Das diffuse Bild der Berichterstattung der BILD-Zeitung zum Irak-Krieg. Von Iris Bünger-Tonks. Erschienen in DISS-Journal 11 (2003) (= Gemeinsames Sonderheft des DISS-Journals und der kultuRRevolution zum Irak-Krieg).
Nach den Terroranschlägen vom 11.09.01 auf das World-Trade-Center und das Pentagon in den USA wurde in der BILD kein Zweifel daran gelassen, wo die Deutschen stehen: »Wir sind alle Amerikaner«. ((Vgl. hierzu: Iris Bünger: Apocalyse Now? In: Prokla 125, Münster, 2001, S. 603-624.)) Und auch Bundeskanzler Schröder verkündete in Einheit mit Frankreich, Großbritannien und Russland: »Wir sind uns in der Bewertung einig, dass diese Terrorakte eine Kriegserklärung an die freie Welt bedeuten«. Er betonte, »dass diese außergewöhnliche Situation das Zusammenstehen aller Demokraten erfordert. « ((Zitiert nach Plenarprotokoll 14/186, im Internet unter: http://dip.bundestag.de/btp/ 14/14186.pdf.)) Dieses Zusammenstehen manifestierte sich in einer gemeinsamen Kriegsführung gegen Afghanistan, wo die vermeintlichen Attentäter und ihre Hintermänner ihre Kommandozentrale haben sollten. Dieser Krieg traf in Deutschland weitgehend auf Zustimmung. Nun, zu Beginn des Jahres 2003 stand ein neuer Krieg bevor. Wegen der vermeintlichen Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak führten der US-Präsident George Bush und seine Verbündeten wegen der angeblich mangelnden Kooperation, diese Massenvernichtungswaffen vollständig zu vernichten, gegen Saddam Hussein (und den Irak) Krieg.
Wie manifestiert sich im Mediendiskurs ((Zum Verfahren der Kritischen Diskursanalyse siehe: Jäger, Siegfried: Kritische Diskursanalyse, Duisburg, 2001.)) – konkret in der BILD-Zeitung – wo Deutschland (Politik, Medien und Bevölkerung) im Hinblick auf diesen Krieg steht? Lassen sich Brüche und Unterschiede zur Position nach dem 11.09.01 aufspüren?
Betrachtet man die BILD-Zeitung im oben genannten Zeitraum, so fällt auf, dass die Berichterstattung über den Irakkrieg nur wenig haupttitelgreifend ist. Die aufgefundenen Haupttitel sind durch Kursivierung hervorgehoben, die sonstigen in den Überblickslisten angeführten Titel fanden sich auf den jeweiligen Frontseiten, jedoch nicht als Haupttitel. Hier werden die Haupttitel von persönlichen Schicksalen Prominenter bestimmt.
Es soll hier auf zwei Phasen in der Berichterstattung der BILD-Zeitung eingegangen werden:
1. Phase – Vorlauf – 01.02.03 – 20.03.03
2. Phase – Krieg bis Sieg – 21.03.03 – 10.04.03
01.02.03 – 20.03.03 1. Phase – Vorlauf: Deutschland, der Kanzler und die Pocken, Bush und Saddam
06.02.03 Terror-Beweise gegen Saddam – Jetzt Krieg?
10.02.03 Irak-Konflikt! Außenminister und Kanzler zerstritten – Fischer brüllt Schröder an!
12.02.03 Irak! Steuern! NATO! Arbeitslose! Schulden! Kanzler im Chaos
15.02.03 Ist der Krieg noch zu stoppen?
17.02.03 Wirbel um Pocken-Alarm!
18.02.03 Pocken-Angst! Sagt uns die Wahrheit!
19.02.03 Irak-Krieg – Kanzler umgefallen?
20.02.03 Pockenschutz –Politiker werden zuerst geimpft!
08.03.03 Dramatische UN-Sitzung – 10 Tage Frist für Saddam
18.03.03 Die Welt in Angst vor Krieg – Nur noch Stunden!
19.03.03 Saddam erklärt uns den Krieg – Ihr werdet Blut weinen
20.03.03 Dramatischer Kriegsbefehl des US-Präsidenten – Tötet Saddam!
Die Titel im Februar beschäftigen sich mit einer Legitimation des Krieges und weisen auf die innenpolitische Verknüpfung hin – der Irak steht sozusagen als eine rote Zahl auf dem Konto des Kanzlers, dessen Popularität und Regierungslegitimation unter starken Beschuss geriet. Die Frage, ob der Kanzler umgefallen sei (19.02.03) bezieht sich auf seine Nein-zum-Krieg-Position. An der Anti-Kriegshaltung Schröders wird deren Inkonsistenz und vor allem der darauf folgende Bruch des deutsch-amerikanischen Verhältnisses, der NATO, der EU und von Rot-Grün kritisiert. Es wird ein internationaler Bedeutungsverlust Deutschlands befürchtet: Die BRD brächte sich aussenpolitisch »ins Abseits«. In der Kritik an der Regierungspolitik Schröders werden in der Vorphase zum Krieg die Themen Irak-Krise und Steuern auffallend oft in einem Atemzug genannt. Später wird vor allem auf die ökonomischen Folgen des Zerwürfnisses mit den USA hingewiesen. Flankiert wird die Berichterstattung um innen- und außenpolitische Elemente im Hinblick auf den Irak-Krieg von einer Berichterstattung über Pocken, die auf den ersten Blick nicht mit dem Irak-Krieg in Zusammenhang steht. Jedoch wird beim Lesen der Artikel klar, dass es sich hierbei um eine Bedrohung durch den Einsatz von Massenvernichtungswaffen durch den Irak handelt. ((Zur kollektivsymbolischen Bedeutung von Viren siehe Link, Jürgen: Diskursive Rutschgefahr ins vierte Reich? Rationales Rhizom, kultuRRevolution 5, 1984 S. 12-20. Zur Bedeutung der Milzbrandviren nach dem 11.09.03 vgl. Bünger, Iris: Apocalypse now? In Prokla 125, Münster 2001, S. 603-624.))
Die Titel der letzten drei Tage vor Kriegsbeginn weisen auf die umfassenden geographischen Ausmaße des Geschehens hin – die Welt in Angst, d.h. alle Menschen sind betroffen. Saddam – eine Einzelperson, erklärt uns (eigene Hervorhebung) den Krieg und droht mit völliger Zerstörung.
Nun stellt sich die Frage, was Saddam wirklich gemacht hat. Dass er tatsächlich eine Kriegserklärung aussprach, also eine Legiti mation des Krieges selbst schuf, ist nicht bekannt. Wer ist mit »uns« gemeint?– Es müsste sich nach Lage der Dinge um Deutschland handeln. Eine Kriegserklärung an Deutschland durch den Irak hat aber de facto nie stattgefunden. Somit muss eine andere Komponente hier eine Rolle spielen. Nach dem 11.09.01 wurde in BILD die gesamte westliche Welt durch ein »Wir« homogenisiert. Dieses »Wir« wird nun hier wieder aufgerufen und neben Saddam Hussein kommt eine weitere Einzelperson in den Vordergrund – der US-Präsident, der einen dramatischen Kriegsbefehl gibt – er handelt und die Schwierigkeit, die in seinem Handeln liegt, wird mit dem Begriff »dramatisch« gefasst – und er stellt der diffus-bildhaften Bedrohung eine klare Lebensbedrohung mit Handlungsanweisung (auch an uns?) gegenüber: Tötet Saddam! (20.03.03).
Begleitet von einem Countdown werden die allgemeinen Vorbereitungen geschildert, nachdem »das Fenster der Diplomatie« geschlossen ist. Fragen, die die Deutschen hauptsächlich bewegen, sind Fragen nach Zahlen: Soldaten, Tote, Flüchtlinge, Kosten (Benzin, Börse, Wiederaufbau), Bundeswehrsoldaten. Am 19.03.03 wird das Bild der apokalyptischen Reiter publikumswirksam in die Begriffe Raum, Gift, Täuschung und Zeit umgewandelt. ((Zur Verwendung des Bildes der apokalyptischen Reiter in BILD nach dem 11.09.2001 siehe meine in Anm. 1 genannte Analyse.)) Kollektivsymbolisch aufgeladen als das Chaos, das Undurchdringbare ist die Darstellung des Iraks: schwieriges Gelände, Sumpf, Wüste und brennende Ölgräben und die Angst, »Truppen könnten stecken bleiben wie Gummistiefel im Morast.« Kriegsvergleiche Saddams und seines Sohnes werden zitiert: der Mongolensturm im 13. Jh. sowie Stalingrad. Die angstbesetzten Vokabeln lauten: »Minenfelder «, »Sprengfallen«, »Häuserkämpfe«, »Giftgasschwaden«, »Geheimbunker«.
Auf den Innenseiten der BILD finden sich in diesen Tagen viele Fragen: »Wie allein ist Deutschland?« und die vierteilige Serie von Arnulf Barning: »Deutschland braucht Amerika«:
- »Feindschaft zu den USA führte uns schon einmal ins Verderben«
- »Amerika schenkte uns das Wirtschaftswunder«
- »Die 68er verrannten sich in blinden Anti-Amerikanismus«
- »Ohne die USA wäre Deutschland noch geteilt«
Auf diese Weise wird die Verantwortung Deutschlands gegenüber Amerika hergestellt und Bündnistreue eingefordert.
Im Vorlauf zum Krieg geht es um Deutschland, seine innenpolitische Lage, die Legitimationsprobleme des Kanzlers in seiner Position und damit auch seiner Position zum Irak-Krieg, einem klaren Nein. Kollektivsymbolisch spielt sich dies alles im Inneren des sozialen Systems der Bundesrepublik Deutschland ab. Draußen stehen Bush als Vertreter für Law und Order auf der einen Seite, der allerdings historisch gesehen einen Fuß im inneren Kreis Deutschlands stehen hat, und Saddam Hussein als Diktator eines bekannten »Schurkenstaates« und sozusagen Vertreter des Chaos. Dieses Chaos – so wird symbolträchtig suggeriert – möchte sich Eingang nach Deutschland verschaffen, in Form von Pocken-Viren. Hier ist die Bevölkerung in besonderem Maße gefährdet, denn »Politiker werden zuerst geimpft.« Dies kann als eine Aufforderung an die Bevölkerung gelesen werden, sich doch zu einer Bekämpfung des Chaos und der Viren zu bekennen, auch wenn Politiker sich dagegen aussprechen.
21.03.03 – 10.04.03 2. Phase – Krieg bis Sieg: Und »auch wir sind dabei«
21.03.03 Krieg!
22.03.03 Bagdad brennt
24.03.03 Erste US-Soldaten gefangen. Was stellt Saddam mit ihnen an? Todesangst!
25.03.03 BILD und Prominente bitten – Habt ein Herz! Helft den Kindern des Krieges
26.03.03 Blutige Schlacht vor Bagdad
27.03.03 Feldzug kommt schwer voran – Warum haben sie Saddam noch nicht?
28.03.03 Saddam lässt US-Kriegsgefangene hinrichten!
29.03.03 Die mutige RTL-Reporterin in Bagdad – Lasst meine Kinder nicht sterben
31.03.03 Verkleidet sich Saddam als US-Soldat?
01.04.03 Blutschlacht um Basra
02.04.03 Irak-Krieg! US-Soldaten erschießen 7 Zivilisten
04.04.03 Fällt Bagdad heute?
05.04.03 Kesselschlacht um Bagdad! Aber der Diktator lässt sich in den Straßen feiern – Saddam verhöhnt die Welt
07.04.03 Iraker stürzen Saddam vom Sockel
08.04.03 Schlacht um Bagdad – Deutscher Reporter tot
10.04.03 Saddam geschlagen! Jubel in Bagdad – Sieg
Die Titel zeigen das Auf und Ab der ersten Kriegstage – als erstes brennt Bagdad, das Zentrum des einzunehmenden Iraks, dann die Meldung erster Gefangener unter den Amerikanern und die Angst um ihr Schicksal. Als Antwort brennt Bagdad nicht nur – die Schlacht um Bagdad ist blutig. Erste Zweifel werden sichtbar – der Feldzug kommt schwerer voran als erwartet und mit den Zweifeln findet zum ersten Mal eine Distanzierung von den kriegsführenden Parteien statt – »Warum haben sie (eigene Hervorhebung) Saddam noch nicht?« Das Horror-Szenario spitzt sich zu: »Saddam lässt USKriegsgefangene hinrichten« (die Meldung stellte sich als von Blair voreilig in die Welt gesetzt heraus). Dann wird ein Bezug zu Deutschlands Kriegsbeteiligung hergestellt – zwar eigentlich nicht kriegsführend tätig, haben Deutsche dennoch eine Rolle in diesem Krieg.
Neben Fragen zur Sicherheit in Deutschland und beliebten Reiseländern wird der Blick auf das Ganze gerichtet: »So reagiert die Welt auf den Angriff«, zitiert werden nur die Irak-Kriegsgegner Putin, Chirac, Annan, China, Prodi und der Papst. Rechts auf der Seite: »Das meinen BILD-Leser zum Irak-Krieg«: Auch hier sind alle dagegen.
Die ersten Tage der Kriegsberichterstattung transportieren Kriegsromantik, Action und die vollkommene Überlegenheit der USA (kurzer harter Kampf). Die Hervorhebung der Rolle Deutschlands erscheint wichtig. »Bild hilft den Kindern im Irak«, »Irakische Asylanten dürfen vorerst bei uns bleiben«, »Kardinal Lehmann ruft zu Gebeten auf«, »Deutschland hilft beim Wiederaufbau des Irak«. Es folgt ein Bericht über den Tag der BILD-Kriegsreporterin in Bagdad. Die Presseschau international und national steht eher gegen den Krieg.
Die Stimmung kippt am 24.3. mit der Überschrift »Todesangst – Erste US-Soldaten gefangen – Was stellt Saddam mit ihnen an?« Diese bildet den Auftakt einer Sammlung schlechter Kriegsnachrichten für die Alliierten. »Der Wüstensturm gerät ins Stocken«. Unfälle, Tote, Gefangene. Die US-Gefangenen sind »in Saddams Hand«, »höhnisch ließ der Diktator seine Geiseln im TV vorführen. « Am 27.03.03 dann sogar Kritik: »Warum haben sie Saddam noch nicht?« Hier findet eine deutliche Entsolidarisierung mit Amerika statt: »Warum so viele Tote? Warum treffen Bomben Zivilisten? «. Die Einschätzung des Krieges als Blitzkrieg scheint verflogen. Bush wird zitiert: »Dieser Krieg ist noch lange nicht vorbei«. Am 28.03.03 dann die Schreckensnachricht: »Saddam lässt Kriegsgefangene hinrichten!« Am 29.03.03 die Frage: »Wird der Irak ein zweites Vietnam?« »Stellungskrieg – Wird es wieder so schrecklich wie im 1. Weltkrieg?« (31.03.03). Die verwendeten Begriffe und Bilder lassen Schlimmstes vermuten: »Straßenschluchten«, Gräben mit brennendem Öl, Minen, Sprengfallen, Autobomben, Heckenschützen und Selbstmordattentäter, eingegrabene Panzer, Privatmilizen und Elite-Elitesoldaten in Zivil. Ein zweites Stalingrad? Im Kommentar stellt Kremp fest: »Blut dringt ein«. Es eröffnet sich die Gefahr, dass plötzlich niemand mehr weiß, wo der Feind ist: »Verkleidet sich Saddam als US-Soldat?« (31.03.03). Es findet eine deutliche Distanzierung von den kriegsführenden Parteien statt – das solidarisierende »wir« wird nicht mehr verwendet. Das Stocken der Kriegsführung manifestiert sich im »Stellungskrieg« (10.04.03). Die bange Frage lautet: »Warum hört man nichts mehr von den Kriegsgefangenen«. Dennoch wird der Kontakt zu den USA gehalten: »Darum steht Angela Merkel treu zu Amerika«. »Kanzler-Gattin hält Krieg manchmal für notwendig.« »Schröder will EU-Blauhelme in den Irak schicken.« »Alle suchen Kraft im Gebet« berührt die transzendentale Ebene. Und dann am 10.04. endlich die erlösende Nachricht: »Sieg – Saddam geschlagen! Jubel in Bagdad«. Bilder und Titel zeigen Denkmal-Stürze und jubelnde Iraker (vor allem Frauen und Kinder). »Das Volk feiert seine neue Freiheit (und Plünderer rauben Saddams Paläste aus).« Aber der Spuk ist nicht vorbei: »Versteckt sich Saddam unter Erde?«
In der Kriegsphase zeigt sich die BILD-Berichterstattung – zwischen angstvoll und heroisierend – deutlich verunsichert. Auf der einen Seite wird Deutschlands Verantwortung hervorgehoben, was so weit geht, dass eine Beteiligung Deutschlands in jeglicher Weise, sei es durch Einsätze in Kuwait, durch humanitäre Hilfe oder durch Reporter im Irak, regelrecht beschworen wird nach dem Motto: Wir sind doch dabei. Auf der anderen Seite überwiegen jedoch kritische Töne, die vor allem in Frageform vorgetragen werden. Im Vordergrund stehen hier die Kriegsdauer, das Blutvergießen und die Schicksale der Opfer auf allen Seiten. Die übermächtige Einzelperson, die die gesamte Welt verhöhnt wird 21 Tage nach Kriegsbeginn als geschlagen angesehen, seine Landsleute als befreit und glücklich jubelnd. Dennoch – Zweifel bleiben.
Es ist erstaunlich, wie schnell der Irak-Krieg nach dem Ende der Kampfhandlungen fast komplett aus der Berichterstattung verschwindet. Am 12.04.03 zeigt sich im Haupttitel wenig Ernsthaftes: »Jetzt ist Schluss mit lustig – »Superstar« Daniel muss zur Bundeswehr « – Anbei ein humoriges Foto des 17jährigen Daniel Küblböck, der bei den »Superstars« zweifelhaften Ruhm erlangte, in Bundeswehrmontur. Für den Leser könnte sich die Frage stellen, ob Deutschland seine Sicherung und Verteidigung denn nun gar nicht mehr ernst nimmt. Weiter unten: »Bagdad wird geplündert.« Chaos auf allen Ebenen?
Sind wir immer noch alle Amerikaner?
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die zunächst zögerlich aufgenommene Berichterstattung über die Irakkrise und den nachfolgenden Krieg in der Hauptphase deutlich versucht, den Deutschen ihre Verantwortung gegenüber Amerika vor Augen zu führen. Als der Krieg dann aber nicht so schnell Erfolg zeitigt, wie es erwartet wurde, kippt die Berichterstattung zugunsten von Einzelschicksalen der Kriegsopfer und Kriegsführer, die somit beide in Opferrollen geraten. Der Antikriegsstimmung in der Bevölkerung wird durch Leserbriefe und die Berichterstattung über Demonstrationen und Gebete Rechnung getragen, während jedoch die politische Entscheidung des Kanzlers gegen den Krieg auf der Seite seiner innenpolitisch als defizitär dargestellten Politik verbucht wird. Fragen um die Legitimation des Krieges tauchen immer wieder am Rande auf, vor allem im Nachhinein wird über Befunde berichtet, die einen Krieg legitimieren konnten. Die Diskussion um die völkerrechtliche Komponente des Krieges tritt völlig in den Hintergrund. Im Hinblick auf die Bedrohung durch Saddam Hussein wird mit ähnlichen Bildern gearbeitet, wie dies bei der Berichterstattung um den 11.09.01 in Zusammenhang mit Bin Laden der Fall war. Saddam wird als höhnischer Diktator dargestellt, der in seinem unwegsamen, unübersichtlichen, chaotischen Land die Macht besitzt, in andere Rollen zu schlüpfen, sich zu verkleiden und biologische Waffen (Viren) in den Händen hält, mit denen er die Ordnung von Systemen bedroht, die weniger chaotisch sind, und seine eigene Bevölkerung unterdrückt, während er nur von fundamentalistischen Randgruppen unterstützt wird. Die Rolle Deutschlands während des Krieges wird hervorgehoben – wie entfernt auch immer von einer Beteiligung am Krieg gesprochen werden kann – und zum Ende des Krieges wird eine rasche Schadensbegrenzung im Hinblick auf das »beschädigte« deutsch-amerikanische Verhältnis angestrebt. All dies geschieht jedoch deutlich gedämpfter und sehr viel brüchiger als nach den Ereignissen des 11.09.01, als der Tenor noch eindeutig hieß: »Wir sind alle Amerikaner.«