Die wichtigsten Ergebnisse einer DISS-Studie im Überblick. Erschienen in DISS-Journal 10 (2002).
Das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) hat unter Leitung von Prof. Dr. Siegfried Jäger und Dr. Margarete Jäger und im Auftrag des Berlin Office des American Jewish Committee eine Untersuchung der Berichterstattung zur Zweiten Intifada im deutschen Printmedien-Diskurs in der Zeit vom September 2000 bis August 2001 vorgenommen, bei der dem Israel-Bild besondere Aufmerksamkeit zuteil wurde.
Die Untersuchung führte zu den folgenden Ergebnissen:
- Die Analyse der Zuschreibungen zu Israel und den Israelis zeigte, dass Anspielungen auf biblische Ereignisse oder Sentenzen und andere antijudaistische Stereotypen (wie etwa Kindermord, Auge um Auge, alttestamentarische Rache etc.) antisemitische Diskurselemente in den deutschen Diskurs einfließen lassen.
- Solche antisemitischen Diskurselemente rufen häufig die deutsche Vergangenheit auf. Dies geschieht in Gestalt von Projektionen, durch die Kritik am Faschismus auf Juden und Israel übertragen werden („selektive Kollektivstrafe“ „der häßliche Israeli“ der Vergleich von Scharon mit Hitler). Hierdurch wird gleichzeitig eine Relativierung der deutschen Vergangenheit vorgenommen.
- Es findet sich eine Fülle von negativen Charakterisierungen der Israelis oder des Staates Israel, durch die der Konflikt personalisiert und verallgemeinert wird. Es werden Abwertungen vorgenommen, durch die den Personen ihr Subjektstatus aberkannt wird, indem sie mit Maschinen („Bulldozer“) oder Tieren („gurrender Falke“, „Bulle“) verglichen werden. Auch Fahnenbegriffe wie z.B. ‚Kriegstreiber’ und „Haudegen“ „Scharfmacher“ „personifizierte Katastrophe“ und „Fanatiker“ heizen den Diskurs auf und dämonisieren die dargestellten Personen oder Gruppen.
- Auch gegenüber Palästinensern werden Negativzuschreibungen vorgenommen, die dem in Deutschland verbreiteten Zuschreibungsfeld „Rassismus“ angehören („hysterisierte Masse“, Rückständigkeit). Seltener sind negative Zuschreibungen zu Palästinensern, die als für diese Gruppe spezifisch angesehen werden. („islamistische Eiferer“, „Märtyrer“).
- Die in der Berichterstattung eingenommenen Perspektiven sind häufig paternalistisch. Die Dargestellten werden dann aus einer vermeintlich unangreifbaren Position von Fortschrittlichkeit, bei der man sich auf erreichte demokratische Errungenschaften beruft, abgewertet. Dabei werden Israel (und die Autonomiegebiete) vornehmlich aus dem Blickwinkel von Mord und Totschlag wahrgenommen. Dass es sich bei Israel um eine in weiten Teilen laizistische Gesellschaft handelt, wird kaum beachtet und kann deshalb keinen Eingang in das durch den Diskurs vermittelte Israel-Bild finden.
! Journalistinnen ziehen sich häufig hinter Zitate in direkter oder indirekter Rede oder/und auf Interviews zurück und bringen damit Kritik oder Sympathie stellvertretend zum Ausdruck. Doch die negativen Symbole und Zuschreibungen, die in solchen Texten vorkommen, zeitigen die gleichen Effekte wie bei Texten von Journalistinnen. Diese Diskurstaktik tritt vorzugsweise dann auf, wenn die israelische Konfliktseite kritisiert wird. - Negative Effekte entstehen auch dadurch, dass den Gräueltaten der einen Seite diejenigen der anderen entgegengestellt werden. Sie diskreditieren beide Seiten, auch wenn dies der Absicht entspringt, dadurch einseitige und vorurteilsbeladene und/oder -erzeugende Berichterstattung zu vermeiden.
- Die verwendete Kollektivsymbolik trägt mit zu einer Dramatisierung und Sensationalisierung der Berichterstattung über die Zweite Intifada bei. Damit wird der gesamte Nahe Osten als quasi naturwüchsiger ‚Brandherd’ inszeniert. Sowohl Israelis wie auch Palästinenser werden durch diese Symbolik in gleicher Weise als unvernünftig und gefährlich dargestellt. Dabei rückt sie gesellschaftliche Konflikte in die Nähe von Naturereignissen oder technischen Prozessen. Diese Gleichsetzung findet ihren beredtesten Ausdruck in dem Symbol von der „Spirale der Gewalt“.
- Der Diskurs über die Zweite Intifada enthält mit den dort produzierten negativen Zuschreibungen zahlreiche Anschlüsse an deutsche historische und aktuelle Diskurse. Auch durch diese Anschlussstellen sind die produzierten Texte oftmals dazu geeignet, in deutschen Diskursen vorhandene antisemitische und rassistische Vorurteile zu reproduzieren oder auch erst herzustellen