Wirrköpfe und Polit-Banditen

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Die LOKI-Foundation vertreibt Nazistisches auf Tonträgern und vergreift sich an Heiner Müller. Von Alfred Schobert. Zuerst erschienen in junge Welt vom 9.1.1997, S. 11

Am 9.12.1996 berichtete jW über eine Doppel-CD zu Ehren der Nazi-Ikone Leni Riefenstahl. Im Artikel wurde erwähnt, daß an dieser vom Rechtsextremisten Werner Symanek betriebenen Re-Popularisierung von Nazi-Kunst auch das „Projekt Turbund Sturmwerk von der L.O.K.I.-Foundation in Aue“ beteiligt ist. Daraufhin fertigte Knut Enderlein für die Plattenfirma L.O.K.I. folgende „Richtigstellung“ an:

„1. Die L.O.K.I.-Foundation ist mit keiner ihrer Formationen an dem Projekt ‚Riefenstahl‘ beteiligt. 2. Turbund Sturmwerk ist keine Formation der L.O.K.I. Foundation, sondern ein eigenständiges Projekt, das von der L.O.K.I Foundation lediglich bei der Veröffentlichung von Tonträgern unterstützt wurde, zuletzt übrigens im Zusammenhang mit einer Aufnahme, die dem berüchtigten ‚Rechtsradikalen‘ Heiner Müller zum ersten Todestag gewidmet ist. Was sonst auch stünde bei einer Formation aus dem ‚heidnischen-faschistischen‘ Sumpf zu erwarten? 3. Eine tatsächliche Formation der L.O.K.I.-Foundation ist beispielsweise Inade, die auf dem Label DRONE eine Schallplatte veröffentlicht haben, die mit Wladimir Majakowski einen Propagandisten der Oktoberrevolution feierte. Dies als Ausdruck ‚faschistischer Gesinnung‘ aufzufassen, sollte – so steht immerhin zu hoffen! – selbst der jungen Welt schwer fallen. 4. Die L.O.K.I. Foundation verfolgt keinerlei politische Interessen, schon gar keine ‚heidnisch-faschistischer‘ Ausprägung.“

Dieses unaufrichtige Gemisch aus argumentativer Inkonsistenz, Halbwahrheiten und bewußten Auslassungen gibt Anlaß, das Treiben der L.O.K.I.-Foundation und ihrer Partner exemplarisch zu beleuchten. Zu den Produkten, die die L.O.K.I. Foundation per Anzeige im rechtsextremen Fanzine Sigill anbietet, gehört Wolverine (im Pelz des Vielfraßes aus der Familie der Raubmarder steckt Gerd Zaunig aus Cottbus). Ganz unpolitisch meinte Zaunig im Interview mit Sigill: „Da ich mich persönlich für die Grausamkeiten des 3. Reiches interessiere, ist Wolverine ein Mittel für mich, dies auch zur Schau zu stellen. Ich bin dabei weder Befürworter noch Verurteiler dieser Sachen, die dort geschahen. Es ist lediglich eine Darstellung, die mir hilft, meine Musik auch optisch umzusetzen.“

Die Ausage ist zu dumm, als daß man sie als Versuch, mit dem Problem der Repräsentation (Vor- und Darstellbarkeit) der Shoa umzugehen, ästhetisch diskutieren müßte. Ästhetisch unter aller Kritik, bleibt ihre ethische und politische Bewertung. Diese Position ist nicht jenseits von Gut und Böse und jenseits des angeblich überkommenen Gegensatzes von links und rechts, sondern schlicht unter aller Sau: Zwecks individuellen Lustgewinns im öffentlichen Ausleben einer Faszination für den Nazi-Terror werden hier die Opfer symbolisch ein weiteres Mal geschunden, gefoltert, getötet – nämlich verheizt für die Illustration von Musik.

Die von Enderlein angesprochene ‚Ehrung‘ Heiner Müllers liegt der jW noch nicht vor. Daß es sich hierbei um den Versuch handelt, den linken Dramatiker zu instrumentalisieren, macht die bisherige Geschichte der Vereinnahmer deutlich: Turbund Sturmwerk ist für ein übles antisemitisches Pamphlet verantwortlich, das unter dem Titel „Sturmgeweiht“ erschien. Gewidmet ist es den Mördern Walter Rathenaus, deren heroische Tat für die völkische Sache gerühmt wird. Daneben enthielt Sturmgeweiht u.a. eine Lobpreisung Julius Langbehns, dessen Buch „Der Rembrandtdeutsche“ zu den großen völkischen Rennern gehörte. Hier qualifizierte sich Turbund Sturmwerk für die Teilnahme an der Riefenstahl-Compilation: Man pries nicht nur Leni Riefenstahls Filme, sondern auch ihre Rhetorik, da sie sich – man beachte das Zitat einer stramm antisemitischen Formulierung! – in ihren Memoiren geschickt eines Zitates des „Relativitäts-Juden“ Einstein bedient habe.

Mit der Feier der Rathenau-Mörder reihte sich ein von der L.O.K.I.-Foundation unterstütztes Projekt in die Tradition der faschistischen Freikorps. Auf diese Tradition politischer Banditen besinnt sich auch die bei L.O.K.I erschienene MCD „This Sun for Europe“ von Dagda Mor. Hier wird Thor Gootes „Wir tragen das Leben“ vertont.

Wer war Thor Goote? Da die Industrial-Avantgarde Nazi-Samples liebt, hier nur leicht gekürzt der Eintrag aus Frank Lennartz‘ „Die Dichter unserer Zeit“ (Stuttgart: Kröner 3. Aufl. 1940): „Goote, Thor (Pseudonym für Dr. J.M. Berg), wurde durch gute Tatsachenromane aus der Kriegs- und Nachkriegszeit bekannt. (…) Die drei zusammenhängenden Bände „Wir fahren den Tod“ (30), „Wir tragen das Leben“ (31) und „Die Fahne hoch“ (32) schildern den Schicksalsweg eines Kämpfers von der Front bis zur Kampfzeit nach dem Kriege. Im ersten ist das Heldentum einer Munitionskolonne beleuchtet, die Tag und Nacht im rasenden Artilleriefeuer ihre Pflicht erfüllt. Die beiden weiteren Bände zeichnen den Weg eines Frontoffiziers nach 1918. An Rhein und Ruhr als Freikorpskämpfer und später als SA-Führer setzt er sich rückhaltlos für sein Vaterland ein: ‚Ich will nicht leben um jeden Preis und nicht hochkommen um jeden Preis. Alles soll für Deutschland sein.‘ Gleiche männliche Haltung zeichnet auch den packenden Tatsachenroman ‚… unvergleichlicher Franke…‘ (35), ‚Bild eines deutschen Soldaten‘, aus, neuaufgelegt als ‚Kamerad Berthold‘ (37). Das Lebensschicksal des Kampffliegers Rudolf Berthold zieht vorüber (…). Der gefürchtete Bombenflieger (…) kämpfte später als Freikorpsführer und im Baltikum und wurde von Kommunisten auf grauenvolle Art ermordet. (…) Das Thema um Richthofen und seine berühmte Jagdstaffel ist später in ‚…’rangehen ist Alles!‘ (Roman um geschichtliches Geschehen, 38) erzählt. Soldatisch gleich dramatisch gespannt auf Grund geschichtlicher Begebenheiten ersteht ein Hohelied vom Leben und Sterben unserer Marineluftschiffer unter ihrem unvergeßlichen Kommandeur Peter Strasser, dem ‚F.d.L Führer der Luftwaffe‘ (mit einem Geleitwort von Generalfeldmarschall Hermann Göring).“

Gootes Text wird bei Dagda Mor völlig distanzlos präsentiert. Die Lokis Mothes und Ernst motzen den in der Industrial-/Noise-Szene verbreiteten naiven Realismus intellektuell auf: Als Kommunikationsstrategie propagieren sie, „Stellungsnahmen und Rechtfertigungen“, also (kritische) Interpretation zu vermeiden, „da es sonst zu einer Beeinflussung des eigentlichen Informationstransportes zwischen Sender und Empfänger kommen würde“.

Es mag Leute geben, die diese Kommunikationsstrategie aufrichtig meinen. Diese bedauernswerten Wirrköpfe sollten begreifen, daß sie von (Proto-) Faschisten in den eigenen Reihen und außerhalb längst schon vereinnahmt sind. Der „eigentliche Informationstransport“ leistet das, was sich die um ein honoriges Image bemühten „Neuen“ Rechten nicht erlauben können: das feierliche Rehabilitieren faschistischer Polit-Banditen. Der intensive Flirt der L.O.K.I. Foundation mit der heidnischen Fraktion des deutschen Faschismus ist offensichtlich. Im Oktober 1993 fand im Dresdner Club Müllerbrunnen ein Konzert von Allerseelen (vgl. jW. v. 5.11.96) und MK U.L.T.T.R.A (L.O.K.I. Foundation) statt, für das in Sigill geworben wurde. „Kulturzirkel Ahnenerbe presents“, lautete der Slogan. Diese Hommage an das SS-Ahnenerbe, das neben esoterischer Germanentümelei auch Menschenexperimente in Konzentrationslagern durchführte, ist illustriert mit einer Abbildung der SS-Ordensburg Wewelsburg.