Der folgende Beitrag ist im Rahmen eines vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW geförderten und in die Wissenschafts- und Praxiscommunity des Netzwerks CoRE-NRW (Connecting Research on Extremism) eingebundenen Projekts entstanden, das im Juni 2022 auslief („Metapolitik und Weltanschauung. Konzepte und Debatten der Neuen Rechten zu Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik“).1
Helmut Kellershohn
Völkisch-autoritärer Liberalismus plus Bonapartismus
Anmerkungen zu Karlheinz Weißmanns „Wer ist rechts?“
In einer jüngst erschienenen kleinen Broschüre versucht sich Karlheinz Weißmann (KHW) an einer Typologie der rechten „Denkfamilien“.2 Ein solcher Versuch ist nicht neu. In der von ihm in Eigenverantwortung bearbeiteten 6. Auflage des Mohlerschen Klassikers „Die Konservative Revolution Deutschland 1918-1932“3 hielt er sich an Mohlers Unterscheidung in fünf Gruppen (Völkische, Jungkonservative, Nationalrevolutionäre, Bündische, Landvolk) und klammerte die Nationalsozialisten aus diesem Panorama aus. Während der Zeit, in der er als Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Staatspolitik agierte, erschien 2003 die Studie „Die ‚Neue Rechte‘“,4 in der hauptsächlich zwischen Nationalrevolutionären, Volks- bzw. Jungkonservativen und Nationalliberalen unterschieden wurde. In Weißmanns „Kurze Geschichte der konservativen Intelligenz“ (2011)5 tauchten die ersten beiden Kategorien wieder auf, während auf die Nationalliberalen verzichtet wurde. In einem Vortrag in der Bibliothek des Konservatismus, der dem Thema „Der Konservative und die Rechte – ein gespanntes Verhältnis“ (31.01.2019)6 gewidmet war, subsumierte er die Völkischen, die Konservativen und die Bonapartisten unter den Oberbegriff der „Rechten“.
Nunmehr versucht er sich an einem „Neuansatz“ (48), der wesentlich dadurch bestimmt ist, „alle möglichen geschichtlichen Reminiszenzen“ (48) vermeiden zu wollen. Unbehagen bereitet ihm vor allem der Begriff Konservatismus, mit dem er, wie er bekennt, „lange Zeit“ seinen „eigenen Standpunkt[ ]“ umrissen habe (47). Zwei Gründe führt er an: Zum einen sei „die Menge dessen, was man heute noch mit dem historischen Konservatismus verknüpfen kann, bis zur Unkenntlichkeit geschrumpft“ (47) sei; zum anderen gebe es eine Tendenz, „den Begriff ‚konservativ‘ von seiner eigenen Überlieferung abzukoppeln und nur noch als Synonym für ‚altersweise‘, ‚nicht-links‘, ‚bürgerlich‘ etc. zu verwenden“ (47). KHW beklagt also die Entleerung des Begriffs einerseits und konstatiert die Historizität des Begriffs andererseits.
KHW schlägt daher eine „ungewohnt[e], „vorschnelle Urteile“ (9) vermeidende Typologisierung vor, nämlich die Einteilung in „drei Strömungen“, die er „Populare“, „Veristen“ und „Archiker“ (9) nennt, denen sich aber meines Erachtens die zuvor genannten drei Unterscheidungen zumindest teilweise zuordnen lassen. Daneben behandelt er in einem eigenem Kapitel die – aus „lauter Einzelgängern“ – bestehende „literarische[ ] Rechte“ (9), die sogenannten Réacs, „die abgesehen von ihrem Widerwillen gegen das Hier und Heute […] wenig verbindet“ (29).7 KHW gibt zu, dass seine Terminologie nicht unproblematisch ist, ihre Termini seien zwar „‘unbelastet[ ]‘“, erschwerten aber „bis zu einem gewissen Grad die Konkretisierung“ (48), anders ausgedrückt: Es geht ihm weniger um eine personen-, organisations- oder parteibezogene Zuordnung der „Strömungen“ als vielmehr darum, „gründlicher über das nachzudenken, was das Wesen ‚der Rechten‘“ (48) ausmache.
Das ist eine interessante Formulierung. Geht sie doch von einer in sich differenzierten Einheit der Rechten aus. Von einem „Pluralismus der Rechten“ (s. Kapitel 1) zu sprechen, setzt allerdings voraus, dass zumindest in Grundzügen bestimmt werden kann, was die Rechte generell ausmacht, worin sie sich abgrenzt, nämlich gegen das, was sie für die Linke als charakteristisch ansieht. In der Tat ist diese Polarität Ausgangspunkt seiner Überlegungen, und er scheut sich nicht, von „Axiomen“ (8) zu sprechen, die das „Credo“ (7) der Linken – und der „Mitte“, die historisch gesehen nur Resultat einer Abspaltung sei (7) – und den Gegenpol, die Rechte, kennzeichnen würden.
Die „Axiome“ der Linken (und der Mitte) bzw. der Rechten (7f.) sind KHW zufolge:
1. „Der Mensch ist gut“ – „Dem Menschen ist alles zuzutrauen“
2. „Die Menschen sind gleich“ – „Die Menschen sind ungleich“
3. „Die Welt ist (vollständig) erfaßbar“ – „Die Welt ist nicht (vollständig) erfaßbar“
4. „Die Geschichte ist Fortschritt“ – „Die Geschichte ist ein Wechsel von Aufstieg und Verfall“
Zu diesen vier Axiomen (pessimistisches Menschenbild, Antiegalitarismus, Skeptizismus, zyklisches Geschichtsbild) kommt noch ein fünfter Punkt hinzu: KHW sieht die Rechte in einem „Nahverhältnis“ (8) zur Geschichte, will sagen, die Rechte bewegt sich im Rahmen der „Kollektiverfahrungen der eigenen Gemeinschaft“, also im Rahmen der jeweiligen Nationalgeschichte; die Linke dagegen „und selbst die Mitte“ können „eine Internationale bilden“ (9), können also den Raum des Nationalen transzendieren. Diese Gegenüberstellung ist für KHW mit Blick auf die deutsche Rechte deshalb von Bedeutung, weil sich für ihn aus der geschichtlichen Erfahrung bestimmte politische Optionen der Rechten verschließen: „Also ist in Deutschland auf der Rechten nicht nur ein Neonationalsozialismus ausgeschlossen, sondern auch eine monarchistische Volksbewegung.“ (9) Folglich klammert er derartige Optionen aus seiner Typologie der Rechten aus. Die genannten Strömungen bilden für KHW eine „nachklassische Rechte“, die allerdings mit der „klassischen Rechten“ insofern in Verbindung steht, als die genannten Axiome auch von ihr geteilt würden.
Die Unterscheidung der drei bzw. vier Strömungen orientiert sich an vier „Zielwerten“, an ihrem Verhältnis zu „Autorität, Freiheit, Gemeinschaft, Ganzheit“ (9). Dies vorwegschickend, ordnet er die Zielwerte Gemeinschaft und Ganzheit den Popularen zu, Autorität und Freiheit den Veristen, Autorität und Ganzheit den Archikern und den Réacs Freiheit und Ganzheit. Zweifellos überwiegt das holistische Element, wie denn auch KHW betont, dass man die Strömungen nicht säuberlich voneinander trennen könne, sondern „Mischformen“ (10) durchaus vorhanden seien.
Im Folgenden rekapituliere ich die ersten drei Strömungen, die Réacs werden vernachlässigt. Im anschließenden Teil schlage ich eine Synthese vor: Man kann davon ausgehen, dass Weißmanns Typologie rechter Denkfamilien kein Selbstzweck ist, sondern Facetten des Rechtsseins abbildet, die sich als Unterschiede darstellen bzw. entwickeln mögen, insgesamt aber als notwendige Optionen eines nach Hegemonie strebenden rechten Projekts anzusehen sind – jedenfalls aus der Sicht Weißmanns.
1. Der Populare
Mit diesem Begriff aus der Geschichte der späten Römischen Republik8 beschreibt KHW eine Strömung, von der in Deutschland paradoxerweise im Coniunctivus potentialis gesprochen werden müsste. Insofern nämlich, als er zwar der AfD attestiert, eine populistische, aber noch nicht eine populare Partei zu sein. Wo liegt der Unterschied?
Für KHW ist der Populismus eine Gegenbewegung gegen die Globalisierung, die sich „im Kern“ um das Thema Identität gruppiert. Im „existentiellen Sinn“ ist damit die Frage gemeint, „wer ‚ich‘ bin und wer ‚wir‘ sind“ (12).9 Es geht also um die Frage, was die Gemeinschaft ausmacht, was sie zusammenhält und wie der Einzelne in dieses Ganze eingebettet ist, wie er sich auf dieses Ganze bezieht. Angesichts dessen, so KHW, dass unter den Bedingungen der Globalisierung „der Weg in eine offene, multikulturelle Menschheitsrepublik oder einen technokratischen Superstaat“ (12) droht, wird das Identitätsproblem brisant und speist den „Widerstand“ (12) populistischer Bewegungen, die „in hohem Maß […] von unten kommen“ (13) und sich unter der Fahne des ‚Volkes‘ gegen die globalistischen Eliten richten. Der Populismus organisiert den Widerstand der lokal „‘Verwurzelten‘“, der – KHW zitiert David Goodhart – „‘Somewheres‘“ gegen die global orientierten „‘Anywheres‘“, die überall leben könnten und dem „Wir“ entfremdet sind. Dieser Populismus „weist so etwas wie eine natürliche Drift nach rechts auf“. Seine Semantik kreist um die Begriffe „die Nation, die Heimat, die Familie, sogar die Religion“ (13).
Allerdings, so KHW weiter, weist der Rechtspopulismus als „Bewegung von unten […] Stärke und Schwäche zugleich“ (13) auf: „Stärke insofern, als er für viele seiner Forderungen auf spontane Zustimmung rechnen kann. Schwäche insofern, als ihm eine rousseauistische Tendenz innewohnt.“ (13) Gemeint ist der Glaube, man verkörpere den „Gemeinwillen“ und wolle diesen „ungeschmälert durchgesetzt sehen“ (13). Das wirft ein Problem auf, das KHW am Beispiel der AfD erläutert: Sie tue sich schwer damit,
„jene Verstetigung ihrer Strukturen und jene Normalisierung ihres Erscheinungsbildes zu erreichen, die notwendig sind, um am Tagesgeschäft teilzunehmen, und gleichzeitig das Mißtrauen der Basis zu beschwichtigen, die dauernd den Verdacht hegt, man wolle sich den Gepflogenheiten des Establishments anpassen.“ (13)
An diesem „Spannungsverhältnis“ (14) bzw. an dessen mangelnder Bewältigung seien viele rechtspopulistische Parteien gescheitert. Es sei daher absolut notwendig, so KHW, „eigene Führungskader aufzubauen, die den Kontakt zur Basis halten, aber Handlungsfreiheit besitzen“ (14). Es bedarf also, um den Rechtspopulismus in eine „populare[ ] Richtung“ weiter zu entwickeln, genau der Volkstribunen, die, um das klassische Beispiel in der spätrömischen Republik zu bemühen,10 in der Lage sind, in den Institutionen die Interessen der „Verwurzelten“ durchzusetzen. Daneben sei es notwendig, so KHW mit Bezug auf Eric Zemmour, dass sich aus der politischen Klasse (die „Arrivierten“) Persönlichkeiten dazu entschließen, sich „‘den kleinen Leuten im Namen der Nation anzuschließen‘“ (14).11
An dieser Stelle kann sich KHW einen Seitenhieb nicht verkneifen. Seit seinem Ausscheiden aus dem Institut für Staatspolitik (IfS) und seit der Einflussnahme des Instituts bzw. Götz Kubitscheks auf relevante Kreise der AfD (der „Flügel“) ist er um Abgrenzung bemüht. Seine Kritik geht dahin, dass der Übergang zu einer rechtspopularen Partei genau dadurch verhindert wird, dass der Einfluss des IfS darauf abzielt, „den Bewegungscharakter zu erhalten“ und eine Normalisierung der AfD im obigen Sinne abzuwehren. „Institutionalisierung erscheint in dieser Perspektive als Verrat an der ‚Sache des Volkes‘ (Götz Kubitschek)“ (14).12 Dahinter stünden „Gemeinschafts- und Ganzheitsvorstellungen“ der politischen Romantik, die KHW für unrealistisch hält, weil sie sich an einem fiktiven Zustand orientierten, in dem es einmal einen „‘einheitliche[n] Volkswille‘ (Björn Höcke)“13 (14) gegeben habe. Auch Kubitscheks „Aktivismus“ – „zwischen Achtundvierziger-Pathos und Revolutionsfaschismus“ – hält er für abwegig und genauso zur „Wirkungslosigkeit verdammt“ wie Benedikt Kaisers Andocken an linke Ideen.
Insgesamt kommt KHW zu dem Schluss, dass die „populare Position“ erst noch „glaubwürdig besetzt“ (14) werden muss. Er empfiehlt ausdrücklich Rolf Peter Sieferle als Stichwortgeber. Der bejahe Globalisierungskritik, lehne aber Fundamentalopposition ab und fordere eine „politische Synthese, die Nation und Solidarprinzip zusammenbrächte“ (15). Was das im Einzelnen für KHW bedeutet, wird nicht weiter erläutert.
2. Der Verist
Die zweite Strömung gruppiert sich um den Typus des Veristen (vorher des Konservativen). Dieser für politische Verhältnisse ungewöhnliche Begriff des Veristen oder des Verismus ist für KHW ein ‚alter Bekannter‘. Hatte er doch bereits 1994 für den Sammelband von Heimo Schwilk und Ulrich Schacht „Die selbstbewusste Nation“ einen Artikel verfasst, in dem er sich über „einen politischen Verismus für Deutschland“14 auslässt. Verismus ist ursprünglich ein kunstgeschichtlicher Begriff, im politischen Sinne, so KHW damals, sei darunter eine „Position“ zu verstehen, „die sich der Realität verpflichtet weiß, die ‚Tabuierung der Wirklichkeit‘ (Armin Mohler) ablehnt, den tröstlichen Unsinn meidet und dem inflationär gewordenen Schonungsbedürfnis mißtraut“.15 In seiner aktuellen Broschüre knüpft KHW an diesen Artikel wieder an: „… jede politische Analyse, die diesen Namen verdient“ müsse auf der „‘Ehrfurcht vor den Tatsachen‘“ (Spengler)16 beruhen (17). Für den Veristen spiele der „Faktor ‚Macht‘ eine so ausschlaggebende Rolle“ (17) wie auch – gegen das Fortschrittsdenken gerichtet – das Sensorium für das Phänomen der „Dekadenz unter der glänzenden Oberfläche“ (17). Der Verist geht vom Menschen aus, „wie er wirklich ist, und nicht, wie er sein sollte“ (18). Dieser Skeptizismus bewahrheite sich bei der Beurteilung aktueller Phänomene, nämlich in Hinblick auf
„den Egalitarismus des Bildungswesens, den Ausbau der Sozialfürsorge, das Wuchern der Staatsquote, den Geburtenschwund, die Masseneinwanderung, den Einfluß des Islam, die Vergötzung der Dritten Welt, den kollektiven Selbsthaß der Deutschen, der Europäer, des Westens, der alten weißen Männer, auf den Relativismus, den Multikulturalismus, die Wirkung von Political Correctness, den Feminismus, den Abbau der Inneren Sicherheit, die Wahrscheinlichkeit militärischer Konflikte, der allgemeinen internationalen Verständigung und der Völkerfreundschaft“ (18).
In all diesen Fragen läge der Verist richtig, die Linke dagegen falsch. Sie sei unfähig, „zwischen dem [zu trennen], was tatsächlich Verbesserung ist, und dem, was nur so scheint“ (19). Insbesondere ihr Eintreten für mehr Freiheit und Gleichheit stoße an Grenzen: „Für das Mehr an Freiheit: ein Mehr an Einsamkeit, Heimatlosigkeit, privater Bedrohung, staatlicher Überwachung, Verlust der sozialen Kohärenz. Für das Mehr an Gleichheit: ein Mehr an Ressentiment, Verwahrlosung, Sklaverei im Verborgenen, Verlust der Maßstäbe.“ (19)
Der Verist verwahrt sich allerdings auch gegen die (rechte) Hoffnung „auf ein Zurück, ein goldenes Zeitalter, die Wiederherstellung der civitas christiana, oder bescheidener: eines Alltags in Schwarzweiß“ (19). Eine solche Hoffnung sei „erledigt“.
Was bleibt? „Ein Gelingen auf Dauer, das In-Form-Bleiben, ist glückhafte Ausnahme.“ Ein „tragisches Scheitern“ sei möglich. Der Verist plädiert für Autorität, Ordnung und Freiheit. Die Auflösung des neuzeitlichen Staates, der „Ordnung und Freiheit verbürgte“, durch „Globalisierung und Grenzenlosigkeit“ sei „aus der Sicht des Veristen genauso ein Irrweg wir die Bereitschaft, ihn den Verbänden und allen möglichen Ambitionen der Gesellschaft auszuliefern“ (19).
KHW offenbart hier – als Verist – seine Zustimmung zum neoliberalen bzw. ordoliberalen Grundgedanken, wie er 1932 in einem der Gründungsdokumente des Ordoliberalismus von Alexander Rüstow formuliert wurde: „Der Verist ist unbedingt für den starken Staat, ‚den Staat oberhalb … der Interessenten‘ (Alexander Rüstow), den Staat, der seine Handlungsfreiheit bewahrt und – in weiser Selbstbeschränkung – den Bürger vor seiner fiskalischen, pädagogischen, religiösen Zudringlichkeit.“17 (19)
KHW beendet diesen Abschnitt mit einer Warnung vor den Gefährdungen der „‘liberale[n] Demokratie‘“ (19), deren Bestand „heute nur noch eine unheilvolle Mischung aus Utopismus, Konsum und social engineering“ (20) garantiere. Der Verist wisse um die Schwierigkeit, diesen Zustand zu verändern. „Denn die Institutionen, denen seine Neigung gehört, stehen unter feindlicher Kontrolle und ihm fehlt das Zutrauen der Aufklärer in den Zwang des zwanglosen Arguments. So bleiben ihm bis auf Weiteres nur der Aufbau von Gegeninstitutionen, das Betreiben von Gegenaufklärung […].“ (20)
3. Der Archiker
Den Typus des Archikers, den Begriff des Bonapartismus ersetzend, erläutert KHW eingangs mit der Rolle des Marshal Willy Kane in dem Film „Zwölf Uhr mittags“, für ihn zweifelsohne ein rechter Film. Die Rolle, die Kane spielt, hebt sich ab von der Unfähigkeit und vom Unwillen der meisten einzusehen, „wann die Ordnung gefährdet ist“ (22). Und Kane steht für das Handeln „entschlossener einzelner“, die im Ernstfall bereit sind, „das Notwendige [zu] tun“ und unter Umständen „Gewalt an[zu]wenden“. KHW nennt als Beispiele historische Persönlichkeiten wie Gustav Noske oder Friedrich Ebert, ausgerechnet Sozialdemokraten. Hindenburg dagegen habe 1933 versagt vor der Aufgabe, „einen Staatsstreich durchzuführen und die Verfassung außer Kraft zu setzen“, um Hitler zuvorzukommen.
Der Archiker, so KHW, ist zu verstehen als jemand, der, übersetzt man das griechische Wort „archē“ mit „Ursprung“ oder „Herrschaft“, das „Wesen der Herrschaft“ begriffen hat (22). Diese „Denkfamilie der Rechten“ vergisst nie, „daß das Wesen der Herrschaft kalkulierte Machtausübung ist und Herrschaft gelegentlich auf ihren ‚Ursprung‘ zurückgeführt werden muß, die – in der Regel gewaltsame – Neu- oder Wiederbegründung von Machtverhältnissen“ (22). KHW bedauert, dass im hegemonialen Diskurs dieses Thema ausgeklammert wird, allenfalls suche „eine aufgeklärte Elite“ Lösungen „mit Hilfe von soft power und Umverteilung“ (22).
KHW erhebt „Macht und Gewalt“ in den Geltungsbereich „unwandelbarer Gesetzmäßigkeiten des Politischen“ (23), ebenso wie die Freund-Feind-Unterscheidung Carl Schmitts. Der Liberale dagegen habe einen „‘Abscheu vor dem Ernstfall‘ (Günter Maschke)“.
Echte Archiker seien, so KHW, seien „[s]ystemrelevante Beamte, Polizisten und Soldaten, vor allem solche in Eliteverbänden“ (23). Zumindest müssten sie es sein. Ihre „Neigung ‚nach rechts‘“ sei eigentlich „naturgegeben“ (?) und sie verstärke sich „in dem Maß, in dem sie […] beobachten, daß sich anarchoide Vorstellungen in den tonangebenden Kreisen durchsetzen und die politische Klasse entweder nicht willens oder unfähig ist, die elementaren Staatsaufgaben – Verteidigung der Grenzen, Schutz der Bürger und ihres Eigentums – wahrzunehmen“ (23).
KHW beklagt im Weiteren die „Zerstörung des entscheidenden Zusammenhangs zwischen Ordnung und Ganzheit des Gemeinwesens“ (24), wobei er sich speziell auf Frankreich bezieht, das sich mit der Herausbildung eines islamischen Parallelstaates in der Situation des „Vorbürgerkriegs“ befinde. Diese Situation provoziere (laut Umfragen) in der Bevölkerung die Sehnsucht danach, „die Exekutive für einige Zeit in die Hand eines einzelnen“ (25) zu legen, also in die Hand eines neuen Will Kane. In Frankreich steht dafür de Gaulle und die Erinnerung an dessen Staatsstreich, mit dem er die Fünfte Republik begründete. Der Archiker steht, so könnte man die Argumentation Weißmanns zusammenfassen, für die durchgreifende, von den Sicherheitsorganen unterstützte Ausnahmegestalt in der Situation des Ernstfalls.
Völkisch-autoritärer Liberalismus ….
Die Ausführungen Weißmanns zu den rechten Denkfamilien legen die Vermutung nahe, dass es ihm weniger um den Nachweis von differierenden Auffassungen, Haltungen oder Stilen geht, die es zweifellos gibt, als vielmehr darum, die Notwendigkeit von Optionen auszuloten, die insgesamt das Spektrum politischer Handlungs- und Wirkmöglichkeiten auf Seiten der Rechten ausmachen sollten. So steht der Typus des Popularen für ein bestimmtes Parteiverständnis und die Art und Weise, wie im Rahmen der politischen Institutionen um das nationale Interesse und die Bewahrung des „Eigenen“ gerungen werden sollte (gegen Fundamentalopposition, Bewegungsorientierung und Aktivismus); der Typus des Veristen beansprucht für sich eine realistische Weltsicht, die sich nicht am Wünschbaren orientiert oder rückwärtsgewandte Ideen verfolgt, sondern an der Gewährleistung von Autorität, Ordnung und Freiheit interessiert ist; und der Typus des Archikers rechnet mit dem Ausnahmezustand, dem Ernstfall, wenn die bestehende Ordnung scheitert und „die – in der Regel gewaltsame – Neu- oder Wiederbegründung von Machtverhältnissen“ (22) auf der Tagesordnung steht.
Der Vorzug der Weißmann’schen Typologie besteht darin, dass sie eine Vorstellung von dem transportiert, was man die Instabilität und Krisenhaftigkeit der bürgerlichen Gesellschaft nennen könnte. Dass es sich um eine Klassengesellschaft handelt, gehört zwar nicht zum Begriffsrepertoire Weißmanns, aber die Problematik der sozialen Kohärenz unter kapitalistischen Bedingungen – heute gern unter dem Stichwort „gesellschaftlicher Zusammenhalt“ thematisiert – ist ihm schon geläufig, auch wenn er ihre Gefährdung auf ein Außen projiziert, nämlich die Bedrohung der nationalen Homogenität durch Globalisierung und Zuwanderung. Auf das völkische Ideologem der „leiblich-geistigen“ Basis der Nation als Element der Integration möchte er nicht verzichten. Der Blick des Veristen und Archikers richtet sich aber vor allem auf den Staat als den den Zusammenhalt der bürgerlichen Gesellschaft verbürgenden Akteur. Es verwundert daher nicht, wenn KHW die Aufmerksamkeit auf einen der Gründungstexte des deutschen Neoliberalismus resp. Ordoliberalismus lenkt, auf den hier etwas näher eingegangen werden soll. Gemeint ist der von KHW zitierte Redebeitrag Alexander Rüstows auf der Tagung des Vereins für Sozialpolitik, die dem Thema „Deutschland und die Weltkrise“ gewidmet war. Im Hintergrund steht freilich Carl Schmitts Theorie des „totalen Staates“, auf die ich im Anschluss eingehe.
1. Rüstow plädiert in seiner Rede mit Blick auf die Bewältigung der Weltwirtschaftskrise für einen „neue[n] Liberalismus“18. In seinen Ausführungen verbindet er drei Gedankengänge: Erstens grenzt er liberale Wirtschaftspolitik einerseits gegen den klassischen Manchesterliberalismus, andererseits gegen einen reaktiven, status quo-fixierten und sich zugleich überdehnenden Staatsinterventionismus ab. Als dritten Weg schlägt er einen „liberale[n] Interventionismus“19 vor. Die Figur des dritten Weges wird nach 1945/9 von den Ordoliberalen wieder aufgegriffen werden: freie oder soziale Marktwirtschaft als Mitte zwischen Kapitalismus und Kommunismus.20
Zweitens fragt er nach den staatspolitischen Bedingungen des liberalen Interventionismus bzw. einer liberalen Wirtschaftspolitik. Diese sieht er zum einen in einer strikten Trennung von Staat und Gesellschaft/Wirtschaft und in der Ausbildung eines starken und neutralen Staates, der wie eine „objektive Käseglocke“ (O. H. von der Gablentz) über dem Pluralismus gesellschaftlicher Interessengruppen ‚schwebt‘ und seine Handlungen am „höheren Ganzen“21 (68) orientiert.
Drittens thematisiert Rüstow das oben angesprochene Grundproblem kapitalistischer Gesellschaften, nämlich die Gewährleistung sozialer Kohärenz bei gleichzeitiger Konkurrenz. Sein Lösungsvorschlag besteht zum einen darin, die Wirtschaftssubjekte als Staatsbürger auf einen moralischen Holismus zu verpflichten, indem sie staatliche Maßnahmen auch dann akzeptieren, wenn sie ihren Privatinteressen widersprechen. Zum anderen ist für ihn die entscheidende Ebene der Integration die des Staates bzw. die einer Verfassung, die das Übergreifen des gesellschaftlichen Pluralismus auf staatliche Maßnahmen (vor allem durch die Parteien) verhindert.22 1932 wäre dies die Entscheidung für ein vom Reichstag unabhängiges Präsidialsystem gewesen. Rüstow selbst präferierte eine Kanzlerdiktatur auf Zeit.23
2. Carl Schmitt, auf den sich Rüstow in seiner Rede zustimmend bezieht, definiert diesen Staat in seiner etwas später gehaltenen Vortrag vor dem Langnam-Verein24 im November 193225 als „qualitativ totalen Staat“ und unterscheidet diesen von einem „quantitativ totalen Staat“. Letzterer ist
„ein Staat, der sich unterschiedslos auf alle Sachgebiete, alle Sphären des menschlichen Daseins begibt, der überhaupt keine staatsfreie Sphäre mehr kennt, weil er überhaupt nichts mehr unterscheiden kann. Er ist total in einem rein quantitativen Sinne, im Sinne des bloßen Volumens, nicht der Intensität und der politischen Energie. […] Diese Totalität im Sinne des Volumens ist das Gegenteil von Kraft und Stärke.“26 (Ebd., 74f.)
Die Ursache der Schwäche: Zwischen Staat und Gesellschaft hat sich eine „Mehrzahl totaler Parteien“ etabliert, die sich das „Monopol der Politik“ angeeignet haben und – da es sich um ein „festes durchorganisiertes Mehrparteiensystem“ handelt – ein „Polypol“27 bilden. Die Funktionsweise dieses Polypols (oder Kartells) beruht laut Schmitt zum einen auf der Monopolisierung der „politischen Vermittlung“, d.h. die Parteien organisieren die Interessen der Bürger und deren „Umschaltung […] in den Staatswillen“. Zum anderen beherrschen sie über die „Aufstellung der Kandidatenliste“ und damit den Zugang zum Parlament den Staat und machen „ihn zum Objekt ihrer Kompromisse“. Die Institutionen der Verfassung würden dadurch „verfälscht“, der Staat zum „Ausbeutungsobjekt“ organisierter Interessen degradiert.28 Dies, die Ausbildung des „totalen Parteienstaates“29 bzw. des pluralistischen Staates, führe „zu jener merkwürdigen quantitativen unterschiedslosen Ausdehnung des Staates auf alle Gebiete“.30
Demgegenüber sei der qualitativ totale Staat dadurch gekennzeichnet, dass er „echte[r] Staat“, ein „besonders starker Staat“ sei. Dieser Staat verfüge alleine und „ausschließlich“31 über die „Machtmittel, die er zu seiner politischen Herrschaft“ brauche, insbesondere die „militärtechnischen Machtmittel“32 und die Techniken der „Massenbeeinflussung“33; er stütze sich auf „Heer und Beamtentum“, die sich durch „Unparteilichkeit und Staatsgesinnung“34 auszeichnen sollten; und – mit Blick auf die damaligen deutschen Verhältnisse – sollte es ihm gelingen, „das einzige legale Machtinstrument des echten Notfalles, das er heute noch hat, nämlich den Artikel 48“35, zur Geltung zu bringen, womit Schmitt einmal mehr die staatserhaltende Rolle des vom Parlament unabhängigen Reichspräsidenten („Hüter der Verfassung“) hervorhebt. Verfügt der Staat über all diese Machtmittel, vermag er „in seinem Innern keinerlei staatsfeindliche, staatshemmende oder staatszerspaltende Kräfte aufkommen“ zu lassen. Er lässt es nicht zu, dass „seine Macht unter irgendwelchen Stichworten, Liberalismus, Rechtsstaat oder wie man es nennen will, untergraben“ wird. Schlussendlich: „Er kann Freund und Feind unterscheiden.“36 Als Feind verstand Schmitt in der Situation von 1932 vor allem Kommunisten und Nationalsozialisten (denen sich Schmitt freilich nach 1933 als „Kronjurist“ zur Verfügung stellte), sodann aber auch die reformistische Arbeiterbewegung. Denn in der Rede vor den Herren des Langnam-Vereins kritisierte Schmitt insbesondere die Idee einer „Wirtschaftsdemokratie“, die in den letzten Jahren der Weimarer Republik die wirtschaftspolitische Programmatik der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften prägte. Schmitt sieht hier eine unzulässige „Vermischung von Wirtschaft und Politik“, eine ‚unsachliche’ Politisierung der Wirtschaft durch den „quantitativ totalen Staat“. Sie sei der Versuch, „mit Hilfe politischer Macht sich wirtschaftliche Macht im Staate anzueignen, und dann mit Hilfe der so gewonnenen wirtschaftlichen Macht wiederum seine politische Macht zu verstärken“. Getreu seiner Unterscheidung von staatlicher und staatsfreier Sphäre betrachtet er „die Sphäre des freien, individuellen Unternehmers“ als „reine Privatsphäre“, davon getrennt die wirtschaftlichen Unternehmungen im staatlichen Bereich, die nur dieser organisieren könne. Daneben gebe es aber noch einen Zwischenbereich, der „nichtstaatlich, aber öffentlich“ sei. Gemeint ist damit die „wirtschaftliche Selbstverwaltung“, also der Bereich, in dem „von den Trägern dieser Wirtschaft“ – dazu gehören nicht die Gewerkschaften – die gemeinschaftlichen Belange „organisiert und verwaltet“ werden.37 Auch dieser Bereich müsse staatsfrei gehalten werden. Dass die ‚Entpolitisierung’ der Wirtschaft auf Kosten der Gewerkschaften und der Arbeiterklasse geht, demonstriert Schmitt den Herren vom Langnam-Verein hier nachdrücklich.
Hermann Heller, der sozialdemokratische Antipode Schmitts, hat darauf mit einem Artikel reagiert, der allerdings erst 1933 unter dem Titel „Autoritärer Liberalismus“ erschien.38 Hierin kritisierte er die antidemokratische Grundlage des anvisierten starken Staates: Schmitt habe schon seit Jahren sich darum bemüht, „die demokratische zugunsten der diktatorischen Staatsgewalt herabzusetzen“. Und er verwies bewusst auf den Zusammenhang der Ausführungen Schmitts mit dem „neoliberalen“ Konzept der Ökonomen wie Rüstow oder Walter Eucken.39 Das Programm des autoritären Liberalismus charakterisierte er resümierend wie folgt: „Rückzug des autoritären Staates aus der Sozialpolitik [und] Entstaatlichung der Wirtschaft […]. Autoritär und stark muß solcher Staat sein, weil, nach Schmitts durchaus glaubwürdiger Versicherung, nur er die übertriebenen Verbindungen zwischen Staat und Wirtschaft zu lösen vermag. Sicherlich! Denn in demokratischen Formen würde das Volk diesen neoliberalen Staat nicht lange ertragen.“40 (Ebd., 652f.)
… und Bonapartismus
Es ist deutlich geworden, wie KHW zwei Optionen der Rechten miteinander verbindet, zum einen die populare mit einem völkischen Substrat – Ernst Forsthoff sprach 1933 von „Volksordnung“41 –, zum anderen die veristische, deren Kern auf der herrschaftlichen Trennung von Staat und Gesellschaft beruht und sowohl Bezug nimmt auf die ordoliberale Version eines neutralen und starken Staates als auch auf Schmitts Kategorie des „qualitativ totalen Staates“, beruhend auf der Diktaturgewalt des Reichspräsidenten. Letztere verweist auf die dritte Option, die des Archikers oder die des Bonapartismus. Diesen Begriff gebraucht KHW nicht mehr, möglicherweise deshalb, weil mit ihm die Tradition der Bonapartismustheorie anklingt, die bekanntlich auf Karl Marx zurückgeht. Die drei Elemente dieser u.a. von August Thalheimer Ende der 1920er Jahre aktualisierten Theorie waren das „Gleichgewicht der Klassen“, die „eigenständige Klassenbasis als Massenbasis in Teilen der Landbevölkerung bzw. Mittelschichten“ und die „Verselbständigung der Exekutive“.42 KHW konzentriert und reduziert diesen komplexen Zusammenhang auf den letzten Punkt und den Typus des Archikers als einer, wie angesprochen, durchgreifenden Ausnahmegestalt in der Situation des Ernstfalls. Wie Carl Schmitt die Stützen der Diktaturgewalt des Reichspräsidenten in der Reichswehr und dem Beamtenapparat sieht, so betont auch KHW die Rolle der Sicherheitsorgane (Polizei, Armee) und der Beamtenschaft, ohne die eine Verselbständigung der Exekutive nicht denkbar sei. Dass die Hoffnungen, die Carl Schmitt 1932 in die Figur des Reichspräsidenten setzte, nicht in Erfüllung gingen, führt KHW auf das persönliche Versagen Hindenburgs zurück, was natürlich einer Simplifizierung der damaligen Lage gleichkommt. Die Durchsetzung des „qualitativ totalen Staates“ war das Werk der Faschisten, die dann allerdings auf dieses Theorem gut und gerne verzichten konnten (und wollten).43 Unabhängig von dieser historischen Erfahrung bleibt KHW dabei, dass Macht und Herrschaft „gelegentlich auf ihren ‚Ursprung‘ zurückgeführt werden“ müssten und „die – in der Regel gewaltsame – Neu- oder Wiederbegründung von Machtverhältnissen“ vollzogen werden müsse. Die Formulierung erinnert an den berüchtigten Satz von Augusto Pinochet, dass die Demokratie „gelegentlich in Blut gebadet werden [müsse], damit die Demokratie fortbestehen“ könne. Glücklicherweise sei ihre Badekur mit „ein paar Tropfen“ ausgekommen.44
Vor diesem Hintergrund wird eine Passage in einem Interview Weißmanns deutlicher.45 Angesprochen auf die Möglichkeit eines Elitenwechsels im Falle eines Systemzusammenbruchs äußert sich KMH dahingehend, dass er sich einen solchen „Austausch“ auch „innerhalb des Verfassungssystems“ vorstellen könne. Die Verfassung, das Grundgesetz sei nämlich „die Verfassung des deutschen Volkes“ und kein „rein technisches Verfahren, um ein multikulturelles Etwas zusammenzuhalten“. Gegen eine solche, seiner Meinung nach verfassungsfeindliche Auffassung würde er die Verfassung verteidigen. Wer aber sind ihm zufolge die Verfassungsfeinde? „Die Verfassung befindet sich faktisch in der Gefangenschaft der Linken und Liberalen. Ich würde eher um die Verfassung kämpfen und nicht gegen sie.“ Was aber ist diese „innerstaatliche Feinderklärung“ anderes als die Anrufung des Bürgerkriegs und damit der Konstellation, in der – aus der Sicht Weißmanns – die Bedingungen für das Auftreten des Archikers gegeben sind?
1 Erschienen in: Gideon Botsch/Friedrich Burschel/Christoph Kopke (Hg.): Rechte Ränder. Faschismus, Gesellschaft und Staat, Berlin: Verbrecher Verlag 2023, S. 131-152.
2 Weißmann, Karlheinz, Wer ist rechts? Versuch einer Typologie (JF-Edition), Berlin 2020.
3 Mohler, Armin / Weißmann, Karlheinz: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932. Ein Handbuch, 6., völlig überarb. u. erwäg. Aufl., Graz 2005. Die erste Auflage, Mohlers Dissertation, erschien 1950.
4 Institut für Staatspolitik, Die „Neue Rechte“. Sinn und Grenzen eines Begriffs (= Wissenschaftliche Reihe, H. 5), Schnellroda 2003.
5 Weißmann, Karlheinz, Kurze Geschichte der konservativen Intelligenz (= Berliner Schriften zur Ideologienkunde, Bd. 1), Schnellroda 2011.
6 Online abrufbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=1UCPQ80eU24 [letzter Zugriff: 01.11.2011].
7 Beispielhaft verweist KHW u. a. auf Julius Evola, Henry de Montherlant, Emile Cioran, T. S. Eliot und Ernst Jünger.
8 Die sogenannten Popularen standen z.T. in Opposition zu den Optimaten, dem Teil der Senatsaristokratie, der sich zur Senatsherrschaft bekannte, sich als staatstragende Schicht verstand und die Besitzverhältnisse verteidigte. Die Popularen versuchten, Gesetze ohne Zustimmung des Senats über die Volksversammlung und die Volkstribunen durchzusetzen.
9 Mit dem modernen Stichwort „Identität“ wird das Kernthema völkischer Ideologie angesprochen. In einem JF-Artikel „Es geht um Existenzfragen. Vergewisserung des Eigenen“ (JF 23/2016, S. 18) weist KHW den „organischen Intellektuellen“ von rechts die Aufgabe zu, „die Frage ‚Was heißt deutsch?‘ neu zu stellen“ und nach einer zeitgemäßen Antwort zu suchen, die berücksichtigt, dass Völker, also auch das deutsche Volk, „historisch gewordene Einheiten“ sind, die „Veränderungsprozessen“ unterliegen. Der Rekurs auf frühere Vorstellungen wie „Stammeseigenschaften“ (z.B. der Westfalen) oder traditionelles „Brauchtum“ (z.B. der Niedersachsen) oder „Schädelformen von Niederbayern und Lothringern“ verbiete sich. Weißmann versucht sich damit von ‚belasteten‘ rassenkundlichen Auffassungen abzugrenzen. Gleichwohl klingen diese mit, wenn Weißmann die „Eigenschaften“ von Völkern, „leibliche wie geistige“, als nicht „beliebig“ formbar sieht, sie seien keine „Art Patchwork, das sich so oder so zusammensetzen ließe“, anderenfalls drohe die „Ethnomorphose“ (Volkstumswandlung), „an deren Ende das Volk nicht mehr wiederzuerkennen“ wäre. Weißmann greift hier auf Bedeutungsgehalte zurück, die seit den 1920er Jahren mit dem völkischen Kampfbegriff der „Umvolkung“ verbunden sind. Vgl. Kellershohn, Helmut, „Identitätspolitik von rechts“, in: Chlada, Marvin u.a. (Hg.), Entfremdung-Identität-Utopie, Münster 2020, S. 132-147.
10 Man denke an die beiden Gracchen.
11 Das Zitat bei: Zemmour, Eric: „Tant qu’on se trompera de diagnostic, on se trompera de traitement“, Interview in: Valeurs actuelles, 06.08.2020, S. 16-25.
12 Das Zitat im Zitat in der Rede von Götz Kubitschek bei einer Demonstration von Pegida am 10. April 2017. Online abrufbar unter: https://sezession.de /57211/pegida-dresden-10-iv-2017-rede-von-goetz-kubitschek [letzter Zugriff: 01.11.2021].
13 KHW zitiert hier: Nie zweimal in denselben Fluß. Björn Höcke im Gespräch mit Sebastian Hennig, Berlin 2018, S. 235.
14 Weißmann, Karlheinz, „Herausforderung und Entscheidung. Über einen politischen Verismus für Deutschland“, in: Schwilk, Heimo / Schacht, Ulrich (Hg.): Die selbstbewusste Nation. „Anschwellender Bocksgesang“ und weitere Beiträge zu einer deutschen Debatte, Frankfurt am Main / Berlin 1994, S. 309-326.
15 ebd., S. 309.
16 Zitat nach Spengler, Oswald, Jahre der Entscheidung. Deutschland und die weltgeschichtliche Entwicklung [1933], München 1980, S. 30.
17 KHW zitiert hier nach Rüstow, Alexander, „Interessenpolitik oder Staatspolitik?“, in: Der deutsche Volkswirt 7 (1932) 6, S. 169-172, hier S. 172. Ursprünglich handelt es sich um einen Redebeitrag Rüstows auf der Tagung des Vereins für Sozialpolitik im September 1932, vgl. Boese, Franz (Hg.): Deutschland und die Weltkrise. Verhandlungen des Vereins für Sozialpolitik in Dresden 1932, München / Leipzig 1932, S. 62-69. Ich komme auf diese Rede weiter unten zurück.
18 Hier zitiert (vgl. Fn. 16) nach Boese (Hg.), Deutschland und die Weltkrise, S. 69.
19 ebd., S. 65.
20 So schon Röpke, Wilhelm, Die Gesellschaftskrisis der Gegenwart, Erlenbach / Zürich 1942, S. 43 und ders., Civitas Humana. Grundfragen der Gesellschafts- und Wirtschaftsreform, Erlenbach / Zürich 1944, S.69 ff.
21 Boese (Hg.), Deutschland und die Weltkrise, S. 68.
22 Nach 1945/9 suchen sowohl Wilhelm Röpke als auch Rüstow, mittlerweile deutlich kulturpessimistisch eingestellt, Integration und Kohärenz auf der Ebene kleiner Gemeinschaften wie Familien, Kirchengemeinden oder Vereinen. „Wenn wir uns“, so Rüstow zu der von ihm propagierten Vitalpolitik, „für die – soziale – Marktwirtschaft und ihre Leistungskonkurrenz entscheiden, so müssen wir doch zugeben, daß diese Konkurrenz, unbeschadet ihrer gewichtigen sonstigen Vorzüge, immerhin von sich aus keine aktive Integrationskraft darstellt“. Gefordert sei für den „Sozialbereich“ ein „immer dichtere[s] Netz und Gewebe lebendiger Bindungen“, um ein „Optimum an Integration“ zu erreichen. Vgl. Rüstow, Alexander, „Vitalpolitik gegen Vermassung“, in: Hunold, Albert (Hg.), Masse und Demokratie, Erlenbach / Zürich / Stuttgart 1957, S. 215-238, hier S. 229, 238. Zu Rüstows Vitalpolitik und Röpkes „Strukturpolitik“ vgl. Biebricher, Thomas / Ptak, Ralf, Soziale Marktwirtschaft und Ordoliberalismus zur Einführung, Hamburg 2020, S. 58-67.
23 Vgl. Ptak, Ralf, Vom Ordoliberalismus zur Sozialen Marktwirtschaft. Stationen des Neoliberalismus in Deutschland, Opladen 2004, S. 38.
24 Der sog. Langnam-Verein war ein Interessenverband der Schwerindustrie im Ruhrgebiet.
25 Schmitt, Carl, „Starker Staat und gesunde Wirtschaft“, in: ders., Staat, Großraum, Nomos, hg. v. Günter Maschke, Berlin, S. 71-91.
26 ebd., S. 74f.
27 Diesen Begriff wählt Schmitt im Januar 1933 in einem Artikel, der die Argumentation seines Vortrages fortführt. Vgl. Schmitt, Carl, „Weiterentwicklung des totalen Staats in Deutschland“, in: ders.: Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar-Genf-Versailles 1923-1939, 3. Aufl., Berlin 1994, S. 211-216, hier S. 215.
28 Schmitt, „Starker Staat und gesunde Wirtschaft“, S. 75.
29 ebd., S. 79.
30 ebd., S. 75.
31 ebd., S. 74.
32 ebd., S. 73.
33 ebd., S. 74.
34 ebd., S. 79.
35 ebd., S. 78.
36 ebd., S. 74. Schmitt knüpft hier an den im August 1932 in zweiter Auflage erschienenen „Begriff des Politischen“ an. Gegenüber der ersten Auflage (1927) hat Schmitt in diesem Buch einige Erweiterungen vorgenommen, u.a. Passagen über den Bürgerkrieg eingefügt und die Freund-Feind-Erklärung um eine innenpolitische Komponente („innerstaatliche Feinderklärung“) erweitert. Vgl. Schmitt, Carl, Der Begriff des Politischen, 7. Aufl., Berlin 2002.
37 Ebd., S. 80
38 Heller, Hermann, „Autoritärer Liberalismus“ [1933], in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 2, Leiden, S. 643-653.
39 Vgl. Eucken, Walter, „Staatliche Strukturwandlungen und die Krisis des Kapitalismus“, in: Weltwirtschaftliches Archiv 36 (1932), S. 297-321.
40 Heller, „Autoritärer Liberalismus“, S. 652 f.
41 Forsthoff, Ernst, Der totale Staat, Hamburg 1933, S. 38-47.
42 Wiegel, Gerd, „Analoge, aber nicht identische Phänomene. Bonapartismustheoretische Ansätze zur Erklärung des historischen Faschismus, in: Beck, Martin / Stützle, Ingo, Die neuen Bonapartisten. Mit Marx den Aufstieg von Trump & Co. verstehen, Berlin2018, S. 56-71, hier S. 61.
43 Zur parteiamtlichen Kritik an der Theorie des totalen Staates vgl. Meinel, Florian, Der Jurist in der industriellen Gesellschaft. Ernst Forsthoff und seine Zeit, Berlin 2011, S. 89.
44 Zitat nach Der Spiegel Nr. 40, 1. Oktober 1973, S. 114.
45 Weißmann, Karlheinz, „Ich versuche argumentativ vorzugehen und die Fragen grundsätzlich anzugehen“, in: Sezession, Sonderheft „Gespräche“, 2009, S. 13-16.