Die „freiwillige“ Corona-App

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Vom Autor*innen-Kollektiv capulcu*. Erschienen in DISS-Journal (39) 2020 Es ist zu befürchten, dass wir noch sehr viel länger an den Folgen des pandemischen Ausnahmezustands knabbern werden, der sich dadurch auszeichnet, dass partielle Grundrechte zunächst temporär außer Kraft gesetzt oder in bedingte Zugeständnisse verwandelt werden. Der Terror bedingte Ausnahmezustand hat seine zeitliche Begrenzung schon lange überwunden. Der war-on-terror hat es geschafft, eine Ereignis bezogene Angst in dauerhafte gesellschaftliche Verunsicherung zu überführen. Damit war es möglich, über die Konstruktion des Gefährders die Beschneidung von wesentlichen Grundrechten zumindest personenbezogen durchzusetzen. Auch dem pandemischen Ausnahmezustand droht durch die (berechtigte) Befürchtung neuer Corona-Wellen bzw. neuer Virenstämme die Verstetigung. Ein etwaiger war-on-virus verfügt über eine ungleich größere Kapazität gesellschaftlicher Umgestaltung. Der Imperativ der „sozialen Distanzierung“ ermöglicht den Eingriff in das soziale Leben einer beliebig großen Gruppe von viralen Gefährdern…

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Lebenlassen oder Sterbenlassen?

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Die Flüchtlingskrise zwingt die politische Klasse in Deutschland zur Offenlegung ihrer Wertgrundlagen Von Jobst Paul, erschienen in DISS-Journal 30 (2015) Die unbürokratische Einreisegenehmigung der deutschen Regierung für Tausende Flüchtlinge aus Ungarn (vom 5. September 2015) wollte Kanzlerin Angela Merkel zwar lediglich als Ausnahme verstanden wissen. ((https://www.tagesschau.de/inland/ungarn-fluechtlinge-143.html)) Die Öffentlichkeit verstand den Schritt aber gleichwohl als Grundsatzentscheidung, in Verlängerung des von Merkel schon am 31. August 2015 verkündeten Credos „Wir schaffen das!“ Nach Auffassung des Duisburger Politologen Karl-Rudolf Korte ((http://www.merkur.de/politik/fluechtlingskrise-2015-politologe-ueber-angela-merkel-ihre-fluechtlingspolitik-5544778.html - vgl. auch http://web.de/magazine/politik/fluechtlingskrise-in-europa/angela-merkels-mut-rede-schaffen-30887100.)) folgte Merkel damit einem Handlungsmuster, das sie bereits zuvor beim Atomausstieg, bei der Bankenkrise und in der Familien- und Arbeitsmarktpolitik an den Tag gelegt hatte. Korte spricht von einem ‚erklärungsarmen Pragmatismus‘, der einen externen Schock von außen dazu nutzt, „von heute auf morgen scharfe Kante“ zu zeigen, d.h. ein Datum des…

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Die Bio-Paranoia: Alle machen mit

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Von Rolf van Raden. Erschienen in DISS-Journal 28 (2014) „Eine der größten Gefahren für heimische Tiere“ - unter dieser Überschrift berichtete Die Welt am 15. Oktober 2014 über eine angebliche „Bio-Invasion“: In den Ballasttanks von Frachtschiffen verstecken sich demzufolge regelmäßig „gefährliche Passagiere“ - oder wie es weiter unten im Artikel heißt: „Fremde Einwanderer“. Dabei geht es nicht um Flüchtlinge, die sich auf die lebensgefährliche Reise über das Mittelmeer machen, sondern um „Tierarten, die im Ballastwasser großer Schiffe als blinde Passagiere um die halbe Welt reisen“. Mit dieser anthropomorphen Sprache steht der Welt-Artikel in einer Reihe von Presseberichten, die das Konzept der Biodiversität umdeuten und es rechten Vorstellungen von Ethnopluralismus annähern: Das Fremde ist schon okay, so lange es nicht hier bei uns ist. Diese politisierende Überformung der Berichterstattung über Biologie hat Tradition, obwohl…

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Spiel mir das Lied vom Tod

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Biopolitik in der Bild-Zeitung. Von Siegfried Jäger. Erschienen in: Margret Jäger / Siegfried Jäger / Ina Ruth / Ernst Schulte-Holtey / Frank Wichert (Hg.) Biomacht und Medien. Wege in die Bio-Gesellschaft, Duisburg, 62-99   »Wer das Volk erreichen will, muß in Bild schreiben.« (Helmut Schmidt 1993) ((In Bild vom 2.4.1993, in Großlettern und als Kopfleiste der ersten Seite. Hans Magnus Enzensberger ›antwortet‹: »Das Volk hat seine Stimme abgegeben - an Bild.«)) »Die Bildzeitung stülpt [...] der gesamten Gesellschaft ihre Normalisierungsgeschichten über den Kopf, sie schafft mit ihren Narrationen ihre ›normale‹ Welt, die – als reine Fiktion betrachtet – die wirksamste aller ›Unendlichen Geschichten‹ zu nennen nicht unpassend wäre, schafft sie [...] als Realität.« (Jürgen Link 1986) ((Link 1986a, S. 229. Vgl. auch Jäger 1993b (Einleitung).)) »Die Botschaft von Bild lautet [...], daß es keine…

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Volk, Raum und Rasse

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Von Helmut Kellershohn. Erschienen in DISS-Journal 20 (2010) Es gibt zweifellos unterschiedliche Lesarten des Völkischen Nationalismus, mal moderate, mal weniger moderate. Die folgenden Ausführungen sollen zwei Knotenpunkte kenntlich machen, über die ein völkisches Verständnis von „Volk“ und „Nation“ sowohl implementiert als auch radikalisiert werden kann: zum einen über die Kopplung mit geopolitischen (Volk und Raum), zum anderen über die Verbindung mit eugenischen bzw. rassenhygienischen Ideen (Volk und Rasse). Öffentliche Debatten, die diese Knotenpunkte berühren, selbst wenn sie ursprünglich nicht einem explizit völkischen Denkhorizont entstammen sollte, sind daher für eine extreme Rechte, die sich als Gralshüterin in Sachen Ethnopolitik versteht, von besonderer Bedeutung. Gerade die Sarrazin-Debatte hat eindrucksvoll belegt, wie etwa eugenische Gedankengänge – Frank Schirrmacher (FAZ) hat sie schon zu Beginn der Debatte als Kernstück von Sarrazins Brandschrift bezeichnet – in den Medien…

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Amok-Diskurse: Veranlagung, Verbrechen, psychische Krankheit?

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Deutungshoheit über das Unerklärbare. Von Rolf van Raden. Erschienen in DISS-Journal 18 (2009) „Familien gegen Killerspiele“ – unter diesem Motto wollte das Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden im Oktober 2009 Computerspiele einsammeln und anschließend vernichten. Das Angebot wurde zwar kaum angenommen, sicherte jedoch bundesweite Aufmerksamkeit für das Anliegen der Elterninitiative: Die gesellschaftliche Ächtung von so genannten Killerspielen. Das Verbot von Spielen, die das Töten von Menschen realitätsnah simulieren, ist ebenfalls eine von 83 Empfehlungen des vom Land Baden-Württemberg eingesetzten Expertenkreises Amok – und wahrscheinlich die in der Öffentlichkeit am meisten diskutierte. Welche politisch-sozialen Konsequenzen nach einer Gewalttat gefordert werden, das ist die eine Sache. Die andere ist, wer sich aus welcher Position heraus zum Thema äußert. Geht es um eine Bewertung der längerfristigen gesellschaftlichen Folgen von Amok-Debatten, sollte beides im Blickfeld stehen. Der Expertenkreis Amok…

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Doppelte Lottchen wie du und ich

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Wie das Klonen von Menschen in den Medien zur Normalität wird. Von Dorothee Obermann, erschienen in DISS-Journal 2 (1998) "Sie würden sie für eineiige Zwillinge halten", fuhr Jeannie fort, "und sie haben ja auch tatsächlich eine identische DNS, aber alle acht wurden von verschiedenen Müttern geboren! Ich beschäftige mich schon seit längerem mit Zwillingsforschung. Als ich bei meiner Arbeit auf Zwillinge stieß, die nicht die gleiche Mutter hatten, konnte ich mir zunächst überhaupt keinen Reim darauf machen. Ich ging der Sache nach und kam dann dieser schändlichen Geschichte auf die Spur." Eine Szene aus Ken Folletts Thriller "Der dritte Zwilling". Jeannie, eine Wissenschaftlerin, entlarvt darin eine Gentechnologiefirma, die Menschen klont. Was Follett noch als Science-fiction präsentiert, rückt näher: In den Medien wird die bisher noch ablehnende Haltung gegen das Klonen langsam aufgeweicht. Klonierte…

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Der biopolitische Diskurs in deutschen Printmedien.

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Ergebnisse einer diskursanalytischen Untersuchung. Von Siegfried Jäger und Margret Jäger. Vortragsfassung. Der Vortrag wurde am 12.11.1998 auf der Tagung „Konfliktpartnerschaft: Technologie als Herausforderung zu einer neuen Diskussionskultur?“ von Siegfried Jäger in Mannheim gehalten. Vorbemerkung Bei der Betrachtung des biopolitischen Diskurses ((In Jäger/Jäger/Ruth/Schulte-Holtey/Wichert 1997 liegt dazu ein ausführlicher Projektbericht vor, in dem neben dem Untersuchungsansatz (Theorie und Methode der Diskursanalyse) umfangreiche Medienanalysen in Gestalt von Überblicks- und Feinanalysen dargestellt sind. Der folgende Beitrag faßt die wesentlichen Ergebnisse dieser Studie zusammen. Dabei werden wir uns bemühen, die theoretischen und methodologischen Rahmenbedingungen unserer Untersuchung ebenfalls knapp zu explizieren. Das gilt insbesondere für unser unser Verständnis von Diskurs. Unser Diskursbegriff orientiert sich an Michel Foucaults Diskurstheorie. Als Diskurs fassen wir „den Fluß von Wissen durch die Zeit“, durch den Macht ausgeübt wird. Das heißt: Wir gehen von…

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‚Politische Kontrolle von Forschung?‘

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Von Jobst Paul, erschienen in DISS-Journal 1 (1998) ((Gekürzte Fassung eines Referats vom 21.2.97 beim Syposium 'Für wen forscht die Psychiatrie?', Berlin)) Stellen wir uns vor: Bei einer Institutseinweihung verkündet der Chef eines deutschen Forschungsverbands, dem jährlich fast 2 Milliarden DM Steuergelder zufließen, die Forschung werde künftig Artikel 1 des Grundgesetzes mißachten. Kein Fall für den Verfassungsschutz? - Dem DFG-Präsidenten Prof. Frühwald zumindest ist nichts passiert, als er zur Einweihung des Instituts für Wissenschaft und Ethik Anfang 1994 in Bonn den Artikel 1 des Grundgesetzes als 'Begründungsbrei' apostrophierte, den Konsens 'der Forschung' damit aufkündigte und so auch ein Vorzeichen für die Arbeit des eröffneten Instituts setzte. ((Manuskript eines Referats bei einem Symposium der Forschungsarbeitsgemeinschaft Bioethik in Nordrhein-Westfalen, Einweihung des Instituts für Wissenschaft und Ethik am 28. Januar 1994 in der Aula der Universität…

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Tödliche Mahlzeit

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Warum die Dinosaurier ausgestorben sind. Von Ursula Kreft, erschienen in DISS-Journal 1 (1998) Hach, war das ein gemütliches Leben in der frühen Kreide: Colesterin war unbekannt, man aß, was einem schmeckte, stapfte lustig durch lauwarme Sümpfe und ahnte nicht, wozu gewisse Säuger mit Laptops fähig sind. 100 Millionen Jahre später ist das Image ruiniert. Nur Zehnjährige lieben Dinos, Erwachsene benutzen sie als abschreckendes Beispiel: Wer sich nicht anpaßt, stirbt aus. Von jeher hat die jeweilige Info-Elite die Dinosaurier ausgegrenzt und ihren Tod für Propaganda-Zwecke ausgeschlachtet, angefangen bei Noah, diesem nervtötenden Besserwisser, der alle, die ihm nicht paßten, elendig ersaufen ließ und sich nachher mit "Befehl von oben" herausredete. Als die Sintflut keinen Sünder mehr zur Beichte trieb, behauptete man, eine kleine Elite von intelligenten Säugern hätte alle Dino-Eier ausgeschlürft. Der Fortschritt triumphierte, und…

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