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Auf dieser Seite sehen Sie eine vereinfachte Fassung unserer Online-Broschüre Spurensuche.

Die vollständige Online-Broschüre können Sie als PDF-Datei herunterladen (90 Seiten Umfang, ca. 14 MB)
www.diss-duisburg.de/Internetbibliothek/Buecher/DISS-Spurensuche–Online-Broschuere–2014.pdf

Zusätzlich stellen wir hier zwei Texte mit Bezug auf Duisburg als PDF-Dateien wieder zur Verfügung, die leider vergriffen sind.

 

titel-tatort-duisburg-2-klDas Kapitel
Lagerplatz Koloniestraße: „Alles totenstill und leer!“
Von Manfred Tietz und Michael Zimmermann
aus dem leider schon lange nicht mehr lieferbaren Band
Tatort Duisburg 1933-1945 (Band 2)
Widerstand und Verfolgung im Nationalsozialismus
hrsg. von Rudolf Tappe und Manfred Tietz für die Geschichtskommission der VVN,
Bund der Antifaschisten/Kreis Duisburg-Essen
Klartext Verlag, Essen 1993.
Wir bedanken uns sehr herzlich beim Klartext-Verlag für die Erlaubnis und bei
Manfred Tietz und der VVN-BdA Duisburg für die Zustimmung und Unterstützung.
http://www.diss-duisburg.de/Internetbibliothek/Buecher/DISS-Spurensuche–Dokument–Tietz–Zimmermann–Lagerplatz-Koloniestrasse.pdf

 

 

 

Außerdem präsentieren wir hier einen Text, der das Schicksal der Duisburgerin Christine Lehmann schildert.
Er stammt aus dem Buch
Romani Rose (Hg.), Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma,
Heidelberg: Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma 1995.
Wir bedanken uns herzlich beim Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti
und Roma für die Genehmigung.
http://www.diss-duisburg.de/Internetbibliothek/Buecher/DISS-Spurensuche–Dokument–Verfolgungsschicksal-von-Christine-Lehmann.pdf

 

 

 

 


Spurensuche
zur Verfolgungsgeschichte der Sinti und Roma in Duisburg

Eine Handreichung für die politische Bildung

Erarbeitet von Martin Dietzsch, Bente Giesselmann und Iris Tonks

Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung, 2014

Impressum

Veröffentlicht als kostenlose Online-Publikation im Juni 2014

Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung
Siegstraße 15, 47051 Duisburg
0203-20249
www.diss-duisburg.de
www.disskursiv.de
info@diss-duisburg.de


Inhalt

Vorwort

Chronologie zur Verfolgung der Duisburger Sinti und Roma während der Nazi-Zeit

Kurze Überblicksdarstellung zur NS-Verfolgung

Antiziganismus

Begriffe

Spurensuche in Duisburg

Ideen für den Unterricht

Bibliografie


Vorwort

Das Vergangene ist nicht tot, es ist nicht einmal vergangen.“

Die Ereignisse, um die es hier geht, liegen viele Jahrzehnte zurück. Es gibt nur noch sehr wenige überlebende Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die aus eigenem Erleben darüber berichten könnten. Die Tatorte sind nach wie vor im Stadtbild vorhanden. Sie sind stumm, denn sie sprechen nicht für sich. Doch sie können wieder zum Sprechen gebracht werden.

Erst seit wenigen Jahren dringt allmählich in das öffentliche Bewusstsein, dass das Schicksal der vom Naziregime verfolgten Sinti und Roma erforscht und gewürdigt werden muss. An den Sinti und Roma wurde ein systematischer, durch Rassenhass begründeter Völkermord verübt. Diese Tatsache wurde in der Nachkriegszeit jahrzehntelang verleugnet. Eine systematische wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte hat erst nach der Jahrtausendwende begonnen.

Die Erinnerungskultur im Bereich der politischen Bildung und der Gedenkstättenarbeit öffnete sich erst sehr verspätet auch den bisher „vergessenen“ Opfergruppen – das sind neben den Sinti und Roma beispielsweise die Behinderten und die psychisch Kranken, die Homosexuellen, die als „asozial“ Stigmatisierten, und die Angehörigen der Religionsgemeinschaft „Zeugen Jehovas“.

Diese Broschüre möchte einen kleinen Beitrag dazu leisten, und dazu anregen, in diese Richtung weiterzuarbeiten.

Anhand des exemplarischen Beispiels der Stadt Duisburg möchten wir aufzeigen, welche Spuren des Völkermords auch heute noch auffindbar sind und Anregungen dazu geben, wie man das Geschehen im Rahmen der politischen Bildung mit Jugendlichen plastisch werden lassen kann.

Zwar sind die Gegebenheiten und die Quellenlage in jeder Stadt verschieden. Doch wird man vieles aus dieser Broschüre auch auf andere Städte in NRW übertragen können und gegebenenfalls zur Grundlage eigener Recherchen machen können.

Unsere Broschüre beginnt mit einerChronologie zur Verfolgung der Duisburger Sinti und Roma während der Nazi-Zeitund einer kurzen Überblicksdarstellung zur NS-Verfolgung.Die nächsten Kapitel erläutern, was man unter Antiziganismus versteht und welche weiteren Begriffe in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. Im Kapitel Spurensuche in Duisburgzeigen wir auf, welche Spuren der Verfolgung der Duisburger Sinti und Roma wieder sichtbar gemacht werden können und wie man sie findet und wir geben Anregungen zur Weiterarbeit. Beispiele für Ideen für den Unterrichtfinden sich im nächsten Artikel. Abgerundet wird unsere Broschüre schließlich durch eine kurze Bibliografie mit Büchern und Online-Quellen.

Die Erarbeitung dieser Publikation wurde gefördert durch die Landeszentrale für politische Bildung NRW, bei der wir uns an dieser Stelle recht herzlich für ihre Unterstützung bedanken.

Chronologie zur
Verfolgung der Duisburger Sinti und Roma während der Nazi-Zeit

Ab 1933

Zahlreiche Roma und Sinti, die keine deutsche Staatsbürgerschaft besaßen, wurden abgeschoben, auch wenn sie schon lange in Deutschland zu Hause waren.

Für die Sinti und Roma mit deutscher Staatsangehörigkeit bedeuteten die ersten Jahre der Nazi-Herrschaft zunächst einmal nur eine drastische Verschärfung der auch schon zur Weimarer Zeit praktizierten Diskriminierung und Überwachung. Letzte rechtsstaatliche Hemmnisse wurden beseitigt. Die Kriminologen hatten freie Hand bei der „Bekämpfung des Zigeunerunwesens“, wie es schon vor der Nazi-Zeit polizeiintern hieß.

Der Entzug der Wandergewerbescheine vernichtete die Existenzgrundlage vieler Familien.

Die staatlichen Fürsorgeleistungen mussten von nun an von den Städten und Gemeinden aufgebracht werden. Der Fürsorgesatz für Sinti und Roma wurde generell auf ein Minimum reduziert. Zwangsarbeit wurde zur Bedingung für Leistungsempfang.

Juli 1933

Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“
Es erf
olgten erste Zwangssterilisierungen im Rahmen der Euthanasiegesetze. Eine willkürliche Diagnose lautete: „angeborener Schwachsinn“, z.B. bei Analphabeten.

September 1935

Die Nürnberger Rassegesetzerichteten sich nicht nur gegen Juden, sondern u.a. auch gegen Sinti und Roma.Das sog. „Blutschutzgesetz“ beinhaltete Eheverbote und das Verbot der sogenannten „Rassenschande“.

Die Kinder wurden in „Zigeunerklassen“ und „Zigeunerschulen“ separiert.

Ab Frühjahr 1937

waren die „Fliegenden Arbeitsgruppen“ der „Reichsstelle Ritter“ („Rassenbiologisches Forschungsamt“) unterwegs. Ihre Aufgabe war die systematische pseudowissenschaftliche Erfassung und Ausforschung von Sinti und Roma gemäß der NS-Rassenideologie. Es erfolgte eine Einteilung in sogenannte „Reinrassige Zigeuner“, sogenannte „Zigeunermischlinge“ (ca. 95 %, von der NS-Rassenideologie als angeblich besonders ‚minderwertig‘ eingestuft) und Personen mit „zigeunerischem Lebenswandel“. Es galt das Paradigma der erblichen Kriminalität: Vernichtet man die Träger des ‚Kriminalitäts-Gens‘, dann entstehe die ideale „Volksgemeinschaft“. Robert Ritter unterstützte die Forderung nach Vernichtung durch allgemeine Zwangssterilisation. Es wurden auch Menschen aufgespürt, die vorher unerkannt und vollkommen assimiliert in der Mehrheitsgesellschaft lebten. Sowohl unangepasstes Verhalten als auch angebliche rassische Herkunft führten zur Verfolgung. Die Wissenschaftler erschlichen z.T. das Vertrauen ihrer Opfer. Sog. „Rassegutachten“ dienten später als Grundlage der Verfolgung. Finanziell gefördert wurde diese ‚Wissenschaft‘ durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).

Dr. Ritter und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeitet machten im Nachkriegsdeutschland weiter Karriere. Die Akten von Ritters Institut wurden erst nach einer Institutsbesetzung durch Sinti-Aktivisten in Tübingen Anfang der 1980er Jahre dem Bundesarchiv übergeben und so den Opfern und deren Angehörigen und der unabhängigen Forschung zugänglich gemacht.

Ab Juni 1938

Es begannen willkürliche Verschleppungen von „Zigeunern“ in KZs unter dem Vorwurf der „Asozialität“. „Als asozial gilt, wer … zeigt, daß er sich nicht in die Gemeinschaft einfügen will.“

Dezember 1938

Himmlers Erlass „Zur Bekämpfung der Zigeunerplage: „Die polizeilichen Erfahrungen“ sowie die „durch die rassenbiologischen Forschungen gewonnenen Erkenntnisse“ verlangten eine „Regelung der Zigeunerfrage aus dem Wesen der Rasse heraus“.

Oktober 1939

Per Schnellbrief des Reichssicherheitshauptamts erging der sogenannte ‚Festsetzungserlass‘. Alle als „Zigeuner“ eingestufte Personen durften den momentanen Aufenthaltsort nicht mehr ohne Genehmigung verlassen, gleich ob sie dort wohnten oder sich zufällig gerade dort aufhielten. Für alle galt ‚Residenzpflicht‘ und genaue Datenerfassung. Bei Verstoß drohte KZ-Haft.

13.5.1940

Abbildung 1 (Stadtarchiv Duisburg, MD). National Zeitung, 13.5.1940
Abbildung 1 (Stadtarchiv Duisburg, MD). National Zeitung, 13.5.1940

In der National Zeitung, der Tageszeitung der NSDAP für Duisburg, erschien ein ganzseitiger Artikel „Ghetto-Zwischenlösung der Judenfrage“ über das Ghetto Litzmannstadt (Lodsch/Lodz), in dem die spätere „Endlösung“ bereits angedeutet wird: Wir haben keineswegs den Ehrgeiz, diese Ghettos als eine Art Dauerpanoptikum im Großdeutschen Reich zu dulden, sondern sehen die Judenfrage gemäß unserm nationalsozialistischen Programm erst dann als gelöst an, wenn der letzte Jude den heiligen deutschen Boden verlassen hat.Ende 1941 wurden auch über 5.000 Sinti und Roma in das Ghetto deportiert und ermordet. Darunter waren auch mehrere Duisburger Sinti.

Über die Duisburger Deportation vom 16.5.1940 wurde in der National Zeitung nicht berichtet.

16. Mai 1940

Tag der Deportation in Duisburg. Der euphemistische Begriff dafür war „Umsiedelung“. Etwa 100 Sinti und Roma aus Duisburg wurden frühmorgens von der Polizei abgeholt. Sie wurden in Duisburg zunächst zur Polizeikaserne in Neudorf gebracht, dann auf LKWs nach Köln-Deutz in ein Lager auf dem Messegelände. Gleichzeitig gab es Transporte aus Köln, Aachen, Düsseldorf, Gelsenkirchen, Herne, Wanne-Eickel und Koblenz. Die Betroffenen wurden in das besetzte Polen in Orte nahe der russischen Grenze verschleppt. Ihr Schicksal war Zwangsarbeit, Ghetto- und Lagerhaft. Weit mehr als die Hälfte aller aus Duisburg Deportierten kamen in Polen ums Leben (Schätzung).

Entgegen der ursprünglichen Planung gab es danach zunächst keine weiteren Deportationen nach Polen. Als „Zigeuner“ eingestufte Personen waren weiterhin gezwungen, an den Orten zu verbleiben, an denen sie sich am Tag ihrer „Festsetzung“ im Oktober 1939 zufällig befunden haben. Sie wurden gezwungen, unter katastrophalen Wohnungs-, Hygiene-, und Ernährungsbedingungen zu leben und mussten Zwangsarbeit verrichten. Bei kleinsten Verstößen erfolgten drakonische Strafen, z.B. die Einweisung in Konzentrationslager. Vom gesellschaftlichen Leben waren sie ausgeschlossen. Ihre Kinder durften keine Schulen besuchen. Viele kamen durch die schlechten Lebensumstände ums Leben.

Dezember 1942

Himmlers „Auschwitz-Erlaß“.
Von Feb. 1943 bis Aug. 1944 existierte in Auschwitz das sogenannte „Zigeunerlager“. Von den insgesamt 22.600 Insassen sind über 19.300 Todesfälle dokumentiert. Die Häftlingsnummern begann mit Z, die Betroffenen mussten einen schwarzer Winkel an der Häftlingskleidung tragen.

März 1943

Deportationswelle – sog. „Abschiebungen“ – nach Auschwitz (mindestens 9000 Personen). Auch zahlreiche Duisburger Sinti und Roma, die bis dahin überlebt hatten, wurden in diesen Tagen nach Auschwitz verschleppt.

10. März 1943

Deportation der Duisburger Familie Rosa Atsch nach Auschwitz (19 Personen).
Dokumentierte Todesdaten
– Rosa Atsch, 12.5.43
– Klara, 3.12.43
– Ida, 25.5.43
– Anna Maria, 8.4.43
– Mina, 4 Jahre, 21.5.43
– Alexandrina, 2 Jahre, 29.4.43
– Josef-Günther, 8 Jahre, 25.4.44
– Willi, 11 Monate, 16.4.43
– Magdalena Winterstein, 5.12.43
Die übrigen Familienmitglieder wurden vermutlich bei der letzten Vergasungs-„Aktion“, das heißt bei der „Liquidation“ des „Familienzigeunerlagers“, umgebracht.
Am 12. Januar 1945 meldete die Kripo Duisburg: die Akten der „Sippe Atsch“ seien „bereinigt“.

13. März 1943

In der National Zeitung, der Tageszeitung der NSDAP für Duisburg, erschien der Artikel „Gesunder Haß“. Darin hieß es: „Wer da noch mit dem Einwand kommt, daß die anderen ‚ja auch Menschen‘ seien und man durch Güte und Liebe mehr erreiche als durch Haß, der steht mit blinden Augen in dieser Zeit. […] Für uns kann der gesunde Haß heute die alleinige Triebfeder unseres Handelns sein. Die Liebe in jeder Form einer ausgeglichenen Tugend ist und bleibt nur Schwäche.“

Über die Deportation der Duisburger Sinti und Roma wurde in der National Zeitung nicht berichtet.

Bis 1945

Die genaue Zahl der ermordeten Duisburger Sinti und Roma ist bisher nicht erforscht. Sie dürfte weit über 100 liegen. Es gab nur wenige Überlebende.

Kurze Überblicksdarstellung zur NS-Verfolgung

Die NS-Verfolgung ist Teil einer jahrhundertelangen Verfolgungsgeschichte von Sinti und Roma – gleichzeitig markiert der Machtantritt der NationalsozialistInnen den Beginn einer deutlichen Radikalisierung und Veränderung der bis dahin bekannten antiziganistischen Ausgrenzungspolitik und -praxis. Ohne die jahrhundertelange Diskriminierung und jahrzehntelange polizeiliche Erfassung von vermeintlichen Zigeunern im Kaiserreich und in der Weimarer Republik wäre der NS-Völkermord und die Durchführung der Deportationen nicht möglich gewesen. Die Logiken der Verfolgung wirkten auch nach 1945 weiter. Anträge von überlebenden Sinti und Roma oder deren Angehörigen auf Entschädigung wurden vielfach abgewiesen. Erst 1982 wurde der NS-Völkermord an den Sinti und Roma von der Bundesregierung als Tatsache anerkannt.

Antiziganismus vom 15. bis zum 19. Jahrhundert

Bereits kurze Zeit nach der historisch dokumentierten Ankunft in Mitteleuropa belegen Dokumente die ersten Verfolgungsmaßnahmen gegen Sinti und Roma. 1498 erklärten Reichsfürsten und Reichsbischöfe sie zu Spionen der Türken und damit für vogelfrei – das bedeutet, dass jeder sie töten und sich ihren Besitz aneignen durfte. Sie wurden über lange Phasen aus zahlreichen Gebieten vertrieben und dadurch gezwungen, als fahrende und rechtlose Personen zu leben.

Im 18. Jahrhundert war in einigen Nationalstaaten die Sesshaftmachung von Sinti und Roma das Ziel humanitärer Ideen, was aber real dazu führte, dass ihnen ihre Kinder weggenommen und diese in Fürsorgeeinrichtungen untergebracht wurden. Außerdem wurden auch zu dieser Zeit trotz des propagierten Ziels der „Sesshaftmachung“ niedergelassene Personen durch kommunale Behörden vertrieben oder anderen Zwangsmaßnahmen unterzogen.

War die Stigmatisierung und Verfolgung zunächst eher religiös geprägt, so erfolgte mit der Aufklärung eine Verwissenschaftlichung und Rassifizierung. Zuschreibungen wurden nun als rassisch bedingt angesehen und als Wesen des Zigeuners‘“ wissenschaftlich untersucht. Als wichtig wird in diesem Zusammenhang vor allem das Werk Heinrich August Moritz Grellmanns (Historischer Versuch über die Zigeuner, 1787) eingestuft, dessen Beschreibungen der Zigeuner als beispielsweise faul oder unehrlich bis heute in antiziganistischen Klischees vorhanden sind. Ausgehend von seinem Werk beschäftigten sich zahlreiche ForscherInnen mit den Zigeunern und dem Umgang mit ihnen.

Die im 18. Jahrhundert begonnenen Zwangsmaßnahmen wurden in der Weimarer Republik durch Einschränkungen bezüglich der Berufsausübung, der Bewegungsfreiheit und des Erziehungsrechts ausgeweitet und durch die polizeiliche Dokumentation der zigeunerischen Eigenschaft in Ausweispapieren und Pässen ergänzt.

Quellen: Bogdal https://www.iz3w.org/zeitschrift/ausgaben/334_antiziganismus/Klaus-Michael%20Bogdal; 600 Jahre Verfolgung (http://anti-ziganismus.de/artikel/600-jahre-roma-und-sinti-in-deutschland/

Erfassung

Ab 1899 wurde in Bayern bei der Münchner Polizei eine sogenannte Zigeunerzentrale eingerichtet, deren Aufgabe die Erfassung von Zigeunern war. Sie war unter wechselnden Namen bis in die 1960er Jahre hinein aktiv. Mit Registern, Kennzeichnungen und Ausweisen wurde hier eine Infrastruktur geschaffen, auf die später die NationalsozialistInnen aufbauen konnten.

Bereits von frühen Gesetzgebungen im Nationalsozialismus (das Gesetz zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses 1933 sowie die Nürnberger Rassegesetze 1935) waren viele Sinti und Roma erheblich betroffen.

Die Verfolgungsgründe waren zunächst vornehmlich sozial definiert (Asozialität, Vagabundentum) und Personen wurden mit dem Vorwurf einer vermeintlich „zigeunerischen“ Lebensweise verfolgt. Doch bereits 1936 beschreibt ein Runderlass des Reichsinnenministeriums Sinti und Roma als dem deutschen Volkstum artfremdes Zigeunervolk (Tietz/Zimmermann 179). Ein Erlass von Reichsführer-SS Heinrich Himmler von 1938 Zur Bekämpfung der Zigeunerplage forderte schließlich eine Regelung der Zigeunerfrage aus dem Wesen der Rasse heraus – und ebnete damit den Weg auch für die umfassende polizeiliche Verfolgung und Vernichtung. Unterschieden wurden von den NationalsozialistInnen dabei reinrassige Zigeuner, Zigeunermischlinge und nach Zigeunerart umherziehende Personen. Während die ersten beiden Kategorien sich auf gesammelte Daten zu Stammbäumen und verwandtschaftlichen Beziehungen stützten, stellt die letzte Bezeichnung eine rassistisch und sozial definierte Kategorie dar und damit ein Instrument zur willkürlichen Anwendbarkeit der Vorwürfe von Asozialität, Vagabundentum oder Arbeitsscheue.

„Asozialität“

Der Vorwurf der „Asozialität“, der verschiedene Zuschreibungen wie arbeitsscheu, kriminell, unangepasst und ab den 1940ern zunehmend gemeinschaftsfremd beinhaltete, betraf neben anderen Personengruppen auch Sinti und Roma. Bereits seit Juni 1938 waren zahlreiche Zigeuner zunächst in das KZ Buchenwald verschleppt worden – willkürlich im Rahmen der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung und unter der Kategorie asozial: Als asozial gilt, wer … zeigt, dass er sich nicht in die Gemeinschaft einfügen will (Tietz/Zimmermann 174).

In den Konzentrationslagern mussten Sinti und Roma den schwarzen Winkel, die allgemeine Kennzeichnung für Asoziale tragen. Häftlingen in Auschwitz wurde zusätzlich eine mit Z beginnende Häftlingsnummer auf den Arm tätowiert.

Die Stigmatisierung als „asozial“ wurde auch nach 1945 nicht hinterfragt. Sie diente in vielen Fällen der Verweigerung von Entschädigungen. 1956 urteilte der Bundesgerichtshof sogar, Verfolgungsmaßnahmen bis 1943 seien nicht rassisch begründet gewesen, sondern als kriminalpräventive Maßnahme zu Recht erfolgt. Diese Rechtsprechung wurde erst Mitte der 1960er Jahre schrittweise revidiert.

Die Absurdität der Vorwürfe illustrieren zahlreiche Beispiele von Menschen, die von der Kriminalpolizei vom Arbeitsplatz weg in ein Konzentrationslager verschleppt und dort unter dem Begriff arbeitsscheu interniert und ermordet wurden – die Geschichte des Überlebenden Franz Rosenbach ist in der Ausstellung Vom Arbeitsplatz abgeholt, als arbeitsscheu abgestempelt dokumentiert (pädagogisches Material hierzu findet sich in einer Ausstellungsbroschüre: http://www.isfbb.de/download/ISFBB-Begleitmaterial-Rosenbach-Ausstellung.pdf ).

Viele als Zigeuner Stigmatisierte wurden als schwachsinnig eingestuft und fielen Zwangssterilisationen und Morden im Rahmen der Euthanasie zum Opfer.

TäterInnen: Kommunen, Kripo und RHF

An der Verfolgung von Sinti und Roma war ein Netz von Institutionen und Behörden beteiligt.

Die ersten Initiativen zur Ausgrenzung gingen ab 1935 von den Kommunalverwaltungen aus. Angelehnt an eine Initiative der Stadt Köln, die bereits 1935 ein umzäuntes und bewachtes Lager für Zigeuner einrichtete, wurden in den nächsten zwei Jahren auch in Berlin, Frankfurt/Main, Magdeburg, Düsseldorf, Essen, Kassel und Wiesbaden Zigeunerlager errichtet.

Die Kriminalpolizei war für die Erfassung, Inhaftierung und Verschleppung in Konzentrationslager verantwortlich. Ab 1937 erhielt sie mit dem sogenannten Asozialenerlass die Kompetenz, unter anderem Zigeuner in die polizeiliche Vorbeugungshaft, einer unbefristeten Haft in Konzentrationslagern, zu nehmen. Mit der Begründung, dieser Erlass sei nicht genügend umgesetzt worden, wurden 1938 in der Aktion Arbeitsscheu Reich 10.000 Menschen reichsweit in Konzentrationslager eingewiesen, darunter viele Sinti und Roma, die aufgrund eines Erlasses zur Fortsetzung der Haftdauer (1940) inhaftiert blieben.

Als zentrale Stelle zur Erfassung der Zigeuner fungierte die Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens des Reichskriminalpolizeiamtes, deren regionale Akteure extra eingerichtete Dienststellen für Zigeunerfragen bei den örtlichen Kriminalpolizeiämtern waren.

Die Kriminalpolizei arbeitete eng zusammen mit der Rassenhygienischen Forschungsstelle (RHF) unter der Leitung von Robert Ritter. Ritter und seine MitarbeiterInnen (darunter z.B. Eva Justin, die die Sprache Romanes beherrschte) führten ab 1937 tausende Untersuchungen durch und erstellten ca. 30.000 Rassegutachten. Dabei suchten sie Personen und Familien an ihren Wohnorten auf, vermaßen sie und ordneten sie mittels Erbtafeln einem Mischlingsgrad zu. Auf der Suche nach erbbedingter Kriminalität und Asozialität hatte die RHF dabei besonders Zigeunermischlinge im Visier, die mit der angeblichen Existenz einer besonders arbeitsscheuen und asozialen Zigeunermischlingspopulation begründet wurde.

Die Zusammenführung der rassebiologischen Gutachten der RHF und der umfassenden polizeilichen Erfassungen von Person, Staatsangehörigkeit und Familienzusammenhängen (zum Teil ergänzt durch Informationen beispielsweise aus kirchlichen Archiven) in Karteien bildete die Grundlage für die Erstellung von Transportlisten für Deportationen oder Anordnungen zur Zwangssterilisierung.

Zahlreiche weitere Akteure wie Ämter, Polizei, Meldebehörden, Fürsorgeeinrichtungen, Wohlfahrtsverbände, Ärzte, Parteiverbände oder lokalpolitische Personen waren in das enge Netz der Verfolgungsbehörden eingebunden und durch die Weitergabe von Informationen, Anzeigen oder Anordnung von Maßnahmen an der Erfassung und Ermordung von Sinti und Roma beteiligt.

Festsetzung, Deportation und Ermordung

Die Lebensmöglichkeiten von Sinti und Roma, die bereits vorher durch Verordnungen wie dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses oder dem Blutschutzgesetz von Zwangssterilisationen und Ehebeschränkungen betroffen waren, wurden durch den sogenannten „Festsetzungserlass“ Himmlers 1939 nochmals weiter eingeschränkt. Sie durften ab sofort ihren Wohn- und Aufenthaltsort nicht mehr verlassen, jegliche Verstöße wurden mit der Einweisung in ein KZ bestraft.

Am 27. April 1940 ordnete das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) die baldige Deportation von 2.500 Zigeunern aus westlichen und nordwestlichen Gebieten des Reiches nach Polen an. Zwei Wochen später wurden hunderte Personen in einer Verhaftungsaktion abgeholt und zunächst in kommunale Sammellager gebracht. Aus Duisburg wurden etwa 100 Sinti und Roma in ein solches Lager auf dem Kölner Messegelände gebracht und am 21. Mai mit einem Sonderzug in einen Ort nahe der russischen Grenze gebracht. Sie sollten verteilt, zur Zwangsarbeit eingesetzt und an der Rückkehr gehindert werden. Ab 1941 wurden Zigeuner zunehmend in Ghettos (beispielsweise in Lodz) interniert, wo sie unter elenden Bedingungen Zwangsarbeit leisten mussten. In Vernichtungsaktionen wurden sie zusammen mit jüdischen Häftlingen ermordet.

Mit der Verschärfung der Gesetze gegen Zigeuner wurde ab 1941 vor allem versucht, Beziehungen zwischen Zigeunern und Deutschblütigen durch Eheverbote, das Verbot außerehelicher Beziehungen, aber auch durch Anordnung von Zwangssterilisationen, zu verhindern. Bis 1942 wurden sie schrittweise aus Zünften, Vereinen, Organisationen ausgeschlossen. Sie unterlagen einer ähnlichen Ausgrenzungs- und Entrechtungspraxis wie Jüdinnen und Juden. Der eigentliche Vernichtungsprozess wurde mit einem Häuptlings-Erlass des RSHA 1942 eingeleitet, der die Betroffenen zur Selektion reinrassiger Sippen aufforderte – alle anderen sollten möglichst bald deportiert werden.

Im Generalgouvernement, den besetzten polnischen Gebieten, ging die SS 1942/43 zu Massenerschießungen von deutschen und polnischen Sinti und Roma über.

1943 wurden bis auf wenige, als reinrassige Zigeuner eingeordnete Personen, alle Zigeuner (ca. 23.000 Menschen) in den von der SS als Zigeunerfamilienlager bezeichneten Lagerteil B II e in Auschwitz-Birkenau deportiert, wo bereits innerhalb der ersten Wochen Tausende aufgrund von Hunger, Seuchen, Misshandlungen und grausamen medizinischen Experimenten starben.

Die Deportation nach Auschwitz, die Haftbedingungen und Situation der Häftlinge sowie die Ermordung dokumentiert die Ausstellung Der Völkermord an den Sinti und Roma http://www.sintiundroma.de/sinti-roma/ns-voelkermord/vernichtung.html.

Anfang August 1944 wurden ca. 3.000 „arbeitsfähige“ Häftlinge in andere Lager verschleppt, z.B. nach Bergen-Belsen. Alle verbliebenen Häftlinge des Zigeunerfamilienlagers Auschwitz wurden in den Gaskammern ermordet.

Verfolgung in Duisburg

Die erste Eintragung der Duisburger Akte „Bekämpfung des Zigeunerwesens“ ist auf das Jahr 1876 datiert. Vor den Verhaftungen und Deportationen durch die NationalsozialistInnen waren viele Duisburger Sinti und Roma jahrelangen Schikanen durch Erfassungen und Kontrollen der Polizei sowie der ständigen Gefahr der Schutzhaft ausgesetzt. Die Maßnahmen stießen bei der lokalen Bevölkerung auf Zustimmung und wurden oftmals durch Denunziationen von Nachbarn oder Vermietern angestoßen und unterstützt (vgl. Tietz/Zimmermann 195).

Bei der Verhaftungswelle im Mai 1940 wurden viele der Sinti und Roma, die bis dahin in der Koloniestraße in Duisburg-Neudorf, in der Obermeidericherstraße oder in der Wrangelstraße und Gablenzstraße in Kaßlerfeld gelebt hatten, zunächst nach Köln in ein Sammellager und dann nach Polen deportiert. Aus Duisburg stammten u.a. die Familien Adam, Atsch, Böhmer, Hanstein, Kiesewetter, Lehmann, Prisor, Richter und Rosenberg, von denen einzelne Personen oder ganze Familien verschleppt und auseinandergerissen wurden. Unter elenden Lebensbedingungen und Zwangsarbeit kam in den kommenden Monaten weit mehr als die Hälfte der aus Duisburg Deportierten ums Leben. Die Sinti, denen es gelang, aus Polen illegal nach Duisburg zurück zu kommen, kamen dort fast ausnahmslos ums Leben oder wurden ins KZ überwiesen bzw. nach mehrmonatiger Schutzhaft erneut nach Polen abgeschoben (Tietz/Zimmermann 168). Aus der verordneten Festsetzung von Zigeunern wurde ein Zustand von mehreren Jahren, der mit Berufseinschränkungen und einer weiteren sozialen Schlechterstellung der Sinti und Roma einherging. In den Gemeinden, in denen Sinti und Roma festgehalten wurden, war es vielfach so, dass Firmen, lokale Honoratioren, Bürgermeister oder NSDAP-Ortsgruppen die gängigen Vorurteile gegen die Zigeuner mobilisierten, um ihren Ort zigeunerfrei zu bekommen (Tietz/Zimmermann 171).

Für nur wenige Städte lässt sich die Rolle der Kriminalpolizei bei der Verfolgung anhand von Akten rekonstruieren – aus Duisburg ist ein Teilbestand mit 31 Zigeunerakten erhalten. Marc von Lüpke-Schwarz beschreibt die Rolle der Duisburger Kripo in seiner Studie „‘Zigeunerfrei! Die Duisburger Kriminalpolizei und die Verfolgung der Sinti und Roma 1939-1944. In diesem Zeitraum vertrieb sie 143 Personen aus Duisburg gemäß ihrer Zielsetzung der Ausschaffung aller Zigeuner aus ihrem Zuständigkeitsbereich. Die meisten von ihnen wurden ermordet. Die PolizeibeamtInnen in Duisburg handelten neben Anweisungen des Reichskriminalpolizeiamtes und Gutachten der RHF bei der Verfolgung und Verhaftung relativ eigenständig in der Umsetzung der Abschiebung von Zigeunern – und waren sich dessen bewusst, dass deren Schicksal Zwangsarbeit und Tod bedeutete. Die Duisburger Zigeunerpolitik war […] auf eine vollständige und unumkehrbare Entfernung der von ihr als Zigeuner taxierten Menschen ausgerichtet (Lüpke-Schwarz 140).

Die Akten der NS-Verfolgungsbehörden wurden lange geheim gehalten und zu einem beträchtlichen Teil in der Nachkriegszeit gezielt vernichtet. Der verbliebene Rest ist immer noch schwer zugänglich. Viele Spuren von Verfolgten und Verschleppten verlaufen im Nichts, wobei die Ermordung der Betroffenen vermutet werden muss. Einige Schicksale von Duisburger Sinti machen Tietz/Zimmermann sichtbar, indem sie deren Lebenswirklichkeiten mit den entmenschlichenden Dokumenten der NS-TäterInnen kontrastieren.

Widerstand

In der Geschichte der Verfolgung gibt es auch zahlreiche Dokumente des widerständigen Handelns einzelner Personen. Die als Zigeuner Stigmatisierten verhielten sich nicht als passive Objekte der Verfolgung, aber ihr Handlungsspielraum war durch die Entrechtung, Isolation und erdrückende Übermacht der Gegenseite eingeschränkt. Nach den ersten Deportationen 1940 flohen Sinti und Roma aus den Lagern und kehrten zu ihren Familien nach Duisburg zurück. Polizeilich gesuchte Personen wurden von der Familie oder Freunden versteckt gehalten, inhaftierte Verwandte wurden durch Lebensmittelpakete unterstützt. Das Ziel der vollständigen Zwangssterilisation von in Mischehen lebenden Zigeunern scheiterte auch am Widerstand der betroffenen Personen.

Die Inhaftierten im Zigeunerlager BIIe in Auschwitz-Birkenau erfuhren im Mai 1944 von der geplanten Liquidation des Lagers. Sie haben diese zunächst durch Widerstand verhindert und haben bei der Ermordungsaktion der letzten Inhaftierten im August der SS bis zum letzten Moment Widerstand geleistet.

Von den in Konzentrationslager verschleppten Zigeunern überlebten nur 4.000-5.000. Die Gesamtzahl der in Europa ermordeten Sinti und Roma wird auf 200.000 bis 500.000 geschätzt.

Weiterführende Materialien

Chronologie des Völkermords an den Sinti und Roma (Dokumentationszentrum) http://www.sintiundroma.de/uploads/media/chronologie140111.pdf

Dokumentationsarchiv und Kulturzentrum deutscher Sinti und Roma
Der NS-Völkermord http://www.sintiundroma.de/sinti-roma/ns-voelkermord.html

Ausstellung Völkermord an den Sinti und Roma http://www.sintiundroma.de/zentrum/ausstellungen/transportable-ausstellung.html

„Erstmals dokumentiert eine transportable Ausstellung den national-sozialistischen Völkermord an den Sinti und Roma. Ausgehend von konkreten Einzelschicksalen wird die Vernichtungspolitik gegenüber der Minderheit nachgezeichnet: von der Ausgrenzung bis hin zum Massenmord.

Ziel der Ausstellung ist es, die Ebene der Verfolgung und Entmenschlichung von der Perspektive der persönlich Betroffenen auch gestalterisch abzuheben. Den menschenverachtenden Dokumenten der Täter werden die Berichte der Überlebenden und ihre Familienbilder gegenüber gestellt, welche die Lebenswirklichkeit der Sinti und Roma sichtbar machen. Durch das besondere Spannungsverhältnis dieser beiden Ebenen – Normalität und Alltag der Minderheit einerseits, Terror und Verfolgung andererseits – wird zugleich bewusst, dass sich hinter den abstrakten Dokumenten der bürokratisch organisierten Vernichtung unzählige zerstörte Lebenswege verbergen.“

Antiziganismus

Auch heute ist „Antiziganismus“ in Europa weit verbreitet. Die verschiedenen Klischees des ‚Zigeuner‘-Konstrukts – das angebliche Betteln und Stehlen, Wahrsagen und Musizieren, das heimatlos Umherziehen, schmutzig, unzivilisiert und integrationsunwillig Sein – finden sich alltäglich in Medien, Politik, Kultur und am Stammtisch wieder. Auch die Situation der Gruppen, die häufig von Antiziganismus betroffen sind, hat sich nicht verbessert: Noch immer müssen viele Roma in vielen europäischen Ländern Ost- und Westeuropas in Slums, Notunterkünften oder eigenen Stadtvierteln leben, werden von Schulbildung, Gesundheitsversorgung, Arbeits- und Wohnungsmarkt ausgeschlossen und sehen sich antiziganistischen Übergriffen und Diskriminierungen ausgesetzt.“ http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/service/lexikon/a/antiziganismus

Negative Einstellungen gegenüber Sinti und Roma sind in der Bevölkerung weit verbreitet – in Wilhelm Heitmeyers Langzeitstudie zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in Deutschland stimmten beispielsweise 2011 knapp die Hälfte aller Befragten der Aussage zu, „Sinti und Roma neigen zu Kriminalität“ (vgl. Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg): Deutsche Zustände 10. Berlin (Suhrkamp) 2011). In einer Studie des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma wurde deutlich, welche Auswirkungen diese Vorurteile für die Betroffenen haben. Drei Viertel der befragten Sinti und Roma berichteten von Diskriminierungen am Arbeitsplatz, durch Nachbarn oder im Alltag. (vgl. End, Markus (2013): Gutachten Antiziganismus. Zum Stand der Forschung und der Gegenstrategien, S. 16f.)

Diese Zahlen machen deutlich, dass das Phänomen „Antiziganismus“ auch in der Gegenwart relevant ist. Welche Bilder der „Antiziganismus“ beinhaltet und wie er funktioniert, soll die folgende Einführung erläutern und zur weiteren Beschäftigung anregen.

Der Begriff „Antiziganismus“ bezeichnet einerseits ein Set stigmatisierender Zuschreibungen als ein „Zigeunerstereotyp“, welches historisch tradiert und gesellschaftlich weit verbreitet ist. Andererseits benennt der Begriff die umfassende gesellschaftliche Diskriminierung von Sinti, Roma und anderen von diesen Zuschreibungen betroffenen Menschen.

Der Begriff „Antiziganismus“ ist verhältnismäßig neu. Er tauchte erstmals in der wissenschaftlichen Debatte der 1980er Jahre auf und wird seit der Jahrtausendwende immer häufiger verwendet. Er wurde in Analogie zum Begriff „Antisemitismus“ gebildet. Ähnlich wie der Begriff „Antisemitismus“ soll der Begriff „Antiziganismus“ ein umfassendes System von Stereotypen und Diskriminierung beschreiben. Explizit geht es dabei nicht um vermeintliche Eigenschaften oder Verhaltensweisen bestimmter Menschen oder Gruppen, sondern um das Stereotyp des „Zigeuners“. Der Begriff „Antiziganismus“ betont die weite Verbreitung und andauernde Tradierung dieses Fremdbildes in der Mehrheitsgesellschaft sowie damit verbundene Diskriminierungsstrukturen.

Vorurteile und Ressentiments

Die neuere Vorurteilsforschung geht davon aus, dass Vorurteile nicht als falsche Urteile oder verallgemeinerte Erfahrungen oder gar als Fünkchen Wahrheit von den Eigenschaften „der Anderen“ verstanden werden können. Vielmehr handelt es sich bei Vorurteilen um einen Prozess in spezifischen gesellschaftlichen Machtverhältnissen, in dem Gruppen konstruiert und mit bestimmten Zuschreibungen versehen werden. In Bezug auf den „Antiziganismus“ bedeutet dies, dass seit dem 15. Jahrhundert über Medien, Literatur oder die Wissenschaft eine Gruppe der „Zigeuner“ konstruiert wurde, deren vermeintliche Eigenschaften das Gegenteil des „Eigenen“ oder der „Wir-Gruppe“ sind.

Anna Friedrich schreibt dazu:

Die Geschichte des Antiziganismus reicht zurück bis ins 15. Jahrhundert und ist eng mit der Entstehung der modernen Arbeitsgesellschaft verknüpft. Im Zeitalter kapitalistischer Produktion und einer protestantischen Arbeitsethik bildet die Figur des „Zigeuners“ die Projektionsfläche für all das, was der Mensch nicht mehr sein darf. Ein Leben in Müßiggang und in ausschweifender Lust ist ebenso untersagt, wie der Verstoß gegen den Zwang zur Sesshaftigkeit und Folgsamkeit von Gesetzen. Tugendhaft lebt, wer fleißig für seinen Lohn arbeitet und sich den Normen der Gesellschaft beugt. Dabei haben antiziganistische Bilder eine Doppelstruktur: Die Figur des „Zigeuners“ repräsentiert einerseits die untergegangene vormoderne Welt, in der ein Leben ohne die Entbehrungen der modernen Arbeitsgesellschaft möglich war. In der rassistisch-sozialchauvinistischen Konstruktion ist der „Zigeuner“ gleichzeitig das „Allerletzte“, er ist unter den Überflüssigen noch der Überflüssige. Somit wird die Figur des „Zigeuners“ zu einem abschreckenden Beispiel für die Mehrheitsgesellschaft der heutigen Zeit, in der die Drohung des ökonomischen Abstiegs und des sozialen Ausschlusses dauerhaft präsent ist.“ Friedrich, Anna: „Ich bin Rotationseuropäer…“. Strategien gegen Antiziganismus und Europaimaginationen aus der Perspektive einer Selbstorganisation, unter: http://www.euroethno.hu-berlin.de/archiv/studienprojekte/other_europes/forschung/ich-bin-rotationseuropaeer…strategien-gegen-antiziganismus-und-europaimaginationen

Perspektivwechsel

Das Bild des „Zigeuners“ und die damit verbundenen Zuschreibungen, die immer noch verbreitet sind, haben sehr wenig mit den Lebensrealitäten der Stigmatisierten und sehr viel mit den Normen und Werten der Mehrheitsgesellschaft zu tun. Wie diese Bilder und Logiken funktionieren, erläutert Markus End sehr anschaulich anhand konkreter Beispiele in seinem Text „Bilder und Sinnstruktur des Antiziganismus“, der bei der Bundeszentrale für politische Bildung abrufbar ist http://www.bpb.de/apuz/33277/bilder-und-sinnstruktur-des-antiziganismus?p=all.

Bekannt ist beispielsweise die Vorstellung der Nichtsesshaftigkeit bzw. des Nomadentums. In Abgrenzung zu vermeintlich „wurzellosen Anderen“ kann hier die eigene Sesshaftigkeit und Zugehörigkeit betont werden. Gewaltsame Vertreibungen, die ein wesentlicher Bestandteil der Geschichte antiziganistischer Diskriminierung sind, werden so als „Umherziehen“ unsichtbar gemacht. Auch das Motiv des Bettelns und Klauens, was „den Anderen“ als angeborene Eigenschaft zugeschrieben wird, verweist auf die eigene Rechtschaffenheit und Disziplin und hat viel mit gesellschaftlichen Normen von Fleiß und Arbeit zu tun. Die eigene ordentliche Arbeit kann nur in Abgrenzung zu „Anderen“ betont werden, die angeblich „nicht richtig“ oder „gar nicht arbeiten“.

Warum man diese Bilder nicht nur relativieren, sondern grundsätzlich dekonstruieren sollte, beschreibt Anna Friedrich:

Zentral für die aktuelle Forschung ist die Analyse, dass sich der Antiziganismus aus Bildern speist, die sich die europäische Mehrheitsbevölkerung seit dem 15. Jahrhundert über Menschen macht, die sie als „Zigeuner“ imaginiert. Dabei sind diese Bilder voller Klischees und Stereotype, die in der Regel nichts mit der Lebensrealität derjenigen zu tun haben, die Antiziganismus erfahren. Aus dieser Analyse ergibt sich die Forderung, nicht mehr über diejenigen zu reden, die antiziganistisch stigmatisiert werden, sondern die Klischees und Ressentiments zu entlarven und zu dekonstruieren, die tief in der Mehrheitsgesellschaft verankert sind. Dies ist zutiefst notwendig, da sich der Hass und die Gewalt gegenüber Menschen, die als „Zigeuner“ imaginiert werden, aus eben diesen Klischees und Ressentiments speisen.“ Anna Friedrich, http://www.euroethno.hu-berlin.de/archiv/studienprojekte/other_europes/forschung/ich-bin-rotationseuropaeer…strategien-gegen-antiziganismus-und-europaimaginationen

Die Ressentiments wie beispielsweise Kriminalität, Nichtsesshaftigkeit oder Unehrlichkeit werden tradiert – beispielsweise in Kinderbüchern, in TV-Serien und Spielfilmen, in Mediendiskursen, Stammtischgesprächen und PolitikerInnen-Statements, oder vermittelt über Lebensmittelbezeichnungen oder Faschingsparties.

Dass antiziganistische Bilder keineswegs nur tote Geschichte oder Überkommenes darstellen, sondern jahrhundertealte Zuschreibungen auch aktuell benutzt werden, kann man beispielsweise an der lokalen Berichterstattung erkennen. Alexandra Graevskaia beschreibt anhand der aktuellen Berichterstattung über Neuzuwanderung in Duisburg, wie in regionalen Medien antiziganistische Stereotype über ZuwanderInnen bedient werden und wie dies mit der Politik der Stadt Duisburg zusammenhängt. http://www.diss-duisburg.de/2013/07/die-machen-unser-schones-viertel-kaputt/

Vorurteile und Ressentiments bilden den Hintergrund für diskriminierendes Handeln und den gesellschaftlichen Ausschluss von Sinti und Roma. Diese antiziganistischen Praktiken sind in allen gesellschaftlichen Bereichen zu finden – sie reichen von struktureller Diskriminierung (beispielsweise der überdurchschnittlichen Repräsentation von Roma-Kindern auf sog. Sonderschulen) und der Benachteiligung im Alltag (bei der Wohnungssuche, am Arbeitsplatz) über eine negative Medienberichterstattung und unverhältnismäßigem Agieren der Polizei bis zu Übergriffen durch AnwohnerInnen und Rechtsradikale. Eine unvollständige, aber dennoch eindrückliche Chronologie antiziganistisch motivierter Vorfälle in Deutschland seit 1953 ist auf dem von zwei engagierten Privatpersonen betriebenen „Antiziganismus Watchblog“ zu finden http://antizig.blogsport.de/antiziganismus-chronik-inland/.

Dass solche Übergriffe oft im Bezug auf „die Nation“ geschehen, beschreibt Markus End:

Bei antiziganistischen Ausschreitungen tragen die Teilnehmer_innen häufig die jeweilige Nationalflagge mit. In den Köpfen sind ‚wir‘die Deutschen, die Tschech_innen, die Bulgar_innen, und das Andere, das sind die ‚Zigeuner‘. Und das, was für die ‚Wir‘-Gruppe als nicht akzeptabel gilt – z.B. nicht arbeitsam zu sein, oder unfair miteinander umzugehen – das wird der Minderheit zugeschrieben. Jedes Vorurteil sagt deshalb vor allem was über die ‚Wir‘-Gruppe aus.“http://bettellobbywien.wordpress.com/2011/11/03/antiziganismus-%E2%80%93-von-politiker_innen-benutzt-von-medien-verbreitet/

Stichwort Romantik

Nicht selten findet sich aber auch eine Umkehr negativer Zuschreibungen, welche dann die Freiheitsliebe, die Sorglosigkeit des täglichen Lebens oder die Musikalität der vermeintlichen „Zigeuner“ betonen. Auch wenn diese Zuschreibungen positiv gemeint sein mögen, haben sie mit der Realität wenig oder nichts zu tun und bestärken trotz der vermutlich guten Absicht doch das Bild des Andersseins und stützen die Vorurteile einer abweichenden Arbeitsmoral oder undisziplinierten Mentalität. Auch gut gemeinte romantisierende Gegenbilder zu negativen Stereotypen sollten daher in der pädagogischen Arbeit kritisch reflektiert werden.

Stichwort Kultur

Oftmals wird bestritten, dass antiziganistische Zuschreibungen etwas mit Rassismus zu tun haben und es wird auf kulturelle Hintergründe oder Mentalitäten verwiesen. Immer dann, wenn Verhaltensweisen nicht als individuelle und sozial bedingte, sondern als gruppenbezogene und unveränderliche Verhaltensweisen beschrieben werden, ist zumindest eine große Nähe zu rassistischen Argumentationsweisen gegeben.

Wenn man sich mit der nationalsozialistischen Verfolgung von Sinti und Roma beschäftigt, muss man den großen Spielraum berücksichtigen, den das „Zigeunerstereotyp“ eröffnet. Als „Zigeuner“ Stigmatisierte wurden sowohl aufgrund von rassistischen, als auch aufgrund von kulturell definierten Zuschreibungen erfasst, deportiert und ermordet.

Zum Weiterlesen

http://www.migrazine.at/artikel/kritik-des-antiziganismus (Interview mit den Herausgebern des Sammelbandes Antiziganistische Zustände)

Was die Geschichte der Sozialen Arbeit und die pädagogische Praxis mit Antiziganismus zu tun haben, beschreibt Leonore Stiglechner in: Antiziganismus und Soziale Arbeit http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/view/272/437

Begriffe

Oftmals besteht beim Thema „Antiziganismus“ Unsicherheit, welche Begriffe angemessen sind und wer oder was damit eigentlich genau bezeichnet werden soll. Zu Begrifflichkeiten, der Schwierigkeit eindeutiger Zuordnungen und der Gründe für die Verwendung diskriminierungsfreier Sprache soll dieses Kapitel einige Anregungen geben.

„Sinti und Roma“

Sinti“ (Sg.m. Sinto, Sg.f. Sintiza) und „Roma (Sg.m. Rom, Sg.f. Romni) sind Selbstbezeichnungen und Bezugspunkt unterschiedlicher Gruppen und Selbst-Organisationen, die teilweise abweichende Eigenbezeichnungen haben (z.B. Kalderash oder Lovara). Als „Sinti“ bezeichnen sich vor allem seit dem 14. Jahrhundert größtenteils in Deutschland lebende Roma-Familien und Personen. Roma sind in den letzten 150 Jahren aus Ost- und Südosteuropa nach Deutschland migriert. Unter ihnen sind sowohl viele mit deutscher Staatsbürgerschaft als auch viele mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus. Der Begriff „Roma“ wird zum Teil aber auch als Oberbegriff für alle Menschen mit Roma-Herkunft verwendet und dadurch Sinti und andere Selbstbezeichnungen einbezogen.

Seit Ende der 1990er Jahre sind die deutschen Sinti und Roma neben Sorben, Friesen und Dänen in Deutschland als nationale Minderheit anerkannt. Sinti und Roma finden sich in allen Bevölkerungsschichten und mit verschiedenen Bezügen zu oder Identifizierungen mit der Gruppe der Roma. Es gibt Reiche und Arme, UniversitätsabsolventInnen und Menschen ohne Schulabschluss.Viele geben sich nach außen nicht als Angehörige der Minderheit zu erkennen, da sie befürchten müssen, Opfer von Diskriminierung zu werden. Entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil leben die allermeisten – Schätzungen sprechen von 95% – sesshaft, nur ein kleiner Teil geht fahrenden Berufen nach oder ist durch die Not gezwungen, Saisonarbeit zu verrichten oder zu migrieren.

In Deutschland gibt es keine offizielle Erfassung einer ethnischen Zugehörigkeit, weshalb es nur ungefähre Schätzungen der Anzahl von Sinti und Roma in Deutschland gibt. Nach einer Schätzung der UNICEF soll es ca. 70.000 Sinti und Roma mit deutscher Staatsbürgerschaft geben.

Eine staatliche Erfassung der ethnischen Zugehörigkeit verbietet sich vor allem auch deshalb, weil sie sehr eng mit der Geschichte der Verfolgung und Ermordung hunderttausender Sinti und Roma verbunden ist. Dies wird im Kapitel zur NS-Verfolgung näher beschrieben. Bis heute gibt es immer wieder Vorwürfe und Hinweise, dass Behörden trotz dieser historischen Erfahrung unter Tarnbegriffen wie „europäische Minderheit“ oder „Mobile ethnische Minderheit“ weiterhin diskriminierende Karteien und Einträge im Zusammenhang mit Kriminalität anlegen.

Für die, die ein Ressentiment haben, für die sind ‚die‘ alle gleich. Zudem muss man sich aber auch fragen, was eine Ethnie denn eigentlich sein soll. Man kann ja nicht genau sagen, was z.B. einen Österreicher oder eine Deutsche ausmacht, außer dass das im Pass steht. Wenn versucht wird, das mit sprachlicher Abstammung zu definieren, dann wird es noch schwieriger. Da ist man schnell in einem Diskurs, der rassistisch ist. Genauso wenig geht das bei Rom_nia. Man kann nicht definieren, wer ein_e Rom_ni ist und wer nicht.“ http://bettellobbywien.wordpress.com/2011/11/03/antiziganismus-%E2%80%93-von-politiker_innen-benutzt-von-medien-verbreitet/

„Zigeuner“

Der Begriff Zigeuner ist eine pejorative (abwertende) Fremdbezeichnung, die viele Roma und Organisationen ablehnen. Die Kampagne Wir sind gegen das Wort Zigeunerhttp://www.gipsymusic.at/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=103&Itemid=172 beispielsweise versucht, auf die in vielen Kontexten selbstverständliche und unhinterfragte Verwendung eines negativ konnotierten und historisch belasteten Begriffes aufmerksam zu machen und in rassistisches Sprechen zu intervenieren. Die gesellschaftliche Debatte um die Verwendung des Begriffes beruht wesentlich auf einem Konflikt zwischen dem Kampf um Selbstrepräsentation von Roma und dem Beharren auf einem Recht auf Definitionen seitens der Mehrheitsgesellschaft. Natürlich gibt es auch unter Roma keine einheitliche Position, und von einigen wird der Begriff Zigeuner“ akzeptiert oder von einzelnen sogar als positive Selbstbezeichnung benutzt. Dies legitimiert auf Seiten von Nicht-Roma jedoch nicht ein unreflektiertes Sprechen, welches Stereotype reproduziert und diskriminierend wirkt.

Benutzt wird der Begriff in dieser Broschüre als historischer Begriff, weil NationalsozialistInnen ihn für als „Zigeuner“ oder „Asoziale“ Verfolgte verwendet haben. Weil er keine Menschen oder Gruppen bezeichnet (sondern ein Konstrukt des „Zigeuners“), wird oftmals auch von „als ‚Zigeuner‘ Stigmatisierten“ oder „von Antiziganismus Betroffenen“ gesprochen.

Von Antiziganismus waren im Nationalsozialismus und sind heute immer noch auch Personen und Gruppen betroffen, die sich selbst nicht zu den Roma zählen (zum Beispiel die irischen travellers oder Jenische) und die gleichwohl mit antiziganistischen Zuschreibungen (zum Beispiel der ‚Asozialität‘ oder dem Betteln) konfrontiert werden.

„Romanes“

Neben Deutsch, Rumänisch, Serbisch etc. wird von vielen Roma das Romanes in unterschiedlichen Dialekten gesprochen. Durch fehlende Minderheitenrechte ist die Weitergabe der Sprache oftmals nicht in den Schulunterricht eingebunden und damit gefährdet.

„Porajmos“

Für die Beschäftigung mit der NS-Verfolgung ist der Begriff Porajmos wichtig – auf Romanes bedeutet er „das Verschlingen“ und bezeichnet die systematische und auf die NS-Rassenideologie begründete Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma während der Nazizeit in Europa.

Zum Weiterlesen…

Bundeszentrale für politische Bildung: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 22-23/2011) Sinti und Roma http://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/33269/sinti-und-roma

Spurensuche in Duisburg

Auf den ersten Blick erinnert nichts…

Auf den ersten Blick erinnert nichts in Duisburg an die Verfolgung und Ermordung Duisburger Bürger aus Sinti- und Romafamilien während der Nazi-Zeit. Es gibt keine Gedenkstätte, kein Museum, keine historischen Hinweisschilder, keine Straßen sind nach den Opfern benannt.

Vier Stolpersteine auf der Koloniestraße

Nur ganz wenige kennen den einzigen Gedenkort, den es bisher in Duisburg gibt. In Neudorf findet man vor dem Haus Koloniestraße 135 vier unscheinbare „Stolpersteine“, die an nach Auschwitz deportierte und ermordete Duisburgerinnen erinnern. Nur wenige wissen, dass diese Frauen ermordet wurden, weil sie Duisburger Sinti waren.

Abbildung 2 (MD): Stolpersteine Koloniestraße
Abbildung 2 (MD): Stolpersteine Koloniestraße

 

Stolpersteine

Der Künstler Gunter Demnig erinnert an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten selbstgewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir einlässt. Inzwischen liegen STOLPERSTEINE in über 1000 Orten Deutschlands und in mehreren Ländern Europas. Mehr über das Projekt Stolpersteine erfahren Sie hier: http://www.stolpersteine.eu/ und unter http://www.stolpersteine-online.com/

In Duisburg koordiniert die Verlegung der Stolpersteine der Jugendring der Stadt Duisburg e.V., Claubergstr. 20-22, 47051 Duisburg, Telefon: + 49 203 26246, E-Mail: jugendring-duisburg@t-online.de, http://www.jugendring-duisburg.de/

Auf der Website des Evangelischen Familienbildungswerks ist die Broschüre von Jenny Bünning und Kurt Walter „Stolpersteine in Duisburg“ Band II Erinnerung an Opfer der Nazidiktatur. Gedenksteine 2006-2009 als PDF-Datei abrufbar: http://www.fbw-duisburg.de/development/fabian_duisburg/content/e3/e17/e622/e625/StolpersteineII.pdf

Schriftliche Quellen

Forscht man nach Ereignissen, die etwa 70 Jahre zurückliegen, ist man vor allem auf schriftliche Quellen angewiesen, denn überlebende Zeitzeugen wird man nur in sehr seltenen Fällen befragen können. Man ist angewiesen auf

– erhalten gebliebene Aktenbestände und andere historische Quellen,

– Arbeiten von Historikern, die diese Akten ausgewertet haben,

– in der Vergangenheit dokumentierte Zeitzeugenberichte in Buchform oder auf Video und auf Berichte von Familienangehörigen der 2. oder 3. Generation

– Vorträge von Expertinnen und Experten oder von Vertreterinnen und Vertretern von Selbstorganisationen der Sinti und Roma

– literarische Verarbeitungen des Themas (z.B. Romane, Spielfilme)

Aktenbestände

Viele Akten, die die Verfolgung von Sinti und Roma dokumentierten, gingen verloren oder wurden bewusst in der Nachkriegszeit vernichtet. Der Überlieferungsbestand in den einzelnen Städten ist sehr unterschiedlich. In Duisburg und in Köln sind Teile der Akten der für die Verfolgung zuständigen Kriminalpolizei erhalten. In den meisten anderen Städten wurden diese Akten vernichtet. Diese Akten geben die Perspektive der Täter wieder.

Aus der Nachkriegszeit sind in vielen Städten Akten zu den Entschädigungsanträgen von Überlebenden und Angehöriger politisch oder rassistisch Verfolgter überliefert, in denen zumindest ansatzweise auch die Perspektive der Betroffenen zum Ausdruck kommt.

Die „Hauptbücher“ des „Zigeunerlagers“ in Auschwitz mit den Namen und den Todesdaten der Opfer ist durch die mutige Tat eines Funktionshäftlings vor der Vernichtung durch die SS bewahrt worden.

Das Museum der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau hat den Inhalt dieses Dokuments in einer Datenbank erfasst und online gestellt.

http://en.auschwitz.org/m/index.php?option=com_wrapper&Itemid=31

Archive

Der erste Schritt, wenn man sich einem historischen Thema annähern will, ist das Aufsuchen der Archive. Das sind Bibliotheken, Stadtarchive, Ausstellungen, Museen. In Duisburg gibt es vor allem folgende Möglichkeiten.

Stadtbibliothek Duisburg

Abbildung 3 (MD): Stadtbibliothek
Abbildung 3 (MD): Stadtbibliothek

 

Zentralbibliothek Duisburg
Düsseldorfer Str. 5-7
47051 Duisburg

Öffnungszeiten: Montag 14.00-19.00 Uhr, Dienstag-Freitag 11.00-19.00 Uhr, Samstag 11.00-16.00 Uhr

Info-Telefon: 0203-283-4218
Email: stadtbibliothek@stadt-duisburg.de
WWW: www.duisburg.de/stadtbib/

Die Stadtbibliothek Duisburg ist gut ausgestattet mit Literatur zum Thema: Verfolgung in Duisburg, Völkermord an Sinti und Roma, Zeitzeugenberichte, Jugendliteratur. Fast alle wichtigen Titel sind hier verfügbar.

Die meisten Titel zum Thema findet man im Bereich „NS-Dokumentationszentrum“ und in den Bereichen „Geschichte“ und „Heimatkunde“. Ergiebige Signaturen sind:
EMP 21 Nationalsozialismus
EMP 210 Holocaust / Dokumentation Nationalsozialismus
ERN 1 Rechtsextremismus
ERL 41 Geschichte der Zigeunerverfolgung in Deutschland
DEK Heimatkunde

Der Katalog ist abrufbar unter opac.stadtbibliothek.duisburg.de/opax/de/index.html.S

Folgende Sachbegriffe kann man in der selektiven Suche ausprobieren:
Sinti / Roma <Volk> / Zigeuner / Verfolgung / Geschichte 1933-1945

Voraussetzung für die Ausleihe von Büchern ist der Besitz eines gültigen Bibliotheksausweises, welcher gegen Vorlage eines gültigen Reisepasses / Personalausweises sowie einer Meldebescheinigung gegen eine Jahresgebühr von 12 € erhältlich ist.

Eine Anmeldung zu Gruppenrecherchen und begleiteter Einarbeitung in die Thematik ist möglich. Die Recherchen können dann nach Absprache vormittags zwischen 11 und 13 Uhr stattfinden.

Ansprechpartnerin für Gruppenrecherchen: Gunda Schmidt, Tel. 0203-283-2667

Stadtarchiv Duisburg

Abbildung 4 (MD): Stadtarchiv
Abbildung 4 (MD): Stadtarchiv

 

Stadtarchiv
Karmelplatz 5
47051 Duisburg

Öffnungszeiten: Dienstag 09:00 bis 13:00 Uhr, Mittwoch 09:00 bis 13:00 Uhr, Donnerstag 13:00 bis 18:00 Uhr, Freitag 09:00 bis 13:00 Uhr

Telefon: 0203-283-2154
E-Mail: stadtarchiv@stadt-duisburg.de
WWW: http://www.duisburg.de/stadtarchiv

Im Duisburger Stadtarchiv befindet sich eine sehr umfangreiche Sammlung von Dokumenten, Akten, Tageszeitungen, Bücher, Fotos etc. zur Geschichte der Stadt Duisburg von den Anfängen bis zur Gegenwart. Eine Übersicht über die Bestände finden Sie unter www.archive.nrw.de.

Das Archiv steht jedermann für Forschungen zu wissenschaftlichen und persönlichen Zwecken offen, soweit nicht andere Gesichtspunkte, insbesondere daten- und persönlichkeitsrechtliche Beschränkungen nach den Bestimmungen des Nordrhein-Westfälischen Archivgesetzes, entgegenstehen.

Der Bereich Archivpädagogik gehört zu den Arbeits- und Aufgabenbereichen des Stadtarchivs. Die Nutzung durch Schülergruppen ist prinzipiell möglich und erwünscht, sollte aber im Vorfeld abgesprochen werden.

Es ist zweckmäßig, das Archiv erst dann zu kontaktieren, wenn es eine konkrete Fragestellung zu dem betreffenden Projekt gibt. Vorkenntnisse über die Benutzung von Archiven sind nicht notwendig.

Nutzung des Stadtarchivs durch Schülergruppen

Aus dem Interview mit Dr. Michael Kanther vom Stadtarchiv Duisburg in der DISS-Publikation Kriegsdenkmäler als Lernorte friedenspädagogischer Arbeit http://www.diss-duisburg.de/2012/12/kriegsdenkmaeler-als-lernort/

Wie sollte sich der Projektleiter an das Archiv wenden (persönlich, schriftlich, telefonisch, per Mail)? Welche Informationen benötigen Sie von ihm?

Der erste Kontakt zum Archiv sollte schriftlich oder per E-Mail hergestellt werden. Die Beantwortung erfolgt dann auf demselben Wege. Ein anschließender Besuch des Projektleiters / des Lehrers / der Lehrerin könnte sinnvoll sein.

Können die Mitarbeiter des Archivs dem Projektleiter schon vorab […] behilflich sein?

Die Mitarbeiter des Archivs können erst beratend tätig werden, wenn eine konkrete Fragestellung vorliegt. Die Literaturrecherche ist Sache des Bearbeiters (Schülers), der die hiesige große Literaturkartei und die Duisburger Bibliografie (drei Bände) nutzen kann.

Welche Kosten fallen bei der Nutzung des Stadtarchivs an?

Kosten fallen an für Kopien aus verfilmten Tageszeitungen (eine DIN-A-3-Seite: 4 Euro), Papierkopien aus Literatur oder von Zeitungsausschnitten (eine DIN-A-4-Seite: 0,10 Euro), das Abfotografieren oder Scannen von Dokumenten (5,00 Euro pro Benutzungstag und Fotografen) und die Entleihe (eine Woche) von Fotos aus der Fotosammlung (0,50 Euro pro Bild). Bei Schülern und Studenten, die uns besuchen, berechnen wir keine Gebühr für eine Fotografier- oder Scanerlaubnis.

Für das Projekt Spurensuche sind insbesondere folgende Bestände interessant:

– Fotosammlung – Im Lesesaal ist eine umfangreiche Sammlung historischer Fotos aus Duisburg zugänglich. Sie ist nach Straßen, Ereignissen und Personen sortiert. Hier kann man z.B. mit etwas Glück herausfinden, wie eine bestimmte Straße vor dem Krieg, während des Krieges und in der Nachkriegszeit aussah.

– Historische Stadtpläne – Das Stadtbild änderte sich nach den Zerstörungen des Krieges und dem Wiederaufbau. Straßen verschwanden, sie wurden neu gebaut oder wurden umbenannt. Zur Orientierung sind historische Stadtpläne sehr nützlich.

– Duisburger Tageszeitungen – Das Stadtarchiv verfügt über eine fast vollständige Sammlung der in Duisburg erschienenen Tageszeitungen auf Mikrofilm. Für den Zeitraum 1933-1945 kommen das NSDAP-Organ National Zeitung und die gleichgeschalteten bürgerlichen Zeitungen Duisburger Generalanzeiger und Rhein-Ruhr Zeitung in Frage.

– Eine nach thematischen Schlagworten gegliederte Zeitungsausschnittsammlung (ab den 1950er Jahren). Diese Sammlung ist empfehlenswert, wenn die Nachkriegszeit bis in die Gegenwart erforscht werden soll. Die ca. 1700 Schlagworte sind in einem Findbuch verzeichnet.

– Melderegister – Die Melderegister der Duisburger Standesämter sind im Stadtarchiv verfügbar.

– Aktenbestände, die durch Findbücher erschlossen sind.

Abbildung 5 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Dieser Findbuch-Eintrag verweist auf einen Aktenbestand im Stadtarchiv Duisburg mit dem Titel „Bekämpfung des Zigeunerwesens“ von 1876 bis 1926.
Abbildung 5 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Dieser Findbuch-Eintrag verweist auf einen Aktenbestand im Stadtarchiv Duisburg mit dem Titel „Bekämpfung des Zigeunerwesens“ von 1876 bis 1926.

 

– Eine weitere wichtige Quelle, die auch von der Wissenschaft bisher noch nicht systematisch ausgewertet wurde, lagert im Stadtarchiv Duisburg: die sogenannten „Wiedergutmachungsakten“, in denen die Haftentschädigungsverfahren für NS-Opfer dokumentiert wurden. Diese Akten sind aufgrund des Persönlichkeitsschutzes nur eingeschränkt und auf Antrag nutzbar. Im Findbuch sind unter der Kategorie „Zigeuner“ 158 Anträge von Überlebenden oder deren Angehörigen verzeichnet.

VVN-BdA Dokumentationszentrum
„Mathias Thesen und Wilhelmine Struth“

Abbildung 6 (MD): VVN-Dokumentationszentrum
Abbildung 6 (MD): VVN-Dokumentationszentrum

 

Das Dokumentationszentrum „Mathias Thesen und Wilhelmine Struth“ wurde nach zwei von den Nazis ermordeten Persönlichkeiten des Widerstands in Duisburg benannt. Betrieben wird das Zentrum von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Kreisvereinigung Duisburg e.V. Hier ist eine umfangreiche Ausstellung zu sehen, die Widerstand und Verfolgung in Duisburg dokumentiert und von Mitgliedern der VVN-BdA in den Jahren 1993 – 1995 erstellt wurde.

Die Dokumentation umfasst die Aspekte verschiedener Widerstandsgruppen (z.B. Brotfabrik Germania, Rote Kapelle, Spanienkämpfer) und verschafft einen Überblick über die verschiedenen Persönlichkeiten des Widerstands, Frauen und Männer (wie z.B. Johanna Niederhellman, Adolf Graber, Reinhold Mewes, Mathias Thesen, Heinz Kiwitz, Gottfried Könzgen) in den Arbeiterparteien (KPD, SAP, Sopade), in den Gewerkschaften und in verschiedensten Zusammenhängen, z.B. Kunst und Literatur, Sport, Hafen, Eisenbahn, Industrie, Kirchen. Die Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung Duisburgs und der in Duisburg wohnenden Sinti und Roma sowie der Terror in bestimmten ‚roten‘ Stadtteilen wie Hamborn, Hochfeld und Wanheimerort, die Ermordung der Gewerkschafter Birck, Rentmeister, Rodenstock und Schlösser werden in der Ausstellung thematisiert. Die Täter und ihr Vorgehen werden klar benannt. Die Ausstellung nimmt auch Bezug zu neueren Entwicklungen in der Neonazi-Szene.

Neben zahlreichen Fotos, Dokumenten, Stadtplänen etc. sind Originalgegenstände zu sehen, z.B. ein Fahrrad, in dessen Rahmen Flugblätter transportiert wurden, Schreibmaschinen, KZ-Anzüge. Eines der kostbarsten Exponate ist ein Originalmanuskript des Moorsoldatenlieds.

Besichtigungen können vereinbart werden mit Peter Speer 0203-664371 oder Doris Michel 0203-779711. Die Ausstellung befindet sich in zwei Pavillons auf dem Schulhof der Grundschule Kaßlerfeld, Wrangelstraße 17, Eingang Waldemarstraße 47059 Duisburg. Email: vvn-bdaduisburg@t-online.de bzw. facebook https://www.facebook.com/VvnBdaKreisDuisburg

Zentrum für Erinnerungskultur, Menschenrechte und Demokratie

Abbildung 7 (MD): Stadthistorisches Museum
Abbildung 7 (MD): Stadthistorisches Museum

 

Zentrum für Erinnerungskultur, Menschenrechte und Demokratie
c/o Kultur- und Stadthistorisches Museum Duisburg
Johannes-Corputius-Platz 1
47049 Duisburg (Nähe Rathaus)
Telefon 0203 / 283 2640
Telefax 0203 / 283 4352
ksm@stadt-duisburg.de
WWW http://www.duisburg.de/erinnerungskultur

Das Zentrum für Erinnerungskultur, Menschenrechte und Demokratie soll an die Geschichte Duisburgs im Nationalsozialismus erinnern. Im Laufe des Jahres 2015 wird in den Räumen des Stadtarchivs zunächst die „DenkStätte“ eröffnet. Hier entsteht ein Ort, an dem insbesondere Jugendlichen die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte gegeben werden soll. Dabei soll ein biografischer Ansatz gewählt werden. Es werden konkrete Lebensgeschichten von Menschen erzählt, die in der Zeit des Nationalsozialismus in Duisburg lebten und Opfer von Unrecht und Gewalt wurden. Die didaktische Konzeption der „DenkStätte“ ist so angelegt, dass die Besucherinnen und Besucher aufgefordert und ermutigt werden, die einzelnen Biografien aktiv zu erforschen und nachzuvollziehen. Hierfür stehen verschiedene Medien, Literatur, Archivalien sowie eine wissenschaftlich betreute Datenbank zur Verfügung.

Das Thema Diskriminierung und Ermordung Duisburger Sinti und Roma soll dabei auf jeden Fall berücksichtigt werden. Ansprechpartner für das Projekt ist bis auf weiteres das Kultur- und Stadthistorische Museum.

In der Dauerausstellung des Museums zur Duisburger Stadtgeschichte gibt es zwar einen Raum zum Thema Duisburg im Nationalsozialismus. Die Verfolgung der Sinti und Roma wird dort bisher nicht thematisiert.

Landesarchiv NRW

Abbildung 8 (MD): Landesarchiv
Abbildung 8 (MD): Landesarchiv

 

Landesarchiv NRW
Schifferstr. 30
47059 Duisburg

Im Mai 2014 eröffnete das Landesarchiv NRW seine neuen Räumlichkeiten im Duisburger Innenhafen. Dort lagern auch wichtige Bestände zur Duisburger Stadtgeschichte, z.B. die erhalten gebliebenen Duisburger Gestapo-Akten und die Akten der Duisburger Kriminalpolizei über Sinti und Roma. Auch wenn die Hürden zur Nutzung dieser speziellen Bestände aus archivrechtlichen Gründen höher sind als bei der Nutzung einer Bibliothek oder des Stadtarchivs, dürfte sich ein Besuch im Landesarchiv lohnen.

Das Landesarchiv NRW bietet sich in vielfältiger Hinsicht als Lernort für Schülerinnen und Schüler aller Altersstufen und Schulformen an. Zur Unterstützung, Begleitung und Betreuung von Lehrern, Schulklassen, Kursen und einzelnen Schülerinnen und Schülern bietet das Landesarchiv einen archivpädagogischen Dienst u.a. mit folgenden Angeboten an:

Archivführungen, Methodische Einführung in die Archivarbeit, Workshops zu konkreten Unterrichtsthemen, Begleitung von Projektarbeit, Beratung und Betreuung bei der Teilnahme an Geschichtswettbewerben sowie Lehrerfortbildungsveranstaltungen.

Ansprechpartner für den Bereich Rheinland ist Herr Joachim Pieper, Tel. 0211-22065-104 (montags und donnerstags 9 – 15 Uhr)

Literaturrecherche Duisburg

Bei der Suche in Bibliotheken und Archiven fanden wir mehrere Aufsätze und Bücher, in denen Schicksale verfolgter Duisburger Sinti dargestellt werden.

Das sind insbesondere der eindringliche und mit vielen Fotos und Dokumenten versehene Text von Manfred Tietz und Michael Zimmermann Lagerplatz Koloniestraße: „Alles totenstill und leer!“. Hier werden sehr detailliert und faktenreich eine ganze Reihe von Familien- und Einzelschicksalen geschildert, gleichzeitig aber auch der Blick auf den Verfolgungsapparat in Duisburg und im Reich gerichtet. Der Aufsatz erschien 1993 in dem von der Geschichtskommission der VVN-BdA Duisburg (siehe oben unter Dokumentationszentrum „Mathias Thesen und Wilhelmine Struth“) herausgegebenen Sammelband Tatort Duisburg Band II. Dieses Buch findet man in der Stadtbibliothek Duisburg in der Rubrik „Heimatkunde“. Der Titel ist leider seit vielen Jahren im Buchhandel nicht mehr erhältlich. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages und der Herausgeber stellen wir den Text von Tietz und Zimmermann online auf der DISS-Website zur Verfügung.

Marc von Lüpke-Schwarz hat in seiner Studie „Zigeunerfrei!“ Die Duisburger Kriminalpolizei und die Verfolgung der Sinti und Roma 1939-1944 die Ergebnisse seiner Auswertung der 30 erhalten gebliebenen sogenannten „Zigeunerpersonenakten“ der Duisburger Kriminalpolizei zusammengefasst. Er kommt zu dem Schluss, dass die Duisburger Beamten einen ganz besonderen Verfolgungseifer an den Tag legten und das Ziel verfolgten, möglichst schnell alle „Zigeuner“ aus Duisburg zu vertreiben. Den Tod ihrer Opfer nahmen sie dabei billigend in Kauf.

Michail Krausnick lässt in dem von ihm 1983 herausgegebenen Band: „Da wollten wir frei sein!“ – Eine Sinti-Familie erzählt mehrere Generationen einer deutschen Sinti-Familie zu Wort kommen. Der Band enthält die Zeitzeugenberichte der Sintizza Hildegard Lagrenne und ihres Bruders Friedrich Kreutz über die Deportation Duisburger Sinti am 16. Mai 1940.

Im 1995 von Romani Rose herausgegebenen Band Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma ist das Schicksal der Duisburgerin Christine Lehmann dokumentiert, die nach den Nürnberger Rassengesetzen verfolgt und ermordet wurde, weil sie als Sintizza sich nicht von ihrem Mann trennen wollte. Den Text und die Dokumente über Christine Lehmann stellen wir mit freundlicher Genehmigung ebenfalls online auf der DISS-Website zur Verfügung.

Orte und Tatorte – gestern und heute

Wir machten uns auf die Suche nach Orten und Tatorten. In der Sekundärliteratur fanden wir beispielsweise Details über die Lebensumstände einer betroffenen Familie. Den Wohnort fanden wir auf alten Stadtplänen aus dem Stadtarchiv. So konnten wir Straßennamen und Bebauungszustand mit einem Stadtplan aus der Gegenwart vergleichen. Im Stadtarchiv fanden wir mit etwas Glück auch historische Fotos, die einen Eindruck vermitteln, wie der Ort früher aussah. Dann suchten wir den realen Ort auf und dokumentierten den heutigen Zustand. Analog kann man auch in Bezug auf Dienstgebäude beteiligter Behörden und Institutionen oder bekanntgewordene Wohnorte von Tätern vorgehen.

Das historische Geschehen wird durch eine solche Auseinandersetzung eindringlicher und es erscheint näher zur Gegenwart.

Zur Veranschaulichung möchten wir einige Rechercheergebnisse in einem virtuellen Rundgang durch die Stadtteile Kasslerfeld, Stadtmitte und Neudorf präsentieren.

Holzgasse 4-6 in Stadtmitte

Der erste Ort ist die Holzgasse 4-6 in der Innenstadt in der Nähe des Rathauses.

Abbildung 9 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Historisches Foto der Holzgasse, vermutl. 1930er Jahre
Abbildung 9 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Historisches Foto der Holzgasse, vermutl. 1930er Jahre

 

Dies ist ein historisches Foto der Holzgasse. Im Hintergrund sieht man den Rathausturm.

Hier wohnte die elfköpfige Artistenfamilie Christina und Paul Seeger. Am 16. Mai 1940 wurde die gesamte Familie frühmorgens von der Polizei aus ihrer Wohnung geholt und zusammen mit etwa 100 anderen Duisburger Sinti in das besetzte Polen deportiert.

Abbildung 10 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Stadtplan 1940 Holzgasse
Abbildung 10 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Stadtplan 1940 Holzgasse

 

Die Holzgasse gibt es heute nicht mehr. Auf einem Stadtplan von 1940 ist sie noch verzeichnet. Sie befand sich in unmittelbarer Nähe des Rathauses.

Abbildung 11 (MD): Schwanenstraße heute
Abbildung 11 (MD): Schwanenstraße heute

 

Heute sieht das Areal so aus. Anstelle historischer Altstadtgässchen verläuft hier jetzt die Schwanenstraße. Früher floss der Verkehr über die Münzstraße (jetzt eine Fußgängerzone) und die Schwanenstraße war nur ein kleines Gässchen Richtung Rathaus.

Abbildung 12 (Quelle: Tietz/Zimmermann, S. 179; Landesarchiv NRW – Abteilung Rheinland – BR 1111 Nr. 50 ): Erkennungsdienst-Foto Erika Seeger, 1942
Abbildung 12 (Quelle: Tietz/Zimmermann, S. 179; Landesarchiv NRW – Abteilung Rheinland – BR 1111 Nr. 50 ): Erkennungsdienst-Foto Erika Seeger, 1942

 

Ein Foto des Erkennungsdienstes der Duisburger Polizei zeigt Erika Seeger 1942 nach ihrer Flucht aus Polen

Zwei Kindern aus der Familie Seeger gelang die Flucht aus Polen, Erika und Rigo Seeger, 15 und 12 Jahre alt. Sie kehrten im Herbst 1940 nach Duisburg zurück. Sie fanden Unterschlupf bei Verwandten im Wohnwagen am Weidenweg 68 in Duisburg-Kaßlerfeld. Erika Seeger wurde am 7. September 1942 Opfer eines Bombenangriffs auf Duisburg. Ihr jüngerer Bruder Rigo wurde am 10. März 1943 zusammen mit seinen Großeltern Katharina und Wolfgang Seeger nach Auschwitz „abgeschoben“, wo er am 8. Dezember 1943 starb. (vgl. Tietz/Zimmermann 170)

Weidenweg in Kaßlerfeld

Abbildung 13 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Stadtplan 1940 - Weidenweg, Wrangelstraße, Gablenzstraße
Abbildung 13 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Stadtplan 1940 – Weidenweg, Wrangelstraße, Gablenzstraße

 

Die nächste Station unserer Ortssuche ist der Weidenweg in Kaßlerfeld. Auf diesem alten Stadtplan ist der große Platz zwischen Weidenweg, Wrangelstraße und Gablenzstraße zu erkennen.

Abbildung 14 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Weidenweg
Abbildung 14 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Weidenweg

 

Im Stadtarchiv fanden wir Fotos, die auf dem Platz am Weidenweg vermutlich in den späten 1930er Jahren entstanden sind. Wann sie genau aufgenommen wurden und wer darauf abgebildet ist, ist unbekannt. Sie zeigen die von bitterer Armut gekennzeichneten Lebensbedingungen.

Abbildung 15 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Weidenweg
Abbildung 15 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Weidenweg

 

„Am Tag der Abholung, am 16. Mai 1940, kamen die Polizei-Greifkommandos unter anderem auch nach Kaßlerfeld. Hier, in der Nähe der Häfen und der Ruhrorterstraße, lebten seit vielen Jahren, zum Teil seit Jahrzehnten alteingesessene Duisburger Sintifamilien […]. Diese […] wohnten in Kaßlerfeld, relativ isoliert, in ihren selbsterbauten ‚Hütten‘ und ‚Barackenwohnungen‘ auf der Gablenzstraße 10 und Wrangelstraße 2, oder sie lebten in „Gartenhäusern“ bzw. Wohnwagen auf dem Weidenweg 66-76, einem Schuttabladeplatz.“ (Tietz/Zimmermann 161)

Abbildung 16 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Weidenweg (Ausschnitt)
Abbildung 16 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Weidenweg (Ausschnitt)

 

„Der Weg […] nach Auschwitz, der Vernichtungsprozeß, war schon 1941/42 eingeleitet worden. Die Einrichtung polizeilich bewachter ‚Zigeunergemeinschaftslager‘ in den Großstädten hatte die soziale Isolierung der Sinti beschleunigt. In Duisburg war dabei das Gelände am Weidenweg in Kaßlerfeld eine Art Minighetto im Vergleich zu den weit größeren Zigeunerlagern in Düsseldorf, Köln oder Berlin. Doch hatte auch hier wie anderswo der völlige Verfall der […]Unterkünfte, der Baracken und Wohnwagen, in den Kriegsjahren sowie die gnadenlose ‚Vernichtung durch Zwangsarbeit‘ bei Hungerlöhnen und gekürzten Lebensmittelrationen zu Tod, Erkrankungen und Infektionen geführt.“ (Tietz/Zimmermann 184)

Abbildung 17 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Das Gelände nach einem Bombenangriff 1944
Abbildung 17 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Das Gelände nach einem Bombenangriff 1944

 

Nur wenige Meter von den Baracken am Weidenweg entfernt wurde während des Krieges eine Flak-Stellung errichtet. So sah das Gelände im Mai 1944 nach einem Bombenangriff aus.

Abbildung 18 (MD): Weidenweg heute
Abbildung 18 (MD): Weidenweg heute

 

Der Platz wurde in den 1950er Jahren mit Wohnhäusern bebaut, und es entstanden einige neue Straßen. Heute sieht es dort so aus. An die Vergangenheit erinnert hier nichts. Das muss aber nicht so bleiben.

Musfeldstraße in Stadtmitte

 

Abbildung 19 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Stadtplan 1940 Musfeldstraße
Abbildung 19 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Stadtplan 1940 Musfeldstraße

Unsere nächste Station ist die Musfeldstraße 13 in der südlichen Innenstadt.

Abbildung 20 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Historisches Foto Musfeldstraße
Abbildung 20 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Historisches Foto Musfeldstraße

 

Dort lebte 1942 Christine Lehmann mit ihrem Mann Karl Hessel und ihren zwei Kindern. Das war verboten. Christine Lehmann stammte aus einer Sinti-Familie, Karl Hessel galt unter den Nazis als „deutschblütig“. Das Paar bekam keine Eheerlaubnis, und die Duisburger Kriminalpolizei verlangte von ihnen unter Androhung von KZ-Haft, sich zu trennen.

Abbildung 21 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Historisches Foto Musfeldstraße (Ausschnitt)
Abbildung 21 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Historisches Foto Musfeldstraße (Ausschnitt)

 

Wie man auf diesem Foto-Ausschnitt sieht, befand sich Ende der 1930er Jahre in der Nachbarschaft der Familie Lehmann/Hessel das Büro der NSDAP Ortsgruppe Stadt-Mitte Süd.

Abbildung 22: Dokument „Anordnung der pol. Vorbeugungshaft“ (Quelle: Landesarchiv NRW – Abteilung Rheinland – BR 1111 Nr. 44)
Abbildung 22: Dokument „Anordnung der pol. Vorbeugungshaft“ (Quelle: Landesarchiv NRW – Abteilung Rheinland – BR 1111 Nr. 44)

 

Mit diesem behördeninternen Schreiben kündigte die Kriminalpolizei die Verhängung von „Vorbeugehaft“ gegen Christine Lehmann an.

„Betr.: Anordnung der pol. Vorbeugungshaft gegen die Zigeunerin Lehmann, Christine, geb. am 18.12.20 in Duisburg.

Ich beabsichtige, gem. Erl. d. RuPrMdI. d. 14.12.37 – Zi. A II 1 e – und den hierzu ergangenen Richtlinien des RKPA. in Verbindung mit der Verfügung des RKPA. vom 4.9.40 – Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens – , wonach zur Vermeidung weiteren Mischlingsnachwuchses bei böswilliger Fortsetzung der Geschlechtsverbindung bei Zigeunern, ZM. und Deutschblütigen, polizeiliche Vorbeugungshaft angeordnet werden kann, und weiterhin gem. Schnellbrief des RSHA. vom 17.10.39 (Auflagenübertretung) und Abschn. A I 9 des RdErl. d. RFSSuChdDtPol. im RMdI. vom 8.12.38, gegen die Zigeunerin Lehmann die polizeiliche Vorbeugungshaft anzuordnen und bitte um Übersendung der Unterlagen.

Sodann bitte ich, den deutschblütigen Partner der Zig. Lehmann nochmals schriftlich auf das Nachdrücklichste zu verwarnen und ihm bei erneutem Verstoß ebenfalls polizeiliche Maßnahmen anzudrohen. Wie sind die Personalverhältnisse des Hessel? Ist sein selbständiger Gewerbebetrieb derart, dass er nicht durch das Arbeitsamt in feste, kriegsbedingte Arbeitsverhältnisse vermittelt und gezwungen werden kann? Ggfls. können gegen ihn beim geringsten Verstoß ebenfalls polizeiliche Maßnahmen in Anwendung gebracht werden.“

Die Abkürzungen bedeuten:
Erl. = Erlass
RuPrMdI.= Reichs- und Preußischer Minister des Inneren (gemeint ist Wilhelm Frick)
RKPA. = Reichskriminalpolizeiamt
ZM. = Zigeunermischlinge
RSHA. = Reichssicherheitshauptamt
RdErl. = Runderlass
RFSSuChdDtPol. im RmdI. = Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern (gemeint ist Heinrich Himmler)

Im Juli 1943 wurde Christine Lehmann nach Auschwitz deportiert, wenig später auch ihre beiden Kinder. Sie wurden alle ermordet. Ihr Mann, Karl Hessel, wurde als Soldat an die Ostfront einberufen. (Einen zusätzlichen Text zum Schicksal von Christine Lehmann finden Sie als PDF-Datei auf der DISS-Website.)

Abbildung 23 (MD): Musfeldstraße heute
Abbildung 23 (MD): Musfeldstraße heute

 

Die Hausnummer Musfeldstraße 13 gibt es heute nicht mehr. Dort stehen jetzt Neubauten und das Hochhaus am Sonnenwall.

Koloniestraße in Neudorf

Abbildung 24 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Stadtplan 1940 Koloniestraße
Abbildung 24 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Stadtplan 1940 Koloniestraße

 

Unsere nächste Station ist die Koloniestraße 135 in Neudorf. Dort gab es zwischen der Koloniestraße und Gabrielkirche einen Platz, auf dem Sinti-Familien wohnten.

Abbildung 25 (MD): Hinterhof Koloniestraße heute
Abbildung 25 (MD): Hinterhof Koloniestraße heute

 

Heute befindet sich auf diesem Platz ein Garagen-Hof.

Hildegard Lagrenne wohnte 1940 dort. Zufällig war sie am Tag der Deportation vom 16. Mai 1940 – trotz drohender KZ-Haft wegen unerlaubten Verlassens der Stadt Duisburg – bei ihrem Mann Josef in Bottrop.

„Sie schildert im folgenden, wie sie den Lagerplatz in Duisburg-Neudorf auf der Koloniestraße 135 vorfand: ‚Da seh ich unsere Wagen stehen, alles totenstill und leer. Alle waren sie weg, die Fischers, die Gärtners, alle … Aber als ich zu unserem Wagen kam, da waren die Mama, mein Vater, meine Schwester, unser Kleiner, die waren noch da. Da war der Rest – die saßen da und weinten. Und weinten … ‚Ja‘, frag ich, ‚Wo ist denn mein Bruder?‘ ‚Wo sind die anderen?‘ ‚Weggekommen, alle!‘‘

Auch ihr Bruder, der damals 18jährige Friedrich Kreutz, erinnert sich an den Tag der ‚Umsiedlung‘: ‚Am 16. Mai 1940 – ich hatte an dem Tag eine schwere Auseinandersetzung mit meinem Schwager, wir hatten uns schwer in der Wolle -, da bin ich gleich aus unserem Wohnwagen ausgezogen und zu einem Kollegen gegangen und hab dort übernachtet. Und dort kam morgens um fünf Uhr die Polizeirazzia und hat uns nach Köln aufs Messegelände transportiert. Da war alles mit Drahtzäunen abgesperrt. Dort wurden wir erstmal inhaftiert… haben die KZ-Nummern gekriegt und die Zigeuner-Ausweise.‘“ (Tietz/Zimmermann 160, vergl. auch Krausnick 35f. und 61)

Abbildung 26 (Stadtarchiv Duisburg, Zeitungsausschnittsammlung, MD): NRZ-Artikel vom 30.5.2006 „Vier Steine gegen das Vergessen“
Abbildung 26 (Stadtarchiv Duisburg, Zeitungsausschnittsammlung, MD): NRZ-Artikel vom 30.5.2006 „Vier Steine gegen das Vergessen“

 

Im Mai 2006 wurden vor dem Haus Koloniestraße 135 vier Stolpersteine verlegt zum Gedenken an vier Frauen aus der Duisburger Sinti-Familie Atsch, die wie fast die gesamte übrige Familie am 10. März 1943 nach Auschwitz verschleppt und ermordet wurden.

Abbildung 27 (MD): Die Stolpersteine vor der Koloniestraße 135
Abbildung 27 (MD): Die Stolpersteine vor der Koloniestraße 135

 

Bisher ist dies die einzige Erinnerung an den Völkermord an Sinti und Roma im öffentlichen Raum in Duisburg. Die Steine tragen die Inschrift „HIER WOHNTE / ANNA-MARIA (ROSA, KLARA, IDA) ATSCH / DEPORTIERT / AUSCHWITZ / ERMORDET 1943“. Der Grund der Verfolgung ist den Inschriften nicht zu entnehmen und dürfte nur wenigen bekannt sein.

Vielleicht findet sich ja eine Schulklasse oder Bürgerinitiative, die sich dieser Steine wie in einer Patenschaft annimmt, das Messing regelmäßig zum Glänzen bringt und an Gedenktagen das Schicksal der Duisburger ermordeten Sinti öffentlichkeitswirksam in Erinnerung ruft.

Ein spannendes Projekt wäre es z.B. auch, Interviews mit Anwohnern zu führen, was sie über die Bedeutung der Steine wissen und was sie über Sinti und Roma denken. Die – vermutlich ernüchternden – Ergebnisse könnte man dann (in anonymisierter Form) der Öffentlichkeit vorstellen.

Abbildung 28 (MD): Das Polizeipräsidium Düsseldorfer Straße heute
Abbildung 28 (MD): Das Polizeipräsidium Düsseldorfer Straße heute

 

Während von den Opfern und deren Wohnhäusern kaum noch sichtbare Spuren im Stadtbild zu sehen sind, präsentieren sich die Orte der Täter fast unverändert. Im Polizeipräsidium an der Düsseldorfer Straße hatten die Polizeiführung und Kriminalpolizei ihren Sitz. Das Ende der 1920er Jahre erbaute Gebäude dürfte sich äußerlich kaum verändert haben.

Abbildung 29 (MD): Polizeikaserne Neudorf Fraunhoferstraße
Abbildung 29 (MD): Polizeikaserne Neudorf Fraunhoferstraße

 

In der Polizeikaserne in Neudorf an der Fraunhoferstraße wurden im Mai 1940 etwa 100 Duisburger Sinti zusammengetrieben, um sie nach Köln und dann in das besetzte Polen zu deportieren.

Abbildung 30 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Die Duisburger Polizeiführung am 1. Mai 1933
Abbildung 30 (Stadtarchiv Duisburg, MD): Die Duisburger Polizeiführung am 1. Mai 1933

 

Ein historisches Foto aus dem Stadtarchiv zeigt die damalige Duisburger Polizeiführung am 1. Mai 1933. Man sieht den Beginn der Symbiose zwischen NS-Staat und Polizei in Duisburg. Ein SA-Standartenadjutant, ein Polizei-Oberst, der damalige Polizeipräsident und ein Kriminalrat blicken von einem weit erhöhten Standpunkt aus auf die im Wedau-Stadion zum Jubeln angetretenen Massen herab.

Eine gründliche Recherche nach den Tätern innerhalb der Duisburger Kriminalpolizei und innerhalb der Stadtverwaltung und deren Nachkriegskarrieren hat bisher noch nicht stattgefunden.

Es gibt einige Zeugnisse, die darauf hinweisen, dass auch große Teile der Bevölkerung die Verfolgung von Sinti und Roma billigten und z.T. durch Denunziationen aktiv unterstützten.

Ein Beleg ist dieser Brief, in dem eine Nachbarin der Familie Atsch denunziert wird, die geholfen hatte. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Familie Atsch bereits in Auschwitz, und der hilfsbereiten Nachbarin wird nun von den Duisburger Volksgenossen der Kontakt zu Zwangsarbeitern vorgeworfen.

„Dbg.-Hamborn, den 19.1.1944 / Wolfstr. 34
An die Geheime Staatspolizei / Dbg.-Hamborn
Als im Sommer 1943 die Zigeunerfamilie Atsch vom Hof der Wolfstr. 31 gebracht wurde, wo sie niemand belästigen kann, habe ich Ihr Augenmerk bereits auf das skandalöse Treiben der Frau Helene Gerlach, Wolfstr. 34 gelenkt, das jeden anständigen Menschen anekelt. Damals gingen die Zigeuner bei Frau Gerlach ein und aus. Als ein steckbrieflich gesuchtes Weib (Selma Atsch, d. Vf.) von der Kriminalpolizei verhaftet werden sollte, wurde es in der Wohnung der Frau G. versteckt gehalten. Die Zigeuner sind nicht mehr da. An ihrer Stelle sind es heute Holländer, Franzosen, Tschechen und Polen, die sich Nachts in der Wohnung der G. zu wüsten Zechgelagen zusammen finden. In der Nacht vom 16. zum 17. war in der Wohnung ein derartiger Radau, dass wir alle kein Auge schliessen konnten. Beim Klang einer Gitarre, die ein übel beleumdeter Mann spielte, wurden polnische Lieder gegröhlt. So viel wir wissen, ist Frau F. damals von der Polizei verwarnt worden. Es half nicht lange. Seit dem Tode ihres Mannes hat die Frau jeden Halt verloren und tut sich mit Kreisen zusammen, die uns feindlich gesonnen sind. Wie oft sollen wir noch in unserer Nachtruhe gestört werden? Es ist die höchste Zeit, dass man diese pflichtvergessene Person einer produktiven Arbeit zu führt und sie einer Besserungsperiode unterwirft. Heil Hitler! Franz Schulz / Franz Kasparzy“ (vgl. Tietz/Zimmermann 195)

Denkbar ist, dass der ‚Volkszorn‘ gegen ‚Zigeuner‘ und ‚Asoziale‘ auch durch Artikel in der Duisburger Lokalpresse geschürt wurde. Ob und wie das geschah, könnte Gegenstand einer Spurensuche im Duisburger Stadtarchiv sein.

Kontinuitäten

Im letzten Teil dieses Kapitels wird von Kontinuitäten nach 1945 die Rede sein.

Die Überlebenden und die Angehörigen der Ermordeten wurden nach 1945 nicht rehabilitiert. In höchstrichterlicher Rechtsprechung herrschte die Auffassung vor, die „Zigeuner“ seien aus Gründen der Kriminalitätsprävention zu Recht verfolgt worden. Eine rassische Verfolgung von Sinti und Roma habe es erst frühestens ab März 1943 gegeben.

Erst Jahrzehnte später, im Jahr 1982, erkannte die Bundesregierung erstmals an, dass die Verbrechen an Sinti und Roma den Tatbestand des Völkermords erfüllten.

Im Duisburger Stadtarchiv befinden sich die Akten der sogenannten „Wiedergutmachung“. Verfolgte des Naziregimes konnten Anträge auf Haftentschädigung stellen.

Über Duisburger Sinti und Roma sind 158 solche Akten erhalten. Nicht selten endeten sie mit einer Ablehnung. Der Antragsteller habe z.B. nicht beweisen können, dass er in Ghetto- und Lagerhaft „unter haftähnlichen Bedingungen hat leben müssen“. Die Zeugenaussagen „anderer zigeunerischer Personen“ seien unglaubwürdig. Die Zeugenaussage eines in Polen eingesetzten Kripobeamten, der behauptete, die Deportierten hätten in Polen in völliger Freiheit gelebt, galt dagegen als glaubwürdig.

„Wiedergutmachungsakten“

In diesen Akten kommt im Gegensatz zu den Akten der Kriminalpolizei zumindest ansatzweise auch die Perspektive der Opfer zu Wort. Andererseits sind sie auch ein erschreckendes Dokument des entwürdigenden Umgangs mit NS-Opfern in der Nachkriegszeit.

Ein Antrag eines Duisburger Sinto wurde z.B. 1950 mit der Begründung abgelehnt, Zeugenaussagen „zigeunerischer Personen“ seien unglaubwürdig, die Zeugenaussage eines Duisburger Polizisten im Einsatz in Polen (mit welchem Auftrag er selbst damals in Polen war, wurde nicht thematisiert) dagegen sei als glaubwürdig zu werten. Die Ablehnungsbegründung liest sich wie folgt:

„Antragsteller ist im Zuge der durch den ehemaligen Reichsführer SS. und Chef der deutschen Polizei angeordneten Zigeuneraktion in das damalige Generalgouvernement umgesiedelt und in die Lager Belsen, Kriechow und Schelze eingewiesen worden. Für die Behauptung, die seinen Anspruch auf Haftentschädigung begründet, ist der Antragsteller beweispflichtig. Den Nachweis darüber, daß er während des Zeitraums, den er für die Entschädigung geltend macht, unter haftähnlichen Bedingungen hat leben müssen, konnte er jedoch nicht erbringen. Die Beweisaufnahme hat keine neuen Gesichtspunkte, die für den Antragsteller sprechen, ergeben, vielmehr ist hierdurch dargetan, daß eine Freiheitsberaubung im Sinne der Entschädigungsvorschriften nicht vorgelegen hat.“

Abbildung 31 (Stadtarchiv Duisburg, Zeitungsausschnittsammlung, MD): NRZ 20.6.1973
Abbildung 31 (Stadtarchiv Duisburg, Zeitungsausschnittsammlung, MD): NRZ 20.6.1973

 

Die Überlebenden und deren Nachkommen mussten auch in Duisburg vielfach weiter unter menschenunwürdigen Bedingungen leben. Sie wurden immer wieder innerhalb der Stadt vertrieben.

NRZ 20.6.1973, Herbert Kolbe
Zigeunerkinder werden von den Ratten angenagt

„Wird für die Zigeuner an der Lehmstraße in Neuenkamp endlich Hilfe kommen? Die Situation auf dem verwahrlosten Platz, auf dem schon ewig kein Müll mehr weggekarrt worden ist, verschlimmert sich von Tag zu Tag. Ratten, die die Größe von Katzen haben, nagen jetzt sogar schon die Kinder an. Die Wohnwagen sind so morsch und heruntergekommen, daß die gierigen Biester nachts ungehindert an die Betten der Kleinen können. Das ist Menschenquälerei, über die man nicht gerne spricht. Trotz eindringlicher Appelle ist jahrelang so gut wie gar nichts geschehen. […]

Die Zigeunerprobleme waren schon einmal Gegenstand der Diskussionen. Die Vorlage war damals über ein Jahr unterwegs. Die in den betreffenden Ortsteilen ansässigen Ratsherren aber konnten eine Niederlassung der Zigeuner jedesmal verhindern. Und die CDU manöverierte erfolgreich mit Geschäftsordnungstricks, nachdem die Sache im Rat bereits beschlossen war. Durch diese Verzögerungstaktik wurde schließlich das ganze Vorhaben torpediert. […]

Auf der Lehmstraße selbst hat sich in den letzten Monaten mehr und mehr tiefe Resignation breit gemacht. Die Hoffnung, die Stadt werde doch noch etwas tun, ging nicht in Erfüllung. Isoliert von der Umwelt, von Politikern, Verbänden und Kirchen gleichermaßen gemieden, ist auch der Silberstreif am Horizont verschwunden, der sich den Zigeunern einst gezeigt hatte. Auf die Feststellung der NRZ, daß es einer Stadt wie Duisburg möglich sein muß, eine Minderheit nicht buchstäblich im Dreck verkommen zu lassen, meinte Beigeordneter Ebert: ‚Was das für Schwierigkeiten gibt, erlebe ich nun schon seit zwei Jahren…‘“

Abbildung 32: Standfoto aus dem Dokumentarfilm „Zigeuner in Duisburg“ von Rainer Komers
Abbildung 32: Standfoto aus dem Dokumentarfilm „Zigeuner in Duisburg“ von Rainer Komers

 

Rainer Komers drehte 1980 den eindrucksvollen Dokumentarfilm „Zigeuner in Duisburg“ über Antonia Mettbach, die in Folge ihrer Haft im KZ Ravensbrück halbseitig gelähmt in Duisburg mit ihrer Familie in bitterer Armut leben musste.

Abbildung 33: Standfoto aus dem Dokumentarfilm „Zigeuner in Duisburg“ von Rainer Komers
Abbildung 33: Standfoto aus dem Dokumentarfilm „Zigeuner in Duisburg“ von Rainer Komers

 

Von Seiten der Stadtverwaltung gab es immer wieder falsche Versprechungen, paternalistisches Handeln über die Köpfe der Betroffenen hinweg bis hin zu drastischen Zwangsmaßnahmen zu Lasten der Betroffenen.

Abbildung 34: Standfoto aus dem Dokumentarfilm „Zigeuner in Duisburg“ von Rainer Komers WAZ 24.1.1978 „Obermeidericher wollen Bürgerwehr gründen. Falls die Stadt das Zigeunerlager nicht schließt“
Abbildung 34: Standfoto aus dem Dokumentarfilm „Zigeuner in Duisburg“ von Rainer Komers WAZ 24.1.1978 „Obermeidericher wollen Bürgerwehr gründen. Falls die Stadt das Zigeunerlager nicht schließt“

 

Heftigen Widerstand gegen jede Verbesserung der Lage der Duisburger Sinti und Roma bis hin zur Drohung mit der Bildung von Bürgerwehren gab es immer wieder von Seiten von Bürger- und Siedlervereinen und vor allem auch in der örtlichen CDU.

Abbildung 35 (Stadtarchiv Duisburg, Zeitungsausschnittsammlung, MD): WAZ 3.2.1981 „Die Siedler wehren sich“
Abbildung 35 (Stadtarchiv Duisburg, Zeitungsausschnittsammlung, MD): WAZ 3.2.1981 „Die Siedler wehren sich“

 

Die Duisburger Sinti wurden Jahrzehnte lang von einem Stellplatz zum anderen verschoben oder in unzumutbaren Obdachlosen-Unterkünften zwangsuntergebracht.

Abbildung 36 (Stadtarchiv Duisburg, Zeitungsausschnittsammlung, MD): NRZ 27.1.1992
Abbildung 36 (Stadtarchiv Duisburg, Zeitungsausschnittsammlung, MD): NRZ 27.1.1992

 

In den 1990er Jahren kamen zahlreiche Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien, darunter viele Roma, nach Duisburg. Sie lebten unter der ständigen Drohung plötzlich abgeschoben zu werden. Hier sieht man einen NRZ-Artikel über eine Demonstration für das Bleiberecht im Jahr 1993.

Abbildung 37 (Stadtarchiv Duisburg, Zeitungsausschnittsammlung, MD): RP 14.1.1992 Hanns Dieter Hüsch wird am Samstag „Einspruch“ erheben
Abbildung 37 (Stadtarchiv Duisburg, Zeitungsausschnittsammlung, MD): RP 14.1.1992 Hanns Dieter Hüsch wird am Samstag „Einspruch“ erheben

 

Von Mitschülern gab es Solidaritätsaktionen für Kinder, die hier aufgewachsen sind und in ein für sie völlig fremdes Land abgeschoben wurden. Viele Kinder wuchsen in Duisburg auf und verbrachten ihr ganzes Leben unter der Angst vor einer kurzfristigen Abschiebung, da sie nur über eine sogenannte „Duldung“ und über kein gesichertes Aufenthaltsrecht verfügten.

Abbildung 38 (Archiv VVN-BdA Duisburg, MD): WAZ 1.4.2006
Abbildung 38 (Archiv VVN-BdA Duisburg, MD): WAZ 1.4.2006

 

Die Erinnerung an die Verfolgung der Duisburger Sinti während der NS-Zeit dringt aber auch in Duisburg allmählich ins öffentliche Bewusstsein. So wurde im April 2006 in der WAZ an das Schicksal des Duisburger Musikers Fredi Rosenberg erinnert, der gezwungen worden war, für die Wachmannschaften der SS in Polen zu spielen.

Abbildung 39 (MD): Demonstration in Duisburg-Bergheim 2013 - Duisburger Schüler-innen gegen Rechts
Abbildung 39 (MD): Demonstration in Duisburg-Bergheim 2013 – Duisburger Schüler-innen gegen Rechts

 

Seit einigen Jahren gibt es eine neue Einwanderung aus Rumänien und Bulgarien. Unter den neuen Duisburgerinnen und Duisburgern gibt es auch viele Roma. Wieder gibt es eine bedrohliche Welle von Vorurteilen und Rassismus in großen Teilen der angestammten Bevölkerung.

Aber auch jetzt gibt es auch ein anderes Duisburg. Die „Schüler-innen gegen Rechts“ demonstrieren hier beispielsweise in Duisburg-Bergheim „Gegen Antiziganismus und soziale Ausgrenzung“.

Ideen für den Unterricht

Die folgenden Vorschläge sind als Anregungen gedacht, den Jugendlichen die Begegnung mit dem Thema zu erleichtern. Die Einbindung in den Unterricht ist natürlich von den zeitlichen und räumlichen Möglichkeiten abhängig. Die Anregungen für mögliche Projekte sollten nach Bedarf modifiziert werden.

Hinführung zum Thema

In jedem Fall sollte eine Einführung in das Thema stattfinden, die die Jugendlichen für das Thema sensibilisiert, aber auch der Herausforderung Rechnung trägt, dass Stereotype nicht einfach reproduziert werden. Hierzu sind verschiedene Ansätze denkbar. Die Jugendlichen können nach eigenen Ausgrenzungserfahrungen gefragt werden, die sie darstellen und auch aufzeigen, wie sie sich in der Situation gefühlt haben.

Die geschichtlichen Hintergründe der Verfolgung von Sinti und Roma sollten dargestellt werden. Dabei kann an Fallbeispielen gearbeitet werden, die den Jugendlichen einen persönlichen Zugang zum Thema ermöglichen. Kontinuitäten der Verfolgung und Ausgrenzung in der Gegenwart können am aktuellen Mediendiskurs dargestellt, sichtbar gemacht und diskutiert werden.

Medienanalysen

Es können elementare Medienanalysen von Zeitungsartikeln durchgeführt werden, die z. B. darstellen, wie ein Bild von „wir“ und „die anderen“ aufgebaut wird, wie Sinti und Roma mit den ihnen zugeschriebenen Stereotypen, wie z.B. Kriminalität und Unsauberkeit kollektiv in Zusammenhang gebracht werden, mit welchen Begriffen gearbeitet wird (z.B. „Klaukinder“) etc. Hierzu eignen sich Analysemethoden des Verfahrens der Kritischen Diskursanalyse. (Das Verfahren ist ausführlich dargestellt in: Jäger, Siegfried (2012): Kritische Diskursanalyse – Eine Einführung. Eine kurze Darstellung als Handreichung zur Diskursanalyse findet sich in: Jäger, Margarete; Jäger, Siegfried (2007): Deutungskämpfe – Theorie und Praxis Kritischer Diskursanalyse, S. 297 -301.)

Berichte in Zusammenhang mit der Zuwanderungsdebatte können auf Grundlage von bestimmten Fragestellungen untersucht werden, z. B. auf die Tendenz hin, Sinti und Roma zu kriminalisieren oder auf Strategien hin, die ein Szenario von „Einwanderungsüberflutung“ in der eigenen Region entwerfen.

Filme

Im Unterricht können Filme zur Darstellung von historischen Zusammenhängen bzw. von Einzelschicksalen von Sinti und Roma in der Region gezeigt und diskutiert werden. Diese sollten nie ohne eine fundierte Einführung vor und Diskussion nach der Vorführung stattfinden. In der Diskussion sollte intensiv auf Deutungsmöglichkeiten und Fragen eingegangen werden, um Hintergrund und Zielrichtung des Materials deutlich zu machen.

Im Kapitel Bibliografie finden Sie einige Beispiele von Dokumentationen zum Thema, die sich mit entsprechender Begleitung für Unterrichtszwecke eignen. Allerdings beziehen sich viele dieser Filme weniger auf historische Aspekte, sondern vielmehr auf die Gegenwart.

In der Hinführung können bereits Fragen an das Filmmaterial gestellt werden, die die Zuschauenden zu beantworten versuchen sollen. Diese Fragen können dann anschließend auch im Klassenverband diskutiert werden. Man kann Stichpunkte zur Diskussion festhalten und die Zuschauenden anregen, einen Text zu einer bestimmten Fragestellung zu schreiben. Dabei sollte jedoch darauf geachtet werden, dass es nicht zu einer bloßen Reproduktion von Vorurteilen kommt.

Besuch der Stadtbibliothek, des Stadtarchivs oder Online-Recherche

Mit den Jugendlichen können nach entsprechender Anmeldung Exkursionen zur Recherche stattfinden.

Hierbei kann es Aufgabe sein, geschichtliche Aspekte zur Verfolgung von Sinti und Roma aufzuzeigen oder Einzelschicksale zu erforschen und darzustellen. Es können verschiedene Aufgaben formuliert werden, die die Jugendlichen individuell bearbeiten und im Unterricht in der Form von Referaten darstellen.

Erarbeitung einer Broschüre mit Arbeitsergebnissen

Die Ergebnisse der Recherchen können in einer Broschüre zusammengefasst und in der Klasse oder auch klassenübergreifend als Materialbasis zur Information zum Thema und Anregung zur Weiterarbeit verbreitet werden. Hierbei können die Jugendlichen angeregt werden, die Texte in einem ansprechenden Layout zu verfassen, dass geeignet ist, das Wissen, welches sie sich gerade erarbeitet haben, auch an andere, die sich noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben, weiterzugeben. Für diesen Prozess ist natürlich eine intensive Supervision durch die Lehrperson notwendig.

Stolpersteine

Der Jugendring der Stadt Duisburg koordiniert seit 2009 in Duisburg die Aktion „Stolpersteine“. Hierbei handelt es sich um ein Kunstprojekt, dass sich mit aktivem Gedenken beschäftigt. Stolpersteine sind kopfsteinpflastergroße Denkmäler aus Messing, die in Gedenken an Opfer des Holocaust im Gehweg am Wohnort des Opfers verlegt werden. Die Idee stammt von dem Kölner Künstler Gunter Demnig, bei dem die Steine in Auftrag gegeben und mit Angaben über die Opfer beschriftet werden können. Die Steine erinnern an Einzelpersonen, die starben, aber auch an Überlebende aus Gefängnissen und Euthanasieeinrichtungen, Sterilisationskliniken, Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nazis. Hierbei handelt es sich um jüdische Opfer des Holocaust, Sinti und Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, schwarze Menschen, Mitglieder des Widerstandes, Deserteure, Behinderte und andere Verfolgte.

Das Projekt findet inzwischen bundesweit mit mehr als 13000 Steinen Ausdehnung. Es eignet sich gut, um einen direkten Zugang zum Thema zu finden und auch in der heutigen Zeit noch für Vergangenes Verantwortung zu tragen.

Kontaktadresse für Duisburg: Jugendring der Stadt Duisburg e.V., Claubergstr. 20-22, 47051 Duisburg, Telefon: + 49 203 26246, E-Mail: jugendring-duisburg@t-online.de, http://www.jugendring-duisburg.de/

In diesem Zusammenhang lassen sich verschiedene Arbeitsansätze denken.

Recherche zum Projekt

Zuerst kann man die Jugendlichen zum Projekt recherchieren lassen. Auf der Grundlage eines Aufgabenblatts können bestimmte Fragestellungen verfolgt werden.

Zur Recherche eignet sich das Online-Projekt zum Thema Stolpersteine. Hier sind auch 226 Stolpersteine aus Duisburg erfasst. Bisher fehlen die Fotos der Steine und die Biografien der Opfer aus Duisburg. Eine Mitarbeit aus Duisburg am Online-Projekt wäre also sinnvoll. http://www.stolpersteine-online.com/ Weitere aktuelle Informationen findet man außerdem unter http://www.stolpersteine.eu/

Eine wichtige Quelle ist das Buch von Jenny Bünnig und Kurt Walter (Stolpersteine in Duisburg Band II. das auf der Seite des Evangelischen Familienbildungswerks als PDF-Datei abrufbar ist. http://www.fbw-duisburg.de/development/fabian_duisburg/content/e3/e17/e622/e625/StolpersteineII.pdf

Hier kann herausgefunden werden, um was es bei dem Projekt geht und wie das Projekt weitergeführt werden kann.

Jeder kann z.B. in Duisburg Steine zur Erinnerung an Opfer der Nazidiktatur verlegen lassen. Dazu kann man eine Patenschaft übernehmen. Man ermittelt die Daten der Opfer und gibt einen Stein mit einer höchstens 6-zeiligen Inschrift bei Gunter Demnig in Auftrag. Ein Stein kostet € 95. Die Koordinierung einer Patenschaft übernimmt der Jugendring der Stadt Duisburg. Am Verlegungstag und an speziellen Gedenktagen können Gedenkfeiern am Verlegungsort abgehalten werden.

Es gibt verschiedene Projektmöglichkeiten für die Jugendlichen.

Neuverlegung von Stolpersteinen

Eine mögliche Projektidee wäre, die Neuverlegung von Stolpersteinen anzuregen. Dabei ist unbedingt im Vorfeld zu berücksichtigen, dass eine Stolpersteinverlegung auf keinen Fall gegen den Willen der Angehörigen durchgeführt werden sollte.

Die Schülerinnen und Schüler könnten in einem solchen Projekt wie folgt vorgehen.

  • Ermittlung der persönlichen Daten und Schicksale im Nazi-Regime Verfolgter Sinti und Roma

Die Daten werden ermittelt. Hierzu bieten Recherchen im Internet, Stadtarchiv, Stadtbibliothek, aber auch Fragen in der älteren Bevölkerung eine Möglichkeit.

  • Aufsuchen der Lebensorte

Die Jugendlichen besuchen die Lebenssorte der Betroffenen und informieren und befragen Nachbarn, Passanten, Geschäftsinhaber, Ortsverbände, Vereine etc. in der nahen Umgebung, mit dem Ziel über das Projekt zu informieren und Informationen über die Verfolgten zu erhalten. Hierzu können leitfadengestützte Interviews durchgeführt werden. Die stichpunktartigen Notizen, oder – mit Genehmigung der Befragten – auch aufgezeichneten Gespräche, können ausgewertet werden.

  • Bitten um Spenden

Die Jugendlichen entwerfen selbst Möglichkeiten, Spendengelder für die Erstellung eines Stolpersteines zusammenzutragen und werden bei diesem Prozess unterstützt, d.h. hier sollte eine Begleitung durch Lehrpersonen stattfinden und auch eine rechtlich gesicherte Grundlage für das Einsammeln von Spendengeldern hergestellt werden (z.B. Bescheinigung der Schule über Durchführung des Projektes und Verwendung der Spendengelder o.ä.). Über die Spenden können Listen geführt werden. Die Spenderinnen und Spender können zu Gedenkfeiern eingeladen werden, falls sie das wünschen.

  • Beantragungen eines Stolpersteins

Die Jugendlichen planen alle Schritte zur Beantragung und führen sie mit Unterstützung der Pädagoginnen und Pädagogen durch.

  • Gedenkfeiern / Aktionen im öffentlichen Raum

Für den Tag der Verlegung wird eine Gedenkfeier am Ort geplant und veranstaltet. Hierzu können die befragten Nachbarn etc. sowie Menschen, die gespendet haben, eingeladen werden. Die Jugendlichen planen mit den Lehrpersonen den Rahmen der Veranstaltung, z.B. mit Rede, Bildern, Gedenkbuch etc.

Zu ausgewählten historisch relevanten Daten können Gedenkfeiern oder Aktionen im öffentlichen Raum abgehalten werden, also z.B. an den Jahrestagen der Deportationen aus Duisburg vom 16.5.1940 und vom 10.3.1943 oder aber am Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, der alljährlich am 27. Januar begangen wird.

Des Weiteren sind Projekte in Bezug auf bereits vorhandene Stolpersteine denkbar.

Pflege vorhandener Stolpersteine

Es sind Projekte mit bereits verlegten Stolpersteinen möglich, die in der Herangehensweise ähnlich wie oben dargestellt angegangen werden können. Ziel ist es, eine persönliche Beziehung zu dem Schicksal der Verfolgten herzustellen und ihr Andenken durch die Pflege und Reinigung des vorhandenen Steines sowie durch Gedenkfeiern und In-Erinnerung-Bringen in der Nachbarschaft aufrecht zu erhalten.

Auch können am Projekt „Stolpersteine“ unterschiedliche Einschätzungen zum Thema sichtbar gemacht und diskutiert werden. Dies kann in Diskussionsrunden, aber auch durch die Auseinandersetzung in dialektischen Texten erfolgen. Die Jugendlichen sollten angehalten werden, die unterschiedlichen Aspekte aufzuzeigen, ihre Begründungen abzuwägen und selbst zum Thema Stellung zu beziehen.

Diskussion von Ambivalenzen

Nicht überall trifft die Aktion „Stolpersteine“ auf positive Aufnahme. So sperren sich vor allem politische Parteien, die auch in Zukunft noch willige Soldaten als notwendig erachten, in vielen Kommunen gegen die Steine, vor allem wenn es dabei um Andenken an Fahnenflüchtige und Deserteure sowie ‚Wehrkraftzersetzer‘ geht.

Viele Hausbesitzer versuchen, die Verlegung von Stolpersteinen vor ihrem Grundstück zu verhindern, obwohl der Gehweg i.d.R. öffentlicher Grund ist.

Aber auch durch einige jüdische Persönlichkeiten, z.B. von der ehemaligen Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, wurde Kritik geäußert. Durch das Projekt, bei dem die gravierten Steine ja in den Gehweg eingelegt werden, würden die Namen der Opfer buchstäblich mit Füßen getreten.

Im Unterricht kann es darum gehen, diese Sichtweisen zu diskutieren. Der Stellenwert von Widerstand und aktiver Kritik gegen gesellschaftliche Regeln und Normen kann diskutiert werden.

Eine Gegenpositionen zur Wahrnehmung des „Mit-Füßen-Tretens“ der Namen könnte z.B. sein: Man muss sich bücken, um die Angaben zu lesen und verneigt sich so vor jedem Namen. Oder: Man muss stehen bleiben, um die Angaben zu lesen und somit für einen Moment innehalten und an die Opfer denken, etc.

Ausflüge zu relevanten Orten in der Umgebung

Durch die vielfältigen Recherchemöglichkeiten zum Thema werden Orte in der Umgebung sichtbar gemacht, die in der Geschichte der Verfolgung von Sinti und Roma eine Rolle spielten. Diese könnten ausgesucht und auf Spuren des Geschehens untersucht werden. Auch in diesem Rahmen bieten die oben beschriebenen Befragungen von Nachbarn, Passanten, Geschäftsinhabern etc. einen Zugang zu individuellen Schicksal und ihrem Verständnis.

Gedenkorte in NRW

Das Dokumentations- und Kulturzentrum deutscher Sinti und Roma betreibt die Website Gedenkorte für Sinti und Roma, die sich zum Ziel gesetzt hat, einen systematischen Überblick über alle bisher realisierten Gedenkorte zu geben.

Hier findet man auch eine Liste mit Gedenkorten in Nordrhein-Westfalen.

http://gedenkorte.sintiundroma.de/index.php?show=staat&staat=1&bundesland=9

Mahnmale in Düsseldorf

In der Duisburg benachbarten Landeshauptstadt Düsseldorf wird an mehreren Orten der Verfolgung von Sinti und Roma gedacht.

Abbildung 40 (MD): Düsseldorf, Altstadt, Alter Hafen
Abbildung 40 (MD): Düsseldorf, Altstadt, Alter Hafen

 

In der Düsseldorfer Altstadt befindet sich im Alten Hafen ein Gedenkort mit einer Kopie einer Plastik von Otto Pankok und einer Tafel mit folgender Inschrift:

„Zum Gedenken an die Sinti und Roma, die durch den Nationalsozialismus Opfer des Völkermordes wurden. Diese Figur des Sinti-Mädchens Ehra schuf der Künstler Otto Pankok (1893-1966) zur Erinnerung an die mit ihm befreundeten Düsseldorfer Sinti, von denen über 100 aus dem Lager Höherweg antransportiert und ermordet wurden. Das Mädchen Ehra selbst gehörte zu den wenigen KZ-Überlebenden.“

Abbildung 41 (MD): Mahnmal Düsseldorf, Höherweg/Posenerstraße
Abbildung 41 (MD): Mahnmal Düsseldorf, Höherweg/Posenerstraße

 

Ähnlich wie am Weidenweg in Duisburg gab es in Düsseldorf im Stadtteil Flingern am Höherweg ein Lager, in dem Sinti und Roma interniert waren. Im Unterschied zu Duisburg ist der (immer noch recht abgelegene) Ort durch eine Gedenktafel kenntlich gemacht.

„Zum Gedenken an die Düsseldorfer Sinti, die durch den Nationalsozialismus im Lager Höherweg Opfer des Völkermordes wurden. Im Lager Höherweg waren von 1937 bis 1945 mehr als 200 Düsseldorfer Sinti interniert. Unter den unmenschlichen Bedingungen im Lager starben viele von ihnen, über 100 wurden von dort deportiert und ermordet.“

Das Otto-Pankok-Museum in Drevenack bei Wesel

Abbildung 42 (MD): Haus Esselt, Hünxe-Drevenack bei Wesel
Abbildung 42 (MD): Haus Esselt, Hünxe-Drevenack bei Wesel

 

Der Maler Otto Pankok gehörte zu den ganz wenigen bildenden Künstlern, die die Verfolgung der Sinti und Roma in ihrem Werk thematisierten. Seit Anfang der 1930er Jahre war er mit mehreren Düsseldorfer Sinti-Familien befreundet. In seinem großen Passionszyklus, der nach Beginn der Nazi-Herrschaft entstand, tragen die Anhängerinnen und Anhänger Jesu die Züge der verfolgten Düsseldorfer Sinti und die Mächtigen und deren Schergen die Züge der Polizisten und Parteibonzen.

Der letzte Wohnsitz von Otto Pankok, das Haus Esselt in Hünxe-Drevenack bei Wesel, beherbergt jetzt eine halbjährlich wechselnde Ausstellung mit Pankoks Werken.

Haus Esselt. Otto Pankok-Museum, Otto-Pankok-Weg 4, 46569 Hünxe-Drevenack (bei Wesel). Telefon: 02856 / 754. e-mail: info@pankok.de http://www.pankok.de/

Das Museum ist geöffnet: Freitag, Samstag, Sonntag und an allen Wochenfeiertagen von 10 bis 13 Uhr und 15 bis 19 Uhr sowie nach Vereinbarung. Führungen für Gruppen und Schulklassen nach Anmeldung. Der Eintritt ist frei.

Kartographie von Ereignissen

Fotografien von relevanten Orten oder auch von Stolpersteinen, auf denen die Namen von Sinti und Roma sichtbar sind, könnten angefertigt und auf einer Karte eingetragen werden. Diese Karte könnte einen Platz in der Eingangshalle o.ä. der Schule finden und so einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Fotografien können durch kleine Texte begleitet werden, die die Jugendlichen ausarbeiten können.

Geocaching

Mit Jugendlichen, die über großes technisches Interesse und auch über die technischen Möglichkeiten verfügen, gemeinsam am Computer und mit dem Global-Positioning-System (GPS) zu arbeiten, ist ein Projekt zum Thema in Form eines Geocachings möglich. Hierbei kann ein Zugang durch eine Art digitaler Schnitzeljagd geschaffen werden, der in Zeiten großer technischer Möglichkeiten durch GPS-Systeme, vor allem bei Sport- und Freizeitaktivitäten, immer größere Bedeutung zukommt. Ausgestattet mit einem GPS-Empfänger und den Koordinaten eines „Schatzes“, in diesem Falle einer Information zu einem Ereignis/Schicksal/Bauwerk etc. zum Thema, geht man auf „Schatzsuche“ und entdeckt das Gesuchte zumeist an ungewöhnlichen Orten.

Im Hinblick auf das Thema „Sinti und Roma“ wurde in Berlin ein sog. Multicache installiert. Informationen dazu findet man hier:

http://www.sintiundroma.de/medien/aktuelles/detailansicht/article/geo-cache-zu-sinti-und-roma-verfuegbar.html

Die Daten für das Berliner Projekt sind auf einer offenen Plattform für Geocaching abrufbar:

http://www.opencaching.de/viewcache.php?cacheid=167314

Dieser Link könnte exemplarisch für die Diskussion einer solchen Möglichkeit zur Unterstützung historischer Erinnerungsarbeit dienen.

Sollten Zeit und Ausrüstung zur Verfügung stehen, ist auch die Ausarbeitung eines Multicaches für z.B. Duisburg möglich, wobei dieses Projekt neben den technischen Anforderungen vor allem vor der Herausforderung stehen wird, sichtbare Spuren für die Erinnerungsarbeit zu finden, die in den Cache eingebaut werden können.

Projektwoche

Es kann eine komplette Projektwoche zum Thema durchgeführt werden, die verschiedene Elemente der hier dargestellten Unterrichtsideen enthält und durch eine Einführungs- und Abschlussveranstaltung mit darstellbaren Produkten (Fotos, Stellwände, Broschüren, Texte etc.) flankiert wird.

Oral-History

Es gibt nur wenige Überlebende Sinti und Roma aus der Zeit der NS-Verfolgung, und noch weniger Verfolgte werden in der Lage und bereit sind, sich mit ihrer Lebensgeschichte vor einer Schulklasse auseinanderzusetzen. Dennoch besteht die Möglichkeit Menschen zu finden, die genau das tun und so in absolut authentischer Weise das Schicksal ihrer Familie und ihrer Angehörigen Jugendlichen nahebringen können. Sie zu finden und den Unterricht mit ihnen zu planen und vorzubereiten erfordert sehr viel Sensibilität und Einfühlungsvermögen, damit es bei der Zusammenarbeit nicht zu einem „Vorführeffekt“ kommt, der die Kluft zwischen einem „wir“ und „die anderen“ nur noch verstärkt.

Sehr sinnvoll wäre es, Personen aus dem Kreis der Sinti und Roma für Klassengespräche zu finden. Man richtet sich dazu am besten an die Organisationen von Sinti und Roma, die z.T. schon seit langem erfolgreiche pädagogische Arbeit leisten. Die Kontaktadressen finden Sie im Kapitel Bibliografie.

Theaterpädagogische Zugänge

Es gibt vielfältige Möglichkeiten, sich dem Thema durch theaterpädagogisch aufbereitete Zugänge zu nähern.

Der Theaterpädagoge Sami Osman hat mit Hochfelder Jugendlichen ein Theaterstück entwickelt, in dem junge Bulgaren, bulgarische Roma, türkische Jugendliche und eine Vietnamesin spielen. „Zwischen Gestern und Morgen“ zeigt Szenen aus ihrer Lebenswelt. Bei den Proben im Hochfelder Jugendzentrum der Falken sprechen sie Deutsch, Bulgarisch, Türkisch und die Roma-Sprache Romanes. Sami Osman ist Mazedonier. Er ist jahrelang mit dem Roma-Theater Pralipe aufgetreten und will die Jugendlichen motivieren, ihr Selbstbewusstsein und ihre Talente zu entwickeln.

Für antirassistische Bildungsarbeit bietet die Methode „Theater der Unterdrückten“ eine ausgezeichnete Grundlage. Nähere Informationen findet man z.B. unter

http://www.harald-hahn.de/theaterderunterdrueckten.html

Das Konzept orientiert sich an den Grundlagen des Brasilianers Augusto Boal (1931-2009) und wird wie folgt beschrieben:

„Das Theater der Unterdrückten verbindet politische Bewusstseinsbildung mit befreiender Pädagogik und nutzt das Theater als öffentliches Forum.“

Mehrere Personen spielen eine Szene, in der sie sich unterdrückt gefühlt haben bzw. nicht so handeln konnten, wie sie eigentlich wollten. Bei einer Aufführung können die Personen auf der Bühne ausgetauscht werden. Menschen aus dem Publikum werden zu Mitspielern und mit ihrem Veränderungsvorschlag wird die Szene nochmals gespielt. Auf diese Weise werden alternative Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Anwendungsbereich kann z.B. ein „Zivilcourage“ –Training sein oder Bereiche der Jugend- und Erwachsenenbildung.“

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch Augusto Boals „Zeitungstheater“, welches sich unter http://baustein.dgb-bwt.de/PDF/C4-Zeitungstheater.pdf so beschreibt:

„Im Zeitungstheater werden Texte wie z.B. Zeitungsartikel szenisch umgesetzt. Alles ist erlaubt: Ob rhythmisches lesen, eine pantomimische Performance des Textes oder ein Mix von allem. Zeitungstheater kann als Agitationstheater verwendet werden oder ein Medium politischer Aufklärung sein.

Im Bildungsbereich wird mit Hilfe von Zeitungstheater eine intensive Auseinandersetzung mit dem Text angeregt. Die Methode ermöglicht einen kreativen Zugang zum Textverständnis sowie ein Hinterfragen von Konstruktionen und medial erzeugten Wirklichkeiten in der Presse. Auch für antirassistische Bildungsarbeit ist die Methode bestens geeignet.“

Weitere Möglichkeiten bietet das Forumtheater Köln.
http://www.forumtheaterkoeln.de

„Forumtheater ist eine emanzipatorische Theaterform, die von dem brasilianischen Theaterpädagogen Augusto Boal entwickelt wurde. Forumtheater regt das Publikum zum Mitdenken, Mitmachen und Eingreifen an. Schauspielerinnen und Schauspieler begeben sich gemeinsam mit dem Publikum auf die Suche nach neuen Lösungsmöglichkeiten. Es gibt nicht nur eine Lösung. Im Laufe des Forumtheaters wird ein ganzes Spektrum an Handlungsmöglichkeiten ausprobiert und auf ihre Wirkung erprobt. In den Forumtheater – Events wird das Publikum aufgefordert Lösungs-und Handlungsvorschläge für den jeweils dargestellten Konflikt auf der Bühne auszuprobieren.“

Die Anti-Bias-Werkstatt Bielefeld arbeitet mit dem Anti-Bias-Ansatz. Dies ist ein Ansatz der antidiskriminierenden Bildungsarbeit. Das englische Wort „bias“ bedeutet Voreingenommenheit oder Schieflage.

Die Werkstatt sagt über sich selbst unter http://www.anti-bias-werkstatt.de

„Wir möchten mit diesen beiden Begriffen deutlich machen, dass neben dem Fokus auf individuellen Vorurteilen und Haltungen einzelner Menschen, insbesondere auch gesellschaftliche Schieflagen, Macht- und Herrschaftsverhältnisse in der Anti-Bias-Arbeit in den Blick genommen werden. Der Anti-Bias-Ansatz zielt darauf, für das Themenfeld Diskriminierung zu sensibilisieren, Mechanismen und Funktionsweisen auf subjektiver und gesellschaftlicher Ebene zu verstehen und die eigenen Perspektiven, Handlungsweisen und Positionierungen in ihrer Verstrickung mit gesellschaftlich vorherrschenden Selbstverständlichkeiten kritisch zu reflektieren.

Das Anliegen der Anti-Bias-Arbeit ist es, eine intensive erfahrungsorientierte Auseinandersetzung mit Macht und Diskriminierung zu ermöglichen und die Entwicklung alternativer Handlungsansätze zu diskriminierenden Kommunikations- und Interaktionsformen zu fördern.“

Sollte man in Betracht ziehen, mit den Jugendlichen selbst ein Videofilmprojekt zu starten, so findet man dazu Hilfe beim Wuppertaler Medienprojekt.
http://www.medienprojekt-wuppertal.de

„Das „Medienprojekt“ entwickelte sich zur größten und ambitioniertesten Jugendvideoproduktion in Deutschland. Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14–28 Jahren werden (im Rahmen von pädagogischen Institutionen oder privat organisiert) produktorientiert bei ihren eigenen Videoproduktionen unterstützt, ihre Videos im Kino, in Schulen, Jugendeinrichtungen etc. in Wuppertal präsentiert und als Bildungsmittel bundesweit vertrieben. Alle Projekte dienen der aktiven Medienerziehung und dem kreativen Ausdruck jugendlicher Ästhetiken, Meinungen und Lebensinhalte. Die Formen der Filme sind Reportagen, Spielfilme, Trickfilme, Computeranimationen, Experimentalfilme und Musikclips i.d.R. als Kurzfilme.“

Bibliografie

Bücher

Überblicksdarstellungen und Sammelbände

Bogdal, Klaus-Michael: Europa erfindet die Zigeuner. Eine Geschichte von Faszination und Verachtung, Berlin: Suhrkamp 2011.

Krausnick, Michail (Hg.): Von Abschiebung bis Zigeunermärchen. Geschichte, Fakten, Hintergründe. Das Handbuch zu Sinti und Roma in Deutschland, Norderstedt: Books on demand 2011.

Quicker, Esther, Killguss, Hans-Peter (Hg.): Sinti und Roma zwischen Ausgrenzung und Selbstbehauptung. Stimmen und Hintergründe zur aktuellen Debatte, Köln: Verlag NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln 2013.

Winckel, Änneke: Antiziganismus. Rassismus gegen Roma und Sinti im vereinigten Deutschland, Münster: Unrast 1. Aufl. 2002.

Wippermann, Wolfgang: »Wie die Zigeuner«. Antisemitismus und Antiziganismus im Vergleich, Berlin: Elefanten Press 1997.

Der NS-Völkermord an Sinti und Roma

Bastian, Till: Sinti und Roma im Dritten Reich. Geschichte einer Verfolgung, München: Beck 2001.

Benz, Wolfgang: Ausgrenzung, Vertreibung, Völkermord. Genozid im 20. Jahrhundert , München: Dt. Taschenbuch-Verl 2006.

Rose, Romani (Hg.): Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma, Heidelberg: Dokumentations- und Kulturzentrum Dt. Sinti und Roma 1995.

Krausnick, Michail: Wo sind sie hingekommen? Der unterschlagene Völkermord an den Sinti und Roma, Gerlingen: Bleicher 1995.

Wagner, Patrick: Hitlers Kriminalisten. Die deutsche Kriminalpolizei und der Nationalsozialismus zwischen 1920 und 1960, München: Beck 2002.

Zimmermann, Michael: Rassenutopie und Genozid. Die nationalsozialistische „Lösung der Zigeunerfrage“, Hamburg: Wallstein 1996 (574 S.).

Titel mit Bezug auf die Geschehnisse in Duisburg

Lüpke-Schwarz, Marc von: „Zigeunerfrei!“ Die Duisburger Kriminalpolizei und die Verfolgung der Sinti und Roma 1939-1944, Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller 2008.

NN: „Verfolgungsschicksal von Christine Lehmann“, in: Rose, Romani (Hg.), Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma, Heidelberg: Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma 1995, S. 44-50. Diesen Artikel finden Sie als PDF-Datei auf der Website des DISS.

Krausnick, Michail (Hg.): „Da wollten wir frei sein!“ Eine Sinti-Familie erzählt, Beltz & Gelberg 1999.

Tietz, Manfred, Zimmermann, Michael: „Lagerplatz Koloniestraße: ‚Alles totenstill und leer!‘“, in: Tappe, Rudolf, Tietz, Manfred (Hg.), Tatort Duisburg 933 – 1945 Band II. Widerstand und Verfolgung im Nationalsozialismus, Essen: Klartext 1993, S. 159-200. Diesen Artikel finden Sie als PDF-Datei auf der Website des DISS.

Titel mit Bezug auf die Geschehnisse in NRW

Brand, Mechthild: Unsere Nachbarn. Zigeuner, Sinti, Roma. Lebensbedingungen einer Minderheit in Hamm, Essen: Klartext 2007.

Fings, Karola, Sparing, Frank: „Z. Zt. Zigeunerlager“. Die Verfolgung der Düsseldorfer Sinti und Roma im Nationalsozialismus, Köln: Volksblatt-Verlag 1992.

Fings, Karola, Sparing, Frank: Rassismus – Lager – Völkermord. Die nationalsozialistische Zigeunerverfolgung in Köln, Köln: Emons 2005.

Fings, Karola, Opfermann, Ulrich Friedrich (Hg.): Zigeunerverfolgung im Rheinland und in Westfalen 1933 – 1945. Geschichte, Aufarbeitung und Erinnerung, Paderborn/München/Wien/Zürich: Schöningh 2012.

Biografische und Autobiografische Literatur

Franz, Philomena: Zwischen Liebe und Haß. Ein Zigeunerleben, Freiburg/Basel/Wien: Herder 1992.

Krausnick, Michail: Auf Wiedersehen im Himmel. Die Geschichte der Angela Reinhardt, Würzburg: Arena 2005.

Krausnick, Michail: Elses Geschichte. Ein Mädchen überlebt Auschwitz, Düsseldorf: Sauerländer 2007.

Mettbach, Anna, Behringer, Josef: „Ich will doch nur Gerechtigkeit“. Die Leidensgeschichte einer Sintezza, die Auschwitz überlebte. Wie den deutschen Sinti und Roma nach 1945 der Rechtsanspruch auf Entschädigung versagt wurde, Seeheim: I-Verb.de 2005.

Rosenberg, Otto: Das Brennglas. Aufgezeichnet von Ulrich Enzensberger, Berlin: Eichborn 1998.

Stojka, Ceija, Berger, Karin: Wir leben im Verborgenen. Aufzeichnungen einer Romni zwischen den Welten, Wien: Picus 2013.

Pädagogische Literatur

Alte Feuerwache e.V. Jugendbildungsstätte Kaubstraße: Methodenhandbuch zum Thema Antiziganismus für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit , Münster: Unrast 2012.

Landeszentrale für politische Bildung Baden Württemberg: „Zwischen Romantisierung und Rassismus“. Sinti und Roma 600 Jahre in Deutschland. Als Bausteine ausgearbeitet. http://www.lpb-bw.de/publikationen/sinti/SINTI.pdf, Stuttgart: LpB 1998.

Kunst

Heckmanns, Friedrich W. (Hg.): Otto Pankok. Die Passion in 60 Bildern, Köln: Wienand Verlag 1992.

Holl, Kurt: Die vergessenen Europäer. Kunst der Roma. Roma in der Kunst. Katalog der Ausstellung im Kölnischen Stadtmuseum, 5.12.2008 bis 1.3.2009, Köln: Verlag des Rom e.V. 2009.

Pankok, Eva, Rose, Romani (Hg.): Otto Pankok. Sinti-Porträts 1931 bis 1949. Kohlebilder – Druckgrafik – Plastik, Berlin: Damm und Lindlar 2008.

Filme

Zigeuner in Duisburg, Dokumentarfilm, Bundesrepublik Deutschland 1980, Rainer Komers (Rainer Komers Film, Moritzstr. 102, 45476 Mülheim an der Ruhr, r.komers(at)t-online.de)

Zeitzeugin Ceija Stojka. Ceija Stojka war eine Überlebende des Zweiten Weltkrieges. Die gebürtige Steirerin (Kraubath an der Muhr) überlebte drei nationalsozialistische Konzentrationslager. Mit ihrer Geschichte reiste sie um die Welt, damit sich diese nicht wiederholt. 2010 erzählte sie in Linz über ihre Vergangenheit und ihre Erfahrungen im Weltkrieg. http://www.edugroup.at/medien/detailseite.html?backPageId=16&cHash=d3d9be3322566a90d6b1026f83c18ce9&medienid=5502482

Ceija Stojka. Portrait einer Romni, Österreich 1999, Regie: Karin Berger

Gibsy – Die Geschichte des Boxers Johann Rukeli Trollmann, Dokudrama, Deutschland 2012, Regie: Eike Besunden

Chronik eines vergessenen Volkes – Aus dem Leben der Roma in Osteuropa, Dokumentation, Deutschland 2004, 92 Minuten, Regie: Christian Bock

Die Stadt der Roma, Dokumentation, Frankreich 2009, 99 Minuten. Regie: Frederic Castaignede

Im Ghetto – Die Roma von Stolipinova, Dokumentation, 2009, 75 Minuten, Regie: Andreas Kunz, Hermann Peseckas

Holt die Wäsche rein, die Zigeuner kommen, Dokumentation, Deutschland 2012, 60 Minuten, Regie: Corinna Schappert

Das falsche Wort – Wiedergutmachung an Zigeunern (Sinti) in Deutschland?, Bundesrepublik Deutschland 1987, 85 Minuten, Regie: Katrin Seybold. Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=3Lhf-HpDgrU

Websites

Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma

http://www.sintiundroma.de/start.html

Das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma ist ein Ort der Begegnung und des Dialogs mitten in der Heidelberger Altstadt. Hier lebt die reiche Kultur der Sinti und Roma. Darüber hinaus ist das Zentrum Ort des Gedenkens an die Opfer des NS. Deshalb besteht auch eine der zentralen Aufgaben darin, die über 600-jährige Geschichte der Sinti und Roma in Deutschland und Europa zu dokumentieren. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf den NS-Völkermordverbrechen, die jahrzehntelang aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt wurden. Priorität haben dabei die Interviews mit Überlebenden des Holocaust und das Festhalten ihrer Erinnerungen auf Tonband oder Video und Archivrecherchen im In- und Ausland. Darüber hinaus sammelt das Zentrum systematisch private Zeugnisse von Überlebenden und ihren Angehörigen, wobei alte Familienbilder von besonderem Interesse sind. Aus dieser Arbeit ist mittlerweile ein Archiv entstanden, das in seiner Art einzigartig ist.

Factsheets on Roma

http://romafacts.uni-graz.at/index.html

Sehr umfangreiche und gut gestaltete Unterrichtsblätter über Geschichte und Kultur der Roma in Europa vom 12. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Es liegen Arbeitsblätter im PDF-Format vor. Die Website ist Englisch, die Arbeitsblätter sind aber auch in Albanisch, Serbisch, Englisch, Deutsch und Französisch abrufbar. Für die deutsche Fassung muss man jeweils auf die österreichische Flagge klicken (rot-weiß-rot).

Die Geschichte der Roma

http://www.romahistory.com/

Die Website in Englisch, Deutsch und Romanes gibt einen komprimierten Überblick zum Thema. Grundlage ist ein Buch, das 2003 erschienen ist. Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist derzeit dabei, ein Update zu erarbeiten.

Tweedewereldoorlog.nl

http://www.romasinti.eu/#/home

Multimedial präsentierte Ausstellung über die Verfolgung von Sinti und Roma. Die Ausstellung erzählt die Geschichte von sechs Kindern. Zum Beispiel über das Mädchen, dessen Foto fünfzig Jahre lang als Symbol für die Judenverfolgung galt, aber offenbar eine Sintezza war. Oder über ein gleichaltriges Kind, das die medizinischen Tests an Roma- und Sinti-Kindern überlebt hat.

(2012 erstellt in Niederländisch, Deutsch, Englisch, Tschechisch und Polnisch)

Das Schicksal der europäischen Roma und Sinti während des Holocaust

http://www.romasintigenocide.eu/de/home?set_language=de

Die Homepage bietet grundlegende Informationen für SchülerInnen / LehrerInnen über den Völkermord an den europäischen Sinti und Roma.

Memorial und Museum Auschwitz-Birkenau (Englisch)

http://en.auschwitz.org/m/

Eine Datenbank die u.a. die Einträge der erhalten gebliebenen Liste des sog. „Zigeunerfamilienlagers“ enthält, ist online abrufbar.

http://en.auschwitz.org/m/index.php?option=com_wrapper&Itemid=31

Aus Politik und Zeitgeschichte (APUZ 22-23/2011)

http://www.bpb.de/apuz/33270/sinti-und-roma

Von der Bundeszentrale für Politische Bildung herausgegebenes Themenheft „Sinti und Roma“.

Antiziganismus

http://anti-ziganismus.de/

Artikelsammlung und weiterführende Links zum Thema Antiziganismus, die von der Zeitschrift der Antirassistischen Initiative Berlin e.V. zusammengestellt wurden.

Antiziganismus Watchblog

http://antizig.blogsport.de/

Aktuelle Meldungen über Vorkommnisse im In- und Ausland, die sich gegen Sinti und Roma richten

Alltag. Herrschaft. Widerstand

NRW im Nationalsozialismus – ein virtueller Städteführer

http://www.geschichtsorte-nrw.de/

Von der DGB-Jugend erstellte Website, mit interaktiven Landkarten, die sich bisher leider nur auf die Städte Duisburg und Köln beschränkt. In Bezug auf Köln wird das Leben der Sinti und Roma thematisiert, im Duisburger Teil fehlt dieses Kapitel bedauerlicherweise.

Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW e.V.

www.ns-gedenkstaetten.de/de.html

Der Arbeitskreis ist ein Zusammenschluss von mehr als 20 NS-Gedenkstätten, Dokumentations- und Begegnungszentren, Lern- und Erinnerungsorten in Nordrhein-Westfalen. Forschung zum Thema Sinti und Roma gibt es u.a. in Düsseldorf und Köln.

NSDOK NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln

http://www.museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum/default.aspx?s=314

Diese Institution leistet seit vielen Jahren vorbildliche Arbeit sowohl im Bereich der Forschung als auch im Bereich Vermittlung. Die Verfolgung von Sinti und Roma und die Rolle der Polizei während des NS-Regimes gehören zu den vom NSDOK bearbeiteten Themenfeldern.

Stolpersteine

Ein Kunstprojekt für Europa von Gunter Demnik

http://www.stolpersteine-online.com/

Offizielle Karte des größten Mahnmals für die Opfer des Nationalsozialismus.

Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas

http://www.stiftung-denkmal.de/denkmaeler/denkmal-fuer-die-ermordeten-sinti-und-roma.html

Informationen über das Denkmal in Berlin.

Kontaktadressen von Selbstorganisationen

Zentralrat Deutscher Sinti und Roma

http://zentralrat.sintiundroma.de/

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wurde am 5. und 6. Februar 1982 gegründet. Zum Zentralrat gehören neun Landesverbände, das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma und weitere regionale Mitgliedsvereine.

Bremeneckgasse 2, 69117 Heidelberg
Telefon: (0049)-(0)6221-981101
Telefax: (0049)-(0)6221-981190
E-Mail: zentralrat@sintiundroma.de

Landesverband deutscher Sinti und Roma NRW

http://www.sintiundroma-nrw.de/

Kölner Str. 21, 40211 Düsseldorf
Tel.: 0211-161721
Fax: 0211-1649400
sintiundroma.nrw@online.de

Amaro Drom e.V.

Interkulturelle Jugendselbstorganisation von Roma und Nichtroma

http://www.amarodrom.de/

Weichselplatz 8, 12045 Berlin
tel. 030-43205373
info@amarodrom.de

Terno Drom

Interkulturelle Jugendselbstorganisation von Roma und Nichtroma in Nordrhein-Westfalen

http://www.ternodrom.de/

Postfach 10 20 01, 40011 Düsseldorf
Tel: 0211-13955886
Mobil: 0176-61982118
contact@ternodrom.de

Terno Drom ist der Landesverband NRW von Amaro Drom e. V.

Rom e.V.

Verein der Verständigung der Rom und Nicht-Rom

http://www.romev.de/

Venloer Wall 17, 50672 Köln
Telefon: +49 221 242536
Telefax: +49 221 2401715
info@romev.de

Seit dem Winter 1985/1986 setzt sich der Rom e.V. Köln für die Menschen- und Bürgerrechte von Sinti und Roma ein. Alles begann, als damals Hunderte von Roma-Flüchtlingen aus Jugoslawien in Köln Zuflucht suchten. Seitdem haben viele KölnerInnen zusammen mit AktivistInnen aus der Minderheit eine Organisation aufgebaut, die sich in vielen Kämpfen und tagtäglicher Kleinarbeit bei Mitbürgern, Medien, Behörden und Politikern Gehör verschaffte.

Bundes Roma Verband

http://bundesromaverband.de/

Haus der Kulturen, Hagenweg 2e, 37081 Göttingen
mail@bundesromaverband.de

Der Bundes Roma Verband wurde im September 2013 als Dachverband einer Reihe von bereits bestehenden Roma-Vereinen, -Initiativen und -Gruppen aus mehreren Bundesländern gegründet.

Abbildungsnachweis

Titelgrafik und Abbildungen Nr. 2-4, 5-8, 11, 18, 23, 25, 27-29, 39-42
Martin Dietzsch

Abbildungen Nr. 1, 5, 9, 10, 13-17, 19-21, 24, 26, 30, 31, 35-37
Quelle: Stadtarchiv Duisburg

Abbildungen Nr. 12, 22
Quelle: Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland

Abbildungen Nr. 32-34
Quelle: Dokumentarfilm „Zigeuner in Duisburg“, Rainer Komers

Abbildung Nr. 38
Quelle: Archiv VVN-BdA Duisburg

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