Spanien im Irak-Krieg

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Die Regierung mit dem Rücken zur öffentlichen Meinung. Von Xavier Giró. Erschienen in DISS-Journal 11 (2003) (= Gemeinsames Sonderheft des DISS-Journals und der kultuRRevolution zum Irak-Krieg).

Auch in Spanien fragt sich fast jeder, warum José María Aznar, der Ministerpräsident, im Irakkonflikt bedingungslos an der Seite von George W. Bush steht, während mehr als 90% der Bevölkerung dagegen sind. Was hofft er dadurch zu gewinnen? Was riskiert seine Partei Partido Popular (PP)? Und schließlich – wie ist es möglich, dass eine Partei, die eine absolute parlamentarische Mehrheit besitzt, sich so weit von der öffentlichen Meinung entfernt hat?

Die Positionierung der spanischen Regierung anlässlich des Krieges im Irak ist die letzte Entwicklung in einer Reihe von Entscheidungen, die die Bevölkerung allmählich von ihrer Regierung entfernt hat. Die Politik im Baskenland, der neue Nationale Hydrologische Plan, ein neues Universitätsgesetz und die Reaktion auf die ökologische Katastrophe durch den Öltanker Prestige vor Galizien stehen zusätzlich auf dieser Liste.

Zunächst zur Politik im Baskenland: Während der letzten Kampagne zur Regionalwahl im Baskenland wurde ein Diskurs entfaltet, der sich nicht nur gegen die ETA und die Linksextremnationalisten der Batasuna, sondern auch gegen alle Gruppen von gemäßigten Basknationalisten wie z.B. die regierende Partei (Partido Nacionalista Vasco – PNV) wandte. Die PP verfolgt im Konflikt im Baskenland die Strategie einer polizeilichen und repressiven Politik. Die AnführerInnen der PP weigern sich nicht nur, mit den Radikalen einen Dialog zu führen, sondern auch mit den gemäßigten Politikern. Mit Unterstützung der Sozialistischen Partei wurde ein Gesetz gebilligt, welches ein Verbot der Batsuna möglich macht, weil sie z.B. die Attentate der ETA nicht verurteilt. Eine solche Kriminalisierung von Schweigen würde im Vergleich ein Verbot von Sinn Fein in Irland bedeuten.

Des weiteren konnten einige Entscheidungen von Richtern auch nicht zu einer De-Eskalation des Konfliktes beitragen. Verschiedene Kulturorganisationen und solche, die sich mit baskischen Gefangenen und im Exil Lebenden solidarisieren, wurden verboten. Zwei Zeitungsredaktionen wurden geschlossen – zuerst Egin, ein Organ der extremistischen nationalistischen Linken; dann Egunkariak, die einzige Tageszeitung, die vollständig in baskischer Sprache erschien.

Auch in Katalonien und Aragón ist die Beliebtheit der PP nicht sehr groß. Der Nationale Hydrologische Plan, demzufolge Wasser vom Fluss Ebro zum Süden gebracht werden soll, wurde bereits zum Zeitpunkt seines Entwurfes abgelehnt. Die Regierung hat an dem Plan festgehalten, obwohl sich die besten Experten Europas dagegen aussprachen.

Darüber hinaus hat das Kabinett mit Hilfe seiner parlamentarischen Mehrheit ein Universitätsgesetz gebilligt und in Kraft gesetzt, obwohl die gesamte Universitätsgemeinschaft dagegen stand. Dies trug noch zur Steigerung des Gefühls bei, dass die Regierung sich alles erlauben kann und die Gesellschaft machtlos ist.

Die Reaktion der Regierungspartei PP anlässlich des Untergangs des Öltankers Prestige, nicht weit von der Küste Galiziens entfernt, brachte den Ärger an seine bisherige Klimax. Die Haltung der PP hat bereits vor der Krise, die durch die Irrtümer, das Schiff zu teilen, zu versenken und damit eine riesige Ölkatastrophe zu produzieren, ausgelöst wurde, die Bevölkerung Galiziens und ganz Spaniens in Rage gebracht. Man konnte entweder vor Ort oder im Fernsehen sehen, dass das Öl die Küste erreichte und musste feststellen, dass die regionalen und die spanischen Behörden (der PP zugehörig) erstens immer zu spät reagiert haben – freiwillige Helfer aus ganz Spanien waren immer schneller – und zweitens, dass die Politiker der PP die ökologische und ökonomische Tragödie drastisch herunterspielten oder sogar zu ignorieren versuchten. Es war – und ist auch weiterhin – ein Skandal.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Was erwartete Aznar von der Unterstützung Bushs? Die Positionierung Aznars an der Seite von Bush war ein Präzedenzfall. Nach dem Attentat vom 11.09.2001 hat Aznar im Kampf Bushs gegen den Terrorismus außer der Möglichkeit, humanitäre Solidarität und Mitgefühl zu zeigen, eine Gelegenheit gesehen, seine eigene Haltung im Baskenkonflikt nach dem Prinzip »mit mir oder gegen mich« zu legitimieren und einen mächtigen Verbündeten zu gewinnen. Die Unterstützung des Krieges in Afghanistan und danach im Irak durch Aznar sind weitere Schritte in die gleiche Richtung.

Darüber hinaus ist es bequem, an der Seite Mächtiger zu stehen, von denen auch Geschenke zu erwarten sind. Aznar hat oft gesagt, Spanien sollte in den G-7-Club aufgenommen werden, und vielleicht könnte das ja – rein spekulativ gesagt – ein Geschenk von Bush sein.
Für eine Zivilgesellschaft, die in den letzten Monaten intensiv am Protest gegen die neoliberale Globalisierung teilgenommen hat, ist es in jedem Fall eine Beleidigung, dass sich ihr Präsident in ihrem Namen für den Krieg ausgesprochen hat.

Die Unbeliebtheit der Regierung Aznars ist auch ein Produkt der Position vieler Massenmedien, die sich gegen den Krieg gewandt haben, teilweise weil sie schon vorher gegen die Regierung waren, teilweise weil sie der überwältigenden Mehrheit ihres Publikums nicht entgegenstehen wollten.

Bezüglich der Wahlen ist auf lokaler Ebene mit einer Niederlage der PP zu rechnen. Man könnte meinen, dass Aznar zum politischen Selbstmord bereit wäre. Die Parlamentswahlen sind aber noch weit entfernt. Das bedeutet, dass er auf Zeit spielt und damit rechnet, den Schaden wieder ausgleichen zu können. Dies gilt umso mehr, wenn man in Betracht zieht, dass Aznar angekündigt hat, bei den kommenden Wahlen nicht mehr an der Spitze der PP zu stehen.