… meint der Spiegel. Von Siegfried Jäger, erschienen in DISS-Journal 1 (1998)
Mit diesem Titel (vom 14.4.97) wollte DER SPIEGEL „Das Scheitern der multikulturellen Gesellschaft“ verkünden. Doch er verkündet keine Wahrheiten, sondern trägt zum – offenbar gewünschten – Scheitern einer solchen durch eben diesen Titel bei. Folgt man der hier inszenierten bildlichen Logik, so besagt diese, daß die so harmlos einherkommende Beschäftigung mit dem Koran (unten links) zu Gewaltbereitschaft führe (s. die bewaffneten türkischen Jugendlichen unten rechts) und diese zur uns bedrohenden islamischen Revolution. Die islamische Marianne schwingt die türkische Fahne mit typisch weiblich-adernschwellendem Fanatismus und lauter Stimme. Was die Islamisten alles drauf haben, erzählt uns das (grüne) Band unten links: Die Mykonos-Affäre(!), die „den Terror aus Teheran“ – wie es innen heißt – nach Deutschland getragen habe.
Dieser Titel schürt Angst und soll Angst schüren. Und Angst macht zu Gegenmaßnahmen bereit, hetzt auf und fordert die Abwehr einer imaginierten Bedrohung „unseres deutschen Vaterlandes“. Bereits dieser Titel ist rassistisch und volksverhetzend.
Der Artikel im Inneren legt nach: „Zeitbomben in den Vorstädten“ – so lautet die Überschrift; und darunter heißt es: „Die Ausländerintegration ist gescheitert. Überall im Land entsteht eine explosive Spannung. Bei jungen Türken und Aussiedlern, Randgruppen ohne Perspektive, wächst die Bereitschaft, sich mit Gewalt zu holen, was die Gesellschaft ihnen verweigert.“ Darunter das Halbbild jugendlicher, gewaltbereiter Einwanderer, kopflos und damit ohne Subjektstatus, mit dem Stilett in der Hand, das jeder Zeit an die Kehle der Betrachter gesetzt werden kann, mit dem bekannten Griff zum Colt.
Und wer es immer noch nicht verstanden hat, dem sagt die Bildunterschrift: „Türkisch-kurdische Gang in Berlin-Kreuzberg: ‚Die Jungs sind zu allem bereit'“. Und jeder ergänzt: zu Mord und Todschlag, Raub und Vergewaltigung. Und der vom Jugendforscher zum Gewaltforscher mutierte Wilhelm Heitmeyer darf auch ran, mit Foto und der Phrase: „Ethnisierung sozialer Konflikte“. Für diejenigen, denen die wissenschaftlichen Weihen für die kontrafaktischen Phantasmen des immer nationalistischer argumentierenden Magazins bis dato noch gefehlt haben.