Erschienen in DISS-Journal 32 (2016)
Als Anfang der 1990er Jahre in Deutschland rassistische Gewaltexzesse stattfanden, bei denen Einwander_innen und Flüchtlinge verletzt und traumatisiert wurden und zu Tode kamen, haben auch wir vom DISS versucht, eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen und zu stärken, in der Rassismus keinen Platz haben sollte. Daran hat sich auch unser Freund Heinrich Strunk beteiligt, in dem er mit künstlerischen Mitteln für Humanität und Gerechtigkeit eintrat. Während seiner Zeit als DISS-Mitarbeiter von 1991 bis 1993 entstanden so ein antirassistischer (immerwährender) Kalender und eine Ausstellung antirassistischer Plakate. Seine Intention war dabei, auf humorvolle Weise andere Sichtweisen in die diskursive Auseinandersetzung zu bringen.
Mit Bestürzung mussten wir erfahren, dass Heinrich Strunk am 9. Oktober 2016 verstorben ist. Wir verlieren mit ihm einen zuverlässigen Weggefährten und langjährigen Freund. Mit dem Abdruck von Teilen der Ansprache, die sein Freund Uwe Loss auf der Trauerfeier hielt, möchten wir die Erinnerung an ihn lebendig halten. (M.J.)
Lieber Heinrich
Beim Versuch, mit Worten ein Bild von Dir zu zeichnen – und das kann nur unvollständig sein – ist Deine Grundeinstellung zu Anderen einer der wichtigsten Aspekte. Du warst kein Lautsprecher, manchmal sogar etwas introvertiert.
Wer Dir begegnete, wusste schnell, dass Du ein ganz besonderer Mensch bist … Du konntest mit dem Herzen denken, das Streben nach Gerechtigkeit war Deine wohl wichtigste Überzeugung. Du warst der Ansicht, dass Menschen durch ihr Wollen, Wissen und Können eine friedfertige und lebenswerte Gesellschaft bilden können. Dabei werden wir künftig auf Deinen Rat und Deine Hilfe verzichten müssen.
Lieber Heinrich
Geboren bist Du 1949 im polnischen Zabrze, übergesiedelt mit 17 Jahren in die Bundesrepublik, nach eigener Aussage für Dich kein einfacher Schritt.
Alles war neu und Du musstest das hier gesprochene Deutsch lernen. Du trafst auf eine Gesellschaft, in der durch das sogenannte Wirtschaftswunder, aber auch durch Studenten- und Protestbewegung vieles im Umbruch war.
In dieser Zeit wurde es für uns alle möglich, freiwillig und mit friedlichen Absichten in fremde Länder zu reisen, Auto zu fahren und in neuen Formen wie Wohngemeinschaften unbehelligt zusammen zu leben.
All dies war für unsere Elterngeneration nicht selbstverständlich, wir waren die ersten, die all das in Anspruch nehmen konnten. Wir waren als Erwachsene die Nach-68er und konnten von vielem profitieren, wie etwa der Enttabuisierung des Sexuellen und dem allmählichen Aufbrechen autoritärer Strukturen. Bei der Gleichstellung von Mann und Frau gab es endlich Fortschritte und es gab zumindest hier keinen Krieg.
Die Bildungsreformen der Siebziger ermöglichten vielen von uns den Hochschulzugang. Nach Deinem Zivildienst studiertest Du „auf Lehramt“ in Duisburg, jedoch war von frühen Kindesbeinen an, das künstlerische Gestalten Deine eigentliche Berufung.
Solange ich Dich kenne, war das Zeichnen und Malen Deine große Leidenschaft. Folgerichtig studiertest Du nach dem ersten Staatsexamen Design an der Folkwang-Hochschule in Essen.
In Deinem eigenen Atelier (ein ehemaliges Waschhaus in einer Wohnsiedlung) hast Du Deinen unverkennbar markanten Stil erarbeitet. Du versuchtest Dich mit immensem Fleiß ständig künstlerisch weiter zu entwickeln, indem Du mit Formen, Farben und Strukturen experimentiertest.
Impressionen von Auslandsreisen lieferten Dir ebenso Impulse wie das genaue Beobachten von Alltagsbegebenheiten und Landschaften am Niederrhein. Zu diesem Zweck warst Du auch oft mit der Fotokamera unterwegs, dabei begleitete Dich in den letzten Jahren meist Dein Dackel „Tito“. Du sahst Dein Atelier als Arbeitsstätte an und sagtest auch oft: „Ich muss noch auf Arbeit“.
Über die Jahre entstanden hunderte Exponate, von denen einige in Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen waren. In den letzten Jahren interessiertest Du Dich auch für die Verbindungen zwischen Musik und Malerei.
Es machte Heinrich Spaß, sein Wissen und Können in Mal- und Zeichenkursen (z.B. an der VHS) weiter zu geben. Gelegentlich gab es kleine Ausflüge in die „Gebrauchskunst“. So gestaltete er Logos für die Studentenkneipe Finkenkrug, Bucheinbände oder entwarf ein antirassistisches Protestplakat nach dem Brandanschlag in Solingen. ….
Ein Künstlerleben ist für die meisten nicht leicht. Großen Respekt hatte ich vor Deiner Stehaufmännchen-Mentalität. Du hast dich auch nach unschönen Erfahrungen nicht hängen lassen – im Gegenteil. Du hast konsequent Auswege verfolgt und Dir Ziele gesetzt.
Für deinen Lebensunterhalt musstest Du immer auch arbeiten, warst Dir aber auch für nichts zu schade. ….
Auch einen anderen Lebensbereich, den ich sehr wichtig finde – nämlich Deinen Humor – möchte ich hervorheben. Heute ist nicht der Tag, Beispiele dafür zu nennen. Aber Dein verschmitztes Lächeln, das oft in herzhaftes Lachen überging und Deine mitunter diebische Freude über bestimmte Begebenheiten sind Dinge, die ich nie vergessen werde.
Überhaupt heißt es ja, nur Menschen, die man vergisst, seien wirklich tot. Daran ist was Wahres. Im Sinne von Demokratie und Menschlichkeit hätten wir immer Seit´ an Seit´ gestanden, dessen bin ich mir sicher. Solche Freunde vergisst man nicht. Viele Gedanken von Dir stimmen mit meiner eigenen Denkrichtung überein. Ich werde sie weitertragen, das ist fest versprochen.
In den letzten Tagen habe ich natürlich besonders viel über Dich nachgedacht. In der Gesamtschau – glaube ich – und das werden wohl Anverwandte und Freunde genauso sehen, hast Du ein erfülltes Leben gelebt, das nur zu früh endete.
Heinrich, du hast es gut gemacht! Und: Du weißt ja: „Niemals geht man so ganz. Ein Teil von Dir bleibt hier.“
Nachtrag 21.11.2016
Siehe auch: Nachruf in der WAZ 3.10.2016:
Kunst-Szene trauert um Strunk
Artikel auf dem Blog von Helmut Loeven (Buchhandlung Weltbühne):
Kalender-Geschichte
In der Buchhandlung Weltbühne sind noch einige Exemplare des Wandkalenders „Jeder ist wie keiner – alle sind wie Du“ erhältlich, den Heinrich Strunk für das DISS gestaltet hat.