Das Machtspiel des Jörg Haider. Eine diskursanalytische Annäherung

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Von Siegfried Jäger. Um Fußnoten und Literaturangaben ergänzte Fassung eines Gastvortrags an der Universität Klagenfurt am 20. Juni 2000. Der Duktus des Vortrags ist im wesentlichen beibehalten. Für Diskussion und Anregungen zu einer ersten Fassung dieses Textes danke ich Margarete Jäger und Ernst Schulte-Holtey.

Als Deutscher in Österreich, insbesondere in Klagenfurt, einen Vortrag zu Jörg Haider zu halten, ist angesichts der sich hier abspielenden breiten und kontroversen Diskussion sicherlich ein wenig kühn. Nun ist Österreich durch eine neuere Geschichte, die beide unheilvoll verbindet, so eng mit Deutschland verwandt, daß es sinnvoll sein kann, die neueste Entwicklung in Österreich auch einmal aus deutscher Perspektive zu beleuchten und – zumindest in einigen Punkten – mit der Situation in Deutschland zu vergleichen.

Eines möchte ich allerdings vorweg sagen: Es geht mir nicht so sehr um Haiders frech-faschistische Sprüche; sie sind längst gesammelt, analysiert und entlarvt worden, etwa von Gudmund Tributsch oder auch von Ruth Wodak.[1] Und darüber ist auch bereits viel Kluges, aber auch Falsches gesagt worden, ebenso wie mit ihnen höchst zweifelhaft umgegangen wird. So schreibt der Oldenburger Sprachwissenschaftler Franz Januschek, der mehrere Studien zu Haider vorgelegt hat: „Je mehr die Österreicher/innen davon überzeugt sind, daß er ein Rechtsextremer ist, desto dringender wird ihr Bedürfnis nach handfesten Beweisen; was auch immer als ´Beweis´ angeführt wird, erscheint lediglich als Beweis für seine Raffinesse, nämlich die, so zu formulieren, daß man ihm nichts nachweisen kann. Die Spezifik im Haiderschen Falle des Zusammenspiels zwischen Politiker und rezipierender Öffentlichkeit besteht darin, daß man in seinen Formulierungen Elemente nationalsozialistischer Redeweisen sucht und jedesmal enttäuscht ist, wenn man sie gefunden hat und feststellen muß, daß sie wenig besagen und dem Redner allenfalls die Möglichkeit geben, sich zu distanzieren.“ (Januschek 1992, S. 159)[2]

Demgegenüber geht es mir darum, das Aufkommen der FPÖ und Haiders als Folge der Entwicklung eines politischen Diskurses in Österreich aufzuzeigen, auf dessen Hintergrund die Ursache für die Anziehungskraft Haiders und seiner FPÖ erst zu ermitteln sind. Es geht mir darum, die Rolle, die Haider selbst dabei spielt, genauer zu beleuchten, also die Frage zu beantworten, warum, wie und wodurch es ihm gelungen ist und weiter gelingt, welche Diskurstaktik er verfolgt, seine Ideologie in einem relevanten Teil der Bevölkerung unterzubringen bzw. einen bestimmten Anteil der Bevölkerung hinter sich zu bringen, also auf welches Bedürfnis der Bevölkerung er (scheinbar) eine Antwort gibt, welchem „Notstand“, welchem Druck, den die Menschen spüren, er Abhilfe zu geben verspricht, um sein Machtspiel zu spielen. In Verbindung damit geht es mir des weiteren darum, seine offene, aber oft auch nur in Anspielungen versteckte Ideologie aus Original-Texten Haiders und der FPÖ zu rekonstruieren.

Meine Kernthese, der ich im folgenden nachgehen werde, lautet daher auch: Es ist das Zusammenwirken von ideologischen Diskursen und Lösungsversprechen für politische und soziale Probleme, das Haider und die FPÖ politisch gefährlich macht: ihre scheinbar überzeugenden Antworten auf einen gegebenen gesellschaftlichen Druck, der durch weltweite ökonomische und politische Entwicklungen verursacht worden ist, insbesondere durch die Globalisierung und die europäische Vereinigung mit all ihren tatsächlichen und vermeintlichen Gefahren für die derzeitigen Besitzstände und Befindlichkeiten in einem Land, das zu einem der reichsten Länder auf diesem Globus gehört und dessen Bevölkerung also viel zu verlieren hat.[3]

Diese Antwort auf einen gesellschaftlichen Druck, dieses Machtspiel, wird Haider dadurch erleichtert, daß er Schützenhilfe durch die von ihm so genannten Alt-Parteien erhält.

Bereits 1994 bemerkte Franz Januschek, der sich in mehreren Studien mit Haider beschäftigt hat: „Der rechtspopulistische Diskurs wird nicht von Haider allein bestimmt. In ihn verstricken sich vielmehr auch die Medien und die politischen Gegner.“ (Januschek 1994, S. 285) Und er meint, „daß sich ein populistisches Handeln nicht zufällig gerade mit rechtsextremer Ideologie verbindet.“ (ebd.) Darauf wird zurückzukommen sein.

Der politische Diskurs in Österreich und Deutschland

Der diskursive Kontext, in den jemand hineinspricht und -agiert, das allgemeine politische „Klima“, stellt den Resonanzboden für die vorgetragenen Botschaften dar. Ist ein solcher Kontext z.B. rassistisch oder allgemein völkisch aufgeladen, dann hat eine politisch dem entsprechende Ansprache wesentlich größere Chancen, gehört zu werden, als wenn dies nicht der Fall ist.[4]

Der österreichische politisch-historische Diskurs nach dem Ende des Nazi-Reichs unterscheidet sich in gewissen Aspekten vom deutschen insbesondere dadurch, daß in Österreich völkisch-nationalistisches Denken, rechtsextreme und faschistische[5] Ideologie nicht in gleicher Weise tabuisiert worden sind wie in Deutschland. Das hat viele Gründe, auf die ich hier nicht im einzelnen eingehen kann. Ich werde mich mit einigen Stichworten dazu begnügen müssen. Das wichtigste ist vielleicht: Österreich gelang es recht gut, sich als Opfer des Faschismus zu stilisieren und den 1938 erfolgten Beitritt bzw. Anschluß ans „Reich“ als Okkupation (auch mit Hilfe der Alliierten) zu mythologisieren. Dazu kam der ebenfalls durch die Alliierten verordnete Zustand der Neutralität und deren Bereitschaft, Österreich als „erstes Opfer Hitlers“ einzustufen, der es Österreich leichter ermöglichte, den Unterschied zur faschistischen Vergangenheit zu reklamieren.

In Deutschland, so viel sei noch angemerkt, herrscht ein durchaus ähnliches politisches Klima wie in Österreich: Wichtige Diskurse sind auch hier nach der Befreiung von der Nazi-Herrschaft völkisch-nationalistisch aufgeladen geblieben, und dies ist auch weiterhin der Fall, auch nach über 50 Jahren. Ich erwähne nur den Historikerstreit und die Walser-Bubis-Debatte und deren Resonanz.[6] Die politische Verlaufsform auf einer Art Oberflächenebene ist jedoch in Österreich eine etwas andere geworden, insbesondere wenn man das Hervortreten faschistischer Momente in den öffentlichen politischen Diskurs und damit im Parteiengefüge betrachtet.

Insofern läßt sich sagen, daß in Österreich wie in Deutschland ungebrochen, wenn auch mit wechselnden Konjunkturen, in großen Teilen der Bevölkerung verbreitet eine irrationale rassistische bis völkische Stimmung herrscht, ohne daß dies mit einem geschlossenen rechtsextremen Weltbild verwechselt werden dürfte. Manche wählen rechts, die keineswegs rechts sind, manche sind rechts und wählen trotzdem Parteien der „Mitte“. Das haben ausführliche empirische Studien vielfach unter Beweis gestellt.[7]

Dieser Diskurs transportiert nicht nur Rassismus und Antisemitismus, sondern – neuestens zunehmend – auch Nationalismus, Militarismus und andere völkische Ideologiebestandteile.

Doch zu fragen ist, wie es kommt, daß in Österreich ein rechtsextremer Populist wie Haider so viele Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte, während in Deutschland rechtsextreme Parteien eigentlich keine besondere Rolle spielen? An eine Beteiligung der vielfach in sich zerstrittenen und ideologisch auch recht uneinheitlichen rechtsextremen Bewegung an der Regierungsgewalt in Deutschland ist überhaupt nicht zu denken. Sie ist über kleinere Erfolge bei Kommunal- und Landtagswahlen bisher nicht hinausgekommen.[8]

Ich will versuchen, diese Frage zumindest thesenhaft zu beantworten: – In Deutschland ist der Völkische Nationalismus bzw. Rechtsextremismus ins normale demokratische Parteienspektrum integriert worden, worauf Vertreter aller konservativen Parteien auch sehr stolz sind. Daß dies gelingt ist eine unmittelbare Folge populistischer Öffentlichkeitsarbeit, gerade in der Frage der Einwanderung; die Integration des rassistisch aufgeladenen Einwanderungsdiskurses bedeutet, daß dieser – und das gilt auch für andere völkisch-nationalistische Diskursfragmente – in Deutschland in der „Mitte“ der Gesellschaft Wirkung entfalten kann und zunehmend entfaltet.

In Österreich ist der Rechtsextremismus nicht in dieser Weise integriert, sondern er liegt hier in Gestalt einer mehr oder minder offen rechten populistischen Partei sichtbar zu Tage, einer Partei, mit der die anderen Parteien konkurrieren. Das hat die bereits zuvor genannten Gründe. Man konnte sich als Opfer des Nazitums installieren, als gleichsam „unschuldige Täter“, obwohl die Nazi-Täterschaft auf der Hand lag.[9] Kurzum: Dieser offenere, etwas unschuldig einherkommende völkische Diskurs in Österreich ist sicher eine wichtige Ursache dafür, daß sich hier eine eindeutig rechtsextreme Partei im Spektrum der hegemonialen Parteien festsetzen und „normalisiert“ werden konnte bis hin zur Regierungsbeteiligung. Doch sie ist bei weitem nicht die alleinige Ursache. Denn dieser Diskurs fand in dem Demagogen Haider sein Sprachrohr, eine diskurstüchtige Person, dessen Statur ich im folgenden daher etwas genauer analysieren möchte.

Die Rolle Haiders: sein politisches Marketing

Haider versucht nicht ohne Erfolg, als modern und traditionalistisch zugleich zu erscheinen, mit Lederhose und Laptop, Tirolerhut und Handy, als Sportler, braungebrannt und im feinen Tuch spricht er durchaus unterschiedliche Klientels an. Er zwingt diese unterschiedlichen Seiten zusammen, die eigentlich nicht zusammenpassen. So gibt er sich volkstümlich-heimatbewußt und deutscher Kultur und Geschichte verpflichtet und technisch modern. Haider ist einerseits Ausdruck einer generellen Änderung der gewohnten parlamentarischen Politik, wie sie in allen Industrieländern zu beobachten ist. Er weiß: Wahlen werden primär über die Medien entschieden. Haider nutzt dieses Wissen ausufernd, um seine Politik voranzutreiben, mit vollem Einsatz seiner Person.

Auf der Grundlage intensiver Public-Relation–Studien hat Haider sich über die Jahre zum Medienstar aufgebaut, und und es gelang ihm – und das ist wichtig – „auf der Grundlage eines vorgegebenen Wertegerüsts“ (wie er selbst betont) eine gezielte Wähleransprache zu betreiben, die insbesondere das Gefühlsleben berücksichtigt.

So Haider: „Wir haben das Gefühlsleben der Menschen auch immer wieder mit Zeitthemen, die für sie wichtig sind, erfaßt. Denken sie also nur an die Diskussion um die Zuwanderung, die wir als erste begonnen haben.“

Auch seine Familienpolitik mit Kinderscheck und andere Inhalte zielen direkt auf das Gemüt des „kleinen Mannes und der kleinen Frau“ etcDas alles, so betont er weiter, seien „Signale, daß wir in einem guten Verhältnis mit dem Bürger leben.“ So in einem Interview, das sein Adlatus und politischer Berater Andreas Mölzer mit ihm in der rechtsextremen JF vor wenigen Wochen führte (JF 19/00 vom 5.5.2000) Das „Gefühlsleben“, von dem er hier spricht, das ist der Alltagsdiskurs, den Haider anzielt.

Ein weiteres Beispiel für die Art der Ansprache ist im gleichen Interview zu finden. Es gehe darum, einmal eine klare Antwort auf die linke Zerstörung in Europa zu geben. Denn es handele sich um eine zerstörerische Politik, die in Wirklichkeit eine McDonalds-Gesellschaft aus uns machen wolle, in der die Globalisierung existiere, – die die FPÖ, wenn auch in eigenartiger Form, in ihren Parteiprogramm im übrigen selbst vertritt – und in der dieses kulturell so vielfältige Europa nicht mehr zur Wirklichkeit gehört. Das spricht das Herz an, zumal auch ein Funken Wahrheit dabei ist (Globalisierung macht vielen Angst vor sozialem Abstieg!)

Hier wird der Bezug zwischen Haider, seiner Resonanz und seiner Person bereits ein Stück weit deutlich. Es wäre also falsch, Haiders Fischzüge in der Bevölkerung allein auf sein Charisma oder dergleichen zurückzuführen. Er wurde zum Großsprecher eines Diskurses dadurch, daß er durch harte Arbeit an sich selbst auf der Medienklaviatur professionell zu spielen und sich einer großen Bevölkerungsmasse zu präsentieren gelernt hatte.

Die Unterstützung durch die Medien

Auch in Deutschland, den USA und anderswo treten zunehmend Medienkünstler und Profi-Jongleure der Mediendemokratie auf, die die elektronischen Medien und damit gekoppelte Institutionen wie etwa den Sport skrupellos nutzen, um sich spektakulär den Medien und damit den Massen zu präsentieren.[10]

Dabei wird Haider in den Print- und TV-Medien oft als ernstzunehmender Politiker behandelt, auch wenn man ihn kritisiert. Journalisten reden nicht etwa über Haider, sondern mit ihm, statt klipp und klar zu verdeutlichen, daß er die Alleinherrschaft plant. Selbst nach politischen Mißerfolgen wie etwa der Volksabstimmung gegen die Ausländerpolitik 1993 bei einem Runden Tisch im ORF, wird Haider (oft ungewollt) aufgewertet. Franz Januschek hat gezeigt, wie es Haider ermöglicht wurde, seine Niederlage in einen Sieg zu verwandeln, indem man ihm erlaubte, mit Politikern aller Parteien über Ausländerpolitik zu diskutieren und den Lohn einzuheimsen dafür, ein politisch brisantes Thema in die öffentliche Diskussion getragen zu haben.[11] Haiders erst kürzlich stattgehabter Auftritt in Brüssel wurde zu einem Medienereignis aufgebauscht, indem sich hunderte von sensationslüsternen Journalisten auf den FPÖ-Mann stürzten, während der zu einer wichtigen Besprechung ebenfalls in Brüssel anwesende Bundespräsident Klestil kaum Beachtung fand.

Die Medien tragen so dazu bei, Haiders Politik salonfähig zu machen und sie als Bestandteil einer Politik der „Mitte“ erscheinen zu lassen.

Zu sehen ist aber auch: Haider betreibt ein ausgeklügeltes „politisches Marketing“, das manchen Zahnpastaverkäufer vor Neid erblassen läßt.

Auf einen weiteren Aspekt der Wirkung Haiders (und anderer populistischer Politiker) macht Franz Januschek aufmerksam: auf ihren „Untrerhaltsamkeitswert“. Heutige Politiker müssen „unterhaltsam sein wie Sport- und TV-Stars…“ (Januschek 1994, S. 289) Und das ist Haider ohne Zweifel. Man kann immer darauf gespannt sein, welchen gemeinen Gag, welchen bösen Spruch, welchen Tabubruch und welche Schmähung der Regierung er als nächstes zum Besten gibt. Und er kann sicher sein, daß die Medien diese millionenfach verbreiten!

Auch wenn Haider sich alsbald wieder von seinen Entgleisungen distanziert: Sie erhalten Präsenz im öffentlichen Medien-Diskurs und damit auch im Alltagsdiskurs, der bekanntlich für das Wahlverhalten von entscheidender Bedeutung ist. Insofern sind die Medien, die seine Sprüche referieren und daneben Haider durchaus als seriösen Politiker darstellen, an seinen Wahlerfolgen mit schuld.

Und es kommt noch etwas hinzu: In Talkshows, auch in längeren Interviews und öffentlichen Reden kann die komplexe politische Materie, können die differenzierten Entscheidungsprozesse einer parlamentarischen Demokratie mit ihren notwendigen Kompromisslinien leicht als Zögerlichkeiten und Unfähigkeiten der Politiker desavouiert werden. Man braucht sich nur eine solche Sendung mit Haider anzuschauen, und man versteht, was gemeint ist:

Haider geriert sich als Überflieger, der alles beherrscht und für alle Probleme einfache und für jeden, der nicht ins schwierige politische Geschäft verstrickt ist, leicht verständliche Lösungen parat hat. In der politischen Wirklichkeit demokratischer Prozesse des Aushandelns, die der Populist zutiefst verachtet, der Gremienarbeit und der Meinungsbildung gibt es so einfache und wohlfeile Lösungen nicht, wie Haider es seiner Zuseherschaft vorgaukelt.

Da ist es leicht, das von ihm so genannte „System“ zu kritisieren und zu verteufeln und sich als zupackender Führer zu präsentieren, der einen gordischen Knoten nach dem anderen durchschlägt.[12] Dies fällt natürlich umso leichter, wenn es ihm gelingt, tatsächlich vorhandene Fehler und Mißstände in der aktuellen Politik aufzuzeigen, die er dann – und das ist wichtig – jedoch als Wesensmerkmale des demokratischen hegemonialen Parteien-Systems brandmarkt. Und hier erweist sich Haider eben nicht nur als Populist, sondern auch als rechtsextrem, weil er das demokratische „System“ und seine Vertreter – übrigens ähnlich wie Hitler (vgl. Januschek 1994,S. 293) – verächtlich macht und sich als charismatischer Führer präsentiert. Denn wie könnte jemand seine einfachen Lösungen auf breiterer Front und in komplexen Problemlagen durchsetzen, wenn nicht mit diktatorischen Mitteln und zur Not auch mit Gewalt?

Sieht man von diesem rechtsextremen Gehalt, auf den ich noch genauer zu sprechen komme, zunächst einmal ab, so deutet sich hier im übrigen ein weiterer Paradigmenwechsel bezüglich des Politischen an: Während in früheren Zeiten die Wähler eher Anhänger einer bestimmten Partei waren und selten wechselten, scheinen sie heute eher einem Markt-Modell zu gehorchen und geben einmal dieser und einmal jener Partei ihre Stimme, je nach Prominenz und Bekanntheitsgrad. Das hat auch der deutsche FDP-Politiker Möllemann gelernt, der durch sensationsheischende Mätzchen wie Fallschirmabsprünge und Punktlandungen in Fußballstadien, durch flotte und respektlose Sprüche Aufmerksamkeit erregte und seine FDP bei der Wahl in NRW in diesem Frühjahr aus nahezu dem Nichts sofort auf fast 10% hieven konnte.

Populismus als Technik der Politik

Dies alles sind Merkmale eines neuen Populismus, der sich ideologiefrei und allein dem Wohl der Bevölkerung verpflichtet gibt. So heißt es bei Januschek: „Die Haider-Bewegung ist eine populistische Bewegung, die sich als ideologiefrei und keinem anderen Interesse als dem des sich durch ehrliche Arbeit seinen Wohlstand erringenden Individuums verpflichtet präsentiert. (Januschek 1992, S. 147).

Der Rücktritt Haiders. Eine populistisch-taktische Maßnahme

Als populistisch zu interpretieren ist auch die Art und Weise bzw. die Taktik Haiders, sich persönlich bei der Regierungsbeteiligung zurückzuhalten und sogar auf den FPÖ-Vorsitz zu verzichten: Nur so muß er sich nicht in der Koalition verschleißen und kann sich weiter als starker und kompromißloser Politiker präsentieren, um eines nahen Tages, wie er hofft, als der „Führer“ die Massen hinter sich zu bekommen, als jemand, der „sein politisches Talent“ nicht verschleudert hat.

Zum Populismus Haiders gehört eben auch, daß er nicht an der Macht beteiligt werden will, sondern die Machtübernahme als solche anstrebt.

Die FPÖ kennt natürlich den Vorwurf des Populismus und weist ihn auf die ihr eigene Art zurück. So deutete der Generalsekretär der FPÖ Peter Westenthaler den politischen Begriff „Populismus“ fogendermaßen um: „Populismus ist nichts anderes als eine dem Volk verbundene Politik.“ (In einer Rede zur Lage der Politik und zur Situation im November 1999, nachzulesen auf der Homepage der FPÖ im Internet.)

In einem Essay Haiders, der in der Nr. 1 der Aula 1994 mit dem Titel „Brauchen wir Eliten?“ abgedruckt ist, spielt er mit einem Börne-Zitat darauf an, welche Strategie ihm vorschwebt. Dort heißt es: „Wo ein Talent sich durchgeschlagen hat und sich Hochachtung erarbeitet hat, da schmieden sie es an die Schulbank, um es festzuhalten, oder sie spannen es vor die Regierung, um es zu zügeln.“ Haider beherzigt das. Er will sich nicht zügeln, sich nicht verschleißen lassen. Er will die ganze Macht.

Diese Taktik ist bisher aufgegangen. Er hat eine Strecke Wegs zu diesem Ziel bereits hinter sich gebracht. Haider hat sich jetzt nach Kärnten zurückgezogen und wartet auf seine Chance, ohne daß er damit rechnete, daß diese vom Himmel fiele. Er arbeitet bewußt und nach bisher gewählter Taktik darauf hin.

Zu Haiders Taktik gehört auch ganz zentral, daß er auf einige der Wünsche der sog. kleinen Leute ganz konkret eingeht und kleine Reformen durchführt, z.B. den Kinderscheck und ähnliches bis dahin, daß er ihnen billiges Benzin besorgt und in Kärnten einen Ausländeranteil in den Schulklassen von höchstens einem Drittel verspricht.

Diese kleinen, machbaren Dinge erwecken dann aber verbreitet den Eindruck, daß er in der Lage ist, alle Probleme anzupacken und auch im Handumdrehen zu lösen. Solcher Taten rühmen Haider und die FPÖ sich denn auch unentwegt, so etwa in seiner Rede zum 9.Januar 2000, die ein Lehrstück in Populismus darstellt und in der er den politischen Gegner zunächst gründlich beschimpft und schmäht.

Dabei nimmt Haider Volkes Stimme auf. Sein Populismus ist bis in seinen Sprachstil und die gewählte Sprachebene hinein zu verfolgen. Er kritisiert und beschimpft diejenigen, die die schwierigen demokratisch-parlamentarischen Prozesse zu erläutern versuchen. Hier sagt er: „Heraus aus dieser Lethargie des Nichthandelns und dem Zustand des-Nicht-entscheiden-Könnens. Die Roten und die Schwarzen haben sich selbst gelähmt. Wenn sie noch einmal eine Koalition bilden, dann wird sich leider in dieser Richtung nichts ändern. Dann werden wir uns fit halten müssen, um in ein paar Jahren als Nummer 1 die wirkliche Verantwortung für dieses Land voll und ganz zu übernehmen und auch Österreich politisch erneuern zu können. – Denn die Bedenkenträger von Rot und Schwarz sind ja sehr zahlreich, die uns immer erklären, warum alles so kompliziert ist, warum man nichts ändern kann, weil es Zusammenhänge und Vereinbarungen gibt, weil es Traditionen gibt und weil es immer schon so war, darf sich in Österreich nichts ändern. Diese Bedenkenträger sind in einer sich rasch ändernden Welt überhaupt nicht mehr zeitgemäß.“ Haider versucht die Verteidiger demokratischer Komplexität einfach lächerlich zu machen.

Diesen gegenüber stilisiert er sich als Macher, der zupackt und bereits jetzt dadurch große Erfolge aufzuweisen hat O-Ton Haider: „Die haben also wirklich Angst, daß wir beweisen können, daß wir das auch machen, was wir vor den Wahlen bei den Bürgern sagen.“

Haider verweist in seiner Januarrede mehrfach auf solche Errungenschaften, etwa die 60 000-Tausend-Schilling-Einkommens-Grenze für Abgeordnete, (die allerdings später gegen seinen Willen auf 66 000 erhöht worden ist). Ähnlich produziert Haider andere Erfolge, wie das Billig-Benzin, für das er persönlich zu Gadafi geflogen ist, die Reduzierung des Ausländeranteils auf 30% in den Schulklassen und anderes mehr. Solche Kinkerlitzchen werden als Riesenerfolg dargestellt, die aber in Wirklichkeit entweder nichts kosten und zugleich rassistisch sind oder vom billigen Jakob stammen.

Das gilt auch für die Erfolgsmeldungen des Generalsekretärs Westenthahler, der sich in einer Rede „Zur Lage der Republik und zur Situation der FPÖ“ vor der Bildung der ÖVP/FPÖ – Regierung rühmt, daß die Mieten gesenkt werden und es dem freiheitlichen Landeshauptmann gelungen sei, die Zustimmung der SPÖ zu „einem ersten freiheitlichen Budget“ zu erreichen, der sich an die Brust klopft, daß der FPÖ schon vieles gelungen sei und den ich wie folgt zitieren kann:

„Wer hätte gedacht, daß nach dem 3. Oktober plötzlich Rot und Schwarz die Proporz- und Parteibuchwirtschaft verdammen würden, daß sie plötzlich erkennen, daß sie etwa in der Zuwanderungsfrage den Österreichern doch zu viel zugemutet haben, daß das Zwangskammernsystem plötzlich ein nicht mehr unverrückbares Dogma ist, und daß der Dschungel der 28 Sozialversicherungsanstalten möglicherweise doch ein verhängnisvoller Irrtum für die Absicherung des Sozialstaates gewesen ist.“

Solche oft in Büttenredner-Manier vorgetragenen verbalen Tänzchen werden schnell und leicht verstanden, erregen eine gewisse Aufmerksamkeit und erzeugen bei Teilen der Wähler klammheimliche bis offene Zustimmung.

Dazu kommt, daß Haider sich scharf und mit äußerster Rabulistik gegen die „Alt-Parteien“ wendet, die er als Chaotenvereine, Parasiten, verrottete Politikerkaste, Privilegienritter, Bonzen, Wiederholungstäter, Wachsfigurenkabinett und Schlimmeres tituliert (nach Januschek 1994, S. 286). Dabei verwendet er eine reichhaltige Kollektivsymbolik, insbesondere aus dem Bereich der Tierbezeichnungen, wodurch er seinen Gegnern ihr Menschsein und ihren Subjektsatus abspricht.

Kunst und Kulturkampf

Zum Populismus Haiders gehört auch, daß er taktisch an den Ressentiments der Bevölkerung gegenüber moderner Kunst und Kultur anknüpft, indem er die oft etwas einfache Weltsicht „des Mannes auf der Straße“ großzügig bedient. Für viele Menschen gilt etwa die moderne Kunst immer noch als „entartet“, als unverständlich und dekadent – und dabei hochsubventioniert. Dies ist ein mächtiger Hebel. Man stelle sich nur einmal vor eine Plastik der Niki de Saint Phal und höre zu, wie die Bürger und Bürgerinnen darüber reden. Der rechtsextreme Berater Haiders, Andreas Mölzer, formuliert denn auch: „Kunst hat sich von der sozialistischen Kulturpolitik zur Hure machen lassen.“ (zit. nach Assheuer in der Zeit vom 10.2.00)

Was den Österreichern nach der erhofften Machtübernahme in Sachen Kunst und Kultur blüht, interpretiert Thomas Assheuer wie folgt: „Schuld am Menetekel des Staates, seiner formlosen Schwäche, trägt nach Ansicht der FPÖ die Emanzipation der Kunst. Dem Reich des Schönen entsteigen die Pest der ästhetischen Autonomie und das Gift der freien Denkungsart, um am Ende die geschützten Dämme der Sittlichkeit und die Autorität des Staates zu zersetzen. Aus Sicht der FPÖ ist die moderne Kunst ein Killervirus im Körper der Macht und ihrer Ökonomie.“ Und er zitiert Haider wörtlich wie folgt: „In der Wirtschaft gilt Ordnung, Disziplin, Leistung (…), während in der kulturellen Sphäre Expressivität, Bindungslosigkeit und Spontaneität dominieren.“ (Die Zeit Nr. 7 vom 10.2.2000) In einer FPÖ-Wahlparole heißt es denn auch: „Die Zukunft Österreichs ist unsere Kunst.“ Da kann man sich vorstellen, was damit gemeint ist: Sie wird reduziert auf Heimatkunst, Musikantenstadel und Madonnenschnitzerei. Zugleich klingt hier aber an, um was es Haider, wenn er sich so populistisch auf Kunst und Kultur bezieht, politisch geht: Es geht um den Kampf um die rechte kulturelle Hegemonie als Voraussetzung der Übernahme der Macht. Dieser Kultur-Kampf, von dem Haider in seinem programmatrischen Buch Die Freiheit die ich meine spricht, ist längst im Gange, ein Kampf um die Köpfe mit rechten Weltvorstellungen. Haider original: „Ohne werteverteidigenden Kulturkampf ist eine Überwindung des linken Kulturfaschismus nicht möglich.“ (zit. nach Assheuer, Die Zeit vom 10.2.00)

Haiders „Wertegerüst“, seine Ideologie, sein Programm

Wie Haiders angebliche „Politik der Mitte“ in seinem – wie er formulierte – „Wertegerüst“, das ziemlich genau der Weltsicht des Völkischen Nationalismus entspricht und das seinem Diskurs zugrundeliegt, aussieht, soll im folgenden im einzelnen aufgezeigt werden.

Nach Helmut Kellershohn, Historiker und Rechtsextremismusforscher, handelt sich bei der Ideologie des Völkischen Nationaslismus um ein weltanschauliches Gebilde, das sich aus einer Reihe von Kernideologemen zusammensetzt, die auch die Weltanschauung des heutigen Rechtsextremismus kennzeichnen.[13]

Bei diesen Kernideologemen sticht insbesondere die Gleichsetzung von Volk und Nation, also von Ethnos und Demos hervor, die Überhöhung des Volkes zu einem Kollektivsubjekt (also zur „Volksgemeinschaft“); die Rechtfertigung eines „starken“ Staates, der die Durchsetzung des Ideals der „Volkgemeinschaft“ mit Hilfe national gesonnener Eliten und/oder eines charismatischen Führers inszeniert und organisiert; um die Heroisierung des „Volksgenossen“, des „anständigen“ Deutschen also, der sich der „Volksgemeinschaft“ freiwillig unterwirft und sich als „loyaler Bürger“ versteht und zu jedem Opfer für für die Nation bereit ist.

Ferner gehört dazu die völkisch-rassistische Konstruktion eines inneren Feindes, um zu erklären, wer die Schuld an der bislang noch nicht realisierten „Volksgemeinschaft“ trägt. Es geht also um sog. Ausländer bzw. um nicht loyale, nicht „anständige“ Bürger wie Linke, Schwule etc.

Zum völkischen Nationalismus gehört auch das Ideologem eines biopolitischen Verständnisses des „Volkskörpers“ und ein chauvinistisches Machtstaatsdenken. Selbstverständlich treten diese Ideologeme selten in Reinkultur auf, sondern in jeweils spezifischer Mischung und Stärke.

Das vielleicht wichtigste Kernideologem des Völkischen Nationalismus betrifft die Gleichsetzung von Volk und Nation nach völkisch-rassistischen Kriterien, wobei rassistisch nicht allein und nicht nur biologistisch gefaßt wird sondern auch kulturalistisch.

Haider zielt auf ein Österreich ab (inkl. „deutschen“ Slowenen, „deutschen“ Ungarn und „deutschen“ Kroaten), das frei von Fremden aus dem außereuropäischen Raum sein soll. Er stellt fest, es sei erstmals „ein wirklicher Bedarf in der Frage nationaler kultureller Identität gegeben … Ein Europa der Vielfalt heißt auch, daß man seine nationale sprachliche und kulturelle Identität bewahren muß.“ (JF 5.5.00)

Diese Identität sieht Haider als die österreichischen Grenzen in Richtung Deutschland, aber auch Italien (Friaul-Veneto, Tirol) übergreifend an. Er denkt also an einen deutschen insbesondere deutschsprachigen einheitlichen Kulturraum. So spricht er von der deutschen „Kultur- und Volksgemeinschaft“ und beschwört geradezu apokalyptisch den Untergang der Menschheit, wenn sich die Völker vermischen: „Wird Politik nicht mehr auf ethnischen Prinzipien aufgebaut, hat die Menschheit keine Zukunft mehr.“[14]

In einem Interview in der rechtsextremen Aula (Aula 3/94, S. 21) stellt Haider klar, es gehe angesichts der Entwicklung Europas um das „Selbstbestimmungsrecht“ und die „nationale Identitätsfindung“, „beispielsweise im Zusammenhang mit der Einwanderungs- und Ausländerpolitik.“ Er/die FPÖ seien nicht „ein Verein, der in der Vergangenheitsbewältigung agiert, sondern eine zukunftsorientierte Bewegung, die aktuelle Probleme des Landes lösen will“, Richtung „offene Demokratie“. Er verstehe „Freiheit als Gebundenheit in der Verantwortung“, es gehe nicht um das Glück des je Einzelnen, sondern um Gemeinschaftsbildung, um Schaffung eines „Gemeinschaftsgefüges“. Wichtig für das Nationale sei das Grundrecht auf Heimat, die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Völker (in Europa) und eines gesamteuropäischen Minderheitenrechts. (Europa der Vaterländer). Er stehe für „Österreichischen Patriotismus und zu einem Bekenntnis zur deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft.“ Er streite gegen Sozialismus und Internationalismus, deren Steigbügelhalter die ÖVP sei. (Das war im Januar 2000 der Fall.) Er leugnet zugleich, daß die FPÖ rechts sei; dieser Vorwurf diene nur der Ausgrenzung: „Unser kulturelles Bekenntnis zum Deutschtum steht nicht im Widerspruch zu unserer Schutzfunktion für Österreich.“ Er verteidigt traditionelle national denkende Akademiker (Burschenschaftler), insbesondere aber auch den notorisch rechtsextremen FPÖ-Berater Andreas Mölzer. Die FPÖ brauche dieses intellektuelle Potential gegen den Uniformismus des amerikanischen pseudo-liberalen Denkens. (Alles Aula 3/94, S. 21f.)

Er will eine Führerdemokratie mit Führungseliten, die erkennen, was das Volk in seinem Volksgeist immer schon ersehnt habe.[15]

Dabei versucht Haider die „Freiheitlichen“ in die Tradition der 1848er Revolution zu stellen und knüpft geschichtsklitternd an dem Gedanken der Nation an, der sich gegen den Adel in Freiheitskämpfen herausgebildet hat.

Was Haider anzielt, klingt in dem folgenden Zitat aus „Die Freiheit die ich meine“ deutlich an. Hier konstatiert er: „Die Nation war also Ausdruck der Gemeinsamkeit aller, ohne Ansehen des Standes und der Klasse in einer Ordnung der Freiheit.“ Das ist der Volksgemeinschaftsgedanke pur.

Noch deutlicher formuliert er in der rechtsextremen Zeitschrift Aula: Die Grundsätze der FPÖ seien „in einer Politik der sozialen Volksgemeinschaft zu verwirklichen. Dabei ist auf das Bekenntnis zur Volksgemeinschaft besonderer Wert zu legen, die eine organische und ethische Gebundenheit des Menschen in verschiedenen Gemeinschaften, von der Familie bis zum Volk, zum Ausdruck bringt.

Für Haider und die FPÖ sind Volk und Nation also eins. Das Volk wird als ein Gesamtkörper gesehen, als homogen, als Einheit, als große Familie. Die liberale Demokratie aber, so meint Haider, teilt das Volk in Sektoren auf.

Zu fragen ist, wie es kommt, daß ein solches Konzept einer organischen Volksgemeinschaft auf dem Hintergrund einer Kritik an der bestehenden demokratischen Ordnung Anziehungskraft entfalten kann?

Der israelische Historiker und Politologe Zeev Sternhell sieht in dieser Hinsicht einen grundsätzlichen Zusammenhang. In einem Interview mit der Taz vom 13./14. Mai 2000 zur Faszination und zum „Zauber“ des Faschismus (in Italien) äußert er sich wie folgt: „Der Faschismus übt eine starke Faszination aus, weil er eine Alternative zur liberalen Demokratie bot, die in den Augen vieler als Regime betrachtet wurde, das sein Existenzrecht verloren hatte. … Das Volk, das so viele als vereinigten Körper, als große Familie sehen wollten, wurde von der liberalen Demokratie scheinbar in Sektoren aufgeteilt. Die Demokratie (dagegen, S.J.) ist ein Krieg um Meinungen, Standpunkte und Auffassungen. Die liberale Demokratie wird gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einem Symbol von Schwäche, Egoismus und Materialismus. Wenn jeder nur um sich selbst besorgt ist, wer sorgt sich dann um die Nation, das Volk?“ … Faschisten behaupten: Wir annullieren die Demokratie, um das Volk zu retten. In dieser Hinsicht hatte der Faschismus eine enorme Anziehungskraft. Unter den Intellektuellen, die die Aufklärung ablehnten, ebenso wie unter den Volksmassen, die die Demokratie als ausbeuterisches System betrachteten.“ Und er fordert: „Prinzipiell müssen wir uns heute fragen, welche Auffassung wir wollen. Wollen wir ein Volk, das die Gesamtheit von freien Menschen ist, die selbst entscheiden, daß sie diesem Volk angehören, oder ist das Volk definiert von historischen, kulturellen und ethnischen Termini? … Die Angst, dass Fremde ins Haus eindringen, also Leute die keinen Anteil am kulturellen Erbe haben, ist der Schlüssel zum Erfolg von Leuten wie Haider. Gleichzeitig bestehen Elemente des damaligen Hasses gegen die Händler und die Demokratie bis heute. Ich glaube, dass die gleichen Elemente, die den Nationalsozialismus ermöglichten, ein untrennbarer Teil der europäischen Kultur sind. Das Potenzial jedenfalls existiert.“

Nach Möglichkeiten der Gegenwehr gefragt, fährt Sternhell fort: „Um Faschismus nicht keimen zu lassen, muss man Stabilität, die Sicherheit und das Gefühl der Sicherheit aufrechterhalten. … Das Problem ist kein konjunkturelles, (also nur jetzt vorhandenes und nur Österreich betreffendes, S.J.), sondern ein grundsätzliches Problem der europäischen Kultur. …Dass es noch existiert, dafür ist Österreich das beste Beispiel. Wir dürfen Phänomenen wie Haider oder wie der Inbrandsteckung der Asylantenwohnheime nicht mit einem Lächeln begegnen.“ (Taz Interview mit Sternhell vom 13./14. Mai 2000)

Die organische Volksgemeinschaft, die als Kollektivsubjekt vorgestellt wird und die Haider anstrebt, hat große Ähnlichkeit mit der Vorstellung von Volksgemeinschaft bei den Nationalsozialisten. Diese Idee ist in vielen Interviews und Originaltexten von Haider breit nachzuweisen.

In Verbindung mit der Rechtfertigung eines starken und unabhängigen Staates versteht Haider Österreich als Vaterland in einem Europa der Vaterländer.

Haider bezieht sich auf den Volksgenossen in Gestalt des „kleinen Mannes“, des Österreichers, der heimatbewußt und loyal ist: „Ich möchte primär ein guter Österreicher sein, was zwar kein Widerspruch dazu ist, ein Europäer zu sein, aber ohne ein guter Österreicher zu sein, kann man kein wirkliches demokratisches Europabild haben.“ (JF 5.5.00) Und er betont: Wir – also die FPÖ – haben ein neues Wählerpotential, und er träumt vom idealen Bürger, den es zu gewinnen oder erst zurechtzumodeln gilt. Das neue Wählerpotential, so meint er, „Das ist sozusagen der >kleine Mann<, der ja letztlich von der weltanschaulichen Position her für das freiheitliche Lager eine Herausforderung ist. Man kann ja in Österreich sehen, daß es einen unwahrscheinlichen Austausch zwischen Sozialdemokratie und Freiheitlichen gibt, denn wir haben vielfach identische Wählerpotentiale, weil eben der Sozialdemokrat im klassischen Sinne nie links gewesen ist und daher mit vielen Positionen, für die wir eintreten, übereinstimmt, aber auch viele Positionen, von der Befreiung der Gesellschaft und von den gesellschaftlichen Idealen, von Rechtsstaat, Bildungsgesellschaft und so weiter gleichermaßen fasziniert ist wie der freisinnige, der sich von klerikalen vorgegeben Strukturen immer wieder befreien muß.“ (ebd.)

Hinzu kommt Haiders völkisch-rassistische Konstruktion eines inneren Feindes. Ausländer und Linke sind Haiders erklärte Feinde. Dafür liegen massenhaft Belege, vor, worauf ich hier nur verweise. Eine multikulturelle Gesellschaft wird strikt abgelehnt. So sagt er etwa in einem Interview mit Andreas Mölzer: Wir wollen diese spezifische Identität Österreichs „ vor einer multikulturellen Gesellschaft und vor dem Verlust ihrer Kultur bewahren. Wir wollen dieses Land in seiner Einmaligkeit erhalten und sehen es als unsere Aufgabe an, das Recht auf Heimat anstelle dieser multikulturellen Gesellschaft zu verteidigen.“ (JF vom 20.10.1995)

Entsprechend taucht auch ein biopolitisches Verständnis des Volkskörpers bei Haider auf, also die Vorstellung, das Volk bilde quasi einen biologischen Körper. Er zielt auf eine organische Volksgemeinschaft ab, auf die Homogenität der Volksgemeinschaft (bezüglich Sprache, Kultur, Herkunft). Dies drückt sich auch aus in seiner Kinderscheckaktion und seiner Familienpolitik. Im Parteiprogramm der FPÖ heißt es: „Familie und Volk sind organisch gewachsene Gegebenheiten.“

Ein weiteres völkisches Ideologem, ein chauvinistisches Machtstaatsdenken, das sich in einem verschärften Militarismus geltend macht, gehört ebenfalls zu Haiders Gedankenwelt.

Für die FPÖ stellt sich die notwendige Sicherheitspolitik wie folgt dar: Die FPÖ lehnte den Kosovo-Krieg zwar ab, wie andere rechtsextreme Parteien auch, aber insbesondere wegen der Übermacht der gehaßten USA in der NATO. Im Partei-Programm der FPÖ wird konstatiert, daß für Österreich „Die Neutralität … als dominierende Handlungsmaxime der österreichischen Außenpolitik ihre Funktion verloren…“ habe. Sie sei durch den EU-Beitritt obsolet geworden. Es liege im Interesse der Sicherheit Österreichs, den Schutz eines funktionsfähigen und umfassenden militärischen Verteidigungssystems zu erlangen. Österreich solle daher Vollmitglied der Nato werden sowie der westeuropäischen Union (WEU).

Das Österreichische Bundesheer solle daher – ich zitiere aus dem Parteiprogramm – in „eine schlagkräftige und professionelle Armee“ umgewandelt werden. Verbunden sei damit die Verpflichtung eines jeden Staatsbürgers, im Ernstfall eine persönliche Leistung für die Sicherheit und Unabhängigkeit Österreichs zu erbringen. Österreich bleibe Schutzmacht der deutschen und ladinischen Südtiroler, und es wird gewarnt, daß Südtirol jederzeit zum Spielball inneritalienischer Konflikte werden könne.

Diese Position deutet zumindest eine beabsichtigte Verschärfung der Militärpolitik an, wobei sich – etwas verbrämt – auch der Blick nach Südtirol richtet. Für sich allein betrachtet, ist eine solche Position nicht ungewöhnlich. Sie ist auch in den Programmen anderer europäischer Parteien sinngemäß vorzufinden. Im Zusammenhang mit den anderen Kernideologemen des Rechtsextremismus, die Haiders und der FPÖ Weltbild ausmachen, kann und muß diese Position als Bestandteil eines geschlosssenen völkisch-nationalistischen Dogmas angesehen werden.

Auch die wirschaftspolitischen Vorstellungen passen in diesen Zusammenhang. Haiders Verhältnis zum Kapitalismus richtet sich gegen die sogenannte Globalisierung, aber gefragt, welche Gruppierungen zu einer neuen Mitte-Rechts-Koalition in Europa gehören würden, antwortet er blumig: „Es sind einerseits Gruppierungen, die den Gedanken der Marktwirtschaft als Grundlage ihrer ökonomischen Aktivitäten vertreten, ohne sich aber eine Marktgesellschaft zu wünschen, weil sie wissen, daß die Marktwirtschaft die ökonomische Grundlage sein kann, um auch in Kleinstaaten und kleineren Einheiten, in Regionen, eine gewisse Souveränität und Autonomie zu beobachten, was gleichzeitig die Vielfalt Europas, mit seinen vielfältigen Kulturen, mit seinen vielfältigen Identitäten, mit seinen vielen Sprachen auf Dauer sichert.“ (JF 5.5.00) Haider schwankt also zwischen Akzeptanz und Ablehnung des Kapitalismus, der heute unter der Chiffre der Globalisierung einherkommt. Haider möchte den Kapitalismus für eine völkische Politik instrumentalisieren. Doch seiner Argumentation ist der folgende Widerspruch eigen: Kapitalismus agiert weltweit (Globalisierung); Haider möchte ihn regional, eben innerhalb seiner „Volksgemeinschaft“ durchaus wirken sehen, also einen Österreich-immanenten Kapitalismus, was aber nach dessen internationalistischem Konzept dem Prinzip nach gar nicht möglich ist.

Haiders „Wertegerüst“: eine in sich geschlossene völkisch-nationalistische Ideologie oder bloßer rechter Populismus?

Insgesamt ist zusagen: Haider denkt und handelt populistisch und rechtsextrem bzw. faschistisch zugleich. Um dies noch einmal zu verdeutlichen beziehe ich mich auf die folgende Definition von Populismus: Populismus ist „der Versuch von Politiker(inne)n, ein im Volk vorhandenes allgemeines Unbehagen gegenüber politischer Praxis für die eigenen politischen Ziele zu mißbrauchen.“ (Januschek 1992, S. 146).

Zusätzlich konnte ich zeigen, daß Haiders Ideologied durchweg von völkisch-nationalistischer Ideologie geprägt ist. Sie durchzieht den gesamten Haider/FPÖ-Diskurs bis ins Detail. Das kann trotz aller Verschleierungsversuche und Zurücknahmen deutlich sichtbar gemacht werden.

Haider ist also kein bloßer Sprücheklopfer, sondern – wie seine Verlautbarungen insgesamt zeigen – ein in der Wolle gefärbter Rechtsextremist, die FPÖ eine eindeutig rechtsextreme Partei.

Dies gilt allerdings nicht in gleichem Maße für seine Wählerschaft. Fritz Plasser und Peter A. Ulram, gemeinsame Herausgeber eines Buches über das Wahlverhalten der Österreicher, zeigen in ihrer Analyse der FPÖ-Wählerschaft, daß die Motive, die FPÖ zu wählen, vielfach nicht in deren Ideologie begründet liegen, die sich zudem häufig geändert hat, sondern in ihrer Hoffnung, daß verkrustete Strukturen aufgebrochen and Antworten auf Fragen angeboten werden, die die anderen Parteien nicht geben können,[16] die aber m.E zum größten Teil einer neuen Modernisierungsdynamik geschuldet sind (Globalisierung, rapide Technologisierung, EU) und weniger dem Versagen der Parteien, auch wenn sich diese als im Detail reformierungsbedürftig darstellen.

Zusammenfassung

Ich resümiere knapp, ehe ich noch einige Überlegungen zu Möglichkeiten der Gegenwehr anstellen werde:

Haider nutzt den durch die aktuelle globale Machtkonstellation gegebenen Notstand bzw. Druck, der eine Folge der Modernierungsdynamik und der allgemeinen Globalisierung ist. Er greift Schwachstellen des politischen Systems auf, die ihre Ursache allerdings vornehmlich in einer rabiaten Wirtschafts- und Sozialpolitik, in einer verfehlten, weil Problemlagen verschärfenden und eskalierenden Ausländerpolitik haben, in einer immer noch die Frauen benachteiligenden Familienpolitik etc. Die europäische Vereinigung funktioniert primär bzw. soll primär funktionieren als Motor der wirtschaftlichen Entwicklung. Eine nennenswerte europäische Sozial-Politik fehlt bisher nahezu vollständig.

Wie jede politische Bewegung reagiert Haiders Politik also auf auf Dringlichkeiten, die durch die allgemeine Modernisierungsdynmik und die Europäische Vereinigung verursacht sind und bezieht sich darauf mit scheinbar überzeugenden Antworten für die enstandenen oder nur befürchteten sozialen Probleme. Das macht seine Anziehungskraft aus. In den Medien, insbesondere im Fernsehen kann er als eine Art Heilsbringer erfahren werden, der dem erzeugten Druck standhält und Abhilfe zu bieten verspricht.

Doch es kommt noch etwas Entscheidendes hinzu.

Neben der Kritik an solchen Defiziten, die nur gesamteuropäisch und keinesfalls von Österreich aus allein beseitigt werden können, erklärt Haider Prozeduren und Sachzwänge der parlamentarischen Demokratie ebenfalls zu solchen Schwachstellen. Diese sind aber, wenn auch teilweise hausgemacht, größtenteils durchaus essentielle Bestandteile des politischen Gefüges einer Demokratie als solcher, [17] insbesondere einer demokratischen Gesellschaft, die den Spagat zwischen „Wirtschaft und Gemeinschaft“ zugunsten der Wirtschaft zu vollbringen bemüht ist.

Gegen solche Schwachstellen bietet er Lösungen von rechts an: er verweist auf die Tatkraft seiner Politik, auf die Erfolge seiner Partei, die sich allerdings zumeist auf äußerst marginale Probleme erstrecken (Kinderscheck, Strompreis, Billigbenzin); er verkauft solche „Erfolge“ einem erstaunten Publikum als Beispiele dafür, wie er aufräumen werde, wenn er denn erst einmal die ganze Macht in Händen hielte.

Er verspricht Lösungen, die in einer demokratischen Gesellschaft mit ihren vielfältigen Interessenunterschieden und internationalen Verflechtungen nicht und keinesfalls im Hauruckverfahren zu bewerkstelligen sind.

Er verkauft seine Politik als wahrhaft demokratisch, da sie den Wünschen des Volkes entspräche und läßt unter den Tisch fallen, daß dabei zumindest Teile der Bevölkerung völlig ausgegrenzt werden: Auch Minderheiten wie Künstler und für die jede Demokratie notwendigen Querdenker haben in der Volksgemeinschaft zu versinken. Dabei greift er die Demokratie als politische Institution frontal an. Er signalisiert zwar auch Kompromissbereitschaft, eine, wie er sagt, „Mitverantwortung für geordnete Kompromisse, bei der freiheitliche Vorstellungen durchsetzbar sind …“[18] Solche Beteuerungen müssen aber eher als taktische Mittel zur Ebnung des parlamentarischen Wegs zur Macht verstanden werden. Diesen Weg aber überläßt er seinen Funktionären und zieht sich selbst aus dieser Mitverantwortung zurück, um weiter den politschen Saubermann spielen zu können. Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen ist Jörg Haider völlig unglaubwürdig in Sachen Demokratie. Er will die Macht, und zwar für sich allein. Inzwischen erklärt er ganz offen seine Absicht, Kanzler zu werden, möglichst mit absoluter Mehrheit. Ob er  dies schafft, das steht allerdings auf einem anderen Blatt.

Ist Gegenwehr möglich? Haiders weitere Erfolgsaussichten

Gegenwehr gegen den populistisch agierenden Rechtsextremismus Haiders zu entfalten, ist keineswegs aussichtslos, weil die derzeitigen Rahmenbedingungen für die Durchsetzung seiner antiquierten Vorstellungen nicht sonderlich günstig sind.

Zwar ist sein Populismus nicht immer leicht zu erkennen und erst recht nicht leicht zu konterkarieren. Denn: Wo liegen Verfehlungen der sog. Altparteien vor, und wo handelt es sich um notwendige, wenn auch manchmal lästig erscheinende Begleiterscheinungen moderner Demokratie? Diese Nahtstelle nutzt Haider aus. Deshalb ist es zunächst wichtig, diesen Unterschied und die in Verbindung mit diesen Verwischungen implizit und explizit transportierte Ideologie deutlich zu machen. Das machte auch eine genaue Tiefen-Analyse der Originaltöne Haiders und der Freiheitlichen erforderlich, wodurch dieses Potential offengelegt werden kann. Sein Weg, so läßt sich zeigen, gradlinig fortgesetzt, führt zu einer totalen Herrschaft und möglicherweise zu Diktatur und Krieg.

Diesen Weg wird Haider aber aus naheliegenden Gründen nicht bis zu Ende beschreiten können. Denn seine Versprechungen lassen sich als Scheinlösungen entlarven. Haider ist ein Bauernfänger.

Und wahrscheinlich sehr viel wichtiger: der zur Zeit global herrschende Neoliberalismus kann sich einen Haider nicht leisten und wird ihn und seinen provinziellen Kapitalismus, der Österreich auch in die wirtschaftliche Isolation führen würde, machtvoll zurückzudrängen versuchen.

Dies wird bereits darin sichtbar, daß die Staaten der EU Haider und die FPÖ und darüber hinaus ganz Österreich mit Sanktionen belegen. Dieses Verhalten der EU-Staaten hat zwar auch eine heuchlerische Komponente, da es in allen europäischen Ländern Rechtsextremismus gibt, mal stärker integriert wie in Deutschland, mal offener wie in Belgien, Frankreich oder Italien.[19] Doch in keinem dieser Länder befindet sich ein Rechtsextremismus offen mit an der Macht. Insofern spielt in dieser Hinsicht Österreich eine Sonderrolle.

Diese Lektion der EU-Länder wird allerdings keine Lektion bleiben, die allein mit erhobenem Zeigefinger und moralischen Gründen Wirkung erzielen kann, sondern weil Haiders Durchmarsch die Grundprinzipien einer neoliberalen und globalen Wirtschaftsordung, die auf Tempo, Expertenwissen, Flexibilität und Arbeitskräfte aus dem außereuropäischen Raum angewiesen ist, verletzen würde.

Ohne Einwanderung, das ist auch allen Neoliberalen inzwischen klar geworden, droht „der >Absturz< in die >Zweitklassigkeit<, gar Mittelmäßigkeit. Nur wenn wir an der Spitze bleiben, so ein gängiges Argument, ist unser Sozialstaat finanzierbar, läßt sich der Wohlstand eines Hochlohnlandes bezahlen. In Zeiten der Globalisierung erscheint das immer schwieriger. (Vgl. Uske 2000, S. 11) Wer sich gegen solche Einsichten stemmt, gilt zunehmend als nicht mehr „zukunftsfähig“.

Wen wundert es da, daß auch Lorenz Fritz, Generalsekretär der Vereinigung österreichischer Industrieller eine, wie er wörtlich sagt, „Verhausschweinung“ der FPÖ erhofft, also daß die FPÖ zu einer „stinknormalen Partei“ wird, die sich den Erfordernissen einer zukunftsorientierten Industrie anpaßt. Haider hat darauf damit reagiert, daß er der Regierung fernblieb, die sich ruhig verschleißen kann, und seine Chance von Kärnten aus sucht. Die mittelfristigen Zeichen aber stehen nicht gut für ihn. Zur Zeit jedenfalls liegt er völlig außerhalb eines globalen weltweiten Trends und spielt nur seine Provinzposse.[20]

Damit soll nicht gesagt sein, daß Neoliberalismus und Globalisierung als solche bereits segensreich seien. Doch gegen sie ist eine demokratische und soziale Politik gefragt, die den mit der Globalisierung einhergehenden Raubtierkapitalismus zu bändigen versucht.

 

Literatur

Assheuer, Thomas: Volksgemeinschaft. Jörg Haider sucht die „Dritte Republik“, Die Zeit 7/2000 vom 10.2.2000

Butterwegge, Christoph/Jäger, Siegfried (Hg.) 1992: Rassismus in Europa, Köln 1992 (Bund)Jäger: Brandsätze

Dietzsch, Martin/Jäger, Siegfried/Schobert, Alfred (Hg.) 1999: Endlich ein normales Volk. Vom rechten Verständnis der Friedenspreis-Rede Martin Walsers. Eine Dokumentation (mit einer ausführlichen Einleitung von Alfred Schibert), Duisburg

Jäger, Margarete/Jäger, Siegfried 1999. Gefährliche Erbschaften. Die schleichende Restauration rechten Denkens, Berlin

Jäger, Siegfried 1999: Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung, 2., überarbeitete und erweiterte Aufl., Duisburg (DISS)

Jäger, Siegfried 2000: Normalisieren/dämonisieren? Wohin mit Haider? DISS-Journal 6 (2000), S. 4-5

Jäger, Siegfried/Kretschmer, Dirk/Cleve, Gabriele u.a. 1998: „Der Spuk ist nicht vorbei.“ Völkisch-nationalistische Ideolgeme im öffentlichen Diskurs der Gegenwart, Duisburg

Januschek, Franz 1992: Jörg Haider und der Rechtspopulismus in Österreich, in: Butterwegge/Jäger (Hg.) 1992, S. 144-160

Januschek, Franz 1994: J. Haider und der rechtspopulistische Diskurs in Österreich, in: Tributsch, Gudmund (Hg.) 1994, S. 284-335

Link, Jürgen 1982: Kollektivsymbolik und Mediendiskurse. Zur aktuellen Frage, wie subjektive Aufrüstung funktioniert, kultuRRevolution 1 (1982), S. 6-20

Matouschek, Bernd/Wodak, Ruth/Januschek, Franz 1995: Notwendige Maßnahmen gegen Fremde? Genese und Formen von rassistischen Diskursen der Differenz, Wien

Plasser, Fritz/Ulram Peter A. 2000: Protest ohne Parteibindung. Die Wählerschaft der FPÖ, in: Scharsach (Hg.) 2000, S. 128-143

Plöckinger, Othmar 2001: Adolf Hitler als Redner: Diskursanalytische Betrachtungen zum Wahlkampf zu den Reichstagswahlen am 6. Novemer 1932, in diesem Band

Scharsach, Hans-Henning (Hg.) 2000: Haider. Österreich und die rechte Versuchung, Reinbek 2000

Sternhell, Zeev: Die Entstehung der faschistischen Ideologie, Hamburg 1999

Tributsch, Gudmund (Hg.) 1994: Schlagwort Haider. Ein politisches Lexikon seiner Aussprüche von 1986 bis heute. Mit einem Essay von Franz Januschek, Wien (Falter Verlag)

Uske, Hans 2000: Das Boot ist leer. Konturen einer zukünftigen Migrationspolitik, DISS-Journal 6 (2000), S. 1 und 11-13

Wagner, Bernd 1998: Rechtsextremismus und kulturelle Subversion in den neuen Bundesländern, Berlin (Zentrum demokratische Kultur)

Wippermann, Wolfgang 1997: Faschismustheorien. Die Entwicklung der Diskussion von den Anfängen bis heute, 7. Auflage Darmstadt

Wodak, Ruth: „Echt, anständig und ordentlich“. Wie Jörg Haider und die FPÖ Österreichs Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beurteilen, in: Scharsach 2000, S. 180-187

Wodak, Ruth/Nowak, Peter/Pelikan, Johanna u.a. 1990: „Wir sind  alle unschuldige Täter“. Diskurshistorische Studien zum Nachkriegsantisemitismus, Frankfurt/M.

[1] Vgl. Tributsch 1994, Wodak 2000.

[2] Zur Funktion von Distanzierungen allgemein und besonders bei Haider vgl. auch Januschek 1994, S. 320ff.

[3] Diese gesellschaftliche Situation kann man mit Foucault als ein Macht-Dispositiv begreifen. Solche Dispositive bilden eine „Formation, deren Hauptfunktion zu einem gegebenen Zeitpunkt darin bestanden hat, auf einen Notstand (urgence) zu antworten. Das Dispositiv hat also eine überwiegend strategische Funktion.“ (Focault 1978, S. 120) In einer solchen Situation, die auf Lösung drängt, finden „Spiele der Macht“ statt, politische Kämpfe, in denen ein diskursmächtiger „Spieler“ wie Haider leicht Erfolge verbuchen kann. (Die Übersetzung von urgence mit Notstand könnte leicht so mißverstanden werden, daß es sich um eine gesellschaftliche Situation handele, in der ein „Notstand“ ausgerufen werden müßte. Daher hat der Übersetzer auch in Klammern „urgence“ hinzugefügt, um zu verdeutlichen, daß es sich um einen Druck handelt, der einem spezifischen Macht-Dispositiv innewohnt.

[4] Die hier von mir verwendete Kollektivsymbolik wie KlimaResonanzbodenaufgeladen beansprucht nicht den Status wissenschaftlicher Terminologie; sie ist „umgangssprachlich“, um die Zuhörer dieses Vortrags, die größtenteils nicht diskurstheoretisch vorgebildet sind, leichter zu erreichen.

[5] Ich möchte mich in den Streit, ob die in Frage stehende Ideologie als rechtsextrem oder faschistisch zu bezeichnen ist, in diesem Vortrag nicht einmischen. Vgl. dazu Wippermann, der sich dazu entschließt, auf den Terminus Rechtsextremismus zu verzichten und von Faschismus zu sprechen (Wippermann 1997), während etwa Sternhell diesen Begriff dem italienischen Faschismus zuweist (Sternhell 1999).

[6] Zur Resonanz der Walser-Bubis-Debatte im rechtsextremen Lager vgl. Dietsch/Jäger/Schobert (Hg.) 1999.

[7]  Vgl. z.B. Jäger 1992, 4. Aufl. 1996, Jäger/Kretschmer/Cleve u.a. 1997, M. Jäger/Jäger 1999; Wodak/Nowak/Pelikan u.a. 1990, Matouschek/Wodak/Januschek 1995 und andere.

[8] Damit sollen der organisierte Rechtsextremismus und die Viezahl der vorhandenen rechtsextremen Zirkel und Zeitschriften in Deutschland und deren politische Funktion nicht verharmlost werden, insebsondere nicht die Anziehungskraft, die rechtsextreme Identifikationsangebote auf vornehmlich männliche Jugendliche ausüben. Vgl. dazu theoretisch Sternhell 1999 und mehr praktisch Wagner, z.B. Wagner 1998.

[9] Vgl. dazu auch Wodak/NowaK/Pelikan u.a. 1990.

[10] So ist Haider seit dem 7.6. 00 auch Präsident des FC Kärnten, wo er dem SPÖ-Politiker Dietfried Haller nachfolgt.

[11] Vgl. Januschek 1994, S. 327ff.

[12] Zahlreiche Belege bei Januschek 1994 und besonders Tributsch 1994.

[13] Kellershohn 1995 spricht von Setzungen, die die „Wirklichkeit“ nicht erklären sondern mittels  Anwendung a priori vorgegebener Grundsätze und Prinzipien zu interpretieren sucht.

[14] Zitiert nach Assheuer Die Zeit vom 10.2.2000).

[15] Siehe seinen Essay über Eliten in Aula 1/1994.

[16] Vgl. Plasser/Ulram 2000, S. 128ff.

[17] Das ist richtig, auch wenn in allen europäischen Ländern Verwaltungsreformen dringend geboten erscheinen.

[18] So in einer Rede beim Neujahrstreffen der FPÖ vom 9.  Januar 2000.

[19] Vgl. dazu Jäger 2000, S. 4f.

[20]  Haider verfolgt zwar ebenfalls eine neoliberale Wirtschaftspolitik, wie das FPÖ-Partei-Programm („Faire Marktwirtschaft“) ausweist und wie er dies in seinen Reden ständig wiederholt (Vgl. etwa seine Rede vom 9.1.2000). Er verwickelt sich dabei jedoch in erhebliche Widersprüche, insbesondere auch in den folgenden: „Unbeschränkte Zuwanderung führt zu gravierenden Verzerrungen des Arbeitsmarktes und zu massivem Lohndruck. Hohe Arbeitslosenzahlen gestatten daher keine Zuwanderung von Arbeitskräften mit nicht nachgefragten Qualifikationen.“ Hier wird nicht gesehen, daß eine neoliberale Wirtschaftsordnung auf Einwanderung angewiesen ist, wenn das betreffende Land längerfristig konkurrenzfähig bleiben will. In Deutschland kommt diese Einsicht allerdings auch erst allmählich zum Durchbruch, wird aber von maßgeblichen Kreisen in Politik und Wirtschaft zunehmend akzeptiert.