Erschienen in DISS-Journal 27 (2014)
In Duisburg leben mehrere tausend Migrantinnen und Migranten, die in den letzten Jahren aus Rumänien und Bulgarien eingewandert sind. Viele von ihnen haben in ihrer neuen Heimat große Probleme: Armut, schlechter Wohnraum zu Wuchermieten, ausbeuterische Arbeitsbedingungen. Von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden sie aber nicht als Menschen, die Probleme haben, sondern in erster Linie als Menschen, die Probleme verursachen. Sie dienen als Sündenböcke und werden als angeblich „integrationsunwillig“ ausgegrenzt und vertrieben.
In Duisburg entstand dadurch eine brisante Situation: Soziale Vernachlässigung, tendenziöse Medienberichte, polizeiliche Dramatisierung von Kleinkriminalität, die den Migrantinnen und Migranten kollektiv zugeschrieben wird, Probleme, die aus einer miserablen Wohnsituation resultieren (Ruhestörung, Müllentsorgung). Bei Protesten von Anwohnerinnen und Anwohnern geht es aber nicht nur um berechtigte Alltagsprobleme, vielfach artikuliert sich drastisch die Verrohung der Mittelschicht. „Raus mit den Zigeunern!“ hieß es in Flugblättern gutsituierter Anwohnerinnen und Anwohner. In einer öffentlichen Facebook-Gruppe wurden Morddrohungen verbreitet wie „Niederbrennen das Dreckspack“ oder „Wir müssen das Rattenpack loswerden!!!“.
Der Antiziganismus ist die in Deutschland am meisten akzeptierte Form von Rassismus. Es besteht eine reale Gefahr von gewalttätigen Übergriffen. Nicht zuletzt die Erinnerungen an die Pogrome in Roststock-Lichtenhagen von 1992, wo gleichfalls Roma ins Visier der rassistisch aufgehetzten Bevölkerung geraten sind, müssen die Zivilgesellschaft in Alarmbereitschaft versetzen.
Die extreme Rechte sieht sich durch die aktuelle Situation bestätigt und ermutigt. Sie sieht sich als Avantgarde und Vollstrecker des vermeintlichen Volkswillens. Der Alltagsrassismus wird von ihr systematisiert und zu einem geschlossenen Weltbild geformt. Die politische Stoßrichtung zielt dabei auf den Sturz des demokratischen Systems oder zumindest auf dessen radikalen antidemokratischen Umbau. Alle relevanten Strömungen der extremen Rechten haben mittlerweile die Themen „Roma“ und „Asyl“ für sich entdeckt. Das äußert sich sowohl in ihrer Propaganda als auch durch konkrete Interventionen vor Ort, die vor allem eine Zuspitzung der Konflikte und eine ideologische Radikalisierung beabsichtigen.
Deshalb ist die Kenntnis extrem rechter Konzepte, Strategien und Vorgehensweisen wichtig, sei es, um die Interventionsversuche der extremen Rechten zu erkennen und zu konterkarieren, sei es, um dumpfen Alltagsrassismus von geschlossenen Weltbildern unterscheiden zu lernen. Vor diesem Hintergrund untersucht das DISS in einer diskursanalytisch angelegten Studie, auf welche Weise die extreme Rechte die Migration aus Südosteuropa und das damit einhergehende antiziganistische Klima nutzt, um ihre Politik zu verbreiten und auf welchen Resonanzboden ihre Bemühungen in der Mitte der Gesellschaft stoßen. Die Ergebnisse werden gegen Ende des Jahres vorliegen.