Eine Rezension von Wolfgang Kastrup. Erschienen in DISS-Journal 38 (2019) Francis Fukuyama, US-amerikanischer Politikwissenschaftler, ist durch sein umstrittenes Buch „Das Ende der Geschichte“ von 1992 international bekannt geworden. Die Kritik an seiner damaligen These, dass mit dem Ende des Kommunismus die liberale Demokratie unwiderruflich den Sieg davongetragen habe, diese Kritik, so schreibt er in dem Vorwort zu seinem aktuellem Buch „Identität“ von 2019, beruhe auf einem Missverständnis: Er habe das Wort ‚Geschichte‘ hegelianisch-marxistisch „als langfristige evolutionäre Beschreibung menschlicher Institutionen“ gesehen, und das Wort ‚Ende‘ als „Ziel“ oder „Bestimmungsort“ für einen „liberalen marktwirtschaftlichen Staat“ im Sinne von Hegel. (12f.) Unabhängig von der Plausibilität des angeblichen Missverständnisses muss er zugeben, den Inhalt seines damaligen Weltbestsellers unter heutigen Verhältnissen umgeschrieben zu haben. (13) Das neue Buch wäre aber von ihm nie geschrieben worden, so bekennt er…
Eine kurze Begegnung mit „Occupy Central“ am 03.10.2014 Von Iris und Robert Tonks. Erschienen in DISS-Journal 28 (2014) Es gibt einige Städte, die sich bei einer Durchreise nach Indonesien als Stop-Over-Möglichkeiten, Rastplätze für eine Nacht, anbieten: z.B. Bangkok, Singapur oder eben Hongkong. Wir entscheiden uns für Hongkong, weil wir Inseln und Berge lieben - und Hongkong hat beides. Weltstadt, pulsierende internationale Millionenmetropole mit Wolkenkratzern orientiert am Feng-Shui-Prinzip - mitten in China und doch sehr britisch, ausgestattet mit einem Sonderstatus als Special Administrative Region. Vom Victoria Peak, den man mit einer Schweizer Bahn erreicht, bietet sich nicht nur ein unvergleichlicher Ausblick - von hier aus kann man auch stundenlang durch tropische Wälder laufen, ohne ein Haus zu sehen. Doch nicht nur Victoria Peak und seine „shopping mall“, sondern auch die Metro und der Airport…
Kämpfe um Demokratie. Ein Review-Essay von Siegfried Jäger. Erschienen in DISS-Journal 24 (2012) Sind die weltweite Occupy-Bewegung und – erst recht – der arabische Frühling kläglich gescheitert? Was hat die Entkolonialisierung afrikanischer Länder ((Vgl. dazu auch die Rezension des Doppelheftes der Zeitschrift Peripherie mit dem Titel „Umkämpfte Räume“ http://www.diss-duisburg.de/2012/11/umkampfte-raume/)) gebracht außer Korruption und Kriegen? Hat die Krise neoliberaler Alternativlosigkeiten einen Ausweg gezeitigt, der in die Richtung wirklicher Demokratie deutet? Angesichts des „arabischen Frühlings“ und auch der weltweiten Occupy-Bewegung drängt sich die alte Frage auf, was „wir“ denn eigentlich unter Demokratie verstehen und wie und ob überhaupt sie zu realisieren ist. Und diese Frage drängt sich deshalb in besonderer Weise auf, weil das von „uns“ und dem ganzen Westen vertretene und gelegentlich auch geliebte oder manchmal gar als heilig geglaubte Modell von (repräsentativer) Demokratie…
Zu den jüngsten Wendungen im FAZ-Feuilleton. Von Sebastian Friedrich. Erschienen in DISS-Journal 23 (2012), 35-37 Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), erklärte im Sommer 2011, er beginne zu glauben, dass die Linke recht hat. Drei Monate später feierte er ebenfalls im FAZ-Feuilleton ein Buch des Anarchisten David Graeber als „Befreiung“. Lorenz Jäger erklärte zuvor an gleicher Stelle, er sei nun kein Rechter mehr. Steuert mit dem FAZ-Feuilleton das Leitmedium der konservativen Elite nach links? Ausgangspunkt für Schirrmachers vermeintliches Linksbekenntnis war ein Aufsatz des konservativen Publizisten Charles Moore mit dem Titel „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat“, der im Juli 2011 im Daily Telegraph abgedruckt wurde und in England eine Debatte auslöste. Moore äußerte in seinem Rundumschlag Kritik am Bankenwesen und an den verantwortlichen Politikerinnen. In seinem Beitrag wartete…
... und der gesellschaftlichen Linken gegen die Sparpolitik. Erste Bemerkungen zu den griechischen Wahlen von Vassilis S. Tsianos, Dimitris Parsanoglou & Pavlos Hatzopoulos. ((Übersetzung aus dem Englischen von Jobst Paul)) Erschienen in DISS-Journal 23 (2012), 24-25 Die Radikalisierung der griechischen Gesellschaft geht weit über die formelle soziale und politische Dynamik hinaus, die im Zusammenhang der zwei Runden der griechischen Parlamentswahlen (am 6. Mai und am 17. Juni) die zentrale politische Arena erfasst hat. In vieler Hinsicht werden die Wahlergebnisse durch soziale Kräfte und Antagonismen überschattet, die die vorhandene parlamentarische Politik immer weiter an ihre Grenzen bringen. Der Versuch, die Wahlkampagne von diesen Antagonismen freizuhalten, ist wohl der letzte Atemzug des alten politischen Systems. Der Versuch war zwar erfolgreich, aber nur im Hinblick auf eine kurzzeitige Eindämmung der Stimmenverluste, doch es erscheint unmöglich, dass…
Eine Rezension von Jobst Paul. Erschienen in DISS-Journal 23 (2012), 21-23 Auch wenn die Distanz noch fehlt und nur eine essayistische Annäherung möglich ist, versucht das Team der kultuRRevolution im Doppelheft 61/62 u.a. mit den vorhandenen Instrumenten der Normalismus- und der Kollektivsymbol-Theorie möglichst nah ans revolutionäre Geschehen „südlich und nördlich des Mittelmeers“ heranzurücken. Ohne Zweifel angetrieben durch Jürgen Links unbändige Überzeugung: „Jetzt laufen die Maschen der Denormalisierung, jetzt proliferieren kulturrevolutionäre Drives“, vor allem: „jetzt hat sich der Kairos des Projekts kRR weit geöffnet.“ Im Editorial wundert sich Jürgen Link (Zu diesem Doppelheft, S. 3-4) nicht über die Ratlosigkeit von Intellektuellen, die seit 1989 Dinge wie „Antagonismus oder gar Kulturrevolution“ von sich wiesen. Einfach zu entwirren sind die verknoteten Kämpfe freilich nicht – der Betrachter (so Jürgen Link) hat die Denormalisierungen, die von kulturrevolutionären…
Rede zur Versammlung Occupy Wall Street, am 6. Oktober 2011 ((Vgl. naomiklein.org. Übersetzung: Jobst Paul)), von Naomi Klein. Erschienen in DISS-Journal 22 (2011). [...] Wenn es etwas gibt, was ich sicher weiß, dann die Tatsache, dass das ‚eine Prozent‘ Krisen liebt. Wenn Leute in Panik geraten und verzweifelt sind, wenn scheinbar niemand weiß, was man tun soll, dann ist das der ideale Zeitpunkt, um [kurz mal] die Wunsch-Vorstellungen der Wirtschaft politisch durchzusetzen: die Privatisierung der Bildung und der Sozialversicherung, Kürzungen im öffentlichen Dienst, das Abschütteln der letzten Schranken unternehmerischer Macht. Inmitten der Wirtschaftskrise geschieht das überall in der Welt. Und es gibt nur eines, um diese Taktik zu durchkreuzen, und das ist glücklicherweise ziemlich groß: es sind die 99 Prozent und - dass jetzt die Menschen von Madison bis nach Madrid auf die…
Eine Allianz zwischen arabischem Kulturkonservatismus und den Konzernen könnte die Occupy-Bewegung in Bedrängnis bringen. Ein Kommentar von Jobst Paul, erschienen in DISS-Journal 22 (2011). In den vorangehenden Beiträgen haben die Verfasser ihre vorläufige Sicht der Dinge mitgeteilt, auch auf die Gefahr hin, von den Entwicklungen überholt zu werden. Ihre Einschätzungen geben – über die mediale Berichterstattung hinaus und ohne repräsentativen Anspruch – weitere Hinweise und Orientierungen, nennen aber auch bereits Kategorien für eine nicht weniger vorläufige, zusammenfassende Analyse. So scheint sich die Frage des Zusammenhangs zwischen occupy-Bewegung ((Der Begriff steht derzeit für in verschiedenen Ländern jeweils unterschiedlich strukturierte, nicht homogene Bündnisse, die jedoch zumindest auf der Ebene ihrer kritischen Aussagen übereinkommen (dorthin weist auch der Bericht Tsomou/Tsianos/Papadopoulos aus Athen). Nachfolgend verwenden wir den Begriff in diesem Sinn (vgl. auch die nachfolgende Anmerkung) ))…