Elitärer Populismus

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Eine Rezension von Jobst Paul. Erschienen in DISS-Journal 37 (2019)

In Messengers of the Right. Conservative Media and the Transformation of American Politics skizziert die Politologin Nicole Hemmer die Geschichte einer US-spezifischen, rechtsgerichteten medialen Konstellation, die von den 1950ern bis in die aktuelle Trump-Ära reicht.
Im Zentrum der von Hemmer als ‚elite populism‘ bezeichneten Konstellation stehen zum einen jeweils konservative, eigenwillige Einzelfiguren mit Elite-Hintergrund, d.h. ausgestattet mit erheblichem finanziellen, sozialen und kulturellen Gewicht. Das zweite Merkmal ist die Wahrnehmung jener Einzelfiguren, von einer liberalen, progressiven, egalitären Mehrheitsbewegung in die Bedeutungslosigkeit abgedrängt worden zu sein. Das dritte Merkmal ist, dass jene Figuren in der Lage sind, sich eine mediale Basis zu schaffen, um gegen ihren Ausschluss vorzugehen. Damit aber werden sie auch – viertens – zu Ankerpunkten jeweils neuer rechtskonservativer Sammlungsbewegungen.
Hemmer kann diese Konstellation mit ihren oft unerwarteten Varianten archetypisch u.a. an Henry Regnery, dem Sproß einer reichen Textilfabrikantenfamilie aus Illinois zeigen. Er hatte in den 1930er Jahren in Deutschland studiert und verurteilte nun sowohl Roosevelt’s New Deal wie auch den Kriegseintritt der USA gegen Deutschland. Die von ihm und Felix Morley 1947 begründete Wochenzeitung Human Events (die seit 2014 als Online-Publikation erscheint) versuchte den roll back zu organisieren und behauptete danach in der Tat über Jahrzehnte die rechtskonservative Meinungsführung, etwa über die Unterstützung des Vietnam-Kriegs und der Apartheit in Südafrika. Insbesondere Ronald Reagan soll einen Großteil seiner politischen Orientierung aus Human Events bezogen haben.
Mit der Grundkonstellation des ‚elite populism‘ gehen nach Hemmer über die Jahrzehnte hinweg zudem immer wieder ähnliche Ingredienzien der rechtkonservativen Medienlandschaft einher, so z.B. die Vorliebe für kompromisslosen ideologischen Purismus, zweitens die Selbstinszenierung als Opfer und drittens ein festgefügtes Feindbild der ‚Täter‘, der liberalen Medien der ‚Ostküste‘, d.h. der Hauptstadt Washington.
Alles zusammen dient danach als Begründung einer Kriegsmentalität und Gegenwehr, der mit Blick auf journalistische Ethik und ‚Wahrheit‘ so gut wie alles erlaubt ist. Hemmer kann insbesondere am Beispiel Nixon zeigen, wie sich die Strategie des ‚elite populism‘ fortsetzte, wenn sie die Spitzenposition im Staat eingenommen hatte. Danach verschärfte sich die Kriegsmentalität dieses Populismus noch und gipfelte im Versuch der Etablierung einer „conservative media watchdog industry“. Deren Aufgabe sollte es sein, einer kritischen, faktenorientierten Journalismus auf lange Sicht zu unterbinden und durch sogenanntes „balanced reporting“, letztlich durch eine unkritische Berichterstattung des status quo zu ersetzen.
Der Vergleich der Analyse Hemmers mit den extrem rechten medialen Strukturen, in die die aktuelle Trump-Administration eingebunden ist, vor allem aber mit der Riege einflussreicher weißer Medien-Mogule hinter Trump, die gegen ihre kommende Bedeutungslosigkeit ankämpfen, zeigt eine überraschende Treffergenauigkeit.

Hemmer, Nicole:
Messengers of the Right. Conservative Media and the Transformation of American Politics.
Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 2016. Pp. xvi, 320. ISBN 9780812224306; 9780812248395. $34.95.