Von Alfred Schobert. Erschienen in DISS-Journal 12 (2004)
Martin Hohmann, Bundestagsabgeordneter der CDU, hat sich in den vergangenen Jahren als rechter Ultra bereits einen Namen gemacht. Nun verbreitet Horst Mahler eine Hohmann-Rede in einer Mailingliste. Seit seinem antisemitischen Coming out im Dezember 1997 erreicht Mahler als Antisemit und Holocaust-Leugner immer neue Spitzenwerte auf der nach oben offenen Verrücktheits-Skala. Wenn er nun Hohmann attestiert, dieser habe „Mut“ doch „noch nicht den vollen Durchblck [sic]“, dann muss sich in besagter Rede schon eine gehörige Portion Antisemitismus finden. Da die Rede hält, was Mahler verspricht, kamen bei Beobachtern der Cyber-Nazi-Szene zunächst Zweifel an ihrer Echtheit auf. Vielleicht war es auch die Hoffnung, es könne doch nicht wahr sein, dass ein CDU-Parlamentarier derart auf Nazi-Diktion zurückgreift, so, wenn er den „einzelne(n), den man früher Schmarotzer genannt hätte“, geißelt. Die Zweifel hielten nicht lange: auf der Homepage des CDU-Kreisverbandes Neuhof fand sich Hohmanns Neuhofer Rede vom 3. Oktober.
„Gerechtigkeit für Deutschland“ ist Hohmanns Thema. So widmet er sich eingangs der Sozialpolitik, genauer angeblichem Sozialmissbrauch. „Wie viele Menschen in Deutschland klopfen ihre Pläne und Taten auch darauf ab, ob sie nicht nur eigennützig, sondern auch gemeinschaftsnützig sind sie der Gemeinschaft nützen, ob sie unser Land voranbringen?“ Ist das schlecht eingedeutschter Kennedy? Oder geht Hohmann im Kampf gegen Parasiten am Volkskörper „Gemeinnutz immer vor Eigennutz“, wie es im 25- Punkte-Programm der NSDAP hieß? Vor dem Begriff „Volksgemeinschaft“ schreckt Hohmann zurück. Aber er meint: „Das Wir- Denken, die Gemeinschaftsbezogenheit, müssen […] zweifellos gestärkt werden.“ Das geht bekanntlich am besten durch Abgrenzung gegen vermeintlich Fremdes.
Hohmann hegt den „Verdacht, daß man als Deutscher in Deutschland keine Vorzugsbehandlung zu genießt“ (sic!). Er belegt ihn unter Rückgriff auf seine parlamentarische Arbeit und erwähnt einige Anfragen an die Bundesregierung, deren Beantwortung ihn „nachdenklich“ gemacht habe. „Nachdenklich“ macht Hohmann u.a., dass die Bundesregierung sich nicht für die Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter einsetzen wolle. Schließlich macht ihn „nachdenklich“, dass die Bundesregierung nicht dem Vorschlag folgen wolle,„angesichts der Wirtschaftsentwicklung und des Rückgangs der Steuereinnahmen […] ihre Entschädigungszahlungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz (also an – vor allem jüdische – Opfer des Nationalsozialismus) der gesunkenen Leistungsfähigkeit des deutschen Staates anzupassen“. Der von der Bundesregierung bekundete „Respekt vor dem damaligen Leiden dieser Menschen“, der es „gebiete, das Entschädigungsniveau uneingeschränkt aufrechtzuerhalten“, macht Hohmann „nachdenklich“.
Er sieht da wohl eine „Schieflage“, wünscht er sich doch „einen Konsens […], wie er in vielen anderen Ländern“ bestehe, nämlich: „Der eigene Staat muß in erster Linie für die eigenen Staatsbürger da sein.“ Dass diese Maxime hier nicht gelte, führt Hohmann auf die deutsche Geschichte zurück. So ergibt sich zugunsten sozialpolitischer Gerechtigkeit die Notwendigkeit geschichtspolitischer Operationen. Zwar bekräftigt Hohmann, „kein Kundiger und Denkender“ könne „ernsthaft den Versuch unternehmen, deutsche Geschichte weißzuwaschen oder vergessen zu machen“. Doch das ist lediglich Rhetorik, um desto heftiger dafür zu streiten, dass diese deutsche Vergangenheit keine moralischen und politischen Konsequenzen mehr haben möge. Und kämpfen müsse man, denn: „Immer wieder erfahren wir, wie stark die 12 Jahre der NS-Vergangenheit bis in unsere Tage wirksam sind.“
Das Treiben der Neonazis meint Hohmann damit nicht: Ganz umgehen kann er dieses Thema allerdings nicht. Doch als Pflichtübung führt es zu halsbrecherischer Denk-Akrobatik: „Das Häufchen seiner [Hitlers] Adepten am rechtsextremen Rand der politischen Szene ist nicht zu verharmlosen.“ Schlimm genug, dass der Satz sich über die verharmlosende Rede vom „Häufchen“ selbst dementiert. Hohmann setzt noch eins drauf:„Nicht die braunen Horden, die sich unter den Symbolen des Guten sammeln, machen tiefe Sorgen.“ Es mag zwar sein, dass man gelegentlich But und Göse leicht verwechseln kann. Hohmanns Rede gibt aber Anlass zu der Befürchtung, dass er manche Transparente jüngerer Nazi-Aufmärsche („Opi war kein Verbrecher“), tatsächlich für „Symbole des Guten“ hält.
Während die Hitler- und Strasser-Jungs Hohmann keine Sorgen bereiten, macht ihm „eine allgegenwärtige Mutzerstörung im nationalen Selbstbewußtsein, die durch Hitlers Nachwirkungen ausgelöst wurde“, allerdings „schwere Sorgen“. Die „Schuld von Vorfahren“ an den „Menschheitsverbrechen“ habe „fast zu einer neuen Selbstdefinition der Deutschen geführt“. Deren Zentrum sei „der Vorwurf: die Deutschen sind das ‘Tätervolk’. An diesem Bild werde mit „neurotischem Eifer“ gearbeitet. Oder aber für ein deftiges Autorenhonorar – als besonders schlimmes Beispiel dafür nennt Hohmann einen „amerikanische[ n] Junior-Professor (Daniel Jonah Goldhagen)“. Hohmann hätte auch gleich ‘der Jude Goldhagen’ sagen können, denn im folgenden schlägt er exakt diesen Ton an und heftet den auftretenden historischen Personen mehrfach ein Substitut des gelben Sterns an („der Jude Felix Teilhaber“ usw.).
Gegen all die, die „fast neurotisch auf der deutschen Schuld beharren“ (wie Hohmann Pfarrer Joachim Gauck zitiert) stellt er „die provozierende Frage: Gibt es auch beim jüdischen Volk, das wir ausschließlich in der Opferrolle wahrnehmen, eine dunkle Seite in der neueren Geschichte oder waren Juden ausschließlich die Opfer, die Leidtragenden?“ Zur Beantwortung greift Hohmann ausgerechnet auf Henry Fords Buch „The International Jew“ zurück. „Darin“, so Hohmann, „prangert Ford die Juden generalisierend als ‘Weltbolschewisten’ an. […] Ford brachte in seinem Buch eine angebliche ‘Wesensgleichheit’ von Judentum und Kommunismus bzw. Bolschewismus zum Ausdruck.“
Hohmann weiß, dass er hier auf ideologischen Sprengstoff gestoßen ist. Er spricht von „Thesen, die für unsere Ohren der NS-Propaganda vom ‘jüdischen Bolschewismus’ ähneln“. Statt aber den Kampfmittelräumdienst zu verständigen, hantiert Hohmann mit seinem Fund herum. Ausgiebig liefert Hohmann, gestützt auf ein Buch von Johannes Rogalla von Bieberstein, weitere vermeintliche Belege für die antisemitische These vom „jüdischen Bolschewismus“ und kommt zu folgendem Ergebnis: „Mit einer gewissen Berechtigung könnte man im Hinblick auf die Millionen Toten dieser ersten Revolutionsphase nach der ‘Täterschaft’ der Juden fragen. Juden waren in großer Anzahl sowohl in der Führungsebene als auch bei den Tscheka-Erschießungskommandos aktiv. Daher könnte man Juden mit einiger Berechtigung als ‘Tätervolk’ bezeichnen.“
Es gehört freilich zu Hohmanns demagogischem Geschick, dass er hier nur, grammatisch korrekt im Konjunktiv, ein hypothetisches Zwischen-Ergebnis formuliert. Zwar hat er lang und breit (die Passage umfasst zirka ein Viertel des gesamten Redetextes) die nazistische Propaganda vom jüdischen Bolschewismus reproduziert und „die Juden“ als „Tätervolk“ gebrandmarkt, aber das soll alles nur ein Gedankenspiel gewesen sein – man kennt diese Schreibtechnik von Ernst Nolte. Hohmann präsentiert abschließend ein „Tätervolk“, das aus (in großer Zahl jüdischen, von Gott abgefallenen) Bolschewisten und Nazis besteht, deren „verbindendes Element“ die „religionsfeindliche Ausrichtung und die Gottlosigkeit“ gewesen seien. „Die Gottlosen mit ihren gottlosen Ideologien, sie waren das Tätervolk des letzten, blutigen Jahrhunderts.“ Gegen „das Böse“ dieser Art sieht Hohmann Gott auf seiner Seite – einen Gott mit nationaler Präferenz: „Mit Gott in eine gute Zukunft besonders für unser deutsches Vaterland!“
Diese auf Deutschland zentrierte christlich-abendländische Akzentuierung der Totalitarismusthese Ernst Noltes kann allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass die CDU in Gestalt ihres Abgeordneten Hohmann ein massives Antisemitismus- Problem hat.