Kapitalismus und / oder Demokratie? (Colloquium vom 15. bis 17. November 2013)

Politik müsse „heute mehr denn je auch mit Blick auf die Finanzmärkte formuliert werden“, schrieb Rolf E. Breuer als ehemaliger Chef der Deutschen Bank um die Jahrtausendwende und wies den Finanzmärkten eine „Wächterrolle“ als quasi fünfter Gewalt zu. Angela Merkel assistierte ihm, indem sie das Budgetrecht des Parlaments als Mitbestimmungsrecht deklarierte, das doch gefälligst „marktkonform“ gehandhabt werden sollte. „Hände falten, Goschen halten“, so drastisch beschrieb ein österreichischer Nationalratsabgeordneter die Konsequenzen für die Ausübung des Budgetrechts durch die Abgeordneten. Die Regierenden treibt zunehmend die Sorge um, die real existierende „parlamentarische Demokratie“ könne sich als hinderlich für die Bewältigung der europäischen Krise nach Maßgabe neoliberaler Austeritätspolitik erweisen. Damit wird der historische Zusammenhang zwischen Kapitalismus und bürgerlich-liberaler und sozialstaatlich verfasster Demokratie, wie er sich nach 1945 herauskristallisierte, zur Disposition gestellt.

In den Institutionen der bürgerlichen Demokratie vollzieht sich gegenwärtig eine Entkoppelung von Demokratie und Kapitalismus – unter gleichzeitiger Beibehaltung ihrer formalen Funktionsmechanismen. Der britische Soziologe Colin Crouch hat dafür den Begriff „Postdemokratie“ geprägt, andere, wie z.B. die Frankfurter Forschungsgruppe „Staatsprojekt Europa“ reformulieren Nicos Poulantzas’ Theorie des „Autoritären Etatismus“; und der italienische Philosoph Domenico Losurdo bemüht in Abwandlung der Bonapartismustheorie von Marx den Begriff „Soft-Bonapartismus“.

Dies sind einige Beispiele dafür, dass die krisenhaften Entwicklungen dazu anregen, das Verhältnis von Demokratie und Kapitalismus / Neoliberalismus theoretisch neu zu fassen und zu kritisieren. Das Colloquium widmet sich den hier nur knapp angerissenen Fragen. Dies geschieht zum einen auf einer grundsätzlichen Ebene, in dem das systematische Problem des Verhältnisses von Demokratie und Kapitalismus thematisiert wird; zum anderen soll eine emanzipatorische Perspektive einer Re-Demokratisierung von Politik eingenommen werden, von der der Bielefelder Jurist Andreas Fisahn postuliert, dass sie „Bedingung […] für die Durchbrechung der Logiken des entfesselten Marktes“ sei.

Die Gesellschaft für Politische Bildung und das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung laden zu diesem Seminar alle ein, die sich mit diesen Themen zu beschäftigen, sei es in der Wissenschaft, in Schulen und gesellschaftlichen Initiativen. Das Seminar richtet sich an alle interessierte Bürger/innen, Studierende, Multiplikator/innen und Aktive in der zivilgesellschaftlichen, gewerkschaftlichen, politischen und Jugend- und Erwachsenenarbeit.

 

Ablaufplan

Freitag, 15. November 2013
18.00 – 19.00 h Abendessen
19.00 – 19.15 h Begrüßung und Einführung durch Helmut Kellershohn
19.15 – 20.30 h Alex Demirović, Basel
Demokratie und Herrschaft
Samstag, 16. November 2013
7.45 – 9.00 h Frühstück
9.00 – 10.30 h Jürgen Link, Hattingen
Normalismus als Regulationsweise moderner Gesellschaften und die Krise von 2007ff.
10.30 – 10.45 h Pause
10.45 – 12.00 h Katrin Reimer, Stendal
Varianten des neoliberalen Projekts in Deutschland
12.00 – 14.00 h Mittagessen und Pause
14.00 – 15.00 h Helmut Kellershohn, Duisburg
Demokratiekritik von rechts. Carl Schmitt und kein Ende
15.00 – 15.15 h Pause
15.15 – 16.30 h Thomas Bürk, Berlin
Good Urban Governance. Neue Steuerungsformen für Städte und Gemeinden auf dem Prüfstand
16.30 – 16.45 h Pause
16.45 – 18.00 h Peter Mörtenböck, Wien
Demokratiepolitische Potentiale sozialer Bewegungen am Beispiel der Occupy-Bewegung
18.00 h Abendessen
Sonntag, 17. November 2013
7.45 – 9.00 h Frühstück
9.00 – 10.00 h Martin Beckmann, Berlin
Öko-soziale Wirtschaftsdemokratie als Beitrag zur Demokratisierung der Wirtschaft?
10.00 – 10.15 h Pause
10.15 – 11.15 h Torsten Bultmann, Bonn
Zum Scheitern der ‚Unternehmerischen Hochschule’ und zu den Perspektiven über diese hinaus
11.15 – 12.15 h

12.15 h

Abschlussdiskussion

Mittagessen

 

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