Herausforderung oder Gefahr für die Demokratie.
Eine Rezension von Sebastian Reinfeldt, erschienen im DISS-Journal 25 (2013).
Zu rezensieren ist das Buch „Populismus. Herausforderung oder Gefahr für die Demokratie“, das vom Sir Peter Ustinov Institut herausgegeben wurde. Dieses Institut, in Wien ansässig, widmet sich der Erforschung von Vorurteilen, und entwickelt unter anderem Unterrichtsmaterialien, um schon früh dagegen zu steuern.
In dem genannten Sammelband schreiben u.a Eckhardt Jesse über Linkspopulismus, der Doyen der konservativen deutschen Politikwissenschaft Klaus von Beyme über Populismus in der Postdemokratie, Hans-Georg Betz über die Schweizer Volkspartei und Anton Pelinka, der österreichische Politikwissenschafter.
Letztgenannter konstatiert in seiner Einleitung zum Band „Populismus – zur Karriere eines Begriffs“, dass der Begriff des Populismus unscharf sei, aber er stellt dennoch fest, dass Populismus ein fester Bestandteil der „liberalen“ und „westlichen“ Demokratie geworden sei, und dass dies ambivalent zu beurteilen sei. Er warnt dabei besonders vor populistischen Definitionen des Volkes, die dieses als homogene Gruppe denken. (18)
Die folgenden Beiträge behandeln einzelne Fragestellungen, wie der Populismus in Ungarn, in der Schweiz, in den Niederlanden. Doch leider wird das von Anton Pelinka vorgegebene Reflexionsniveau zumeist nicht eingehalten. Vielmehr schleicht sich unter der Hand der „gute alte“ Extremismusbegriff ein, bei dem dann in der Nacht alle Katzen grau werden. Das gilt besonders für die Beiträge von Eckhardt Jesse und Klaus von Beyme, die mangels begrifflicher Klarheit eine der zentralen Schwächen traditionellen politikwissenschaftlichen Arbeitens vor Augen führen: Sie wenden Kategorien und Begriffe beliebig auf irgendwelche politischen Phänomene an und bieten letztlich nichts anderes als eine Nacherzählung der täglichen Zeitungslektüren an.
Ärgerlich wird das bei Eckhardt Jesse, der in aller wissenschaftlichen Schlichtheit die Programmatik der SPD zum Gradmesser für Extremismus macht, denn alles, was weiter geht, als diese beschlossen hat, gilt ihm in der Programmatik der Partei der Linken als extremistisch („Ökologie als Systemfrage“ etwa). Was hingegen populär sein soll, gilt ihm dann als links-populistisch, etwa die Forderung nach einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Offenbar wird hier eine begriffliche Beliebigkeit mit durchsichtigen politischen Zwecken.
Ein weiteres Beispiel, diesmal Klaus von Beyme: „Sobald populistische Gruppierungen kompromissfähig wurden, wurden sie ins System integriert und sie verloren ihre Einmaligkeit. Dies geschah vor allem mit den Grünen.“ (48) Dann zu Viktor Orban und dem militanten Rechtspopulismus in Ungarn: „Langfristig bin ich jedoch auch für die neuen EU-Mitglieder optimistisch: EU-Werte formen die politischen Kulturen Osteuropas.“ (48) Und weiter: „Der populistische Zeitgeist gebiert ständig neue Bewegungen. Die WutbürgerInnen organisieren sich in der Occupy Bewegung: In Spanien, in den USA, im Frankfurter Bankenviertel wurde kampiert. Mit der Piratenpartei wurde eine neue basisdemokratisch-populistische Partei angeboten (…)“ (50)
Erstens muss zwischen sozialen Bewegungen, die die Grünen in die Parlamente getragen haben und die weiterhin bestehen, und populistischen Mobilisierungen unterschieden werden. Auch taugt Populismus nicht dazu, alles von der repräsentativen Demokratie Abweichende zu erfassen, sondern es kann durchaus begrifflich präzisiert werden. Wobei der Rezensent anmerken muss, dass er „basisdemokratisch-populistisch“ für schillernd und durchaus zitierfähig hält!
Begrifflich klar und analytisch überzeugend ist dagegen der Beitrag des Linguisten Martin Reisigl, „Zur kommunikativen Dimension des Rechtspopulismus“. Mit seiner dritten These möchte ich diese Rezension schließen: „Populismus ist ein inhaltsbezogener Modus der politischen Artikulation und ein komplexes Syndrom (für eine Krise der politischen Repräsentation), der bzw. das sich prototypisch nach einem vertikalen und einem horizontalen Antagonismus gliedert: Dem affirmativen Bezug auf die (…) Kategorie des Volkes stehen als interne Feinde prototypisch ‚die da oben‘ und als externe Feinde prototypisch ‚die da draußen‘ gegenüber.“ (159)
Sir Peter Ustinov Institut (Hg.)
Populismus. Herausforderung oder Gefahr für die Demokratie?
Wien 2013, nap – new academic press