-künstlichen Prozeß als natürlich zu deklarieren und entsprechend in den Diskurs einzuschleusen. Die Zauberformel für gesellschaftliche Akzeptanz lautet dann: Klonen ist natürlich, das heißt „normal“ und somit legitim.
Tatsächlich beinhaltet der Prozeß dieser künstlichen Schöpfung jedoch immer die Möglichkeit der Manipulation und Selektion. Klaus Haefner preist die Klonierung bereits als Möglichkeit, Kosten im Gesundheitsbereich zu reduzieren: „Da sich praktisch niemand ein krankes Kind wünscht, wird eines der ersten Kriterien für die Auswahl eines zu klonierenden Individuums `gute Gesundheit‘ sein“ (FR 3.4.1997). Haefner fokussiert hier die Züchtung von „gesunden Menschen“ – die Grenzen zwischen Thriller und Realität verwischen mehr und mehr. 22 prominente Wissenschaftler aus aller Welt haben bereits die „Erklärung zur Verteidigung der Klonierung und der Integrität wissenschaftlicher Forschung“ (Volume 17, Free Inquiry Magazine Number 3, 1998) unterschrieben. Darin heißt es: „Wir sehen weder inhärente ethische Dilemmas, höhere nicht menschliche Tiere zu klonen. Noch ist es für uns klar, daß zukünftige Entwicklungen des Klonens von menschlichem Gewebe oder selbst des Menschen moralische Probleme schaffen, die von der Vernunft nicht gelöst werden können“. Ethisch-moralische Bedenken werden so der scheinbaren „Rationalität“ der (Natur-)Wissenschaft unterworfen und aus der Welt geschafft. In Ken Folletts Thriller gelten die Klone übrigens als Idealmenschen, denn sie sind „gesund, aggressiv, intelligent und blond“.