Wie die Rechten die Hamburger Senatswahl beurteilen. Von Helmut Kellershohn, erschienen in DISS-Journal 1 (1998)
Nach der Wahl in Hamburg hat angesichts der Ergebnisse auch im rechtsextremen Lager das Nachdenken über die weiteren Perspektiven begonnen.
Die Republikaner hatten die Focussierung des Hamburger Wahlkampfs auf das Thema Innere Sicherheit mit zwiespältigen Gefühlen aufgenommen. Die Ansprache des Vorsitzenden Schlierer in der Septemberausgabe der Parteizeitung zeigt das Dilemma: „Jetzt übernehmen dieselben Politiker, die uns bislang als Extremisten diffamiert haben, kurz vor der Wahl die Forderungen der Republikaner. Um anschließend im alten Trott weiterzumachen.“ Schlierer pochte vergeblich gegenüber dem gewöhnlichen Extremismus der Mitte darauf, daß man doch alles schon früher gewußt habe und daher das Original sei, dem der Wähler bitte schön sein Vertrauen zu schenken habe.
Nach dem Desaster (1,9%) wird die Parole „Wir sind das Original“ trotzig wiederholt. Ansonsten sucht man das Problem bei den Medien: „Von all dem, was die Republikaner (in Baden-Württemberg) schon heute bewegen“, schreibt Christian Kläs bereits ahnungsvoll vor der Wahl, „hört man im Norden sicher wenig“; oder man verweist auf die „Spalter“ im eigenen, dem patriotischen Lager, insbesondere auf die DVU, dem „kleinen“ Wahlsieger (4,9%), und auf den Bund freier Bürger (1,3%), die beide in einer wahren „Materialschlacht“ die Wähler traktiert hätten. Da wird über die ominösen Millionen der Herren Frey und Brunner spekuliert, die Selbstherrlichkeit und politische Unzuverlässigkeit Freys beklagt und Brunner als „heimlicher Helfer der CDU“ beschimpft. Und schließlich hätten die größten Schreier von der DVU („kilometerlange Straßenzüge voll von DVU-Plakaten, Litfaßsäulen, Flugzeuge und riesige Plakatwände“) den Fast-Erfolg davongetragen.
Die heftige Reaktion verweist einerseits auf die interne Kritik am Politikstil Rolf Schlierers. Gerade die Hamburger Landespartei präsentierte sich in einem Wahlkampfpapier ganz sozialpatriotisch im Geiste Schönhubers und warf noch am Tage des Desasters „in schlauen Faxen“ (Schlierer) dem offiziellen Kurs Zahmheit vor. Schlierer blieb nichts anderes übrig, als auf die günstigen Nachrichten aus Bayern zu verweisen, wo nach einer CSU-Analyse die REPs bei 4 bis 4,5% lägen, und macht sich damit natürlich abhängig von einem positiven Ausgang der bayrischen Landtagswahlen im nächsten Jahr.
Andererseits war schon vor der Wahl von einer „Entscheidungswahl“ die Rede. Der selbsternannte Deutschland-Beweger Alfred Mechtersheimer stellte in seinem Hausblättchen („Frieden 2000 – Nachrichten für die Deutschland-Bewegung“, Nr. 7- 8/97) die „Frage, auf welche der bestehenden Parteien sich das national-patriotische Wählerpotential konzentrieren sollte“. Freilich stand nicht die DVU auf seinem Papier, sondern notiert wurden der BFB und die Republikaner. Das „Spieglein, Spieglein an der Wand“ hat also angesichts der Ergebnisse nicht viel gebracht, vielmehr folgte dem Blick in den Spiegel eine gewisse Ratlosigkeit, auf die Schlierer mit kernigen Durchhalteparolen reagiert.
In dieser Situation tauchen nun erneut Überlegungen für mögliche Formen der Zusammenarbeit auf. Eine Montage von Interviews, die die „Junge Freiheit“ mit Lummer, Schlierer, Mechtersheimer (mittig eingeordnet!), Brunner und Kappel nach der Wahl führte, ergibt folgendes Bild: Schlierer – grundsätzlich – und Brunner – so sich die REPs bewegen – räumen die Möglichkeit eines gemeinsamen „Gesprächs“ ein. Und Mechtersheimer sieht die Chancen steigen, falls sich die REPs vollends am Vorbild der baden-württembergischen Landespartei ausrichten sollten.
Dem sei Schönhuber vor, mögen manche denken. Die „Deutsche National-Zeitung“ Gerhard Freys veröffentlicht in ihrer Ausgabe Nr. 43 eine Wahlanalyse des ehemaligen Parteivorsitzenden der REPs, in der dieser Schlierer persönlich attackiert. Sein nationalkonservativer Kurs, seine „staatstragende“ Attitüde, sein Kurs der Abgrenzung seien schuld am Hamburger Desaster. Dagegen empfiehlt Schönhuber seinen Gefolgsleuten in der Partei, sich an seinen Absprachen mit Frey vom August 1994 zu orientieren. Ihm sei es darum gegangen, „ein Konkurrieren von mehreren Rechtsparteien (zu) verhindern“.
Wie dies funktionieren soll, darüber schweigt sich Schönhuber aus. Die NPD etwa (in Hamburg 0,1%) favorisiert Wahlbündnisse wie das jüngste in Schleswig-Holstein („Bündnis rechts“, vgl. Antifasch. Nachrichten 22/97), die DVU bot ihr im Wahlkampf „gute Plätze“ auf der DVU-Liste an. Das zeigt die Schwierigkeiten, wenn die regionalen Claims nicht eindeutig verteilt und wechselseitig anerkannt sind oder ungleiche „Partner“ aufeinanderstoßen. Das unabhängige Strategieorgan „Nation und Europa“ (10/97) sieht das Problem grundsätzlicher. Seit langem sei klar, „daß es für zwei oder gar drei Rechts-Parteien in Deutschland keinen ausreichenden Platz“ gäbe. Die Beseitigung des fatalen „Abnutzungskrieges“ im rechten Lager wird hier angedacht als Entwicklung einer „integrierenden Zentralkraft der deutschen Rechten“, die in der Lage sei, „möglichst das gesamte Spektrum zu erfassen und einzubinden“. Sollten sich die Republikaner zu einer solchen Integralkraft entwickeln können, fragt der Autor G.T. vorsichtig.
Egal wie, ob Wahlbündnis, Sammlungsbewegung, „vereinigte Rechte“ oder „integrierende Zentralkraft“, es wird noch viel Wasser den Rhein hinunterfließen, bevor sich Konturen einer Lösung für die deutsche Rechte zeigen dürften.