Von Jasmin Farkasch
Das Virus Covid- 19 hält seit Anfang des Jahres die ganze Welt in Atem und ist aus den Medien, Zeitschriften und Magazinen nicht mehr wegzudenken. Die Corona-Pandemie kommt jedoch besonders extremen Gruppen der Gesellschaft zugute, die in dieser Zeit von der allgemeinen Verunsicherung der Menschen profitieren wollen. Durch die Verbreitung von Verschwörungs- und Erwartungsmythen versuchen sie, eine bei manchen Bürgern vorhandene ablehnende oder gar feindselige Stimmung gegenüber staatlichen Maßnahmen zu verstärken, um damit zum gemeinsamen „Widerstand“ zu mobilisieren. Dies ist auch der Fall im Compact Magazin, dessen Argumentationsweise im Folgenden vorgestellt werden soll.
Das Compact Magazin
Das Compact Magazin, seit Oktober 2013 mit dem Zusatz „Magazin für Souveränität“, ist ein monatlich erscheinendes politisches Magazin in Deutschland. Es handelt sich hierbei um eine ,,Querfront“-Organ, womit ein politisches Konzept gemeint ist, das laut Selbstbeschreibung auf die „Überwindung der Kategorien ‚Links‘ und ‚Rechts‘ zurückgeht“ (Schilk 2017, 10) und sowohl linke als auch rechte Inhalte in dem Magazin inkludieren will.
Der Chefredakteur des Magazins ist Jürgen Elsässer, welcher zuvor Autor bzw. Redakteur bei so unterschiedlichen linksorientieren Printmedien wie konkret, Bahamas oder Junge Welt war, sich jedoch 2010 mit der Gründung von Compact politisch neu orientierte, um vorgeblich Linke und Rechte bewegungsorientiert zusammenzuführen (vgl. Lang 2016). Auch in der Corona-Pandemie verfolgt Compact dieses strategische Konzept, das auf den Widerstand gegen das Regierungshandeln gerichtet ist und dazu aufruft, sich diesem Widerstand anzuschließen. Die im Verlauf der Pandemie in Compact verbreiteten Verschwörungsmythen und Feindbilder dienen als Instrumente zur Unterstützung der Bewegungsorientierung und des damit verbundenem Aufrufs zum Widerstand.
Verschwörungsmythos: Corona-Diktatur
Der Begriff ,,Corona-Diktatur“, der für einen solchen Verschwörungsmythos steht, wird zwischen Ende März und Anfang August 2020 häufig aufgerufen und mit den verschiedensten Aussagen unterlegt. Laut Compact komme die Corona-Krise der Regierung zugute, da sie damit den langersehnten „Übergang in den autoritären Seuchenstaat“ (Elsässer 2020a, 10) erreichen könne, um die Grundlagen der westlichen Kultur von Grund auf zu revidieren und den Abstieg in eine sogenannte „Abstandsgesellschaft“ (ebd.) zu beschleunigen. Die Corona-Krise werde als Vorwand für den geplanten „Ausbau“ eines autoritären Systems genutzt. In Wahrheit sei das das Corona- Virus viel „milder“ als eine herkömmliche Grippe; nur bestimmte Risikogruppen wie ältere oder vorerkrankte Menschen seien von dem Virus betroffen sein. Elsässer behauptet, dass selbst bei diesen betroffenen Menschen nicht gesagt werden könne, ob sie an oder mit Corona verstorben sind. Um die Angst der Bürger zu schüren, würden die Statistiken zur Ausbreitung des Virus und zu den Todesfällen „verzerrt“ und „künstlich aufgebläht“. Der mit der Corona-Krise verbundene Lockdown wird nicht als Schutzmaßnahme angesehen, sondern wiederum als Vorwand, um die Wirtschaft in Deutschland „abschalten“ und den „Nationalstaat“ schwächen zu können und dadurch den „Untergang“ des Wirtschafts- und Gesundheitssystems herbeizuführen.
Ähnlich argumentiert der Compact-Autor Kleine-Hartlage. Für ihn steuert die Regierung mit dem Lockdown wissentlich und willentlich den „Ruin der Wirtschaft“ (Kleine-Hartlage 2020, 44) an. Gleichzeitig greife sie gezielt in die Grund- und Menschenrechte ein, um die „Corona- Diktatur“ erfolgreich umzusetzen zu können. Der Lockdown diene als Instrument für den Ausbau der Autokratie und die Abschaffung der nationalstaatlichen Wirtschaft. Von dem Umstand, dass zu keinem Zeitpunkt des Lockdowns weder das Parlament noch der Rechtsstaat (der Demonstrationen der Corona-Leugner zuließ) ausgeschalten waren und somit weiterhin eine funktionierende Demokratie vorzufinden war, lassen sich weder Kleine-Hartlage noch Elsässer in ihrer Argumentation stören. Der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel.
Und der Zweck wird offen ausgesprochen. Die Compact-Gruppe will Einfluss gewinnen auf die Bewegung der Corona-Leugner und -Relativierer, die sich durchaus aus ganz unterschiedlichen Haltungen, Kräften und Strömungen zusammensetzt. Diese ideologische Diversität – einschließlich diffus ‚linker‘ Einstellungen – berücksichtigend empfiehlt Martin Sellner, Führungsfigur der Identitären Bewegung in Österreich und Kolumnist des Magazins, den „Patrioten“ ein vorsichtiges Auftreten: „Ich appelliere daher an jeden Patrioten, sich zeitweise an breiten Zweckbündnissen gegen die Virusdiktatur zu beteiligen und dafür auch Kompromisse in Kauf zu nehmen. Man muss nicht überall mit der eigenen Fahne auftreten und alles mit dem eigenen Logo schmücken‘‘ (Sellner 2020, 65). In seinem Aufruf zum Widerstand gegen die „Diktatur“ und zur Bildung von „Zweckbündnissen“ präsentiert er sich und die Rechte als ‚Freiheitskämpfer‘. Das Ziel lautet: „Wenn wir es schaffen, den Zugriff auf unsere letzten Freiheitsrechte zu verhindern, und diese Zweckbündnisse ihr Ziel erreicht haben, werden viele der Politisierten und Aufgewachten in unsere Parteien und Bewegungen strömen“ (ebd.).
Diese Okkupation des Freiheitspathos durch Compact ist die Kehrseite des Verschwörungsmythos. Der Weg zum „kapitalistische[n] Überwachungsstaat“ (Neumann 2020, 27) sei geebnet. Infolge des Lockdowns würden zwischenmenschliche Begegnungen und die Versammlungsfreiheit immer mehr eingeschränkt, die Freiheit der Menschen sei nicht mehr gewährleistet. Der Überwachungsstaat solle durch die Corona-Warn-App ausgebaut werden, insofern die App, die in dem Magazin als „digitale Fußfessel“ (Pföhringer/Klemm/Grassmann 2020, 13) bezeichnet wird, sämtliche mobilen Daten der Menschen auswerte und als „Überwachungstechnik“ genutzt werde.
Weitere Überwachungstechniken würden die Lockdown-bedingten vermehrten Online-Käufe darstellen, da sie der Regierung ermöglichten, Auswertungsmaterial zusätzlich zu den Daten aus der Corona- Warn- App zu erlangen. In Folge dessen sei die „totale Überwachung“ nicht mehr abzuwenden. Die Einführung dieser „Überwachungstechnik“ lasse Deutschland immer mehr zu einer ,,faschistischen Diktatur‘‘ (Hildmann 2020, 24)1 werden und führe zu einer allmählichen „Atomisierung des Menschen“ (Glaser 2020, 16).
Verschwörungsmythos: Machtübernahme der Globalen Eliten, Bill Gates als „Impfdiktator“
Wie bereits angesprochen, wird angenommen, dass durch die momentane Corona-Krise der Nationalstaat Deutschland entmachtet werden könne. Folglich könnten die „globalen Eliten“ ihre weltweite Macht ausweiten. Die Corona- Krise würde zur Errichtung einer „globalen Regierung“ (Hildmann 2020, 24) verhelfen und der Nationalstaat Deutschland würde einen starken Souveränitätsverlust erleiden.
Auch hier wird Corona wieder als „Vorwand“ gesehen, um die weltweite Produktion stillzulegen zu können, damit die „globalen Eliten“ im Anschluss an die Krise die Möglichkeit hätten, die Macht über weltweite Produktion zu erringen, um ihre weltweite Dominanz auszuweiten. Durch die Zusammenarbeit der „globalen Eliten“ würde die „Pluralität von Staaten“ (Janich 2020, 64) nicht mehr gegeben sein, die Nationalstaaten wären somit als Machtfaktor außer Kraft gesetzt. Das bedeute, dass nationale Ideen und Interessen nicht mehr umgesetzt werden könnten, sondern nur noch auf die „globalen Eliten“ abgestimmte Interessen durchgesetzt würden.
In diesem Zusammenhang richtet das Compact-Magazin seine Aufmerksamkeit auf Bill Gates. Denn dieser habe die Pandemie zu seinem Nutzen erfunden habe, um die weltweite Macht erlangen zu können. Begründet wird dies damit, dass er ein großes Mitspracherecht und aus diesem Grunde auch einen großen Einfluss bei der Entwicklung eines Impfstoffes gegen Corona habe. Er könne daher mit einem Impfstoff gegen Corona sein Vermögen enorm steigern und durch die Krise einen außerordentlichen Profit einfahren würde. Mit der von ihm propagierten „Impfpflicht“ beabsichtige er allerdings nicht, die Menschen gegen das Corona-Virus immunisieren, vielmehr wolle er durch die Impfung einen Haut-Chip unter die Haut der Menschen transplantieren lassen: als eine „individuelle, tragbare biometrisch verknüpfte und digitale Identität durchsetzen, die auf Lebenszeit besteht“ (Leonhard 2020, 13). Der Haut Chip solle dazu dienen, ihn als eine weitere Überwachungstechnik nutzen zu können und durch die neu dazu gewonnen Daten die totale Kontrolle und Überwachung über die gesamte Menschheit erlangen zu können.
Für Bill Gates stehen nach Aussagen des Compact-Magazins nicht die „sozialen Faktoren“, also Gesundheit, Immunität gegen das Virus etc. im Vordergrund, sondern ganz allein der „technische- und wirtschaftliche Faktor“ (Leonhard 2020, 13) zugunsten der weltweiten Machtausdehnung und des Ausbaus der weltweiten Überwachung. Aufgrund dieser Behauptungen wird Gates als der „Impfdiktator“ (Leonhard 2020, 10) betitelt, gewissermaßen als der Vorbote einer bald folgenden (Gesundheits-)Diktatur. Jürgen Elsässer sieht das Gates-Projekt, „die Impfung von sieben Milliarden Erdenbürgern“, als ,,Angriff auf unsere Körper und Reproduktion“ (Elsässer 2020b, 42).
Dieser Verschwörungsmythos hat keinen informativen Gehalt, denn es wird keinen Zusammenschluss der „globalen Eliten“ zu einer Art Kollektiv geben, da die jeweiligen Nationalstaaten „nach wie vor eine nationale Prägung“ (Bourdieu 2002, 23) aufweisen und weiterhin im eigenen Interesse handeln werden, um die nationalen Ziele zu erreichen und durchzusetzen.
Feindbilder und Erwartungsmythen
Die Verschwörungsmythen, darauf soll abschließend eingegangen werden, reproduzieren bereits hinlänglich bekannte Feindbilder aus der ‚Vor-Corona-Zeit‘. Das gilt für das Feindbild der „globalen Eliten“. Aber auch das ‚klassische‘ Feindbild des Flüchtlings darf nicht fehlen. So behauptet Elsässer, dass das Corona-Virus nur nach Deutschland gekommen sei, weil die meisten „Flüchtlinge“ einen Fluchtweg über den Iran gewählt hätten. Dort habe sich das Virus zu Hochzeiten der Krise „grassierend“ (Elsässer 2020b, 42) verbreitet und dort hätten sich die „Flüchtlinge“ angesteckt.
An dieses Konstrukt knüpft der Erwartungsmythos (vgl. zu diesem Begriff Lenk 2005, 56) an, dass die vielen erkrankten „Flüchtlinge“ die Intensivbetten für die Behandlung der Schwer-Erkrankten den Deutschen wegnehmen würden. „Unser“ Gesundheitssystem sei dafür nicht ausgelegt, um erkrankte „Flüchtlinge“ – dazu noch in steigendem Ausmaß – aufzunehmen. Dieser Erwartungsmythos schürt Wut oder Panik bei den Lesern, die Abneigung gegen „Flüchtlinge“ soll ansteigen. Nach Elsässer sind demnach vor allem die Flüchtlinge für die herrschende Krise verantwortlich, womit er den in Compact gepflegten Rassismus im Kontext der Corona-Krise reproduziert. Elsässer stellt Corona als Vorwand für den häufig beschworenen „Bevölkerungsaustausch“ dar, der zur „Zerstörung der Völker und Nationen, vor allem der Deutschen“ (Elsässer 2020b, 42) führe und seiner Meinung nach bereits „weitgehend abgeschlossen“ (ebd.) sei.
Damit ist auch die Thematik der Grenzschließungen und des ‚Regierungsversagens‘ angesprochen. Nach Elsässer hätten die Grenzen schon viel früher geschlossen werden müssen: Deutschland befinde sich in „Gefahr“, seine Souveränität sei gefährdet. Das „Wir“ sei, so Jonas Glaser, durch die „massive Integration“ (Glaser 2020, 51) bedroht, dagegen müsse sich – hier wird wieder die Bewegungsorientierung des Magazins deutlich – „aufgelehnt“ werden.
Jasmin Farkasch studiert Soziologie an der Uni Duisburg-Essen und war Praktikantin im DISS
Quellen und Literatur
Bourdieu, Pierre 2002: Das Politische seiner Soziologie, in: Bittlingmayer, Uwe H. u.a. (Hg.): Theorie als Kampf? Zur politischen Soziologie Pierre Bourdieus, Opladen, 13-26.
Elsässer, Jürgen 2020a: Sie kommen: Die neue Asylflut, in: Compact Magazin H. 4, 10-13.
Elsässer. Jürgen 2020b: „Ich kann erst ruhen, wenn den Deutschen Gerechtigkeit widerfährt“, in: Compact Magazin H. 6, 38-42.
Glaser, Jonas 2020: Fürchte deinen Nächsten wie dich selbst, in: Compact Magazin H. 5, 16ff.
Hildmann, Attila 2020: So Gates nicht: „Aufpassen, was mit unserer Demokratie geschieht“, in: Compact Magazin H. 6, 24-25.
Janich, Oliver 2020: Janichs Welt. Querfront-Frühling, in: Compact Magazin H. 6, 64.
Kleine-Hartlage, Manfred 2020: Versagen die Konservativen in der Corona- Krise? In: Compact Magazin H. 6, 44-46.
Lang, Jürgen P. 2016: Biografisches Porträt: Jürgen Elsässer, in: Jahrbuch Extremismus und Demokratie 28, 225-240.
Lenk, Kurt 2005: Das Problem der Dekadenz seit Georges Sorel, in: Kauffmann, Heiko/Kellershohn, Helmut/Paul, Jobst (Hg.): Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt. Analysen rechter Ideologie, Münster, 49-63.
Leonhard, Johann: Der Impfdiktator, in: Compact Magazin H. 6, 10-14.
Neumann, Marvin Timotheus 2020: Nach dem Tag X, in: Compact Magazin H. 4, 25-27.
Pföhringer, Daniell/Klemm, Paul/Grassmann, Roy 2020: Die Welt danach, in: Compact Magazin H. 5, 13- 15.
Schilk, Felix (Hg.) 2017: Souveränität statt Komplexität. Wie das Querfront-Magazin ‚Compact‘ die politische Legitimationskrise der Gegenwart bearbeitet, Münster.
Sellner, Martin 2020: Alle an einem Strang! In: Compact Magazin H. 6, 65.
1 Interviews mit bekannten „Verschwörungstheoretikern“ wie Attila Hildmann, Xavier Naidoo u.a. werden in Compact oft abgedruckt, um sie für das Magazin sprechen bzw. die Position des Magazins bestätigen zu lassen
Dieser Artikel stammt aus dem DISS-Journal 40 vom November 2020. Die vollständige Ausgabe als PDF finden Sie hier.