Von Margarete Jäger. Erschienen in DISS-Journal 11 (2003) (= Gemeinsames Sonderheft des DISS-Journals und der kultuRRevolution zum Irak-Krieg).
Die Bedeutung, die in den neuen Kriegen den Medien zukommt, lässt sich nicht erst im Irak-Krieg im Frühjahr 2003 studieren. Bereits im Golf-Krieg von 1991 waren die Medien ein wichtiges Propagandamittel, mit dem damals vor allem die amerikanische Bevölkerung auf den Krieg eingestimmt wurde. Spätestens im Verlaufe des NATO-Kriegs in Jugoslawien gilt diese Funktion auch für deutsche Medien. Schließlich markiert dieser Krieg einen Wendepunkt in der deutschen Außenpolitik, in dem Deutschland sich erstmalig an Kampfeinsätzen beteiligte. Dieser Krieg war auch insofern für eine genauere Betrachtung der Wirkungsweisen medialer Kriegsberichterstattung von Bedeutung, als wir es im Frühjahr 1999 mit einer eigentümlichen Konstellation zu tun hatten. Innerhalb der Zivilgesellschaft wurde der Krieg eher skeptisch, vom größten Teil der politischen und medialen Klasse dagegen befürwortend aufgenommen.
Das DISS ist deshalb in einer diskursanalytischen Untersuchung der Frage nachgegangen, wie es gelingen konnte, dass trotz Skepsis und Ablehnung der Krieg dennoch von der Bevölkerung geduldet wurde. Dazu wurde der Mediendiskurs unter der Fragestellung analysiert, wie es gelingen konnte, den Krieg als ein Stück Normalität erscheinen zu lassen.
Vor dem Hintergrund des jüngsten Krieges gegen den Irak, bei dem die gleiche medio-politische Klasse diesmal eine ablehnende Position einnahm, lassen sich in Bezug auf die Behandlung der beiden Kriege charakteristische Unterschiede feststellen.
Gerade in Bezug auf die Bedeutung der Bilder, die vom Kriegsgeschehen durch die Medien verbreitet wurden, war während des Irak-Kriegs mehr Sensibilität und Kritik festzustellen.
Während des NATO-Krieges dienten die Bilder vor allem dazu, zu beweisen, dass dieser Krieg unbedingt geführt werden musste. Davon konnte im Frühjahr 2003 keine Rede sein – im Gegenteil. Es wurde in und von deutschen Medien allenthalben dazu aufgefordert, Berichten und Bildern mit großer Vorsicht zu begegnen, weil diese von den Kriegsparteien gezielt zu Propagandazwecken eingesetzt würden.
Dagegen wurde während des Krieges in Jugoslawien von 1999 vor allem durch die visuelle Darstellung der Flüchtlinge starke Betroffenheit hergestellt. Sie fand ihren Ausdruck u.a. in einer enormen Spendenbereitschaft der Bevölkerung, mit der der Krieg dem politischen Raum entzogen wurde.
Dagegen beklagt z.B. die WAZ in ihrer Ausgabe vom 23.4.2003, dass die Spendenbereitschaft für die irakische Bevölkerung während des Kriegs gegen den Irak bei den Deutschen ausgesprochen dürftig sei und dass dies auch daran liege, dass es an Bildern mangele, die Betroffenheit herzustellen vermögen.
Zwar stand die Logik, mit der 1999 die Bilder von flüchtenden Menschen aus dem Kosovo das Eingreifen der NATO rechtfertigen sollten, auf tönernen Füßen. Denn vorausgesetzt, dass Bilder überhaupt etwas »beweisen« können, so bewiesen diese Fluchtbilder doch auch, dass die Bomben den Flüchtlingen nicht zu helfen imstande waren. Doch in Verbindung mit der massiven Propagierung des Krieges als alternativlos konnten sie damals als Rechtfertigung des Krieges funktionieren.
Es gilt allerdings auch zu bedenken, dass der Einsatz der Bilder in der zweiten Phase des NATO-Krieges gegen Jugoslawien auch den Druck auf Politik und NATO erhöhten, den Krieg zu beenden. Hier ist vor allem an Bilder einer zerstörten Eisenbahnbrücke zu denken, mit der der verharmlosende Begriff der ›Kollateralschäden‹ desavouiert wurde. Auch diese Bilder wurden immer wieder gezeigt und entfalteten dadurch Wirkung. Zu erinnern ist aber auch an die Bombardierung der Fernsehstation in Belgrad, bei der auch Journalistinnen umkamen, und nicht zuletzt an die Bilder der Bombardierung der chinesischen Botschaft. Die ikonografische Inszenierung dieser Ereignisse trug mit dazu bei, dass die Strategie eines unblutigen und quasi chirurgischen Krieges, der sich nur gegen militärische Ziele richte, immer unglaubwürdiger erschien und die zuvor aufgebaute Akzeptanz zu bröckeln begann.
Insofern deutet sich in der Skepsis der Medien während des Irak-Krieges gegenüber Informationen und Bildern, die vor allem während der ersten Tage häufig zum Gegenstand der Berichte gemacht wurden, ein Sinneswandel an, von dem zu hoffen ist, dass er bei kommenden Kriegen, an denen möglicherweise dann auch Deutschland wieder beteiligt sein wird, auch durchgehalten wird.
Gerade unter dem Gesichtspunkt, dass mit weiteren Interventionskriegen gerechnet werden muss und dass die Medien in das Konzept der neuen Kriegsführung eingebunden werden, ist deshalb für Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner die Frage wichtig, auf welche Weise sich Kritik am Krieg in den Medien entfalten kann. Hier kann die Analyse der kritischen Stimmen während des NATO-Kriegs in Jugoslawien einige Schwachstellen offen legen.
Thematisch konzentrierte sich die Kritik am NATO-Krieg auf eine Kritik der Kriegsstrategie, die unter vielfältigen Gesichtspunkten angesprochen wurde. Dies zeigt bereits, dass die Reichweite der Kritik stark eingeschränkt war. Es ging nicht um eine generelle Ablehnung des Kriegseinsatzes, sondern um eine detaillierte Kritik an der Kriegsführung.
Diese Perspektive einer strategischen Kritik trug insgesamt dazu bei, dass sich ihre Reichweite und Tiefe nicht weiter entfalten konnte. Sie zwang die Kritikerinnen dazu, sich auf die strategischen Fragen, die vor allem von den Kriegsbefürwortern bzw. -betreibern aufgeworfen wurden, einzulassen und deren Vorgaben zu diskutieren. Wer allerdings militärische Optionen im Krieg kritisiert, befindet sich im Ausgangspunkt bereits im Feld des Krieges und wendet sich aus dieser Position heraus gegen einzelne Aspekte. Auf diese Weise konnte es dann auch geschehen, dass sich in einem einzigen Artikel gleichzeitig ablehnende und befürwortende Stellungnahmen zu Krieg auffinden ließen. (Vgl. etwa den Kommentar von Ralf Lehmann am 25.3.1999 in der WAZ.)
Dabei ist es nicht verwunderlich und auch nicht zu beanstanden, dass sich Medien vor allem kritisch mit den strategischen Fragen des Krieges auseinander setzen. Es gehört selbstverständlich zu ihrer Aufgabe, kriegerische Auseinandersetzungen in einer kritischen Perspektive und Distanz zu begleiten. Es ist aber anzumerken, dass sich die Journalistinnen während des NATO-Kriegs in Jugoslawien über die Einengung der von ihnen eingenommenen Perspektive offenbar nicht im Klaren waren. Anderenfalls hätten sie möglicherweise erkannt, dass sie gegenüber den vermeintlich »starken « Argumenten der Kriegsbefürworter ebenfalls starke Argumente haben.
So ist der Einschnitt, den der Jugoslawien-Krieg für die deutsche Politik darstellte, vom Mediendiskurs kaum bearbeitet worden. Zwar spielte der Rechtsbruch, den die NATO durch ihre Kampfeinsätze beging, eine große Rolle. Doch der in Verbindung damit stehende Einsatz deutscher Soldaten in out-of-area-Einsätzen ist ausgesprochen leise artikuliert worden. Diese Situation, die nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch in der Bevölkerung stark umstritten war, ist überhaupt nicht skandalisiert worden. Dabei hätte durch eine Thematisierung dieses Sachverhalts nicht nur die historische, sondern auch die aktuelle Verantwortung Deutschlands in diesem Krieg deutlicher herausgestellt werden können.
Die starke Akzentuierung der Kritik auf die Kriegsstrategie der NATO weist auf ein weiteres Problem hin, das nicht nur für den Mediendiskurs und nicht nur für diesen Krieg in dieser Frage gilt. Die Analyse zeigte, dass die Kritik lediglich punktuell geäußert wurde und nicht in ein umfassenderes Konzept von Deeskalation eingebunden war. Insofern zeigt sich in dieser Schwäche des Mediendiskurses eine Schwäche der öffentlichen Diskurse insgesamt. Offenbar verhält es sich so, dass alternative friedenspolitische Konzepte vor, während und nach dem Krieg im hegemonialen Diskurs kaum verankert sind. Gerade solche Konzepte gilt es aber in den Zwischenkriegszeiten zu diskutieren und zu etablieren.