Von Martin Dietzsch. Erschienen in DISS-Journal 28 (2014)
Fast 50 Jahre lang standen am Eingang zum Bochumer Stadtpark zwei überlebensgroße kriegsverherrlichende Soldatenfiguren.
Heute ist der Platz vor der Denkmalsmauer leer.
1983 brachten Unbekannte die beiden Helden mit der Säge zu Fall. Ähnliche Aktionen drastischen Protests gegen kriegsverherrlichende Denkmäler gab es auch in anderen Städten.
Ungewöhnlich war die Reaktion des Bochumer Stadtrats. Nach längerer Diskussion wurde der ursprüngliche Zustand nicht wiederhergestellt, sondern statt der beiden Helden eine Tafel mit folgendem Text an der Denkmalsmauer angebracht:
„Von 1935 bis 1983 stand hier ein Kriegerdenkmal, geplant zum Gedenken an die Gefallenen des ehemaligen 4. Magedeburgischen Infanterie-Regiments Nr. 67, errichtet und eingeweiht im Ungeist des Nationalsozialismus. Im Februar 1983 stürzten Unbekannte das Denkmal. Auf Beschluß des Rates der Stadt Bochum wurde es hier nicht wieder errichtet.
NIE WIEDER KRIEG UND FASCHISMUS Stadt Bochum 1984“
Es gibt keinen zwingenden Grund, alle diese Denkmäler – in Deutschland soll es über 100.000 davon geben – in derselben Form und mit derselben Aussage zu erhalten, wie sie einst errichtet wurden. Selbst ein so drastisches Ereignis wie ein gewaltsamer Denkmalssturz kann als Teil der Rezeptionsgeschichte aufgefasst werden. Freilich gibt es gegen eine solche Sicht erhebliche Widerstände – so beantragte die Bochumer CDU schon mehrfach und bisher ohne Erfolg die Wiederaufstellung des Kriegsdenkmals am ursprünglichen Platz.
Die beiden Bochumer Metall-Helden wurden nicht verschrottet. Seit September 2014 sind sie als gefällte Heldenbildnisse inszeniert im Eingangsbereich des Bochumer Stadtarchivs zu besichtigen. Sie bilden den Anfangs- und Endpunkt der neuen Daueraustellung „Zwischen Heimat und Front. Bochum im ersten Weltkrieg“.
Diese Ausstellung ist auch für Nicht-Bochumerinnen und Nicht-Bochumer sehenswert. Thematisiert werden anhand von zahlreichen Dokumenten und Artefakten z.B. auch die Kriegsziel-Denkschriften, die Burgfriedenspolitik (die Bespitzelung der sozialdemokratischen, der anarchistischen und der polnischen Arbeiter wurde eingestellt) und die deutschen Verbrechen in Belgien (das Massaker in Latour, bei dem am 24.8.1914 71 Zivilisten erschossen wurden, die Besatzungspolitik und Zwangsarbeit). Die Formierung der Heimatfront und die Proteste und Streiks ab 1916 bilden weitere besonders interessante Stationen. Endpunkte der Ausstellung sind die Kriegsdenkmalsbewegung in der Weimarer Zeit und die Ausgrenzungs- und Aufrüstungspolitik der Nazis.
Der Eintritt ist frei, geöffnet ist täglich außer montags, die Ausstellung befindet sich in den Räumen des Bochumer Stadtarchivs (Wittener Straße 47) in der Nähe des Hauptbahnhofs. Nähere Informationen sind abrufbar unter www.bochum.de/stadtarchiv.
(Foto 1: Stadtarchiv Bochum, Fotos 2 + 3: Martin Dietzsch)