Von Margret Jäger. Unveröffentlichtes Vortragsmanuskript
Vorbemerkung
„Der Inhaber dieses Passes ist Deutscher.“ Dieser Satz steht in jedem bundesdeutschen Reisepass, egal ob er einer Frau oder einem Mann gehört. Bis vor ein paar Jahren hätte ein Satz wie dieser keine weiteren Diskussionen ausgelöst. Das ist heute anders. Seitdem frauenbewegte Linguistinnen begonnen haben, die deutsche Sprache im Hinblick auf das in Sprache zum Ausdruck kommende Geschlechterverhältnis zu analysieren, ist über den gängigen Sprachgebrauch eine teilweise heftig geführte Diskussion entstanden.
Wie kommen Frauen in der deutschen Sprache vor? Wie sprechen Frauen? Wie verhalten sich in Gesprächen Männer Frauen gegenüber? Werden Frauen in der Kommunikation mit Männern untergebuttert und wenn ja, wie geschieht dies?
Diesen Fragekomplexen sind Linguistinnen nachgegangen. Sie haben dabei erstaunliche Ergebnisse zutage gefördert, aus denen sie geschlußfolgert haben, Frauen werde auch mit Sprache Gewalt angetan: Durch Sprache und durch sprachliches Verhalten übe der Mann Herrschaft und Gewalt über die Frau aus und unterdrücke sie. Mehr noch: Sprache bzw. unser Sprachsystem selbst sei Ausdruck patriarchaler Gesellschaft und befestige dieses Herrschaftsverhältnis.
Ich möchte im folgenden diese These kritisieren und gleichzeitig den VertreterInnen der sogenannten feministischen Linguistik aber auch zustimmen. Das scheint widersprüchlich, ist es aber nicht. Auch ich vertrete die Auffassung, daß mithilfe sprachlicher Ausdrücke Frauen unterdrückt werden und daß dies auch durchaus mit der Metapher der Gewalt verdeutlicht werden kann. Ich komme zu dieser Einschätzung jedoch aus anderen Gründen als meine KollegInnen von der feministischen Linguistik und glaube darüber hinaus, daß sich ihr Anliegen dadurch weitertreiben läßt, wenn die Sprachkritik in einen anderen Bezugsrahmen gestellt wird.
Indem feministische Linguistinnen mehr oder weniger dezidiert davon ausgehen, daß die Sprache die und damit auch unsere Gesellschaft determiniere, vertreten sie insgesamt eine idealistische Sprachauffassung. Die Sprache ist in dieser Auffassung der Gesellschaft vorausgesetzt. Grob gesagt, meinen sie: Ändert sich die Sprache, ändert sich die Gesellschaft. Demgegenüber versuche ich mich den von den feministischen Linguistinnen analysierten Phänomenen diskurstheoretisch zu nähern. D.h. ich betrachte das Reden über und mit Frauen als Teil eines gesellschaftlichen Diskurses, der insofern er die Subjekte herausbildet, mit Machtwirkungen ausgestattet ist.
Doch zunächst möchte ich ihnen kurz darstellen, was feministische Linguistik bisher an Analyseergebnissen hervorgebracht hat. Diese Ergebnisse werden in dieser Disziplin stets verbunden mit Vorschlägen, wie nicht-sexistischer Sprachgebrauch und nicht-sexistisches Kommunikationsverhalten aussehen könnte; ich werde deshalb solche Vorschläge zumindest in Umrissen ebenfalls darstellen. Schließlich will ich zum Schluß einige Gedanken dazu beisteuern, auf welche Weise sich die erarbeiteten Vorschläge erweitern ließen, wenn das m.E. zu eng gefaßte theoretische Konzept verlassen und Sprache und Sprechen als Teil des gesamtgesellschaftlichen Diskurses begiffen wird.
Voraussetzungen der Feministischen Linguistik
Seit etwa fünfzehn Jahren gibt es kaum eine sprachwissenschaftliche Zeitschrift mehr in der Bundesrepublik, die nicht mehrfach, teilweise ganze Hefte füllend, auf das Problem der „Unterdrückung der Frauen durch Sprache“ eingegangen wäre. Bibliographien zum Thema führen inzwischen hunderte von Titeln auf. Eine „Feministische Linguistik“ hat sich mittlerweile als eigener Zweig der Sprachwissenschaft etabliert. Den Anstoß dazu hat die Frauenbewegung gegeben: Es waren Sprachwissenschaftlerinnen, die dieses Thema im Gefolge der Frauenbewegung entdeckt haben und in die sie mit ihren Untersuchungen mit großem Engagement hineinzuwirken versucht haben – in der Bundesrepublik allen voran Senta Trömel-Plötz und Luise Pusch, beide Professorinnen der Sprachwissenschaft.
„Feministische Linguistik entstand“, so formuliert Senta Trömel-Plötz, „als bestimmte Feministinnen einen Blick auf ihr eigenes Fachgebiet warfen oder eher, als bestimmte Linguistinnen feministische Ideen auf ihre eigene Wissenschaft anwendeten.“ ((Senta Trömel-Plötz: Feminismus und Linguistik, in: Luise Pusch (Hg.): Feminismus. Inspektion der Herrenkultur, Frankfurt 1983, 33))
Damit hat Senta Trömel-Plötz gleichzeitig auch eine Voraussetzung dieses neuen sprachsoziologischen Teilgebietes angesprochen.
Als wissenschaftliche Disziplin versteht sich die feministische Linguistik dennoch als Teil einer sozialen Bewegung, eben der Frauenbewegung. Das hat – wie ich noch zeigen werde – Konsequenzen in der Analyse. Es geht den Linguistinnen in ihrer Arbeit nicht nur um die Erkenntnis eines gesellschaftlichen (Teil)-Zusammenhangs. Sondern sie sind parteilich, nehmen Partei für die Frauen in unserer Gesellschaft, deren Situation sie als unterprivilegiert ansehen. Solche Parteilichkeit ist – obwohl vielfach beobachtbar – in herrschender Wissenschaft jedoch umstritten. Deshalb wird sie den feministischen Linguistinnen häufig vorgeworfen – zumal sie diese auch noch offen zugestehen. Allerdings ist hierzu zu sagen, daß dieser Vorwurf nicht selten nur ein Vorwand ist, unerfreuliche Analyseergebnisse abzuwerten.
Und noch in einem weiteren Punkt grenzen sich feministische Linguistinnen von der herkömmlichen Linguistik ab. Es geht ihnen nicht nur um das Beschreiben von Sprache. Dazu ein Zitat von Luise Pusch:
„Die herkömmliche Linguistik kritisiert Sprache nicht, sondern sie beschreibt sie.“ ((Luise Pusch: Das Deutsche als Männersprache, Frankfurt 1984, 10))
Demgegenüber geht es der feministischen Linguistik aber um Sprachkritik, und zwar um eine ganz bestimmte Sprachkritik.
Diese zwei inhaltlichen Voraussetzungen feministischer Linguistik sind zwar einerseits verständlich als Reflex auf die traditionelle strukturalistisch orientierte Sprachwissenschaft, die an den bundesrepublikanischen Universitäten vorherrscht. Trotzdem halte ich sie für problematisch.
Sowohl das Postulat der Parteilichkeit wie auch die Hoffnung, mittels Sprachkritik soziale Lagen verändern zu können, führen die feministischen Linguistinnen in inhaltliche Sackgassen, aus denen sie sich nur dann befreien könnten, wenn sie den Zusammenhang von Sprache und Gesellschaft theoretisch anders fassen würden, wenn sie Sprache und Sprachvermögen als Folge, als Ausdruck der Lebenslage und der damit gegebenen Lebens- und Lernbedingungen von Frauen betrachten würden. Und diese sind ja keineswegs für alle Frauen die gleichen.
Kritik an Sprachnorm und Sprachsystem
Die feministische Linguistik hat im wesentlichen zwei Arbeitsschwerpunkte: Sie untersucht zum einen die deutsche Sprache daraufhin, wie Frauen bzw. das weibliche Geschlecht in diesem sprachlichen System vorkommen, und stellt dabei fest, daß die Sprache patrifiziert, um nicht zu sagen petrifiziert, männlich versteinert ist. ((Anzumerken ist, daß in der feministischen Linguistik Sprachnorm und Sprachsystem in eins gesetzt werden. Das ist mehr als nur eine terminologische Ungenauigkeit. Denn da die Sprachnorm nur die Regeln des tatsächlichen Sprechens zum Inhalt hat, das Sprachsystem aber all das, was sprachlich überhaupt möglich ist, verlangen Veränderungen im Sprachsystem andere Strategien als Veränderungen im Bereich der Sprachnorm. Während man im Hinblick auf die Sprachnorm darauf abzielen muß, das tatsächliche Sprachverhalten der Menschen zu verändern, verlangen Veränderungen des Sprachsystems ein Umschreiben einiger Kernbestände unserer Grammatiken und die Durchsetzung dieser Um-Schreibungen gegen alle Institutionen, die sie verteidigen. Anders ausgedrückt: Änderungen der Sprachnorm können durch Verhaltensänderungen von der Basis her bewirkt werden, da die Regeln der Sprachnorm wenig fest sind. Veränderungen des Sprachsystems bedeuten Veränderungen der Sprache als solcher und stellen somit eine Herausforderung der gesamten sogenannten Sprachgemeinschaft dar.))Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist das sprachliche Verhalten, der alltägliche Sprachgebrauch von Frauen und Männern, und die Erforschung der Unterschiede beim Sprechen, unterschiedlicher Gesprächsstrategien von Männern und Frauen.
Ich möchte zunächst die wichtigsten Ergebnisse der feministischen Sprachwissenschaft zur Frage des Vorkommens bzw. Nicht-Vorkommens von Frauen im „Sprachsystem“ des Deutschen betrachten.
Ich beginne mit einem kleinen Rätsel zur Einstimmung:
Ein Vater fährt zusammen mit seinem Sohn seinen neuen Sportwagen spazieren. Doch er fährt zu schnell und in einer Kurve verliert der Vater die Kontrolle über das Auto. Sie verunglücken. Der Vater ist auf der Stelle tot, der Sohn wird lebensgefährlich verletzt. Er wird zum nächsten Krankenhaus gebracht, wo die diensthabenden Ärzte bereits auf ihn warten. Ein Chirurg eilt zu der Tragbahre, auf der der Junge liegt, zieht die Decke zurück, schreit auf und und ruft aus: „Mein Gott, ich kann nicht operieren, das ist mein Sohn!“
Wer ist der Chirurg, wenn der Vater des Jungen bei dem Unfall umgekommen ist? ((Margret Jäger: Die Erschaffung der Frau nach dem Bilde des Mannes. Frauenbilder in Presse, Politik und Sprachgebrauch. Unterrichtsmaterialien für die Sekundarstufe II, Duisburg 1992, 86. Von der Redaktion der „Beiträge für feministische Theorie und Praxis erfuhr ich, daß Luise Pusch dieses Beispiel in einer ihrer Bücher verarbeitet hat. Leider war ihnen (und mir) der Titel dieses Buches unbekannt, so daß ich hier nur darauf hinweisen kann.))
Die Sprachanalyse der feministischen Linguistik hat festgestellt, daß Verallgemeinerungen von Nomen, also von Hauptwörtern, in der Regel maskulin erfolgen, obwohl es sich um Personenbeschreibungen handelt. Am Beispiel: Es heißt: der Zuhörer, der Kunde, der Bürger usw. So steht eben auch in meinem Pass:“Der Inhaber dieses Passes ist Deutscher.“ Außerdem verlangen diese geschlechtsindefiniten, also geschlechtsunbestimmten Hauptwörter als Possessivpronomen (also besitzanzeigendes Pronomen) das maskuline „sein“: „Der Kunde erhält seine Ware.“ „Der Bürger gibt sein Votum ab.“ Dabei fällt natürlich ins Auge, daß diesem „sein“ zwar eine geschlechtsneutrale Bedeutung zugewiesen wird, daß dieses „sein“ aber dennoch faktisch der Form nach mit dem maskulinen Possessivpronomen identisch ist. Es ist zwar möglich, wenn ausschließlich Frauen gemeint sind, dies auch auszudrücken, doch dazu sind in der Regel Paraphrasierungen (Umformungen) erforderlich. Dann wird der Sprecher zur Sprecherin, der Kunde zur Kundin. Sobald es sich aber um Gruppierungen handelt, in denen auch nur ein Mann vorhanden ist, ist diese Umformung nicht notwendig und nicht korrekt.
Aus dieser sprachlichen Regel schließen nun die WissenschaftlerInnen – nicht ohne einige Berechtigung:
„…man redet generell über Männer und Frauen, man benutzt die Form, die für den generischen geschlechtsindefiniten Gebrauch zur Verfügung steht, und man meint dabei nur Männer.“ ((Senta Trömel-Plötz: Linguistik und Frauensprache, in: dieselbe: Frauensprache: Sprache der Veränderung, Frankfurt 1985, 40))
Daß dies in sehr vielen Fällen zutrifft, haben eine Reihe sprachlicher Tests verdeutlicht. Ich gehe davon aus, daß entsprechende Assoziationen auch bei ihnen erfolgen.
Ferner ist festzustellen, daß Berufsbezeichnungen bzw. Funktionen in der Regel nicht nach dem Geschlecht spezifiziert werden. Auch hier haben sich Frauen mit der generierten/maskulinen Form mit-angesprochen zu fühlen. Oder aber es werden Ableitungen von männlichen Formen gebildet. Aus dem Bauherrn wird dann die Bauherrin, der Chirurg wird zur Chirurgin. Hier drückt sich die gesellschaftliche Stellung der Frau aus, die im Berufsleben geringgeschätzt und mißachtet wird.
Interessanterweise fehlen solche Ableitungen in der Regel dort, wo es sich um Berufe handelt, die vorwiegend von Frauen ausgeübt werden. Ein Mann übt nicht den Beruf des Kindergärtners aus, sondern er ist Erzieher, er arbeitet auch nicht als Krankenbruder, sondern als Krankenpfleger. Offenbar ist es für Männer nicht denkbar, an sprachliche Ausdrücke, die allein Frauen vorbehalten sind, angekoppelt zu werden. Dagegen ist zu beobachten, daß die Berufsbezeichnung der Krankenschwester verschwindet und zu Krankenpflegerin wird. Gleiches gilt auch für die Erzieherin. Auf die Veränderungen, die in diesem Bereich zur Zeit stattfinden, gehe ich gleich noch ein. Ich denke z.B. daran, daß heute weibliche Bürokaufmänner offiziell den Beruf der Bürokauffrau ausüben.
Ferner wird festgestellt, daß es eine Ungleichbehandlung und – wie die feministischen Linguistinnen meinen – eine Diskriminierung der Frauen in den Anredeformen gibt: Es gibt das Fräulein, aber nur den Herrn – auch hier finden in bestimmten gesellschaftlichen Schichten inzwischen Veränderungen statt.
Ein weiterer Punkt ist die unterschiedliche Bewertung von sogenannten männlichen oder weiblichen Eigenschaften: die Jungfer enthält einwandfrei negativere Konnotationen und und Azzoziationen als der Junggeselle als maskulines Gegenstück.
Solche negativen Konnotationen sind besonders im Bereich der Schimpfwörter aufzufinden: „dicke Nudel“ heißt die korpulente Frau, der dicke Mann ist eher untersetzt oder gar stattlich. Man vergleiche auch „dumme Gans“, „Marktweib“, „Kaffeetante“ usw. Solche Termini werden nur sehr selten auf Männer angewendet.
Auch Sprichwörter geben gerne Auskunft über die eher positiv besetzten Eigenschaften des Mannes im Unterschied zu weiblichen Eigenschaften: Ein Mann – ein Wort; eine Frau – ein Wörterbuch!
Seltener, aber auch auffindbar, sind Fälle, bei denen eine Ungleichbehandlung der Frauen in der Sprache auch das Sprachsystem betreffen, eben weil die grammatischen Regeln dies vorschreiben. Das wird z.B.in folgendem Satz deutlich: „Sollte jemand noch nicht gefrühstückt haben, kann er sich auch noch später in der Küche melden.“ Dieser Satz verlangt, und das liegt am grammatischen Geschlecht von „jemand“, wenn er grammatisch korrekt sein soll, immer das Pronomen „er“, egal ob es sich um eine Gruppe nur von Frauen oder nur von Männern oder von beiden handelt.
Damit vorerst einmal genug der Beispiele. Insgesamt ziehen die feministischen Linguistinnen aus ihrer Analyse von Sprachnorm und Sprachsystem den Schluß:
„Unsere Sprache tut uns (Frauen) Gewalt an, weil sie die männlichen Formen bevorteilt. Damit wird eine Weltsicht geschaffen, in der Frauen nicht präsent sind.“ ((Senta Trömel-Plötz, Gewalt durch Sprache, in: dieselbe (Hg.): Gewalt durch Sprache, Die Vergewaltigung von Frauen in Gesprächen, Frankfurt 1984, 56))
Wie bereits gesagt, beschränken sich die feministischen Linguistinnen nicht darauf, sprachliche Erscheinungen, durch die ihres Erachtens Frauen benachteiligt werden, allein zu beschreiben. Sie wollen durch Kritik dieser Erscheinungen zu ihrer Veränderung oder Beseitigung beitragen. Deshalb haben führende Autorinnen sogenannte „Richtlinien für nicht-sexistischen Sprachgebrauch“ entwickelt. ((Ingrid Guentherodt u.a.: Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs, in: Linguistische Berichte 69/1980, 15-21)) Mit diesen Richtlinien wollen sie Einfluß auf Institutionen nehmen, die sich von Amts wegen mit gesprochener oder geschriebener Sprache befassen. Darunter verstehen sie Medien, Verlage, aber auch Schulen, Kindergärten usw., also solche Institutionen, die den Spracherwerb organisieren und steuern.
Insgesamt empfehlen feministische Linguistinnen, daß Frauen „in gesprochenen und geschriebenen Texten als eigenständige, gleichberechtigte und gleichwertige menschliche Wesen behandelt“ werden sollen. ((Susanna Häberlin / Rachel Schmid / Eva Lia Wyss: Übung macht die Meisterin. Ratschläge für einen nichtsexistischen Sprachgebrauch, München 1992, 104))Dazu gehört:
- Das grammatische Geschlecht von Personenbezeichnungen sollte entsprechend des „natürlichen“ Geschlechts der bezeichneten Person gebildet werden, wobei Frauen immer mit femininen, Männer immer mit maskulinen Bezeichnungen benannt werden. So sollte es also immer heißen, Karin ist Studentin, anstatt: Karin ist Student. Mittlerweile wird häufig für die Pluralform der Terminuus der „Studierenden“ benutzt.
- Frauen sollten explizit genannt werden, damit sie sich angesprochen fühlen. Geschlechtsunmarkierte Begriffe wie zum Beispiel der „Bürger“ sollte durch „Bürgerinnen und Bürger“ ersetzt werden. Auch solche bisher primär maskulin besetzten Begriffe wie „die Väter des Grundgesetzes“, oder „die Regierungsmannschaft, sollten abgeändert werden in „die VerfasserInnen des Grundgesetzes“ oder ein „Regierungsteam“.
- Die feminine Endung „-in“ sollte möglichst häufig eingesetzt werden. Dabei können durchaus neue Ausdrücke entstehen, z.B. dann, wenn „der Star des Abends“ deshalb zur „Starin des Abends“ wird, weil sie eine so große „Witzboldin“ ist.
- Formulierungen, die Frauen in stereotypen Rollen und Verhaltensweisen darstellen, sind zu vermeiden. Beispiel: Die Anrede „Fräulein“ ist ersatzlos zu streichen. Oder „Tennisdamen“ können durchaus auch als „Tennisspielerinnen“ bezeichnet werden.
- Formulierungen, in denen die Frau über den Mann definiert wird, sind zu unterlassen. Ein Beispiel: In Einladungen heißt es häufig, Herr Meier und Frau sind eingeladen. Richtig müßte es heißen: Herr Meier und Frau Meier sind eingeladen.
- Statt der ausgeschriebenen Doppelform kann in schriftlichen Texten die Groß-I-Schreibung verwendet werden. Dadurch wird verdeutlicht, daß Frauen und Männer angesprochen sind. Auf diese Weise können SchülerInnen, BürgerInnen etc. angesprochen werden.
- Und natürlich sind abwertende, verspöttelnde Aussagen über Frauen abzulehnen. Solche Klischees gibt es in Hülle und Fülle, die häufig von dem Grundmuster abgeleitet werden, Frauen seien emotional, Männer dagegen rational. Daraus folgt, daß Frauen gefühlsduselig, unvernünftig, hysterisch, naiv usw. seien.
Solche Empfehlungen verstehen die feministischen Linguistinnen natürlich nicht als verbindlich. Letztendlich wollen sie die Alternativformulierungen der Kreativität der Frauen überlassen. Und hier ist einiges im Gange:
Mittlerweile gibt es offiziell eine Reihe neuer, die Belange der Frauen berücksichtigender Berufsbezeichnungen: „die Kauffrau“ habe ich bereits angesprochen. Es gibt ebenfalls bereits „die Amtsfrau“ Und auch die Anrede „Fräulein“ gilt in bestimmten Kreisen mittlerweile als völlig antiquiert. Und seit einiger Zeit geistert nicht mehr nur das kleingeschriebene „man/frau“ im bundesdeutschen Blätterwald, sondern es ist sogar zu einem Eingriff ins Sprachsystem des Deutschen gekommen. Mit der Groß-I-Schreibung, die bereits 1981 zum ersten Mal in der Schweiz auftauchte, soll deutlich gemacht werden, daß beide Geschlechter angesprochen sind. Das ist zwar noch nicht in den Familienzeitschriften zu finden, doch es setzt sich in letzter Zeit mehr und mehr durch und wird z.B. durchaus bereits von GewerkschafterInnen übernommen.
Geschlechtsspezifisches Kommunikationsverhalten
Der zweite Untersuchungsbereich feministischer Linguistik bezieht sich auf das unterschiedliche Kommunikationsverhalten von Männern und Frauen.
Dabei berufen sie sich vielfach auf Untersuchungen, die aus den USA kommen, insbesondere auf Studien von Lakoff ((Robin Lakoff: Language and Womens Place, in: Language and Society 2, (1973) 45-80)), Fishman ((Pamela Fishman: The work women do, in: Social Problems 25, (1978), 397-408))und Zimmermann/West. ((Don H. Zimmermann / Candace West: Sex Roles, Interruptions and Silences in Conversation, in: Theorne/Heley (ed.): Language and Sex. Differend and Dominand, Massachusetts 1975, S.105-129))Mittlerweile gibt es auch eine Reihe bundesdeutscher Studien zu diesem Gebiet, die sich allerdings vorwiegend auf universitäre Bereiche beziehen. Dies spricht einen Punkt an, auf den ich später noch zu sprechen komme, weil hier ein zentraler Mangel der feministischen Linguistik zu konstatieren ist, der nicht allein dadurch zustandekommt, daß ihr die notwendigen Forschungsgelder von den herrschenden Institutionen verwehrt werden und deshalb bisher breiter angelegte Untersuchungen nicht durchgeführt werden konnten.
Die Ergebnisse der bisher vorliegenden Untersuchungen lassen sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
- Frauen benutzen in der Kommunikation häufiger Formen der Verniedlichung als Männer. Solche Verniedlichungen können dazu eingesetzt werden, um die Stärken von Aussagen abzuschwächen, um gleichsam das zurückzunehmen, was vorher gesagt wurde. Solche Abschwächungen finden Ihren Ausdruck in Formulierungen wie „Es scheint, daß…“, „Ich würde sagen, daß…, „Ist es nicht so, daß…? oder in der abschließenden Wendung „…,nicht wahr?“Ebenso finden Abschwächungen durch Selbstentwertungen statt wie „Ich bin eben nur eine Hausfrau“ oder „Das ist nur so eine Idee von mir.“Eine weitere Möglichkeit der Abschwächung ist die indirekte, vermittelte Redewendung: „man könnte sagen, daß…“ oder: „wenn Du dir das recht überlegst…“. Dadurch werden Rückzugsmöglichkeiten offengehalten. Eine solche Redeweise überläßt dem Gesprächspartner, wie verbindlich sie oder er die Aussagen versteht.
- Frauen überlassen es gerne dem Gesprächspartner, ob ein Gesprächsfaden aufgenommen wird oder nicht. So ist es nicht verwunderlich, daß in gemischtgeschlechtlichen Gruppen Themen, die von Männern eingeführt werden, mehr Bestand haben. Sie werden häufig von den anwesenden Frauen aufgegriffen und ausgebaut, hingegen folgt auf die von Frauen eingeführten Themen oft keine männliche Resonanz, so daß sie bald aufgegeben werden.
- Frauen benutzen weit weniger Vulgärausdrücke als Männer. Sie fluchen seltener und verwenden dabei harmlosere Ausdrücke.
- Frauen haben einen anderen Wortschatz als Männer. In den Bereichen, die traditionell zu ihren Aufgaben gehören, Haushalt, Kindererziehung, aber auch Mode, sind ihre Ausdrücke jedoch präziser als die der Männer.
- Frauen lassen sich häufiger als Männer unterbrechen, sie schweigen häufiger und länger, kleiden ihre Aussagen vielfach in Fragen.
- Schließlich: Frauen gehen häufiger als Männer auf die Argumente des Gesprächspartners ein.
Insgesamt kommen mehr oder weniger alle Studien zu dem Ergebnis, daß das Gesprächsverhalten von Frauen und Männern, kooperativ/konfliktvermeidend versus konfrontativ/konfliktsuchend ist.
Trömel-Plötz bezeichnet dies auch als weibliches bzw. männliches Gesprächsregister, wobei sie auch darauf hinweist, daß es ebenso Situationen für Männer gebe, in denen sie sich des weiblichen Gesprächsregisters bedienen müßten. ((Trömel-Plötz, Linguistik und Frauensprache, a.a.O., 51))Dieser Gedankengang wird allerdings in der feministischen Linguistik nicht weiter aufgegriffen worden. Ich werde später zu zeigen versuchen, daß dies auf einen zentralen Mangel feministischer Linguistik verweist.
Kritisch muß zu den Gesprächsstudien angemerkt werden, daß sie alle nur das „Wie“ des Sprechens erfassen, nicht aber das „Was“. Eine Beschreibung von Sprechtätigkeit, die das Gesagte außen vor läßt, ist jedoch zumindest unvollständig. Auch darauf werde ich im folgenden noch eingehen.
Zunächst ist jedoch zu fragen, wie diese unterschiedlichen Verhaltensweisen von Männern und Frauen in der Kommunikation erklärt werden. In diesem Bereich treffen die feministischen Linguistinnen keine präzisen Aussagen, weshalb sie auch mit Empfehlungen hinsichtlich eines anderen Kommunikationsverhaltens sehr vorsichtig sind. Da werden die existierenden Vorurteile genannt, die durch die typisch männliche bzw. typisch weibliche Sozialisation vermittelt würden, die für das Gesprächsverhalten verantwortlich seien. ((So argumentiert z.B. Helga Kotthoff, die vor allem das Sprachverhalten von Männern und Frauen im universitäten Bereich untersucht hat. Helga Kotthoff, Gewinnen oder verlieren? in: Trömel-Plötz (Hg.), Gewalt durch Sprache, Die Vergewaltigung von Frauen in Gesprächen, Frankfurt 1984, 111))Eine weitere Erklärung ist, die gesellschaftliche Situation von Frauen sei defizitär. Frauen wird eine infantile, schwache Position zugewiesen, während Männer die stärkere Rolle zugewiesen wird. Dies beeinflusse auch ihr jeweiliges Gesprächsverhalten. ((Senta Trömel-Plötz: Frauensprache: Zum Sexismus in unserer Sprache und unserem Sprachverhalten, in: dieselbe: Frauensprache: Sprache der Veränderung, Frankfurt 1985, 111f.))Wie diese Ungleichheit erzeugt und zum gesellschaftlichen Zwang wird, damit befaßt sich die feministische Linguistik nicht.
Ich komme damit zu letzten Teil meiner Ausführungen, in dem ich einige kritische Anmerkungen zur feministischen Linguistik und ihrer Sprachauffassung machen will. Dies geschieht allerdings mit dem Ziel, die positiven Grundgedanken und Intentionen noch wirksamer voranzutreiben und nicht mit der Absicht, diese zu diffamieren.
Von der feminstischen Linguistik zur Diskursanalyse?
Ich kenne keinen Wissenschaftszweig, der in den letzten Jahren einen solchen Wirbel sowohl im KollegInnenkreis wie auch in Teilen der Bevölkerung entfacht hat wie die feministische Linguistik. Das ist auf jeden Fall ein Verdienst einiger engagierter Wissenschaftlerinnen, die sich diese Form der Sprachkritik zum Anliegen gemacht haben. Dieses Verdienst darf und sollte aber nicht dazu führen, daß Kritik nicht geäußert werden kann, weil damit den Gegnern zugearbeitet würde.
Meine Kritik setzt an der Bewertung des initiierten Sprachwandels an. Bedeuten solche Sprachwandlungen nun, daß via Sprachveränderungen die Situation der Frau verändert werden kann? Haben die feministischen Linguistinnen so durch ihre wissenschaftliche Analyse und vermittels der daraus abgeleiteten „Richtlinien“ die sprachliche und damit die gesellschaftliche Welt in der BRD verändert? Ist die Gewalt gegenüber Frauen durch Sprache damit verschwunden oder zurückgedrängt?
Ganz so einfach liegen die Dinge nicht! Ohne das Verdienst der feministischen Linguistinnen (und der Frauenbewegung) an diesem Sprachwandel schmälern zu wollen, erscheint es mir zweifelhaft, ob damit zugleich ein Beitrag zur Verbesserung der gesellschaftlichen Situation der Frauen geleistet wurde. Um diesen Zweifel genauer begründen zu können, ist ein Blick auf den sprachwissenschaftlichen Ansatz der feministischen Linguistik erforderlich, insbesondere darauf, wie sie das Verhältnis Sprache und Gesellschaft bestimmen.
So findet sich bei Senta Trömel-Plötz folgende bemerkenswerte und erstaunliche Aussagen:
„Die Realität unseres täglichen Lebens (ist) zum großen Teil eine sprachliche Realität. Durch die Sprache (wird) Realität gemacht. Die Sprache ist ein Instrument, um Realität zu konstruieren“ ((Senta Trömel-Plötz: Anders reden – aber wie?, in: dieselbe: Frauensprache: Sprache der Veränderung, Frankfurt 1985, 202))
Und an einer anderen Stelle sagt sie: „Gesellschaftliche Änderung und sprachliche Änderung, gesellschaftliches Handeln und sprachliches Handeln sind eng verwoben. Sprache ist ja eine der wichtigsten gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen wir leben. Mit Sprache werden gesellschaftliche Unterschiede konstruiert, mit Sprache schaffen wir unseren Lebenszusammenhang, unsere Wirklichkeit, unsere Sicht der Welt.“ ((Senta Trömel-Plötz: Feminismus und Linguistik, in: Luise Pusch: Feminismus. Inspektion der Herrenkultur, Frankfurt 1983, 36)
Oder wiederum an anderer Stelle führt sie aus: „Mit Hilfe unserer Sprache erfassen wir die Welt und … konstituieren wir unsere Wirklichkeit.“ ((Senta Trömel-Plötz, Gewalt durch Sprache, in: dieselbe (Hg.): Gewalt durch Sprache, 51))
Einmal abgesehen davon, daß die Unterscheidung zwischen gesellschaftlichen und sprachlichen Änderungen und Handeln nahelegt, sprachliche Äußerungen bzw. Sprache seien nicht gesellschaftlich, gehen Senta Trömel-Plötz und ihre Kolleginnen also davon aus, daß wir es einerseits mit einer Wirklichkeit oder einer Realität zu tun haben, die mittels Sprache konstruiert bzw. konstituiert wird. Dabei wird dem Instrument jedoch eine Bedeutung zugemessen, die die Subjekte, die das Instrument bedienen, stark in den Hintergrund geraten lassen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß Senta Trömel-Plötz in ihren Schriften dieses Subjekt häufiger sogar ganz verschwinden läßt, wenn sie schreibt:
„Unsere Sprache tut uns Gewalt an, weil sie die männlichen Formen bevorteilt.“ ((Senta Trömel-Plötz: Gewalt durch Sprache, in: dieselbe (Hg.): Gewalt durch Sprache. Frankfurt 1984, 56))
Diese Vorstellung von der Kraft der Sprache macht zwar verständlich, weshalb die Linguistinnen meinen, durch sprachliche Veränderungen den Frauen einen entscheidenden Dienst zu erweisen, denn sie sehen einen mehr oder weniger starken Automatismus gesellschaftlicher Veränderung durch Veränderung der Sprache. Diesen Automatismus aber gibt es nicht. Er erinnert eher an sprachmagische Vorstellungen vergangener Zeiten, deren Relikte heute noch bei Flüchen und Beschwörungen zu beobachten sind.
Einige feministische Linguistinnen räumen zwar ein, daß gesellschaftliche Änderungen nicht allein über Sprache zu bewerkstelligen sind. Doch sie sehen in Sprache einen zentralen gesellschaftsdeterminierenden Faktor und
„wollen … von Seiten der Sprachwissenschaft zur gesellschaftlichen Änderung beitragen, indem (sie) die sprachlichen Änderungen propagieren.“ ((Ingrid Guentherodt u.a.: Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs, in: Linguistische Berichte 69/1980, 16))
Diese feministischen Linguistinnen thematisieren somit das Verhältnis Sprache und Realität zwar durchaus in der Weise, daß die Realität das eigentlich Veränderungsbedürftige ist. Doch sie verdrehen dieses Verhältnis schließlich, indem sie einen anderen Sprachgebrauch bereits als Veränderung der kritisierten Realität ansehen.
Wenn ich nun die Bemühungen der feministischen Linguistik einen Beitrag zum Sprachwandel zu leisten, trotz dieser Kritik positiv bewerte und auch persönlich sexistischen Sprachgebrauch zu vermeiden versuche, dann habe ich dafür einen anderen theoretischen Zugang.
Im Unterschied zu der bisherigen feministischen Linguistik sehe ich die sprechenden und handelnden Subjekte als diejenigen an, die die Wirklichkeit konstitutieren. Dies geschieht jedoch nicht voraussetzungslos und ist nicht so zu verstehen, als ob die Subjekte autonom ihre Absichten und Ziele verfolgten. Vielmehr sind die sprechenden und handelnden Subjekte in Diskurse eingebunden, werden durch Diskurse konstituiert, so wie sie gleichzeitig Diskurse konstituieren. Um dies weiter zu verdeutlichen, möchte ich knapp erläutern, was ich unter einem Diskurs ist bzw. was ich darunter verstehe.
Eine knappe und trotzdem brauchbare Definition des Diskurses hat m.E. der Literaturwissenschaftler Jürgen Link formuliert. Er sagt: Diskurse sind
„institutionalisierte, geregelte redeweisen, insofern sie an handlungen gekoppelt sind und also machtwirkungen ausüben.“ ((Jürgen Link: Noch einmal: Diskurs, Interdiskurs. Macht, kultuRRevolusion 11 (1986), 71))
Siegfried Jäger hat den Diskurs, wie ich meine treffend, auch einmal als den „Fluß des Wissens durch die Zeit“ bezeichnet. (( Siegfried Jäger: Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung, Duisburg 1993, 182. Ein so bestimmter Diskurs wiederum läßt sich analytisch auffächern in bestimmte Diskursstränge, die wiederum jeweils auf verschiedenen Diskursebenen angesiedelt sind bzw. sein können. Unter einem Diskursstrang ist ein thematischer Ausschnitt aus dem Diskurs zu verstehen, z.B. den Einwanderungsdiskurs oder den Frauendiskurs. Mit Diskursebenen sind die gesellschaftliche Orte angesprochen, an denen der Diskurs stattfindet. Hier gibt es zum einen den Elitediskurs, der sich nochmal unterteilen läßt in den Mediendiskurs, den Diskurs der Wissenschaften, der Literatur, den Politikerdiskurs, den Alltagsdiskurs usw.))
Ein Diskurs meint somit immer Form und Inhalt von Äußerungen, die Grundfragestellung seiner Analyse läßt sich vereinfacht so formulieren: „Was ist wo von wem wann sagbar. Damit wird gleichzeitig auch immer das Nicht-Sagbare thematisiert.
Bedeutsam ist dabei, daß der Diskurs, also die Art und Weise, wie in unserer Gesellschaft z.B. über Frauen gesprochen wird, welche Eigenschaften ihnen zugeschrieben und welche ihnen verwehrt werden, erheblich zur Subjektbildung beiträgt. Der Diskurs gibt nicht nur Realität wider, sondern er schafft Realität, indem er Applikationsvorgaben formuliert, nach denen sich die handelnden Subjekte orientieren.
Solche Machtwirkungen, die diskursiv erzeugt werden, gelten dabei sowohl für Männer wie auch für Frauen. Am Beispiel des Mode-Schönheits-Komplexes jedoch läßt sich m-E- sehr gut nachvollziehen, daß die Machtwirkungen, die der Diskurs für Frauen entfaltet, ihre Handlungsspielräume erheblich einschränkt.
Die Amerikanerin Sandra Bartky hat hierzu empirische Untersuchungen angestellt und anhand der Analyse von Modezeitschriften herausgearbeitet,
„wie die Frau durch Mode-Industrie und alltägliche Verhaltensanweisungen >von jedermann< zu einer permanenten Selbstkontrolle, zu pausenloser Selbstdisziplinierung und Körperzüchtigung angeleitet wird. Das Ideal des weiblichen Körpers, dem Anstrengung, Alter, Erfahrung oder Spuren tiefen Nachdenkens nicht angesehen werden dürfen, verlangt eine komplexe Vielzahl feinster Praktiken der Selbsteinwirkung…. Die Frau hat sich einem lückenlosen Regime der Körperkontrolle zu unterwerfen, um dem fremdbestimmten Schönheitsideal Genüge zu leisten.“ ((zitiert nach: Hans Herbert Kögler: Michel Foucault, Stuttgart/Weimar 1994, 193f.))
Das notwendige Scheitern der Mehrheit dieser Frauen ist dabei nicht nur vorprogrammiert, sondern führt zu weiteren Beeinträchtigungen. Mit diesem Beispiel möchte ich verdeutlichen, daß die Diskurse auf Frauen Macht ausüben, ja, ihnen psychische Gewalt antun. Und Diskurse sind immer auch sprachlich vermittelt.
So verstanden kann eine Veränderung des sprachlichen Umgangs durchaus dazu beitragen, solche negativen Machtwirkungen zurückzudrängen. Deshalb sind die Bemühungen der feministischen Linguistinnen und anderer sprachkritischer Personen von Bedeutung. Sie führen nicht nur zur Sensibilisierung für vorhandene Herrschaftsstrukturen, sondern auch dazu, über die Zurückdrängung negativer Zuschreibungen die Handlungsmöglichkeiten von Frauen zu erweitern.
Es ist klar, daß Stellenausschreibungen, in denen hervorgehoben wird, daß sowohl Männer wie Frauen angesprochen sind, keine einzige Stelle mehr schaffen und auch nicht garantieren, daß diese Stellen an Frauen vergeben werden. Dennoch werden auf diese Weise Möglichkeiten aufgezeigt, daß auch Frauen Zugang diesen Positionen haben. Damit wird ein Anspruch thematisiert bzw. wachgerüttelt, der bisher tabu war, und das ist für diejenigen, denen es darum geht, daß sich die Handlungsspielräume von Frauen erweitern, durchaus nicht unwichtig. Und die heftigen Reaktionen, mit denen solche sprachlichen Veränderungen abgewiesen werden, machen deutlich, daß sie auch für diejenigen, die ihre Handlungsspielräume eingeschränkt sehen, nicht unwichtig sind.
Außerdem ist eine Wechselwirkung nicht ausgeschlossen: Je mehr Frauen sich den zugeschriebenen Positionen verweigern und auch in Männerdomänen einbrechen, umso leichter werden sich die neuen sprachlichen Wendungen im Diskurs verfestigen.
Das prinzipiell Positive an der feministischen Linguistik, daß sie mit ihren Untersuchungen für das problematische Geschlechterverhältnis sensibilisiert, auch durch provokanten Sprachgebrauch, s.o., verkehrt sich aber dann ins Gegenteil, wenn ihr Ziel sich nur auf einen veränderten Sprachgebrauch beschränkt.
Wir erleben bereits heute, daß sich auch etablierte Politikerinnen und Politiker darum bemühen, immer auch Frauen explizit anzusprechen. Frauenbeauftragte bemühen sich darum, in Formularen und anderen Schriftstücken einen feminisierten Sprachgebrauch einzuführen. Das ist gut und richtig. Wenn allerdings die inhaltliche Seite dabei ausgeblendet wird, dann erstarren solche Vorstöße und können leicht in die kritisierte Normalität integriert werden. Die enge Sprachauffassung, die mit der feministischen Linguistik einhergeht, unterstützt aber eine solche Tendenz, weil sie die Benachteiligung an Wörter und Sätze festzumachen versucht. Das führt – wie ich meine – in eine Sackgasse.
Es gibt aber noch eine zweite Sackgasse, in die feministische Linguistinnen geraten, die ich zu Beginn ebenfalls bereits angesprochen habe. Feministische Linguistinnen verstehen sich nicht nur als Wissenschaftlerinnen, sondern sie definieren sich als Feministinnen. ((vgl. dazu z.B. Luise Pusch: Das Deutsche als Männersprache, Frankfurt 1984, 8))Sicherlich gibt es in der Bundesrepublik keine einheitliche Theorie des Feminismus. Deshalb möchte ich an dieser Stelle Luise Pusch zitieren, die in einer ihrer zahlreichen Veröffentlichungen auch einmal den Versuch gemacht hat, zu klären, was nach ihrer Sicht Feminismus ausmacht. Sie sagt:
„Feminismus ist die Theorie der Frauenbewegung. … Der Feminismus ist eine Theorie, die alle Bereiche des Menschlichen betrifft und den patriarchalen Gehalt aller kulturellen Hervorbringungen des Mannes (der sich traditionell als Mensch schlechthin definiert) bloßlegt und kritisiert.“ ((Luise Pusch: Zur Einleitung: Feminismus und Frauenbewegung, Versuch einer Begriffsklärung, in: dieselbe (Hg.): Feminismus. Inspektion der Herrenkultur, Frankfurt 1983,13f.))
Dieses Vorab-Bekenntnis zum Feminismus, das ja sympathischerweise auch überhaupt nicht verheimlicht wird, hat Folgen, weil die feministische Linguistik nur bestimmte Fragestellungen akzeptiert.
Ein Beispiel dafür gibt Senta Trömel-Plötz, wenn sie in Verbindung mit dem Gesprächsverhalten von Frauen von einer „Rhetorik der Unterdrückten“ spricht und sogar anmerkt, daß in bestimmten Situationen auch „Männer in der Rolle der Unterdrückten oder Untergebenen“ sind. ((Senta Trömel-Plötz: Linguistik und Frauensprache, in: dieselbe: Frauensprache: Sprache der Veränderung, Frankfurt 1985, S.51)) Es ist ihr spezifischer feministischer Ansatz, der ihr den weiterreichenden Blick darauf verstellt, daß die Machtdifferenzierungen nicht allein zwischen Männern und Frauen zu finden sind, sondern auch zwischen verschiedenen Schichten, zwischen Generationen, zwischen Kranken und Gesunden sowie zwischen Angehörigen verschiedener Herkunftsgruppierungen, sogenannter Ethnien.
Weil vieles von dem, was nicht ins Weltbild paßt, nicht aufgenommen oder vernachlässigt wird, können aber die differenzierten Positionen von Frauen nicht wahrgenommen werden. Auf diese Weise werden Frauen zu einer homogenen Gruppe stilisiert, die sie nicht sind. ((Dabei gibt es in der BRD hierzu durchaus Untersuchungen, in denen nicht nur die Kategorie der Schicht, sondern auch die des Geschlechts berücksichtigt werden. Die Resultate einer dieser Untersuchungen, an der ich mitgearbeitet habe, haben gezeigt, daß Jungen und Mädchen der Unterschicht gegenüber ihren jeweiligen AltersgenossInnen aus der Mittelschicht in ihrer sprachlich/gedanklichen Entwicklung stark benachteiligt sind. Das ist nun nichts Sensationelles. Für das Geschlechterverhältnis interessant ist dabei aber, daß Mädchen aus der Unterschicht auch noch einmal gegenüber ihren männlichen Altergenossen erheblich benachteiligt sind und daß sich diese Benachteiligung mit zunehmendem Alter noch verstärkt. Mädchen aus der Mittelschicht sind gegenüber den Jungen und Mädchen aus der Unterschicht deutlich im Vorteil. Innerhalb der Mittelschicht sind die älteren Mädchen (14-15 Jahre) den Jungen sprachlich/gedanklich sogar leicht überlegen. Vgl. dazu Siegfried Jäger u.a.: „Warum weint die Giraffe?“ Ergebnisse des Forschungsprojektes „Schichtspezifischer Sprachgebrauch von Schülern“, Kronberg 1978))Das Kollektivsubjekt „Frau“, von dem im Feminismus ausgegangen wird, gibt es aber so nicht.
Ich möchte hier nur andeuten, daß die Position von Frauen, z.B. als Angehörige verschiedener Schichten, als Angehörige verschiedener ethnischer Gruppen Auswirkungen auf ihren Zugang zum und ihre Positionierung im Diskurs hat. Diese Sichtweise ist bislang allerdings von der feministischen Linguistik meines Wissens noch nicht aufgenommen worden, wohl aber von einem Teil der Frauenbewegung.
Zusammenfassung
Die feministische Linguistik hat in der BRD (West) zusammen mit der Frauenbewegung verstärkt auf einen Mangel aufmerksam gemacht: die soziale Benachteiligung der Frauen. Das ist nicht nur ihr Verdienst allein, aber auch ihr Verdienst. Zudem handelt es sich um eine recht junge wissenschaftliche Disziplin, die durch eine solidarische Kritik weiterentwickelt werden sollte, um auch in Zukunft wirksam zu sein. Leider hat sie sich in der Bundesrepublik immer noch häufig mit fadenscheiniger Kritik auseinanderzusetzen und wird durch Rechtfertigungen blockiert.
Insofern sie allerdings einen idealistischen Sprachbegriff hat, verfehlt die feministische Linguistik ihren Zweck, nämlich einen Beitrag zur Überwindung der die Frauen benachteiligenden gesellschaftlichen Situation zu leisten. Denn ihre Lösungsvorschläge resultieren alle in einer sprachlich initiierten Veränderung repressiver Realität. Diese sind wie gezeigt, nicht unwichtig, es wäre allerdings an der Zeit, die Aufmerksamkeit stärker auf die Inhalte des Diskurses zu lenken und die Zuschreibungen, denen Frauen unterliegen, zu thematisieren. Hier sind Ansätze durchaus vorhanden.
Eine weitere Einschränkung erfahren die Überlegungen der feministischen Linguistinnen durch ihr verkürztes Verständnis des Verhältnisses von Patriarchat und Gesellschaft. Dabei sind sie zu unterstützen, wenn sie sich gegen Kritiker wenden, die mit dem Verweise auf die ökonomische Eingebundenheit der Geschlechter eine Befreiung von Frauen allein in diesen Zusammenhang stellen. Doch die Machtunterschiede der Gesellschaft sind viel zu differenziert, als daß alles „über den Kamm einer globalen Supertheorie des Patriarchats zu scheren“ ist. (( Hans Herbert Kögler: Michel Foucault, Stuttgart/Weimar 1994, 198.))
Sinnvoller erscheint es mir, die vorhandenen Machtdifferenzierungen aufzunehmen, also zu berücksichtigen, daß es nicht allein Dominanzen zwischen Männern und Frauen gibt, sondern auch zwischen verschiedenen Schichten, zwischen Generationen, zwischen Kranken und Gesunden sowie zwischen Angehörigen verschiedener Herkunftsgruppierungen, sogenannter Ethnien.
Das heißt, daß bei einer Analyse der Machtbeziehungen zwischen Männern und Frauen auch berücksichtigt werden muß, daß die Position von Frauen, z.B. als Angehörige unterschiedlicher Schichten oder ethnischer Gruppen sich auf ihren Zugang zum und ihre Positionierung im Diskurs auswirkt.
Eine Ziel könnte dabei in der Befreiung von bislang undurchschauten Zwängen liegen sowie darin, sich zu selbstbestimmter Lebensführung zu befähigen. Der im Feminismus mittlerweile selbst häufig thematisierte theoretische Zwang, den westliche Feministinnnen der Mittelklasse mit ihren besonderen Wert- und Seinsvorstellungen auf andere außereuropäische oder klassendiffferenzierte Frauen ausüben, könnte damit ebenfalls der Vergangenheit angehören.