Ohne Verantwortung

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Siegfried Jäger rezensiert das Buch von Joachim Krause (Hg.): Kosovo. Humanitäre Intervention und kooperative Sicherheit in Europa Erschienen in DISS-Journal 8 (2001)

Eigentlich genügte ein einziger Satz, wollte man den Stellenwert dieses Machwerks auf den Punkt bringen: Eine reine Apologie des NATO-Krieges auf dem Kosovo einschließlich der grundgesetzwidrigen Beteiligung deutscher Streitkräfte. Doch es sollen zumindest einige Zitate angeführt werden, die möglicherweise dazu geeignet sind, den Kritikern am Krieg ein paar Argumentationshilfen zu liefern.

Da heißt es etwa:

„Mit ihrem Engagement auf dem Balkan übernahm die Bundesrepublik erstmalig gemeinsam und auf derselben Stufe wie die Amerikaner, Briten, Franzosen und andere Partner militärische und politische Verantwortung im Rahmen eines friedensschaffenden Einsatzes der NATO in Europa. Ihr militärischer Beitrag zur Konfliktlösung und Friedensimplementierung umfasste: …“

Es folgen sechs Bereiche, in denen die Deutschen hilfreich waren. Kein Wort zu Grundgesetz und Völkerrecht, nicht der geringste Zweifel an der Richtigkeit und Humanität dieses verheerenden Krieges. Kein Wort über etwaige geopolitische Ziele der NATO und Deutschlands, außer der Parole von der „humanitären“ Intervention.

Und weil´s uns besonders interessiert, auch noch eine offizielle Einschätzung der Medienberichterstattung zum Krieg:

„Betrachtet man – über den Verlauf des Konflikts besehen – das Meinungsbild der Bevölkerung in den westlichen Staaten, kann man der Medienarbeit der jeweiligen Staaten und Organisationen nur Erfolg zusprechen. Niemals in der jüngeren Geschichte war die Zustimmung zu Konfliktbewältigungsmaßnahmen so groß.“

Doch die Medienarbeit hätte auch noch besser sein können:

„Es fehlten NATO-›Feindsender‹ für den Versuch, eine geschlossene innere Opposition zum Entstehen zu bringen oder zu stärken.“

Beklagt wird zudem, „dass die Verzahnung von >Operation< und ›Informationspolitik‹ nicht eng genug war. Es ist zu prüfen, ob man nicht durch eine ›proaktive‹ Abstimmung von geplanten – politischen wie militärischen – Maßnahmen und beabsichtigten Verlautbarungen unterschiedliche Informationsweitergaben hätte vermeiden und wesentlich größere Zeitvorteile und Gestaltungsmöglichkeiten erzielen können.“

Auch die optischen Anreize waren den Militärs offenbar zu flau:

„Auch die – in unserer von der riesigen Medienlandschaft verwöhnten Gesellschaft – so wichtige ›Visualisierung‹ von Informationen ist durchaus noch zu verbessern.“

Zum guten Schluß heißt es:

„Als Fazit gilt: Eine gezieltere, abgestimmtere und proaktive Medienpolitik hätte das Vorgehen der westlichen Staatengemeinschaft wesentlich besser als der gewählte Massenansatz unterstützt.“

(Alle Zitate aus dem Beitrag von Rieks/Weigold, ebd. S. 13ff. Die beiden Herren arbeiten im Planungsstab des Bundesministeriums der Verteidigung Berlin)

Der von Joachim Krause herausgegebene Text ist keineswegs, wie man aufgrund der vorgetragenen Position und des sprachlichen Duktus vermuten könnte, interner Verständigungstext, sondern bewußt an eine (wissenschaftliche) Öffentlichkeit gerichtet. Joachim Krause ist Stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Berlin. Dieser Gesellschaft gehören z.B. auch an: Otto Wolff von Amerongen, Eberhard Diepgen, Klaus von Dohnanyi, Hans Dietrich Genscher, Hans-Olaf Henkel, Roman Herzog, Walter Leisler Kiep, Kohl, Scharping, Waigel, Antje Vollmer, Richard von Weizsäcker, Peter Prinz Wittgenstein.

Joachim Krause (Hg.):
Kosovo
Humanitäre Intervention und kooperative Sicherheit in Europa
227 Seiten, Opladen 2000: Leske + Budrich, 44 DM